Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen des Vergehens der fahrlässigen Tötung nach dem § 80 StGB. sowie im Strafausspruch aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Gemäß dem § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens, soweit sie den erfolglosen Teil seiner Nichtigkeitsbeschwerde betreffen, zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde - im zweiten Rechtsgang - der Bauhilfsarbeiter Maximilian A (zu 1:) des Verbrechens der versuchten absichtlichen schweren Körperverletzung nach den § 15 und 87 Abs. 1 StGB.
und (zu 2:) des Vergehens der fahrlässigen Tötung nach dem § 80 StGB. schuldig erkannt, weil er am 31.Oktober 1976 in Arnfels (Stmk.) 1.) seine Absicht, Johann B schwere Verletzungen zuzufügen, durch der Ausführung unmittelbar vorangehende Handlungen, nämlich mehrere, ihn jedoch nur leicht verletzende Messerstiche gegen dessen Oberarm, betätigt und 2.) bei der anschließenden Rauferei das gerechtfertigte Maß der Verteidigung durch einen tödlichen Messerstich in die Herzgegend des Johann B überschritten hatte, wobei die überschreitung auf Fahrlässigkeit beruhte und die fahrlässige Handlung mit Strafe bedroht ist.
Den wesentlichen Urteilsannahmen zufolge hatte Alfred C im Gasthof Nebel in Arnfels den Josef D (in der Toilette) zu Boden gestoßen und verletzt und war hierauf seinerseits (an der Theke des Lokales) von Johann B zweimal niedergeschlagen worden. Nach der ersten Mißhandlung C durch B hatte der Angeklagte Maximilian A in bezug auf letzteren wörtlich geäußert: 'Dem laß' ich das Messer noch eini ' und nach der zweiten hinzugefügt:
'Hört' s auf, das ist ein Blödsinn ', worauf er von B mit der Faust gegen die linke Gesichtshälfte geschlagen, dadurch aber weder verletzt noch in seiner Zurechnungsfähigkeit beeinträchtigt wurde. Der Angeklagte begab sich hierauf vor das Lokal, um sich an B für die erlittene Mißhandlung zu rächen. Nachdem er dort zehn bis 15 Minuten auf B gewartet hatte, trat dieser mit seinem (damals vierjährigen) Kind aus dem Lokal, um heimzugehen. Nach den weiteren (das eigentliche Tatgeschehen ab nun in drei Phasen gliedernden) Konstatierungen des Erstgerichtes fragte B den auf ihn zutretenden Angeklagten, was er von ihm wolle; der jedoch stürzte, ohne ihm eine Antwort zu geben, auf B zu und stach (in der ersten Phase des Tatgeschehens), noch ehe B eine Abwehrbewegung machen konnte, mit einem fixierbaren Klappmesser von etwa 8 bis 9 cm Klingenlänge dreimal auf ihn ein:
ein Stich traf B an der Außenfläche des linken Oberarms nahe dem Ellbogen und fügte ihm einen 7 cm langen Wundkanal in der Muskulatur des Oberarmes zu, ein zweiter verletzte die Innenfläche des Oberarmes auf mehrere Zentimeter und ein dritter bewirkte eine Stichschnittverletzung von 15 cm Länge, eine Handbreit unterhalb der linken Achselhöhle, senkrecht zur Körperachse, mit seicht auslaufenden Wundwinkeln, die auch noch die Brustmuskulatur teilweise durchtrennte.
Erst nachdem B 'durch einen oder mehrere (dieser) Messerstiche' verletzt worden war, versetzte er seinerseits dem Angeklagten einen heftigen Faustschlag gegen das rechte Auge, durch den dieser einen Bruch des Augenhöhlendaches und Blutunterlaufungen in der Augengegend mit starker Schwellung und eine (allerdings weder mit einer Bewußtlosigkeit noch mit einer Gehirnerschütterung einhergehende) Schädelhirnverletzung erlitt, sodaß er auf die nachfolgenden Angriffe des B nur noch bei getrübtem Bewußtsein in Furcht, Schrecken und Bestürzung übertrieben reagierte. Nachdem der Angeklagte (nach dieser ersten Phase des Geschehens) weg- und um den Gebäudekomplex des Gasthauses herumgelaufen war, eilte B auf den ihm mehrere Schritte entgegenkommenden Angeklagten zu; es kam (in einer zweiten Geschehensphase) zu einem Schlagabtausch, bei welchem nur B (durch Kratzwunden im Bereich des Halses und am Unterkiefer) verletzt wurde.
