Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß dem § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 3.Juni 1944 geborene Hilfsarbeiter Kuddusi A - ein türkischer Staatsangehöriger - des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach dem § 87 Abs. 1 StGB. (Punkt I des Urteilssatzes) und des Verbrechens der Verleumdung nach dem § 297 Abs. 1 StGB. (Punkt II des Urteilssatzes) schuldig erkannt, weil er in Ebreichsdorf zu I: am 28.Mai 1977 dem Haydar B durch drei Messerstiche in die linke Brustseite absichtlich eine schwere Körperverletzung, nämlich eine Eröffnung der linken Brustseite mit Pneumothorax, eine Durchtrennung der Schulterblattschlagader und eine Stichverletzung des Zwerchfells zufügte; zu II: am 29.Mai 1977 und am 6.Juni 1977 den Hamdi C dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung aussetzte, daß er ihn durch die Behauptung vor dem Gendarmerieposten Ebreichsdorf, nicht er, sondern Hamdi C habe dem Haydar B die zu I angeführten Stichverletzungen zugefügt, des von Amts wegen zu verfolgenden, mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohten Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach dem § 87 Abs. 1 StGB. falsch verdächtigte, wobei er wußte, daß die Verdächtigung falsch war.
Diese Schuldsprüche bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs. 1 Z. 4, 5, 9 lit. a und 10 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Eine den erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund verwirklichende Verletzung von Verteidigungsrechten erblickt der Beschwerdeführer in der Abweisung seiner in der Hauptverhandlung gestellten Anträge auf Vornahme eines Lokalaugenscheins zwecks Rekonstruktion des Vorfalls und Aufklärung der widersprüchlichen Angaben der vernommenen Personen (S. 192 und 206) und auf Einholung eines ergänzenden - weiteren - Gutachtens des Instituts für gerichtliche Medizin der Universität Wien zum Beweis dafür, daß für die Führung von drei Stichen - entgegen der Auffassung des dem Verfahren beigezogenen gerichtsärztlichen Sachverständigen Dr. D - weniger als 30 Sekunden benötigt werden (S. 206).
Rechtliche Beurteilung
Die Verfahrensrüge ist unbegründet.
Der Beschwerdeführer vermag keine konkreten Tatumstände darzutun, die durch die Vornahme eines Ortsaugenscheins unter Mitwirkung der Tatzeugen (und des Zeugen Rudolf E) erweisbar gewesen wären und auf Grund deren das Erstgericht zu anderen Verfahrensergebnissen hätte gelangen können. Daß die Stichverletzung dem Haydar B in dem an das Gastzimmer angrenzenden, unbeleuchteten Extrazimmer des Gasthauses E zugefügt wurde, in welches der Angeklagte und Haydar B im Zug ihrer tätlichen Auseinandersetzung gerieten, und daß sich zur Tatzeit außer diesen beiden dort nur noch Hamdi C befand, blieb im Verfahren unbestritten. über die räumlichen Gegebenheiten am Tatort liegen widersprüchliche Angaben nicht vor. Dem Erstgericht ist daher beizupflichten, daß die begehrte Beweisaufnahme über die entscheidungswesentliche, von keinem weiteren Zeugen beobachtete Phase des Geschehens im Extrazimmer zur Wahrheitsfindung nicht wesentlich hätte beitragen können (S. 228).
Mit Recht hielt das Erstgericht aber auch die Einholung eines weiteren gerichtsärztlichen Sachverständigengutachtens für entbehrlich. Die Verantwortung des Angeklagten, Hamdi C habe auf ihn zustechen wollen und irrtümlich Haydar B getroffen, erachtete das Schöffengericht im wesentlichen schon auf Grund der Aussagen der vernommenen Zeugen für widerlegt. Hiebei zog es in Erwägung, daß diese Verantwortung die Mehrzahl der Stiche (und das Verhalten des Angeklagten nach der Tat) nicht zufriedenstellend erklären könne und daher schon deshalb als unwahrscheinlich zu bezeichnen sei, zumal die Zufügung dreier Stiche hintereinander doch einen gewissen ausreichenden Beobachtungszeitraum voraussetze (S. 227). Mit dieser einleuchtenden Erwägung des Erstgerichts stünde aber nicht in Widerspruch, wenn die Dauer der Führung von drei Stichen, wie der Beschwerdeführer behauptet, kürzer anzunehmen wäre, als im Gutachten des gerichtsärztlichen Sachverständigen Dr. D zum Ausdruck kommt. Zum Nichtigkeitsgrund der Z. 5 des § 281 Abs. 1 StPO. bezeichnet der Beschwerdeführer das Urteil als mangelhaft begründet, weil es unter Mißachtung des Zweifelsgrundsatzes (in dubio pro reo) seine Verantwortung als unglaubhaft abstemple, den Aussagen der Belastungszeugen jedoch Glauben schenke, wobei es Widersprüche in seiner Darstellung zu seinem Nachteil auslege, auf Seiten der Zeugen dagegen als nicht ihrer Glaubwürdigkeit abträglich beurteile. Die Mängelrüge versagt.
