OGH 10Os124/78

OGH10Os124/786.9.1978

Der Oberste Gerichtshof hat am 6. September 1978

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Neutzler und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Harbich, Dr. Bernardini, Dr. Steininger und Dr. Horak als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Hammer als Schriftführer in der Strafsache gegen Helmut A wegen des Verbrechens des versuchten Raubes nach den § 15, 142 Abs. 1, 143 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die vom Angeklagten erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht Linz vom 24. April 1978, GZ. 22 Vr 1066/77-43, nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, nach Verlesung der Berufungsschrift der Staatsanwaltschaft, nach Anhörung der Ausführungen des Verteidigers Dr. Otto Reich-Rohrwig und des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Knob, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in seinem Punkt 2 (Schuldspruch wegen Vergehens des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach den § 15, 269 Abs. 1 StGB) und demgemäß auch im Ausspruch über die Strafe aufgehoben und gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Helmut A ist schuldig, er hat am 1. September 1975 in Ravenna/Italien durch Schläge gegen den Unterarm des Unteroffiziers der öffentlichen Sicherheit in Italien Nello B versucht, diesen zur Unterlassung seiner (des Angeklagten) Festnahme zu nötigen. Helmut A hat hiedurch das Vergehen der versuchten Nötigung nach den § 15, 105 Abs. 1 StGB begangen und wird hiefür sowie für das ihm nach dem aufrecht bleibenden Teil des Ersturteils zur Last fallende Verbrechen des versuchten schweren Raubes nach den § 15, 142 Abs. 1, 143 StGB nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB unter Bedachtnahme auf § 28 StGB und Berücksichtigung gemäß den § 31, 40 StGB des Urteils des Landesgerichts Linz vom 1. Februar 1977, GZ. 22 Vr 1414/76-61 zu einer zusätzlichen Freiheitsstrafe in der Dauer von 4 1/2 (viereinhalb) Jahren verurteilt.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Mit ihren Berufungen werden die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 10. Februar 1946 geborene, zuletzt beschäftigungslose österreichische Staatsbürger Helmut A auf Grund des Wahrspruchs der Geschwornen des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach den § 15, 142 Abs. 1, 143 StGB und des Vergehens des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt nach den § 15, 269 Abs. 1 StGB schuldig erkannt. Von einem weiteren Anklagepunkt (Körperverletzung) wurde er unangefochten freigesprochen.

Die Geschwornen hatten die an sie gerichtete Hauptfrage 1, ob Helmut A schuldig sei, am 1. September 1975 in Ravenna/Italien in Gesellschaft des italienischen Staatsbürgers Francesco C dadurch, daß er die italienische Staatsbürgerin Olimpia D am Hals erfaßte und, während Francesco C auf einem Motorrad mit laufendem Motor wartete, versucht zu haben, ihr mit Gewalt gegen ihre Person eine fremde bewegliche Sache, nämlich ihre Handtasche samt Inhalt mit dem Vorsatz wegzunehmen, sich durch Zueignung der Tasche unrechtmäßig zu bereichern, ebenso einstimmig bejaht, wie die Hauptfrage 2, ob er schuldig sei, am 1. September 1975 in Ravenna dadurch, daß er dem Unteroffizier der öffentlichen Sicherheit in Italien, Nello B, der im Begriffe war, ihn festzunehmen, Schläge gegen den Unterarm versetzte, versucht zu haben, einen Beamten mit Gewalt an einer Amtshandlung zu hindern, einstimmig bejaht. Die Hauptfrage 3 nach Körperverletzung , die in Richtung des § 11 StGB zu den Hauptfragen 1 und 2 gestellte Zusatzfragen (4 und 5) wurden verneint, und eine Reihe weiterer Zusatz- und Eventualfragen (6-12) folgerichtig unbeantwortet gelassen.

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde;

ihr kommt nur zum Teil Berechtigung zu.

Unter Anrufung des Nichtigkeitsgrundes des § 281 Abs. 1 Z 1 StPO - gemeint ist der Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs. 1 Z 1 StPO - behauptet die Beschwerde zunächst, der Vorsitzende des Schwurgerichtshofes sei von der Mitwirkung in der Hauptverhandlung ausgeschlossen gewesen, weil er an einer Haftprüfungsverhandlung am 22. Februar 1978

(S. 227) als Beisitzer teilgenommen habe. Eine Zustimmung, daß der Vorsitzende dennoch die Prozeßführung übernehmen dürfe, habe der Angeklagte nie erteilt.