Abermals ergriff der seinem Gegner körperlich unterlegene Angeklagte (nach dieser zweiten Phase des Geschehens) die Flucht, überquerte die Gasse und wurde von dem ihm nacheilenden B neuerlich eingeholt und (nun in dieser dritten Phase des Geschehens) tätlich mißhandelt, nicht aber verletzt, worauf der Angeklagte mit beträchtlicher Wucht einen senkrechten Messerstich gegen die linke Brusthöhle des B führte, der in das Herz eindrang und ihn tötete.
Da der Angeklagte schon in der ersten Tatphase mit großer Wucht auf seinen Gegner einstach, gelangte der Schöffensenat zur überzeugung, daß es 'ihm geradezu darauf ankam, Johann B schwer zu verletzen' und es nur durch Zufall bei leichten Verletzungen blieb, weshalb er in dieser Tathandlung materiellrechtlich das Verbrechen der versuchten absichtlichen schweren Körperverletzung nach den § 15 und 87 Abs. 1 StGB. verwirklicht sah. Für die nachfolgende zweite Geschehensphase erachtete das Erstgericht eine Notwehrsituation als 'fraglich, da beide Beteiligte aufeinander zugingen'. Erst für die dritte Geschehensphase hielt es eine Notwehrsituation des Angeklagten für gegeben, machte ihm aber dabei zum Vorwurf, daß er die Sorgfalt, zu welcher er nach den Umständen verpflichtet und die er auch nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen trotz der erlittenen schweren Verletzung einzuhalten in der Lage war, die ihm aber auch zugemutet werden konnte, nicht einhielt, als er in überschreitung des gerechtfertigten Maßes der Verteidigung dem Johann B, der ihm in dieser Geschehensphase keine Verletzungen zufügte, den tödlichen Messerstich beibrachte. Materiellrechtlich beurteilte das Erstgericht diese Tat daher als das Vergehen der fahrlässigen Tötung nach dem § 80 StGB.
Der Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit einer ziffernmäßig die Nichtigkeitsgründe der Z. 4, 5, 9 lit. a und lit. b und 10 des § 281 Abs. 1 StPO. anrufenden Nichtigkeitsbeschwerde.
Eine den erstgenannten Nichtigkeitsgrund verwirklichende Verkürzung seiner Verteidigungsrechte erblickt der Beschwerdeführer darin, daß dem in einem am 28.Dezember 1977 beim Erstgericht eingelangten Schriftsatz seines Verteidigers vorgebrachten Antrag auf Beischaffung seiner zerrissenen Lederjacke, die nach 'der Art der Zerrissenheit' seinen Versuch beweise, sich gegen den Widerstand des ihn Mißhandelnden (B) loszureißen und diesem zu entkommen, nicht entsprochen worden sei.
Rechtliche Beurteilung
Indes: zu einer wirksamen Geltendmachung dieses Nichtigkeitsgrundes gebricht es vorliegend schon an der formellen Voraussetzung; denn es fehlt an einem in der Hauptverhandlung gestellten Antrag, über den nicht oder nicht im Sinne des Antragstellers hätte entschieden werden können. Auf einen Antrag aber, der vor der Hauptverhandlung (wie hier: in einem Schriftsatz) überreicht, in der Hauptverhandlung aber (wie hier) nach dem Inhalt der Verhandlungsschrift nicht wiederholt wurde, kann der angerufene Nichtigkeitsgrund nicht erfolgreich gestützt werden. Mit dem Vorwurf einer 'Unvollständigkeit, Aktenwidrigkeit und Widersprüchlichkeit' der Urteilsbegründung wendet sich der Beschwerdeführer in Anrufung des Nichtigkeitsgrundes der Z. 5 des § 281 Abs. 1 StPO. kurz zusammengefaßt dagegen, daß das Schöffengericht nicht nach gewissen Verfahrensergebnissen zumindest im Zweifel zu seinen Gunsten angenommen habe, daß ihm die sein Bewußtsein trübende Mißhandlung schon im Gasthaus, sohin noch vor dem ersten Gebrauch des Messers, widerfahren und er auf seiner anschließenden Flucht aus dem Lokal von B unverzüglich verfolgt und im Freien attackiert worden sei, sich daher in den entscheidungswesentlichen Tatphasen durchwegs bei subjektiv getrübtem Bewußtsein objektiv in einer Notwehrlage befunden habe. Die Mängelrüge versagt, soweit sie sich gegen den Schuldspruch wegen Verbrechens der versuchten absichtlichen schweren Körperverletzung nach den § 15 und 87
Abs. 1 StGB. richtet.
