OGH 9Os80/78

OGH9Os80/7811.8.1978

Der Oberste Gerichtshof hat am 11.August 1978 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Racek und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Schneider, Dr. Steininger und Dr. Horak als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Hammer als Schriftführer in der Strafsache gegen Josef A und einen anderen wegen des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und 2 (erster Fall) StGB

über die von den Angeklagten Josef A und Alois B gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 5. Oktober 1977, GZ 1 a Vr 7091/75-52, erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichtersatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, der Ausführungen der Verteidiger Dr. Edenburg und Dr. Neureiter und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Tschulik, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Den Berufungen wird Folge gegeben und es werden die Strafen wie folgt herabgesetzt:

Die über Josef A für das ihm laut den nach der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 24.Mai 1977, GZ 9 Os 152/76-6, aufrecht gebliebenen Punkten 1 und 2

des seinerzeitigen Urteils (vom 4.Juni 1976, GZ 1 b Vr 7091/75-35) zur Last fallende Vergehen des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB und das den Gegenstand des nunmehrigen Schuldspruchs bildende Vergehen der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 (erster Fall) StGB

nach dem ersten Strafsatz des § 133 Abs 2 - zu ergänzen:

und § 28 - StGB verhängte (dreijährige) Freiheitsstrafe auf 2 (zwei) Jahre;

die über Alois B verhängte Freiheitsstrafe auf 10 (zehn) Monate. Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 13.Dezember 1939 geborene Josef A und der am 28.Oktober 1949

geborene Alois B im zweiten Rechtsgang des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und 2 (1. Fall) StGB

schuldig erkannt, weil sie sich am 10.März 1975 in Wien eine ihnen von Walter C durch übergabe zu treuen Handen anvertraute Geldsumme von S 100.000,-- durch Verbrauch für Eigenzwecke mit dem Vorsatz zueigneten, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern. Im ersten Rechtsgang war Josef A des Verbrechens des (schweren) Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3

StGB (in 3 Fällen) und Alois B des Vergehens des (schweren) Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB (in einem dieser Fälle) schuldig erkannt worden. Mit Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 24.Mai 1977, GZ 9 Os 152/76-6, wurde dieses Urteil jedoch im - das nunmehr als Veruntreuung gewertete Faktum betreffenden - Schuldspruch beider Angeklagter wegen des zu Punkt 3 des Urteilssatzes bezeichneten Betruges (und demgemäß beim Angeklagten A auch im Ausspruch, daß der durch ihn verursachte Schaden S 100.000,-- übersteige sowie in jenem über die rechtliche Beurteilung der betrügerischen Handlungen des Angeklagten A als Verbrechen des /schweren / Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB ), ferner in den gegen die beiden Angeklagten ergangenen Strafaussprüchen (sowie teilweise im Adhäsionserkenntnis) aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen; die Schuldsprüche wegen der zu Punkt 1

und 2 des Urteilssatzes bezeichneten betrügerischen Handlungen des Angeklagten A (mit einem Schaden von S 96.350) blieben unberührt. Den nunmehrigen Schuldspruch bekämpfen beide Angeklagte aus dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z. 9

lit a StPO , Alois B darüber hinaus auch unter Anrufung der Z. 5 der zitierten Gesetzesstelle.

Rechtliche Beurteilung

Die Nichtigkeitsbeschwerden sind nicht begründet.

Soweit der Angeklagte B - der Sache nach primär aus dem materiellen Nichtigkeitsgrund - geltend macht, das Erstgericht lasse (rechtlich) ungewürdigt, daß den getroffenen Feststellungen zufolge die den Treuhanderlag betreffende Rückzahlungsverpflichtung in eine Darlehensverbindlichkeit umgewandelt worden sei, genügt es, auf die bezüglichen Ausführungen in der - in dieser Sache ergangenen obangeführten - Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 24.Mai 1977 zu verweisen (vgl. S. 298 d. A.), durch welche der behauptete Nichtigkeitsgrund i.S. des § 285 d Abs 1 Z. 1 StPO bereits beseitigt ist; denn auch bei rechtlicher Beurteilung als Veruntreuung ist - wie schon dort hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht wurde (S. 301 f.) - nur das Verhalten der Angeklagten und ihr inneres Vorhaben zur Tatzeit entscheidungswesentlich, die mit dem Geschädigten nachträglich getroffene Vereinbarung (vom 17.April 1975) über eine Erstattung des durch die Zueignung des Treuhanderlages verursachten Vermögensschadens in Form von Darlehensrückzahlungsraten hingegen für ihre strafrechtliche Verantwortlichkeit nicht relevant. Im übrigen bezeichnen beide Beschwerdeführer - in (weiterer) Ausführung der Rechtsrüge - die Annahme des Erstgerichtes, sie hätten mit dem Vorsatz gehandelt, sich durch die widmungswidrige Zueignung des ihnen von Walter C treuhändig übergebenen Betrages von S 100.000,--

