OGH 13Os54/78

OGH13Os54/7829.6.1978

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. Juni 1978 unter dem Vorsitz des Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Pallin und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller, Dr. Kießwetter, Dr. Friedrich und Dr. Horak als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Schertler als Schriftführer in der Strafsache gegen Manfred A wegen des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs 1 StGB über die vom Angeklagten erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Kreisgerichtes Leoben als Schöffengericht vom 14. Oktober 1977, GZ 11 Vr 924/77-14, nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr, Friedrich, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Berger und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Karollus, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Fernmeldewerkmeister Manfred A des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt, begangen dadurch, daß er in der Zeit zwischen dem März 1976 und dem Jänner 1977 in Kapfenberg als Führer eines Bautrupps der Österreichischen Post- und Telegraphenverwaltung mit dem Vorsatz, andere an ihren Rechten zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich mißbrauchte, indem er (I) in vier Fällen ihm zur Auszahlung von Neben- und überstundengebühren an Bedienstete seines Bautrupps übergebene Geldbeträge in der Gesamthöhe von 8.708,40 S sich zueignete und (II) zum Schaden der Österreichischen Post- und Telegraphenverwaltung für von Bediensteten seines Bautrupps tatsächlich nicht geleistete überstunden 18.028,60 S verrechnete und für sich behielt. Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen oblag dem Angeklagten unter anderem die Erwirkung der notwendigen überstundenbewilligungen sowie die Verrechnung und die Auszahlung der überstunden- und der Nebengebühren an die ihm zugeteilten Bediensteten. Nach der Genehmigung der betreffenden Vorgänge durch das Telegraphenbauamt Graz erhielt er letztlich die Auszahlungslisten, an Hand deren er die erforderlichen Beträge mit einem Geldzuschußbuch bei einem Postamt zu beheben und an die Adressaten auszuzahlen oder anzuweisen hatte. Dabei behielt er die vorerwähnten Gebühren, die er zum Teil für gar nicht geleistete überstunden berechnet hatte, nach ihrer Behebung für sich;

die Unterschriften der in den Listen bezeichneten Empfänger machte er nach.

Rechtliche Beurteilung

Der auf den § 281 Abs 1 Z. 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen diesen Schuldspruch kommt keine Berechtigung zu.

Verfehlt ist zunächst die Ansicht des Beschwerdeführers, er sei bei dem ihm zur Last liegenden Tatverhalten im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung (der Österreichischen Post) tätig geworden. Denn auf dem Gebiet des Fernmeldewesens tritt der Bund (vgl. Art. 10 Abs 1 Z. 9 B-VG) als Träger der Fernmeldehoheit auf, die im Fernmeldegesetz (BGBl. 1949/170 i.d.g.F., insbesondere § 2 und Abschnitt II) determiniert ist und die er durch eigene Behörden ausübt (§§ 10, 11 FernmeldeG.); die Erledigung von Angelegenheiten des Fernmeldewesens, wie sie dem Angeklagten oblag, fällt demnach in den Bereich der - 'in Vollziehung der Gesetze' erfolgenden - Hoheitsverwaltung (vgl. Art. 23 Abs 1 und Abs 5 B-VG.). Ferner trifft es, der Rechtsrüge des Beschwerdeführers neuerlich zuwider, nicht zu, daß ein Mißbrauch der Amtsgewalt nur durch die Tathandlung eines mit 'imperium' ausgestatteten Organs in dessen typischer Funktion als Hoheitsträger begangen werden könnte. Der beim § 302 StGB bloß in der überschrift vorkommende Begriff 'Amtsgewalt' bedeutet nämlich nach dem Inhalt dieser Strafbestimmung nicht mehr als die Befugnis (im Namen eines der dort bezeichneten Rechtsträger als dessen in Vollziehung der Hoheitsverwaltung tätiges Organ) 'Amtsgeschäfte' vorzunehmen: darunter sind nicht nur Rechtshandlungen zu verstehen, sondern auch Verrichtungen rein tatsächlicher Art, mit denen keine Befehls- oder Zwangsgewalt verbunden ist ( 10 0s 117/77 vom 18. Mai 1978, verstärkter Senat = RZ. 1978/63).