Prinzipiell ist festzuhalten, daß sich die Umstände, die dem Gericht die überzeugung von der Glaubwürdigkeit oder Unglaubwürdigkeit einer Aussage vermitteln, nicht restlos analysieren und daß sich das Ergebnis dieses Eindruckes sowie die für diesen Eindruck maßgebenden Umstände nicht allesamt in Worte fassen lassen, was im besonderen für die Würdigung der Aussagen vom erkennenden Gericht selbst vernommener Personen gilt; in solchen Fällen kann im Sinne der § 258 Abs. 2, 270 Abs. 2 Z. 5
StPO. unter Umständen schon die Feststellung genügen, daß das Gericht auf Grund des persönlichen Eindruckes in der Hauptverhandlung die überzeugung von der Glaubwürdigkeit oder von der Unglaubwürdigkeit - allenfalls auch nur eines Teiles - der Aussage eines Zeugen oder Angeklagten gewonnen habe. Ein Schöffengericht ist auch keineswegs verpflichtet, im Urteil den vollständigen Inhalt sämtlicher Zeugenaussagen sowie überhaupt sämtliche Verfahrensergebnisse schlechthin zu erörtern und daraufhin zu untersuchen, ob und allenfalls wie weit die einzelnen Angaben oder sonstigen Beweisergebnisse für oder gegen diese oder jene Darstellung sprechen könnten, und sich bei Würdigung der Beweise von vornherein mit allen vom Beschwerdeführer nachträglich ins Treffen geführten Gesichtspunkten zu befassen, zumal nach der Vorschrift des § 270 Abs. 2 Z. 5 StPO. die schriftliche Urteilsbegründung in gedrängter Darstellung abzufassen ist. Es ist vielmehr nach der zitierten Gesetzesstelle nur verhalten, in den Entscheidungsgründen mit voller Bestimmtheit anzugeben, welche Tatsachen es als erwiesen oder als nicht erwiesen annahm und aus welchen Gründen dies geschah. Diesem Erfordernis entsprach das Erstgericht vorliegend für alle zum Schuldspruch wegen des Verbrechens nach den § 15 und 87 Abs. 1 StGB. entscheidungswesentlichen Tatsachenfeststellungen in vollem Maße, indem es sie hinreichend, schlüssig den Denkgesetzen folgend und im Einklang mit der allgemeinen Lebenserfahrung begründete. Im einzelnen ist dem Beschwerdeführer auf seine Einwände zu erwidern:
Da der Zeuge E hinsichtlich der (nach den Angaben der Zeugin F) auf B gemünzten öußerung des Angeklagten: 'Dem laß' ich das Messer noch eini ' weder anzugeben wußte, von wem sie stammte, noch wem sie galt, bedurfte seine den diesbezüglichen Urteilsfeststellungen sohin nicht entgegenstehende Aussage ebensowenig einer Erörterung in den Urteilsgründen wie diejenige der Zeugin Adolfine G, die eine solche öußerung nicht gehört haben will, auch wenn dies nach den Angaben der Zeugin F der Fall gewesen sein müßte. Zudem hat das Erstgericht die Absicht des Angeklagten, B schwer zu verletzen, gar nicht aus jener öußerung abgeleitet, sondern auf Rache für einen Faustschlag zurückgeführt, den B dem Angeklagten erst nach dieser öußerung versetzte, weshalb sich ein weiteres Eingehen auf das diesbezügliche Beschwerdevorbringen erübrigt.
