OGH 11Os135/78

OGH11Os135/788.9.1978

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Borutik und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Dienst, Dr. Piska, Dr. Kießwetter und Dr. Schneider als Richter sowie des Richteramtsanwärters Goldmann als Schriftführer in der Strafsache gegen Florian A und andere wegen des Vergehens der Freiheitsentziehung nach dem § 99 Abs 1 StGB nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Peter B und die Berufung des gesetzlichen Vertreters des Angeklagten Peter B, Rudolf B, gegen das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien als Schöffengericht vom 20.April 1978, GZ 2 Vr 1927/77-24, den Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Peter B sowie die Berufung des gesetzlichen Vertreters dieses Angeklagten werden zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde u.a. der am 20.Dezember 1962 geborene Schüler Peter B des Vergehens der Freiheitsentziehung nach dem § 99 Abs 1 StGB

schuldig erkannt, weil er - in Gesellschaft des Florian A und des Franz C als Beteiligte - am 13.Oktober 1977 Andrea D widerrechtlich gefangen hielt oder sie in anderer Weise am Gebrauch der persönlichen Freiheit hinderte, indem er die Genannte in die Hütte lockte und dort trotz ihrer Gegenwehr gegen ihren Willen ca. 10 Minuten festhielt.

Den Schuldpruch bekämpft der Angeklagte Peter B mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z. 4 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, den Strafausspruch ficht sein gesetzlicher Vertreter mit Berufung an.

Rechtliche Beurteilung

Die Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht gerechtfertigt. Unter Berufung auf den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z. 4 StPO rügt der Beschwerdeführer die Abweisung seines Antrags auf Vornahme eines Lokalaugenscheins darüber, daß der als Polizeibeamte vernommene Zeuge die Tat, so wie er sie schilderte, gar nicht sehen habe können (S. 135 und S. 142 d.A.). Das Erstgericht wies den Beweisantrag mit der Begründung ab, daß die Hütte - in der sich der inkriminierte Vorfall ereignete - bereits abgetragen worden sei und der Zeuge Kurt E eine ausreichende Darstellung der Örtlichkeiten gegeben habe (S. 142 d.A.). Dieser Begründung ist zuzustimmen. Die Vornahme eines Lokalaugenscheins hätte nur dann zu einer überprüfung der Richtigkeit der Aussage des Zeugen Kurt E führen können, wenn das Objekt, in dem sich das zur Anklage führende Ereignis abgespielt hat, im Zeitpunkt der Durchführung der Hauptverhandlung noch vorhanden gewesen wäre.

Eine Besichtigung des Lagerplatzes allein, auf dem die Hütte zur Tatzeit gestanden war, hätte jedenfalls hinsichtlich des vom Angeklagten angestrebten Zwecks nicht zielführend sein können. Die Abweisung des Beweisantrags war daher gerechtfertigt, durch sie konnte der Angeklagte in seinen Verteidigungsrechten nicht verletzt werden.

Insofern der Beschwerdeführer im Rahmen des angeführten Nichtigkeitsgrundes auch geltend macht, es sei völlig unwahrscheinlich, daß ein 14jähriger Bub noch eine strafbare Handlung unternehme, wenn er den Polizeibeamten herankommen sehe, es sei vielmehr wahrscheinlich, daß er seine Freunde warnen werde, im übrigen hätte ein Tritt gegen die Bretter der Hütte das ganze sofort einstürzen lassen und die Zeugin Andrea D hätte sich gar nicht wehren müssen, sie hätte sich nur umzudrehen brauchen, geht er über das von ihm in der Hauptverhandlung angeführte Beweisthema hinaus und führt so den bezeichneten Nichtigkeitsgrund nicht gesetzmäßig aus.

Im übrigen enthalten diese Ausführungen eine Bekämpfung der im Nichtigkeitsbeschwerdeverfahren unanfechtbaren schöffengerichtlichen Beweiswürdigung, sodaß durch sie auch nicht etwa ein Nichtigkeitsgrund in der Bedeutung des § 281 Abs 1 Z. 5 StPO aufgezeigt wird.

Aber auch der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z. 9 lit a StPO liegt nicht vor. Wenn der Beschwerdeführer ausführt, das Festhalten sei ein strafloser Begleitumstand zum Delikt nach dem § 207 StGB , da dieses Delikt ohne ein solches Verhalten auf die angegebene Weise nicht hätte verwirklicht werden können, ist ihm entgegenzuhalten, daß er nicht wegen des von ihm angeführten Delikts, sondern wegen des Vergehens der Freiheitsentziehung nach dem § 99 Abs 1 StGB verurteilt wurde. Bei seinem weiteren Vorbringen, ein vorübergehendes Festhalten einer Frau sei nicht tatbildlich, die kurze Zeit, in der der Zeuge Kurt E die Täter beobachtet haben wolle, reiche keinesfalls aus, um das Delikt nach dem § 99 StGB

zu verwirklichen, negiert er, ebenso wie bei seiner Behauptung, ein Festhalten sei überhaupt nicht festgestellt worden, die Feststellungen des Erstgerichts, daß das Festhalten des Mädchens ca. 10 Minuten gedauert habe (S. 145 d.A.) und daß die Zeugin Andrea D von allen drei Angeklagten festgehalten worden sei (S. 150 d.A.). Letztere Feststellung ergibt sich aus dem Zusammenhang der Wiedergabe der Aussage der Zeugin Andrea D und Kurt E und der Bemerkung des Erstgerichts, 'daß sich schließlich Andrea D nicht freiwillig von den beiden Angeklagten C und B abtasten lassen wolle, geht schon daraus hervor, daß ....' S. 150 d.A.). Im übrigen ist dem Urteil eindeutig zu entnehmen, daß der Beobachtungszeitraum des Zeugen Kurt E (ca. 30 Sekunden) für die Feststellung der Festhaltungsdauer (10 Minuten) nicht maßgeblich war. So gesehen weicht der Beschwerdeführer bei der Ausführung seiner Rechtsrüge in allen Punkten von dem vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt ab und bringt so den materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund der Z. 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO nicht zur gesetzmäßigen Darstellung, weshalb sie unbeachtet bleiben muß. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt gemäß dem § 285 d Abs 1 Z. 1

(285 a), teils als offenbar unbegründet gemäß dem § 285 d Abs 1 Z. 2 StPO bereits in nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen. Aber auch die Berufung des gesetzlichen Vertreters Rudolf B mußte - gemäß dem § 294 Abs 4 StPO - zurückgewiesen werden, weil weder in ihrer Anmeldung noch in der Ausführung (eine solche unterblieb überhaupt) die Punkte, durch die sich der Berufungswerber hinsichtlich seines Sohns beschwert findet, deutlich und bestimmt bezeichnet wurden.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

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