Der Sache nach gegen ebendiese Annahme, daß die ihm oblegene Gebarung mit überstunden- und Nebengebühren als Vornahme von Amtsgeschäften zu beurteilen sei, wendet sich der Angeklagte mit dem weiteren Einwand, seine inkriminierte Tätigkeit habe sich nicht direkt auf einen Adressatenkreis erstreckt, auf den sich der öffentliche Auftrag der Post beziehe, sondern nur auf die Postorganisation selbst. Auch diese Rüge versagt.

'Amtsgeschäfte' im Sinn des § 302 Abs 1 StGB sind alle Verrichtungen, die zur unmittelbaren Erfüllung der Vollziehungsaufgaben eines der dort angeführten Rechtsträger dienen, die also zum eigentlichen Gegenstand des jeweiligen Amtsbetriebes - zu den 'Geschäften' (Agenden) des (betreffenden) Amtes' - gehören und damit für die Erreichung der amtsspezifischen Vollziehungsziele sachbezogen relevant sind (vgl. abermals RZ. 1978/63). In diesem Sinn ist aber der bestimmungsgemäße Einsatz amtseigener Budgetmittel, so auch der überstunden- und Nebengebührenaufwand (ebenso wie der eigentliche Gehaltsaufwand) für die Beamten, direkt auf die Erreichung der spezifischen Vollziehungsziele des betreffenden Amtes ausgerichtet, sodaß er bereits zum eigentlichen Gegenstand des Amtsbetriebes gehört und nicht bloß zur Schaffung der (nicht sachkonnexen) äußeren Voraussetzungen dazu.

Der vom Beschwerdeführer bekämpften Auffassung, daß er als Bautruppführer der Post- und Telegraphenverwaltung bei der erörterten Gebarung mit überstunden- und Nebengebühren im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze zur Vornahme von Amtsgeschäften befugt war und daß er diese Befugnis durch seine bestimmungswidrige Verfügung über die amtseigenen Budgetmittel mißbrauchte, haftet daher ein Rechtsirrtum nicht an. Soweit der Angeklagte schließlich - ohne eine Erörterung der Relevanz jenes Vorbringens - auf seine (angeblich vollständige) Schadensgutmachung Bezug nimmt, reicht es zur Erledigung seiner Nichtigkeitsbeschwerde aus, ihn darauf hinzuweisen, daß beim Verbrechen des Mißbrauchs der Amtsgewalt eine Strafaufhebung durch tätige Reue im Gesetz nicht vorgesehen ist.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war demnach zu verwerfen. Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach dem § 302 Abs 1 StGB zu einem Jahr Freiheitsstrafe, die es ihm gemäß dem § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachsah. Bei der Strafzumessung wertete es die Wiederholung der Straftaten als erschwerend, das Tatsachengeständnis und die Unbescholtenheit des Angeklagten hingegen als mildernd; auf Grund seines Vorlebens und des persönlichen Eindrucks, den er hinterließ, sah es die bloße Androhung der verhängten Freiheitsstrafe als zweckmäßiger an als deren sofortigen Vollzug.

Der Berufung der Staatsanwaltschaft, mit der diese - ohne etwa zugleich eine Minderung des Strafausmaßes zu beantragen - die Ausschaltung des Ausspruchs über die Gewährung bedingter Strafnachsicht anstrebt, ist unbegründet. Im Hinblick auf die bisherige Unbescholtenheit des Angeklagten und die festgestellte weitgehende Gutmachung des nicht allzu hohen materiellen Schadens durch ihn ist ungeachtet der mehrfachen Wiederholung seiner Tathandlungen innerhalb eines Zeitraums von etwa zehn Monaten der Ansicht des Schöffengerichts beizupflichten, daß weder Gründe der Spezialprävention, noch Belange der Generalprävention der Anwendung des § 43 Abs 1 StGB entgegenstehen. Der Berufung mußte daher ein Erfolg versagt bleiben.

Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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