Wenn der Beschwerdeführer des weiteren unter Berufung auf Bekundungen dreier Zeugen über Mißhandlungen des Angeklagten noch im Gasthaus vermeint, der Schöffensenat hätte 'im Zweifel für den Angeklagten' annehmen müssen, daß er bereits dort das sein Bewußtsein trübende Schädelhirntrauma erlitten habe, so verkennt er das Wesen des von ihm angerufenen Nichtigkeitsgrundes. Denn das Gericht muß sich, wenn aus einem erwiesenen Sachverhalt durch logisch einwandfreie Schlußfolgerungen mehrere weitere Sachverhaltsvarianten ableitbar sind, keineswegs - wie die Beschwerde vermeint: 'im Zweifel' - für die dem Angeklagten günstigste Variante entscheiden; solange die zur Wahl unter den möglichen Sachverhaltsvarianten führende überzeugung des erkennenden Gerichtes einleuchtend und logisch begründet ist, ist dies ein einer Anfechtung mit Nichtigkeitsbeschwerde entzogener Akt freier Beweiswürdigung, auch wenn sich dabei das Gericht für eine dem Angeklagten ungünstigere Sachverhaltsvariante entschieden hat. Der Beschwerde ist zwar zuzugeben, daß die Diktion der Urteilsgründe, B habe dem Angeklagten den zu dessen Bewußtseinstrübung führenden heftigen Faustschlag erst versetzt, nachdem ihm der Angeklagte 'durch einen oder mehrere Messerstiche die angeführten Verletzungen zugefügt hatte', insoferne irreführend ist, als damit die Entstehung aller in der ersten Geschehensphase B zugefügten Verletzungen aus einem (einzigen) Messerstich als möglich eingeräumt wird, was nach der Art der Verletzungen aber ausgeschlossen ist. Sinngemäß erkennbar gemeint ist allerdings, daß der Angeklagte nach der überzeugung des Schöffensenates von dem traumatisierenden Faustschlag frühestens erst getroffen wurde, nachdem er zuvor zumindest den ersten seinen Gegner leicht verletzenden Messerstich bei sohin noch ungetrübtem Bewußtsein geführt hatte. Diese Urteilsannahme findet in den vom Erstgericht zur Begründung herangezogenen Beweisergebnissen durchaus formal zureichende Deckung.
Auf übereinstimmende Beweisergebnisse konnte das Schöffengericht ferner auch die Feststellung gründen, daß der Angeklagte vor dem Gasthaus auf seinen Gegner etwa 10 bis 15 Minuten lang gewartet hatte, wozu es auch eingehend begründete, warum es der dieser Urteilsannahme entgegenstehenden Aussage des Zeugen Franz H den Glauben versagte.
Keine Rede kann ferner von 'zweierlei Logik' sein, wenn das Erstgericht aus dem Umstand, daß B beim Verlassen des Gastlokales sein Kind mitnahm, folgert, daß er nicht mit einer tätlichen Auseinandersetzung rechnete, auch wenn es zuvor im Lokal vor dem Kind zu Tätlichkeiten gekommen war; denn daß jemand vor einem zufällig anwesenden Kind zu Tätlichkeiten schreitet, besagt noch nicht, daß er ein Kind zum Ort eines beabsichtigten Raufhandels auch eigens mitnehmen würde.
Mit der Annahme, die Tat sei einem durch eine vorausgegangene Mißhandlung geweckten Rachebedürfnis entsprungen, hat das Erstgericht des weiteren weder einen 'unverständlichen Gedankensprung' unternommen, noch eine 'bloße Spekulation' angestellt, sondern ein schon nach allgemeiner Lebenserfahrung plausibles Tatmotiv als erwiesen angesehen.