Gemäß dem § 258 Abs. 2 StPO. hat das Gericht die Beweise auf ihre Glaubwürdigkeit und Beweiskraft sowohl einzeln als auch in ihrem inneren Zusammenhang sorgfältig und gewissenhaft zu prüfen und über die Frage, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist, letztlich nach seiner freien, aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnenen überzeugung zu entscheiden. Im vorliegenden Fall wird im angefochtenen Urteil ausführlich dargelegt, aus welchen Gründen das Schöffengericht die Verantwortung des Angeklagten als unglaubwürdig beurteilte. Hiebei wird auf den Umstand, daß der Täter drei Stiche geführt hat, was gegen die Version des Angeklagten spreche, Hamdi C habe ihn stechen wollen, aber irrtümlich Haydar B getroffen, sowie darauf verwiesen, daß der Angeklagte nicht zufriedenstellend habe aufklären können, warum er den Tatort sofort nach dem Vorfall verlassen hat, und auf einem Holzlagerplatz aufgegriffen werden mußte (S. 221). Das Schöffengericht begründete aber auch ausreichend, auf Grund welcher Erwägungen es die Aussagen der Zeugen Haydar B und Hamdi C hinsichtlich ihrer Glaubwürdigkeit und Beweiskraft positiv beurteilte und den Einzelheiten des Tatgeschehens betreffenden Widersprüchen in diesen Aussagen keine entscheidende Bedeutung beimaß. Es erörterte ferner die Aussage des Zeugen Avsar F, wonach der Angeklagte ein Messer in Händen gehabt und der Verletzte beim Verlassen des Extrazimmers geäußert hat, 'Jonny' - gemeint der Angeklagte -
habe ihn gestochen (S. 225). Aus all diesen in ihrem inneren Zusammenhang gewürdigten Umständen konnte das Erstgericht aber ohne Widerspruch mit den Denkgesetzen und der allgemeinen Lebenserfahrung zur überzeugung der Täterschaft des Angeklagten gelangen. So gesehen erweist sich das weitwendige Vorbringen der Mängelrüge als eine im Nichtigkeitsverfahren unzulässige und demnach unbeachtliche Bekämpfung der unter Verwertung aller wesentlichen Verfahrensergebnisse denkrichtig und zureichend begründeten Beweiswürdigung des Schöffengerichts.
Soweit der Beschwerdeführer aber unter dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO. einwendet, es fehle für den Schuldspruch wegen absichtlicher schwerer Körperverletzung nach dem § 87 Abs. 1 StGB. an ausreichenden Feststellungen und an einer 'zweifelsfreien' Begründung, zieht er abermals nur die Richtigkeit dieses Schuldspruchs und die ihr zugrundeliegende Beweiswürdigung in Zweifel; damit setzt er sich über die im Urteil getroffenen Tatsachenfeststellungen hinweg und bringt den angerufenen materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund nicht zur gesetzmäßigen Darstellung.
Mit der Behauptung, das Erstgericht habe sich nicht mit der Frage befaßt, ob er in Ansehung des Faktums I allenfalls in Ausübung gerechter Notwehr gehandelt habe, macht der Beschwerdeführer ferner der Sache nach den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. b StPO. geltend, doch liegt der insoweit behauptete Feststellungsmangel nicht vor.
Aus den Urteilsannahmen, wonach der Angeklagte nach der ersten Phase der tätlichen Auseinandersetzung das Gastzimmer verließ und kurz darauf dort neuerlich, mit einem Messer in der Hand, erschien und mit Haydar B - sofort - in ein Handgemenge geriet, folgt nämlich, daß es zum einen der Angeklagte unterließ, einer neuerlichen Konfrontation mit seinem Gegner rechtzeitig auszuweichen, obwohl ihm ein solches Ausweichen nach Lage des Falls möglich und zumutbar war, und zum anderen hier nach überzeugung des Schöffengerichts kein das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Unversehrtheit betreffender tätlicher Angriff des Haydar B auf den Angeklagten, sondern ein - seitens des Verletzten waffenlos ausgetragener - Raufhandel vorlag, an welchem sich der Angeklagte unter Verwendung eines Messers aktiv beteiligte. Unter solchen festgestellten Tatumständen war aber die rechtliche Annahme rechtfertigender Notwehr von vornherein ausgeschlossen;
weiterer Feststellungen zu der vom Beschwerdeführer aufgeworfenen Frage bedurfte es mithin nicht.