Rechtliche Beurteilung

Diesem Vorbringen ist zu erwidern, daß gemäß dem § 68 Abs. 2 StPO nur solche Richter von der Mitwirkung und Entscheidung in der Hauptverhandlung ausgeschlossen sind, die in derselben Sache als Untersuchungsrichter tätig waren oder an der Entscheidung über den Einspruch gegen die Versetzung in den Anklagestand teilgenommen haben. Dies trifft auf einen Richter, der lediglich in einer Haftprüfungsverhandlung als Beisitzer tätig gewesen ist, nicht zu (vgl. ÖJZ-LSK 1975/126). Darüber hinaus übersieht der Beschwerdeführer, daß er sich auf den erwähnten Nichtigkeitsgrund selbst im Falle einer Beteiligung eines (tatsächlich) ausgeschlossenen Richters an der Hauptverhandlung gemäß dem § 345 Abs. 2 StPO nur dann berufen könnte, wenn dieser Umstand schon bei Beginn der Verhandlung (oder sogleich nach Kenntnis) geltend gemacht wurde, was hier nicht zutrifft; eine ausdrückliche Zustimmung des Angeklagten zur Mitwirkung eines ausgeschlossenen Richters in der Hauptverhandlung bedarf es nach dem Gesetz nicht.

Ins Leere gehen weiters auch jene Ausführungen des Beschwerdeführers, mit denen er - ebenfalls unter fälschlicher Beziehung auf den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 9 lit. b StPO (mit dem nur schöffengerichtliche Urteile bekämpft werden können) - behauptet, er dürfe wegen der ihm angelasteten Taten zufolge der Bestimmung des § 65 Abs. 4 Z 2 StGB nicht bestraft werden, sei er doch vom zuständigen italienischen Tatortgericht außer Verfolgung gesetzt worden, weil diese Behauptung aktenwidrig und daher sachlich unrichtig ist (vgl. S. 99). Insoweit war die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen. Nicht im Unrecht ist der Beschwerdeführer jedoch, entgegen der Ansicht der Generalprokuratur, soweit er die Auffassung vertritt, seine Verurteilung wegen des Vergehens des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach den § 15, 269 Abs. 1 StGB (in der Nichtigkeitsbeschwerde werden irrig die § 15, 142, 143 StGB angeführt) sei deshalb verfehlt, weil diese Bestimmung nur dem Schutz österreichischer Beamter diene, wogegen der ihm angelastete Widerstand gegen einen ausländischen Beamten gerichtet gewesen sei. Beamter im Sinne des StGB ist in der Tat grundsätzlich nur ein österreichischer Beamter, sodaß den Schutz des § 269 Abs. 1 StGB auch nur österreichische Beamte oder österreichische Behörden genießen. Zwar enthält § 74 Z 4 StGB nicht expressis verbis eine derartige Einschränkung, sie ergibt sich aber zunächst schon daraus, daß die Definition auf spezifisch österreichische Verhältnisse abstellt, indem vom 'Bund, Land, Gemeindeverband, Gemeinde' sowie von 'anderen Personen des öffentlichen Rechts, ausgenommen einer Kirche oder Religionsgesellschaft' die Rede ist, mithin von spezifisch österreichischen Verfassungseinrichtungen (die in anderen Staaten durchaus anders instituiert sein können und es auch oft sind, etwa in einem Einheitsstaat, in dem es keine Länder oder Gemeinden im österreichischen Verfassungssinn gibt); das gilt gleichermaßen auch für 'Bundes-, Landes- oder Gemeindeverwaltung' (§ 74 Z 4 zweite Alternative). Schon ex definitione ist somit der Beamtenbegriff nur auf österreichische Beamte abgestellt. Abgesehen davon ergibt sich diese Einschränkung hier aber auch aus dem Tatbestand des § 269 Abs. 1 StGB selbst. Geschützt sind stets nur inländische hoheitliche Rechtsgüter, die inländische Staatsgewalt, sofern das Gesetz nicht eine Ausnahme vorsieht. Das folgt daraus, daß immer nur der österreichische Staat als solcher gegen Angriffe geschützt wird (vgl. § 242 ff. StGB), während der Schutz ausländischer Staaten nur dort gegeben ist, wo das Gesetz dies normiert (§ 3l6, 317 StGB). Beamte sind aber bloß Staatsorgane (Organwalter), für sie kann nichts anderes gelten wie für den Staat selbst (vgl. hiezu die Marginalrubrik zu § 269 StGB).