Unzutreffend ist ferner, daß das Gericht 'auf jede Begründung der Feststellung verzichtet habe', daß es dem Angeklagten geradezu darauf ankam, Johann B schwer zu verletzen. Denn mit dem durch das Gutachten des gerichtsärztlichen Sachverständigen gedeckten Hinweis auf die Beschaffenheit des Werkzeuges, dessen Verwendung zu drei wuchtigen Stichen gegen einen zunächst überraschten, zu einer Abwehrhandlung nicht bereiten Gegner und die Eignung eines solchen Vorgehens, lebensgefährliche Verletzungen herbeizuführen, wenngleich es im konkreten Fall zufällig bei nur leichten Verletzungen blieb, hat das Gericht auch in Verbindung mit dem herangezogenen Tatmotiv die Absicht des Angeklagten, Johann B (zumindest) schwer zu verletzen, aus den Verfahrensergebnissen schlüssig abgeleitet und sohin formal zureichend begründet festgestellt.
Die von der Beschwerde vermißten detaillierten Konstatierungen über Knochenbau, Muskulatur und Körpergröße des Johann B (im Vergleich zum Angeklagten) waren - entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung -
nicht erforderlich, weil es bei der durch den überraschenden Gebrauch eines Messers geschaffenen überlegenheit auf einen Vergleich der bloßen Körperkräfte der Gegner nicht mehr ankam; daß aber der Angeklagte dem B gegenüber körperlich unterlegen war, hat das Gericht ohnedies festgehalten. Als unerheblich kann auch dahingestellt bleiben, ob der dem Angeklagten zugefügte Bruch des Augenhöhlenbogens eine an sich schwere Verletzung darstellt und ob der Genannte überdies noch Prellungen davontrug, weil vorliegend nur der vom Gericht in ihrer Tragweite gewürdigten Auswirkung des traumatisierenden Faustschlages auf die psychische Verfassung des Angeklagten, nicht aber ihrer juristischen Qualifikation entscheidungswesentliche Bedeutung zukommt. Wie lange dieser Zustand psychischer Beeinträchtigung aber andauerte und ob er insbesondere noch bei der Einvernahme des Angeklagten durch die Gendarmerie vorlag, kann gleichfalls als irrelevant dahingestellt bleiben, zumal eine Zurechnungsunfähigkeit für die Zeit der Vernehmung vor der Gendarmerie selbst von der Beschwerde nicht behauptet wird. Soweit der Beschwerdeführer schließlich die vom Erstgericht getroffene Einteilung des Tatgeschehens in drei Phasen, die sich nach dem Gesagten alle im Freien zutrugen, nicht respektiert und die vorausgegangenen Tätlichkeiten im Gasthaus als erste Tatphase ansieht, geht er überhaupt von unrichtigen Voraussetzungen aus und gelangt solcherart zu falschen Schlüssen. Dies gilt insbesondere für die vom Erstgericht in der zweiten Tatphase als fraglich angesehene Notwehrsituation, bei welcher nur B in einer für den Schuldspruch unerheblichen Weise verletzt wurde.
Die Mängelrüge vermochte schließlich auch mit dem Vorwurf, der Schöffensenat habe von früheren Angaben abweichende Zeugenaussagen ohne jede Begründung für wahr gehalten, wenn sie dem Angeklagten zum Nachteil gereichten, andernfalls aber als unglaubwürdig abgetan und ihn bloß deshalb verurteilt, weil er bereits 13 Monate in Untersuchungshaft zugebracht hatte, ebensowenig wie mit dem übrigen erwähnten Beschwerdevorbringen eine Mangelhaftigkeit im Sinne des Nichtigkeitsgrundes der Z. 5 des § 281 Abs. 1 StPO. aufzuzeigen, sondern erschöpft sich auch hier wieder nur ihrer ganzen Zielsetzung nach in einer Bekämpfung der Beweiswürdigung. Es war ihr daher insgesamt ein Erfolg zu versagen.
