OGH 12Os84/78

OGH12Os84/7829.6.1978

Der Oberste Gerichtshof hat am 29.Juni 1978 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Dr. Kral, Dr. Schneider und Dr. Steininger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Haindl als Schriftführer in der Strafsache gegen Karl Manfred A wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach dem § 87 Abs. 1 StGB. über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 31.März 1978, GZ. 23 Vr 1546/77-45, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schneider, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Wolfgang Moringer und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Erster Staatsanwalt Dr. Strasser, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO. wird aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde das angefochtene Urteil im Ausspruch über die Anrechnung der Vorhaft nach dem § 38 Abs. 1 Z. 1

StGB. dahin ergänzt, daß dem Angeklagten auch die Untersuchungshaft vom 14.März 1978, 10 Uhr 30, bis 17.März 1978, 10 Uhr 30, auf die Freiheitsstrafe angerechnet wird.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 23.Oktober 1948 geborene Hilfsarbeiter Karl Manfred A des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach dem § 87 Abs. 1 StGB. schuldig erkannt und nach dieser Gesetzesstelle zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Gemäß dem § 38 StGB. wurde die Verwahrungs- und Untersuchungshaft vom 3.Oktober 1977, 15 Uhr 45, bis 14.Dezember 1977, 10 Uhr 30, und vom 17.März 1978, 10 Uhr 30, bis 31.März 1978, 10 Uhr 10, auf die Freiheitsstrafe angerechnet.

Dem Angeklagten liegt zur Last, am 3.August 1977

in Linz dem Heinz Peter B durch einen Stich mit einem, eine ca. 10 bis 15 cm lange, schmale und spitze Klinge aufweisenden, Küchenmesser in die linke untere Brustgegend eine schwere Körperverletzung, nämlich einen Durchstich des Zwerchfelles und des Magens sowie eine Stichverletzung der Bauchspeicheldrüse, absichtlich zugefügt zu haben.

Dieses Urteil ficht der Angeklagte im Schuldspruch mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z. 5 und 10 des § 281 Abs. 1 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, im Ausspruch über die Strafe mit Berufung an.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde:

Diesem Rechtsmittel, in welchem der Beschwerdeführer Begründungs- und Feststellungsmängel in Ansehung des Ausspruches über die subjektive Tatseite geltend macht sowie die Subsumtion seines Verhaltens unter das Tatbild des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach dem § 87 Abs. 1 StGB. statt unter jenes des Vergehens der schweren Körperverletzung nach dem § 84 Abs. 1

StGB. bekämpft, kommt Berechtigung nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

Sowohl die Mängel- als auch die Rechtsrüge stehen, soweit sie das Fehlen von Feststellungen zu der für das Tatbild der absichtlichen schweren Körperverletzung nach dem § 87 Abs. 1 StGB. erforderlichen Vorsatzform, d. i.

der Absichtlichkeit im Sinne des § 5 Abs. 2 StGB., relevieren, im Widerspruch zur Aktenlage und sind deshalb, weil nicht gesetzmäßig ausgeführt, unbeachtlich. Denn das Erstgericht hat, dem Beschwerdevorbringen zuwider, ausdrücklich zur inneren Tatseite festgestellt, daß der Beschwerdeführer in der Absicht gehandelt hat (es ihm darauf angekommen war), Heinz Peter B durch den Stich schwer zu verletzen (S. 254 f.).

Entgegen der Beschwerdeansicht ist diese Feststellung auch mängelfrei begründet. Zuzustimmen ist dem Erstgericht zunächst darin, daß es die für die subjektive Tatseite maßgeblichen Annahmen aus dem äußeren Tatverhalten ableitet (Gebert-Pallin-Pfeiffer III/2 Nr. 59 j zu § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO.). Wenn es auf Grund der Art der Waffe (eines spitzen, langen Küchenmessers), der Einstichstelle (in der Höhe des Herzes) und der die besondere Intensität des Stiches (vgl. auch S. 241) indizierenden Stichtiefe (die durch Magen und Zwerchfell bis in die Bauchspeicheldrüse reichte) zur überzeugung gelangte, daß es dem Angeklagten darauf ankam, schwer zu verletzen, und seine dies leugnende Verantwortung verwarf, so ist dies ein Akt freier Beweiswürdigung (§ 258 Abs. 2 StPO.), dem weder ein Verstoß gegen die Denkgesetze noch gegen die allgemeine Lebenserfahrung anhaftet.

Mit dem Einwand, aus den festgestellten äußeren Tatumständen hätte allenfalls nur auf seine Wissentlichkeit (§ 5 Abs. 3 StGB.) geschlossen werden können, versucht der Beschwerdeführer bloß neben dem folgerichtig gezogenen Schluß des Erstgerichtes die Möglichkeit einer für ihn günstigeren Alternative aufzuzeigen, worin aber nicht der Nichtigkeitsgrund der Z. 5 des § 281 Abs. 1 StPO. liegt.