unrechtmäßig zu bereichern, weil sie nicht im Zeitpunkt der Zueignungshandlung, sondern erst nach vollständigem Verbrauch dieses Geldbetrages - eine Woche nach Errichtung des Darlehensvertrages - daran dachten, Gegenforderungen aus dem Titel der Provision geltend machen zu können, als rechtlich verfehlt. Entscheidend sei vielmehr nur, daß ihnen im Tatzeitpunkt ein fälliger Anspruch auf eine Provision in Höhe von je 5 % der vereinbarten Ablösesumme (von S 900.000,-- zuzüglich Mehrwertsteuer) gegen beide Vertragspartner zugestanden sei.

Auch dieser Einwand ist nicht stichhältig.

Bei der Veruntreuung besteht die Tathandlung im Zueignen eines anvertrauten Gutes für sich oder einen Dritten, worunter (nach ständiger Rechtsprechung) die überführung dieses Gutes bzw. des in ihm verkörperten Werts durch den Täter - wenn auch nicht für ständig - in das eigene freie Vermögen oder jenes eines Dritten verstanden wird. Denn dadurch wird das anvertraute Gut dem (wirtschaftlichen) Machtbereich des Berechtigten entzogen und sein Wert für Zwecke des Täters (oder eines Dritten) flüssig gemacht. Auf der inneren Tatseite verlangt das Gesetz ferner Bereicherungstendenz, d.h. mit dem Zueignungsakt muß der Vorsatz des Täters verbunden sein, sein oder eines Dritten Vermögen auf die geschilderte Weise - zumindest für einen nicht unerheblichen Zeitraum - um den durch das erlangte Gut repräsentierten wirtschaftlichen Wert zu vermehren, ohne daß hiefür ein von der Rechtsordnung gebilligter Grund vorliegt (vgl. 12 Os 6/77, 10 Os 41/77 u.a.). Entscheidend ist demnach, wie das Erstgericht richtig erkannt hat, nur, ob der Täter im Tatzeitpunkt der Zueignung mit Bereicherungstendenz handelt. Daß durch die Tathandlung eine dauernde Vermehrung des faktischen Vermögens des Täters (oder eines Dritten) auch tatsächlich bewirkt wird, ist hingegen für die Tatbestandsverwirklichung nicht erforderlich und die Veruntreuung schon mit der in Bereicherungstendenz erfolgten widerrechtlichen Begründung der wirtschaftlichen Macht über das anvertraute Gut vollendet.

Aus all dem folgt, daß das bloße Gegenüberstehen von Forderungen für sich allein noch nicht ausreicht, den für den Tatbestand der Veruntreuung erforderlichen Bereicherungsvorsatz auszuschließen, sondern daß der Bestand einer Gegenforderung in strafrechtlicher Hinsicht nur dann von Bedeutung ist, wenn der Täter bei der Zueignung mit dem Willen handelt, einen bestehenden oder vermeintlichen Anspruch durch Aufrechnung zu befriedigen, wofür als wesentliches Indiz gilt, daß er seinem Partner die Tatsache der Aufrechnung bekannt gibt (vgl. ÖJZ-LSK. 1978/187, SSt. 29/89, 46/14 u. a.m.; Leukauf-Steininger, 676).

Diese Voraussetzungen sind bei den zwei Angeklagten nicht erfüllt. Nach den Urteilsfeststellungen stand ihnen zwar möglicherweise eine (ortsübliche) Provision in Höhe von je 5 % gegenüber ihren beiden Vertragspartnern Walter C und Hans D (an sich) zu. Im maßgeblichen Zeitpunkt der Zueignungshandlung dachten sie aber (ihrer eigenen Verantwortung nach) nicht im entferntesten daran, Gegenforderungen aus dem Titel der Provision aufrechnungsweise geltend zu machen. Vielmehr eigneten sie sich die vom übergeber Walter C ausdrücklich als Anzahlung für den von ihnen vermittelten Ablöse- und Pachtvertrag gewidmeten und von ihnen treuhändig übernommenen S 100.000,--

widerrechtlich zu und verbrauchten sie für eigene Zwecke; erst eine Woche später, nachdem sie sich durch Unterfertigung eines 'Darlehensvertrages' zur Rückzahlung dieser Summe verpflichtet hatten, kamen sie auf den Gedanken, eine Provision von ihren Vertragspartnern zu fordern, machten aber eine solche - auch weiterhin - tatsächlich nicht geltend (vgl. S. 348 ff. d.A.). Aus diesen Tatsachenfeststellungen leitete das Erstgericht in rechtlicher Hinsicht zutreffend ab, daß mangels Aufrechnungswillens im Zeitpunkt der Zueignungshandlung der Vorsatz der Angeklagten auf eine - nach dem Gesagten auch durchaus mögliche - unrechtmäßige Bereicherung (durch Vermehrung ihres Vermögens) gerichtet war, woran ihr der Vollendung des Deliktes nachfolgender Kompensationswille nichts zu ändern vermag.