Mit seiner ziffernmäßig auf den Nichtigkeitsgrund der Z. 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO. gestützten Rechtsrüge behauptet der Angeklagte, infolge der bei ihm von allem Anfang an vorliegenden Bewußtseinstrübung, zumindest aber Benommenheit, könne eine Verletzungsabsicht auf seiner Seite in rechtlicher Hinsicht in keiner Phase des Geschehens angenommen werden. Damit wendet er sich der Sache nach bloß gegen den Schuldspruch wegen Verbrechens der versuchten absichtlichen schweren Körperverletzung nach den § 15 und 87 Abs. 1 StGB., denn nur diesbezüglich hat das Erstgericht eine Verletzungsabsicht festgestellt. Da die Beschwerde aber insofern nicht von dem Urteilssachverhalt ausgeht, wonach der Angeklagte zumindest den ersten Messerstich vor dem ihn traumatisierenden Faustschlag bei noch intaktem Bewußtsein geführt hat, wird die Rechtsrüge nicht dem Gesetze gemäß ausgeführt und ist insoweit unbeachtlich.
Gleiches gilt von der unter Anrufung des Nichtigkeitsgrundes der Z. 10 des § 281 Abs. 1 StPO. von der Beschwerde reklamierten Beurteilung eben dieser Tathandlung im Hinblick auf den eingetretenen Erfolg als nur leichte Körperverletzung, weil damit die Feststellungen zur subjektiven Tatseite ignoriert werden. Soweit der Angeklagte schließlich in Anrufung des Nichtigkeitsgrundes der Z. 9 lit. b des § 281 Abs. 1 StPO. behauptet, nach Erhalt des traumatisierenden Schlages in gerechtfertigter Notwehr gehandelt zu haben, bringt er auch diesen Nichtigkeitsgrund betreffend den Schuldspruch wegen versuchter absichtlicher schwerer Körperverletzung nach den § 15 und 87 Abs. 1 StGB. nicht zu gesetzmäßiger Darstellung, weil er im Widerspruch zu den Urteilsfeststellungen behauptet, diese Tat (zur Gänze) erst nach dieser sein Bewußtsein trübenden Einwirkung begangen zu haben; insoweit ist daher sein Beschwerdevorbringen gleichfalls unbeachtlich.
Bezüglich des Schuldspruches wegen des Verbrechens der versuchten schweren Körperverletzung nach den § 15
und 87 Abs. 1 StGB. war daher die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten zu verwerfen.
Die Beschwerde richtet sich ferner gegen den Schuldspruch wegen fahrlässiger Tötung nach dem § 80 StGB., mit der Behauptung, in dem 'lädierten Zustand' des Angeklagten seien die von ihm gesetzten Notwehrmaßnahmen gerechtfertigt gewesen, zumindest aber hätte er dies in seiner damaligen Bewußtseinstrübung, die überdies nur mangelhaft (begründet) festgestellt worden sei, glauben können. Seiner diesen Schuldspruch bekämpfenden Rechtsrüge kommt letzten Endes Berechtigung zu.
Materiellrechtlich muß zunächst davon ausgegangen werden, daß eine Berufung auf Notwehr, wenn schon nicht grundsätzlich ausgeschlossen, so doch nur beschränkt möglich ist, wenn der Täter die Notwehrlage - wie hier durch die vorausgegangene, ihm als das Verbrechen der versuchten absichtlichen schweren Körperverletzung nach den § 15 und 87 Abs. 1 StGB. angelastete Messerattacke -
schuldhaft herbeigeführt hat.
Ausgehend von den erstgerichtlichen Urteilsannahmen war es nun dem Angeklagten, der nach einem Schlagabtausch versucht hatte, sich einer weiteren tätlichen Auseinandersetzung mit B durch Flucht zu entziehen, zwar nicht mehr möglich, dem Angriff des B auszuweichen, nachdem ihn dieser zu weiterer Mißhandlung eingeholt hatte. In dieser für ihn ausweglosen Situation muß dem Angeklagten immerhin das Recht eingeräumt werden, selbst dem von ihm provozierten Angriff durch eine maßvolle, d.h. den Angreifer nur gefährdende oder unerheblich verletzende Verteidigung zu begegnen, an deren Erforderlichkeit jedoch strengere Anforderungen als bei Abwehr eines unprovozierten Angriffes zu stellen sind: so hätte sich der Angeklagte etwa zunächst damit begnügen können, den ihn unbewaffnet angehenden B durch eine drohende Gebärde mit dem Messer von weiteren Tätlichkeiten abzuhalten, dies selbst auf die Gefahr hin, allenfalls geringe eigene Verletzungen hinnehmen zu müssen.