Keinen formellen Begründungsmangel stellt schließlich auch dar, daß das Erstgericht 'in der Beweiswürdigung' das Gutachten des gerichtsmedizinischen Sachverständigen Prof. Dr. C unberücksichtigt ließ, wonach der Beschwerdeführer Wesenszüge einer leicht erregbaren und aggressiven Persönlichkeit zeige und bei der aggressiven Erregung 'ja in der Regel nicht genau abgegrenzt werde, wie der Erfolg sein wird', dieser vielmehr 'meist dem Zufall überlassen' sei, wobei ein vom Verletzten B geschildertes Auslachen 'provozierend wirken' könne (S. 244). Der Beschwerde kann nicht beigepflichtet werden, daß mit diesem Gutachten die Frage nach der Absichtlichkeit des Verhaltens des Beschwerdeführers negativ zu beantworten gewesen wäre. Gemütsbewegungen (wie Wut und Jähzorn) schließen absichtliches Handeln im Sinne des § 5 Abs. 2 StGB. nicht aus (ÖJZ-LSK. 1976/326). Auch die vom Gutachten wiedergegebene, an sich bekannte, Erfahrungstatsache des in der Regel ungenau abgegrenzten Bereiches der Vorstellungen erregter Aggressionstäter über den konkreten Erfolg ihrer Aggressionshandlung steht weder im allgemeinen, noch im besonderen Fall der aus bestimmten Tatumständen abzuleitenden Folgerung entgegen, daß es dem Täter (jedenfalls) darauf ankam, schwer zu verletzen. Diesen Schluß hat aber das Erstgericht, wie bereits dargetan, denkrichtig auf der Basis der Tatsachenfeststellungen gezogen.

Verfehlt ist letztlich die Ansicht des Beschwerdeführers in der Rechtsrüge (wie auch in der Mängelrüge), für die Annahme absichtlicher Begehungsweise im Sinne des Tatbestandes nach dem § 87 Abs. 1 StGB. wäre das Vorliegen 'weitergehender Umstände' erforderlich gewesen.

Erschöpft sich doch die Vorsatzform der Absichtlichkeit (§ 5 Abs. 2 StGB.) nach diesem Tatbild darin, daß es dem Täter darauf ankommt, nicht irgendeine Verletzung, sondern eine schwere Körperverletzung herbeizuführen (Foregger-Serini, Erl. I zu § 87 StGB.2). Dies hat das Erstgericht richtig erkannt (S. 254 unten) und die entsprechende Feststellung getroffen. Damit steht aber - entgegen der Meinung des Beschwerdeführers - auch fest, daß er den schweren Verletzungserfolg bezweckt und sich diesen zum Ziel gesetzt hat (Leukauf-Steininger, Komm. 66, 440). Das Erstgericht hat somit das Verhalten des Beschwerdeführers rechtsrichtig unter das Tatbild des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach dem § 87 Abs. 1 StGB. subsumiert.

Aus diesen Erwägungen war die zur Gänze unbegründete

Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen.

Zur Maßnahme nach dem § 290 Abs. 1 StPO.:

Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde war aber von Amts wegen wahrzunehmen, daß das Ersturteil im unbekämpften Ausspruch über die Vorhaftanrechnung gemäß dem § 38 Abs. 1 Z. 1 StGB. mit einer sich zum Nachteil des Angeklagten

auswirkenden Nichtigkeit im Sinne des § 281 Abs. 1 Z. 11 StGB. behaftet ist.

Der Beginn der anzurechnenden neuerlichen Untersuchungshaft nach deren Unterbrechung durch den Vollzug der über den Angeklagten mit dem Urteil des Landesgerichtes Linz vom 13.Juli 1977, AZ. 27 E Vr 2623/75, verhängten Freiheitsstrafe von drei Monaten ab dem 14. Dezember 1977, 10 Uhr 30 (siehe Seiten 167, 204 und Punkt 18 der Strafregisterauskunft Seite 225) ist nämlich mit dem 14.März 1978, 10 Uhr 30 (statt unrichtig: mit dem 17.März 1978, 10 Uhr 30) anzunehmen.

Insoweit war gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO. der Ausspruch über die Vorhaftanrechnung im Ersturteil zu ergänzen (vgl. auch ÖJZ-LSK. 1975/38).

Zur Berufung:

Wie bereits einleitend angeführt, verhängte das Schöffengericht über

den Angeklagten nach dem § 87 Abs. 1 StGB. eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren. Es berücksichtigte bei der Strafbemessung als erschwerend:

die (einschlägigen) Vorstrafen wegen (vorsätzlichen) Körperverletzungsdelikten und den Umstand, daß die Verletzung lebensgefährlich wurde, hingegen wertete es mildernd: die Provokation durch das spätere Tatopfer.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte die Verhängung einer 'wesentlich kürzeren' Freiheitsstrafe an.

Er reklamiert seine 'abnorme Grundpersönlichkeit' und eine 'hinsichtlich des tatsächlichen Handlungsablaufes .... von Anfang an' geständige Verantwortung als zusätzliche Milderungsgründe. Der Berufung kommt keine Berechtigung zu.

Denn selbst wenn man - im Sinne des Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. Klaus C - eine (allerdings nicht näher erläuterte) zur Aggression führende 'abnorme Grundpersönlichkeit' des Angeklagten (siehe S. 242) als zusätzlichen Milderungsumstand (im Sinne des zweiten Anwendungsfalles des § 34 Z. 1 StGB.) berücksichtigt, erscheint die vom Schöffengericht auf der Basis der im übrigen zutreffend angenommenen Strafzumessungsgründe ausgemessene Freiheitsstrafe der persönlichkeitsund tatbezogenen Schuld des Angeklagten angepaßt.

Der Milderungsgrund des § 34 Z. 17 StGB. liegt - im Gegensatz zur Meinung des Berufungswerbers - nicht vor, weil der Genannte weder ein reumütiges Geständnis ablegte noch durch seine Aussagen wesentlich zur Wahrheitsfindung beitrug; behauptete er doch - sofern er sich in seiner wechselhaften Verantwortung nicht überhaupt auf Erinnerungslücken berief -, den Messerstich lediglich in einer Abwehrposition geführt zu haben. Eine solche lag jedoch nicht vor, weil die vom Schöffengericht angenommene 'Provokation' durch Heinz Peter B nur verbal und durch Auslachen erfolgt war. Aus den dargelegten Gründen mußte auch der Berufung des Angeklagten ein Erfolg versagt bleiben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die im Spruche angeführte Gesetzesstelle.

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