Auf die Rechtsprechung und Lehre zu den § 68 und 81 StG kann im Hinblick auf den im § 74 Z 4 StGB anders gestalteten, der Bestimmung des § 269 StGB zugrunde liegenden Beamtenbegriff nicht zurückgegriffen werden. Zutreffend weist somit Marschall in ÖJZ 1974, 430, darauf hin, daß der Schutz des österreichischen Strafrechts grundsätzlich nur österreichischen Beamten zukommt. Eine ausdrückliche Gleichstellung von ausländischen mit inländischen Beamten erfolgte etwa staatsvertraglich im Art. 12 Abs. 2 des Abkommens zwischen Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über die Erleichterung der Grenzabfertigung im Eisenbahn-, Straßen- und Schiffverkehr (BGBl. 1957/240), wonach den Beamten des Nachbarstaats im Gebietsstaat derselbe Strafrechtsschutz zukommt wie den eigenen Beamten des Gebietsstaats. Diese konkrete Ausdehnung wäre entbehrlich, stünde der Schutz des StGB von vornherein stets auch ausländischen Beamten zu. Es sind somit grundsätzlich nur österreichische Beamte von § 74 Z 4 StGB erfaßt und demnach gemäß § 269 Abs. 1 StGB qualifiziert geschützt. Mithin war die Verurteilung des Angeklagten wegen § 15, 269 Abs. 1 StGB, begangen in Italien an einem italienischen Unteroffizier der öffentlichen Sicherheit, rechtlich verfehlt.

Diese Tat des Beschwerdeführers ist aber - entgegen seiner wiederum unrichtig auf § 281 Abs. 1 Z 9 lit. a StPO gestützten Behauptung - nicht strafbar: § 269

StGB ist ein Sonderfall der allgemeinen Nötigung, bei dem die Tatsache, daß der Widerstand gegen einen Beamten gerichtet ist, zu einem höheren Strafsatz führt. Da der Genötigte vorliegend nicht österreichischer Beamter war, kommt zwar nicht § 269 StGB zur Anwendung, eben weil es an der spezifischen Objektqualität fehlt, wohl aber § 105 Abs. 1 StGB Daher wäre der Angeklagte vom Erstgericht richtigerweise nach § 15, 105 Abs. 1 StGB schuldig zu sprechen gewesen, sodaß das angefochtene Urteil insoweit mit der vom Beschwerdeführer der Sache nach geltend gemachten Nichtigkeit gemäß § 345 Abs. 1 Z 12 StPO behaftet ist.

Insoweit war der Schuldspruch zu Punkt 2.) des Ersturteils in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde vom Obersten Gerichtshof sofort zu korrigieren.

Bei der hiedurch notwendig gewordenen Neubemessung der Strafe waren erschwerend zwei einschlägige Vorstrafen des Angeklagten wegen Raubes und mehrere weitere auf der gleichen schädlichen Neigung beruhende Vorstrafen wegen anderer Eigentumsdelikte, sein rascher Rückfall - der Angeklagte war erst am 28. Mai 1975, somit etwa drei Monate vor Begehung der gegenständlichen Straftaten nach Verbüßung einer über ihn wegen des Verbrechens des Raubes (nach den § 190, 192 StG 1945) und einer anderen strafbaren Handlung über ihn verhängten schweren Kerkerstrafe in der Dauer von drei Jahren, auf freien Fuß gesetzt worden - sowie das Zusammentreffen von zwei strafbaren Handlungen. Mildernd war nur der Umstand, daß es bei beiden Straftaten beim Versuch geblieben ist.

Gemäß den § 31, 40 StGB war bei der Strafbemessung auf das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 1. Februar 1977

(rechtskräftig seit dem 28. Juni 1977) Bedacht zu nehmen, mit welchem der Angeklagte wegen des Verbrechens der versuchten Erpressung nach den § 15, 144 Abs. 1, 145

Abs. 1 Z 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von eineinhalb Jahren verurteilt worden ist. Da bei gemeinsamer Aburteilung sämtlicher Straftaten im Hinblick auf das beträchtliche überwiegen der Erschwerungsumstände nicht nur der Zahl, sondern vor allem auch ihrem inneren Gewicht nach eine Gesamtstrafe von sechs Jahren zu verhängen gewesen wäre, war nunmehr eine Zusatzfreiheitsstrafe in der Dauer von viereinhalb Jahren zu verhängen.

Mit ihren Berufungen waren die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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