Dadurch aber, daß der Angeklagte, der in dieser Geschehensphase überhaupt nicht mehr verletzt wurde, sich gegen den mit bloßen Händen geführten (Rache-)Angriff des übrigens betrunkenen (1,7 %o) Johann B gleich mit schärfsten Mitteln, nämlich mit einem Messerstich gegen Körperregionen zur Wehr setzte, deren Verletzung lebensbedrohliche Folgen geradezu indizierte, hat er die Grenzen des ihm auch als Provozierenden noch verbliebenen beschränkten Notwehrrechtes objektiv tatsächlich überschritten.
Zur subjektiven Tatseite wird hiezu im Urteil nur festgestellt, daß die Bewußtseinsfunktion des Angeklagten durch den Faustschlag, der seine schwere Schädelverletzung verursachte, nicht ausgeschaltet, sondern nur getrübt wurde, sodaß er weiterhin logisch handeln konnte, B als Gegner erkannte und gegen ihn gezielte Angriffe richtete, sowie weiters, daß sich aus dem Sachverständigengutachten über die Auswirkungen der schweren Verletzungen beim Angeklagten der Schluß ergab, daß er zwar in seinem Verhalten beeinträchtigt war, daß er jedoch weiterhin in der Lage blieb, logische Abwehrhandlungen zu setzen und diese in ihrem Umfang zu erkennen.
Die Annahme einer fahrlässigen Notwehrüberschreitung (§ 3 Abs. 2 StGB.) setzt aber jedenfalls (auch) voraus, daß der Täter die Nichteinhaltung der Grenzen notwendiger Gegenwehr oder die Unangemessenheit seiner Verteidigung, also das (hiefür maßgebliche, im gegebenen Fall objektiv vorliegende) Mißverhältnis zwischen dem Angriff seines Gegners und seiner eigenen Verteidigung nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen zu erkennen vermag (§ 6 Abs. 1 StGB.).
Darüber enthält das Urteil jedoch keine ausreichenden Feststellungen, weil darin - wie oben aufgezeigt -
nur die Dispositionsfähigkeit und jener Teil der Diskretionsfähigkeit des Angeklagten erörtert wird, der sich auf die Person und die Gegnerschaft des B sowie auf den Umfang seiner eigenen Abwehrhandlungen bezog, nicht jedoch derjenige - für die Beurteilung der Erkennbarkeit der Notwehrüberschreitung für ihn mitentscheidende - Bereich seiner Urteilsfähigkeit, der die Gefährlichkeit der Angriffshandlungen des B, also die richtige Einschätzung der Situation betraf.
Derartige Konstatierungen waren umso mehr indiziert, als der Sachverständige deponierte, daß durch das Schädelhirntrauma des Angeklagten seine Kritik- und Urteilsfähigkeit beeinträchtigt war und er allenfalls seine Situation gegenüber seinem Gegner überschätzte, wobei Angst- und Panikstimmung stärker seine Handlungsweise beeinflussen konnte (S. 333/I d.A.), sowie weiters, daß der Angeklagte in seiner Beurteilungsfähigkeit beeinträchtigt war ...
und die Situation nicht richtig einschätzte, wobei diese Fehleinschätzung dann offenbar dazu führte, daß er (neuerlich) mit dem Messer auf B eindrang und ihn schließlich auch tödlich verletzte (S. 31, 32/II d.A.). Diesen Teil des Gutachtens hat das Erstgericht völlig unerwähnt gelassen.
Es liegen daher zur Frage der Fahrlässigkeit bei der Notwehrüberschreitung die vom Beschwerdeführer gerügten Feststellungsmängel nach dem § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO. vor, weshalb das angefochtene Urteil ohne weiteres Eingehen auf die hiezu auch gerügte Mangelhaftigkeit im Sinne der Z. 5 des § 281 Abs. 1 StPO. im Schuldspruch wegen des Vergehens der fahrlässigen Tötung nach dem § 80 StGB.
und demgemäß auch im Strafausspruch aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückzuverweisen war.
Im übrigen aber war die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen. Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.
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