Dem bekämpften Ausspruch haften - den Beschwerdeausführungen des Angeklagten B zuwider - auch keine Feststellungsmängel an. Denn im Hinblick darauf, daß nach dem Gesagten mangels Aufrechnungswillens im Tatzeitpunkt selbst der tatsächliche Bestand einer (kompensablen) Gegenforderung die Angeklagten nicht zu exkulpieren vermöchte) das Erstgericht bei der Beantwortung der in Rede stehenden Rechtsfrage von einer wirklich bestehenden Forderung ausging, blieb für eine Erörterung der Frage, ob die Angeklagten eine (bloß) vermeintliche Forderung befriedigen wollten, kein Raum.

Die unbegründeten Nichtigkeitsbeschwerden waren sohin zu verwerfen. Das Erstgericht verhängte über die beiden Angeklagten nach dem ersten Strafsatz des § 133 Abs 2 StGB Freiheitsstrafen und zwar über Josef A 'unter Berücksichtigung des Urteiles des Obersten Gerichtshofes vom 24.Mai 1977, AZ. 9 Os 152/76' eine solche in der Dauer von drei Jahren und über Alois B eine solche im Ausmaß eines Jahres, wobei hinsichtlich dieses Angeklagten die Strafe gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wurde.

Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht als erschwerend bei beiden Angeklagten den hohen Schaden ('der die Wertgrenze fast um das Zwanzigfache übersteigt'), bei Josef A ferner die (schwere) einschlägige Vorstrafe, die Wiederholung der Tathandlungen und das Zusammentreffen verschiedener Straftaten; als mildernd nahm es hingegen bei beiden Angeklagten den Umstand an, daß ihnen ihre strafbare Handlung sehr leicht gemacht worden war, außerdem bei Josef A die teilweise Schadensgutmachung und bei Alois B die Unbescholtenheit.

Mit ihren Berufungen streben beide Angeklagte eine Herabsetzung des Strafausmaßes an.

Die Berufungen sind begründet.

Das Erstgericht hat zwar die Strafzumessungsgründe (auch wenn es sich - formell - nicht an deren Umschreibung in den §§ 33, 34 StGB hielt, doch) der Sache nach bei beiden Angeklagten im wesentlichen richtig festgestellt;

es hat jedoch bei deren Bewertung einerseits dem Umstand, daß die einschlägige Vorverurteilung des Josef A, über den es faktisch - ohne stichhaltige Begründung hiefür -

die gesetzliche Höchststrafe verhängte mehr als ein Jahrzehnt zurückliegt, zu geringe Bedeutung beigelegt und andererseits bei Alois B dessen bisherigen ordentlichen Lebenswandel nicht hinreichend berücksichtigt.

Die über die beiden Angeklagten verhängten Strafen wurden daher in Stattgebung ihrer berechtigten Berufungen auf das aus dem Spruch ersichtliche, vom Obersten Gerichtshof als tatschuldangemessen erachtete Ausmaß reduziert.

Dabei wurde in bezug auf den Angeklagten A gleichzeitig klargestellt, daß die Strafe - wie das Erstgericht durch die Worte:

'unter Berücksichtigung des Urteiles des Obersten Gerichtshofes vom 24.5.1977, AZ. 9 Os 152/76' nur in formell ungenügender Weise zum Ausdruck brachte - für das ihm laut den (nach der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 24.Mai 1977, GZ 9 Os 152/76-6, aufrecht gebliebenen) Punkten 1 und 2 des seinerzeitigen Urteils (vom 4.Juni 1976, GZ 1 b Vr 7091/75-35) zur Last fallende Vergehen des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB

und das den Gegenstand des nunmehrigen Schuldspruchs bildende Vergehen der Veruntreuung nach §§ 28, 133 Abs 2

(erster Strafsatz) StGB festgesetzt wurde. Auf das zwischenzeitig gegen A ergangene rechtskräftige Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 18.Jänner 1978, GZ 1 b Vr 9419/77-24, konnte nicht gemäß §§ 31 und 40

StGB Bedacht genommen werden, weil damit auch nach der Fällung des hier angefochtenen Urteils erster Instanz verübte Betrügereien geahndet wurden, die mithin nach der Zeit ihrer Begehung nicht im gegenständlichen Verfahren hätten abgeurteilt werden können. Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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