OGH 11Os89/78

OGH11Os89/7827.6.1978

Der Oberste Gerichtshof hat am 27.Juni 1978 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Borutik, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Dienst, Dr. Kießwetter, Dr. Schneider und Dr. Walenta als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Holeschofsky als Schriftführer in der Strafsache gegen Adolf A wegen des Verbrechens des versuchten Diebstahls durch Einbruch nach den § 15, 127 Abs. 1, 129 Z 1 StGB über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 20.März 1978, GZ. 1 e Vr 1358/78-13, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Proksch und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Tschulik, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung des Angeklagten wird Folge gegeben und die über ihn verhängte Freiheitsstrafe auf 9 (neun) Monate herabgesetzt. Die Staatsanwaltschaft wird mit ihrer Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 3.Mai 1939 geborene Schmied Adolf A des Verbrechens des versuchten Diebstahls durch Einbruch nach den § 15, 127 Abs. 1, 129 Z 1 StGB schuldig erkannt, weil er am 19.Februar 1978 in Wien der Firma B durch Einsteigen in deren Fabriksgebäude fremde bewegliche Sachen, insbesondere Bargeld, mit dem Vorsatz wegzunehmen versuchte, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer ausdrücklich auf die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs. 1 Z 9

lit. a, 9 lit. b und 11 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der Berechtigung nicht zukommt.

Rechtliche Beurteilung

Mit seinem Vorbringen zum erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund, er sei in das Fabriksgebäude der Firma B nicht mit dem Vorsatz, einen Diebstahl zu begehen, sondern nur zum Zweck, dort zu schlafen, eingestiegen, setzt sich der Beschwerdeführer über die gegenteilige Urteilsfeststellung (vgl. S 62, 64 d. A) hinweg und bringt demnach den angerufenen materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund nicht zur gesetzmäßigen Darstellung. Der Sache nach macht er dem angefochtenen Urteil vielmehr den Vorwurf eines Begründungsmangels im Sinne der Z 5

des § 281 Abs. 1 StPO. Einen solchen vermag er jedoch weder mit dem Hinweis auf seine einen Diebstahlsvorsatz leugnende, vom Erstgericht mit schlüssiger Begründung als unglaubwürdig abgelehnte Verantwortung in der Hauptverhandlung, noch mit der Behauptung aufzuzeigen, sein Geständnis vor der Polizei rühre nur daher, daß die vernehmenden Polizeibeamten erklärt hätten, seine gegenteilige Darstellung nicht zu glauben.

Daß das Erstgericht auf Grund des als unbedenklich beurteilten Geständnisses des Angeklagten vor der Polizei und der übrigen in ihrer Gesamtheit gewürdigten Verfahrensergebnissen zur überzeugung gelangte, dieser sei beim Einsteigen in das Fabriksgebäude der Firma B vom Vorsatz getragen gewesen, sich durch die Zueignung von Bargeld oder sonstiger Gebrauchsgegenstände unrechtmäßig zu bereichern, stellt einen Akt freier Beweiswürdigung dar, der einer Anfechtung im Nichtigkeitsverfahren entzogen ist.

Zum Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 9 lit. b StPO macht der Beschwerdeführer geltend, es komme ihm strafbefreiender (freiwilliger) Rücktritt vom Versuch gemäß dem § 16 Abs. 1 StGB zustatten, jedoch erweist sich die Beschwerde auch insoweit als nicht berechtigt.

Den bezüglichen Urteilsfeststellungen zufolge hatte der Angeklagte nach dem Einsteigen durch das eingeschlagene Fenster beim Zurückblicken bemerkt, daß ihn eine Frau - die Zeugin C - beobachtete und sich daher hinter dem Fenster versteckte. Als diese Frau nach Verständigung der Funkstreife vom nahegelegenen Pfarrhof aus wieder zum Firmengelände zurückkam, kroch der Angeklagte gerade durch das Fenster aus dem Firmengebäude heraus. Von ihr zur Rede gestellt, ließ er sie in seine Aktentasche blicken und beteuerte, nichts gestohlen zu haben; er ging mit ihr (dazu aufgefordert) ein Stück mit, lief ihr jedoch schließlich davon (vgl. S 62 d. A). Daraus leitete das Erstgericht ab, daß der Angeklagte durch das Hinzukommen der Beobachterin an der Ausführung des Deliktes gehindert wurde, nur aus Furcht vor drohender Entdeckung und im vollen Bewußtsein ihrer Aussichtslosigkeit die Tatvollendung aufgab und die Abstandnahme von der Tatausführung mithin nicht freiwillig erfolgte.

Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Rücktritt freiwillig, wenn sich der Täter sagt, er könnte die Tat vollenden, aber er wolle dies überhaupt nicht oder wenigstens jetzt nicht. Gibt ein Täter die Tatvollendung auf, weil er befürchtet, zufolge der gegebenen Umstände entdeckt zu werden, so fehlt seinem Rücktritt daher das Merkmal der Freiwilligkeit dann, wenn er unter der Vorstellung handelt, daß eine dem Tatplan entsprechende Vollendung der Tat unmöglich geworden sei (vgl. LSK 1975/49, 1977/290). Ebendies trifft nach den - auch insoweit mängelfrei begründeten - Tatsachenannahmen des Erstgerichtes auf den Angeklagten hier zu. Ob der Umstand, daß sich der Angeklagte beobachtet wußte, tatsächlich ein der Deliktsausführung entgegenstehendes Hindernis darstellte oder ob der Angeklagte diesem Umstand nur die Bedeutung eines solchen beimaß und sich deshalb, wiewohl eine Ausführung des geplanten Diebstahls an sich noch möglich gewesen wäre, subjektiv außerstande wähnte, sein Ziel zu erreichen, ist hiebei unerheblich (vgl. LSK 1975/164 = EvBl. 1976/98 u.a.).

Daß der Angeklagte nach Abstandnahme von der Deliktsvollendung, ohne daß eine sofortige Entdeckung durch die Polizei bevorstand, sich zur Zeugin C begab und ihr nachwies, daß er keinerlei Diebsgut bei sich führe, steht somit nach dem Gesagten - den Beschwerdeausführungen zuwider - der rechtlichen Annahme mangelnder Freiwilligkeit des Rücktritts nicht entgegen.

Mit seinem aus dem Gesichtspunkt einer Urteilsnichtigkeit nach dem § 281 Abs. 1 Z 11 - richtig Z 10 - StPO erhobenen Einwand, die Strafe hätte nicht nach dem § 129 StGB bemessen werden dürfen, da der ihm unterstellte Diebstahlsvorsatz von ihm (allenfalls) erst gefaßt worden sei, als er sich bereits im Gebäude selbst befunden habe, geht der Beschwerdeführer von einer urteilsfremden Annahme aus. Denn mit der Feststellung, der Angeklagte sei in das Fabriksgebäude eingestiegen, um dort Bargeld oder sonstige Gebrauchsgegenstände in Bereicherungstendenz an sich zu nehmen, schloß das Schöffengericht einen dem - in anderer Absicht erfolgten - Einsteigen nachfolgenden Diebstahlsvorsatz aus. Auch insoweit mangelt es der Beschwerde folglich an einer gesetzmäßigen Ausführung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes.

Da im übrigen aber, auf der Grundlage der Urteilsfeststellungen, die Unterstellung der Tat unter die Qualifikation des § 129 Z 1 StGB rechtsrichtig erfolgte, bedurfte es, weil keine strafsatzbestimmende Wertgrenze betroffen ist, keiner näheren Feststellungen darüber, welche Diebsbeute sich der Angeklagte im einzelnen erwartete und auf welchen Wert des Diebsgutes sein Vorsatz gerichtet war, zumal auch eine Beurteilung der Tat als (versuchte) Entwendung schon an der Tatqualifikation des § 129 Z 1 StGB scheitern müßte (§ 141 Abs. 1 StGB).

Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war sohin zu verwerfen.

Das Erstgericht verhängte über den Angeklagten nach dem § 129 StGB eine einjährige Freiheitsstrafe. Es wertete bei der Strafbemessung als erschwerend die zahlreichen einschlägigen Vorstrafen und nahm als mildernd lediglich den Umstand an, daß die Tat beim Versuch blieb.

Dagegen wenden sich sowohl die Staatsanwaltschaft als auch der Angeklagte mit Berufung, wobei von diesem eine Ermäßigung, von jener aber eine Erhöhung der verhängten Freiheitsstrafe begehrt wird. Nur die Berufung des Angeklagten ist berechtigt.

Zwar ist der Staatsanwaltschaft beizupflichten, daß vom Erstgericht neben den zahlreichen einschlägigen Vorstrafen (die an sich sogar geeignet wären, eine überschreitung des gesetzlichen Strafrahmens zu tragen - § 39 StGB) auch der rasche Rückfall als erschwerend anzuführen gewesen wäre.

Allerdings bedürfen auch die Milderungsgründe einer Ergänzung, weil nach den Umständen des Falles anzunehmen ist, daß der Angeklagte die Tat mehr durch eine besonders verlockende Gelegenheit verleitet als mit vorgefaßter Absicht begangen hat (§ 34 Z 9 StGB). Berücksichtigt man, daß den überwiegend in geringer Höhe verhängten Vorstrafen zweifellos keine besonders schweren Rechtsbrüche zugrunde lagen, und daß auch die hier abzuurteilende Tat ihrer gesamten Anlage nach eher noch der Kleinkriminalität zuzuordnen ist, dann erscheint das vom Erstgericht gefundene Strafmaß doch etwas überhöht. Eine neunmonatige Freiheitsstrafe entspricht der Schwere der Schuld des Täters und dem Unwert des der Verurteilung zugrundeliegenden Verhaltens.

Insoweit war daher dem Berufungsbegehren des Angeklagten zu entsprechen.

Die Staatsanwaltschaft war demgemäß mit ihrer Berufung auf diese Entscheidung zu verweisen.

Der Ausspruch über den Ersatz der Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf die angeführte Gesetzesstelle.

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