Schließlich bekämpft der Beschwerdeführer unter Anrufung der Z. 10, sachlich jedoch aus dem Grund der Z. 9
lit. a des § 281 Abs. 1 StPO. seinen Schuldspruch wegen des Verbrechens der Verleumdung nach dem § 297 Abs. 1 StGB. mit der Begründung, er habe durch seine Angaben vor dem Gendarmerieposten Ebreichsdorf die Grenzen der ihm zustehenden Verteidigungsrechte nicht überschritten, weil ihm keine andere Wahl geblieben sei, als Hamdi C der Täterschaft zu bezichtigen; hiezu komme, daß er C nur durch sein volles und umfassendes Geständnis an Ort und Stelle vor Verhaftung und behördlicher Verfolgung hätte bewahren können.
Diese Rüge ist gleichfalls unstichhältig.
Wie sich aus den Bestimmungen der § 199 ff. StPO.
ergibt, besteht zwar für jeden einer Straftat Beschuldigten grundsätzlich die Möglichkeit, bei seiner Vernehmung über diese Straftat straflos die Unwahrheit zu sagen. Damit ist aber kein Freibrief ausgestellt, andere Personen fälschlich eines strafbaren Verhaltens zu bezichtigen. Es ist daher zwar das bewußt wahrheitswidrige Bestreiten der Richtigkeit belastender Angaben anderer zulässig. Stellt jedoch der Verdächtige darüber hinaus zwecks Abwehr des gegen ihn erhobenen Vorwurfs, eine bestimmte Straftat begangen zu haben, wissentlich unwahre Behauptungen auf, die die strafrechtlich geschützte Sphäre Dritter berühren, so handelt er rechtswidrig und verantwortet sohin unter der Voraussetzung, daß er mit seiner Falschverdächtigung (wegen eines Offizialdelikts) einen anderen - vorsätzlich -
der Gefahr einer behördlichen Verfolgung aussetzt, Verleumdung gemäß dem § 297 Abs. 1 StGB.
Im vorliegenden Fall beschränkte sich der Angeklagte gegenüber den Beamten des Gendarmeriepostens Ebreichsdorf nun nicht auf eine bloße Bestreitung der ihm vorgeworfenen Tat, sondern beschuldigte Hamdar C bewußt wahrheitswidrig und konkret, insbesondere durch die Behauptung, er habe bei dem Genannten eine Bewegung seiner Hand wahrgenommen, die zum Hosenbund führte und so aussah, als ob er ein Messer eingesteckt hätte (S. 42, 75, 195), der Täterschaft. Eine solche konkrete Falschbeschuldigung (in Richtung des § 87 Abs. 1 StGB.) überschreitet nach dem Gesagten die Grenzen des Verteidigungsrechts des Angeklagten. Da das Erstgericht überdies annahm, daß der Angeklagte den Hamdi C zumindest dolo eventuali der Gefahr behördlicher Verfolgung wegen absichtlicher schwerer Körperverletzung aussetzte, haftet der Unterstellung dieses Tatverhaltens unter den § 297 Abs. 1 StGB. ein Rechtsirrtum nicht an.
Es war sohin die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen. Das Erstgericht verhängte über den Angeklagten nach dem § 87 Abs. 1 StGB. unter Bedachtnahme auf § 28 StGB.
eine Freiheitsstrafe in der Dauer von eineinhalb Jahren. Bei der Strafbemessung wertete es die einschlägige Vorstrafe und das Zusammentreffen von zwei Verbrechen als erschwerend und berücksichtigte demgegenüber 'eine allfällige, wenn auch zum Teil falsch verstandene Provokation des Angeklagten am Beginn der tätlichen Auseinandersetzung' als mildernd.
Mit seiner Berufung strebt Kuddusi A die Herabsetzung sowie die bedingte Nachsicht der über ihn verhängten Strafe an. Die Berufung ist nicht begründet.
Zu Lasten des Angeklagten fällt besonders ins Gewicht, daß der Verleumdete wirklich in Untersuchung gezogen wurde, sich vom 29.Mai 1977 bis 5.Juli 1977 in Untersuchungshaft befand und daß die Voruntersuchung gegen ihn gar erst am 21.Oktober 1977 eingestellt worden ist. Die als sehr schwer zu bezeichnende absichtliche Schädigung eines Menschen an seiner Gesundheit und die nicht minder schwere Beeinträchtigung eines anderen Menschen an seiner Freiheit und an seinem guten Ruf lassen das in erster Instanz gefundene Strafmaß keinesfalls als zu streng erscheinen. Im übrigen ist die allfällige Provokation des Angeklagten seitens des Verletzten ohnedies vom Schöffengericht bereits als mildernd berücksichtigt worden. Die weiteren Berufungsausführungen bringen in Wahrheit keinen Milderungsgrund zur Darstellung.
Der beantragten Gewährung der bedingten Strafnachsicht stehen die spezial- und generalpräventiven Erfordernisse des § 43 Abs. 2 StGB. entgegen.
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