Spruch:
'Das Urteil des Bezirksgerichtes Steyr vom 10. April 1978, GZ. 1 U 225/77-11, mit dem Helmut A des Vergehens nach dem § 9 Abs. 1 Z. 2 dritter und vierter Fall SuchtgiftG. schuldig erkannt wurde, verletzt das Gesetz in der Bestimmung des § 9 Abs. 1 Z. 2 SuchtgiftG.
Es werden dieses Urteil und alle darauf beruhenden Beschlüsse und Verfügungen, insbesondere die Endverfügung vom 17. April 1978 (ON. 12), aufgehoben und gemäß den § 288 Abs. 2 Z.3, 292 StPO. in der Sache selbst zu Recht erkannt:
Helmut A wird von der Anklage, er habe an einem nicht mehr näher feststellbaren Tag im März und Mai 1977 in Steyr Haschisch und am 2. Juli 1977 in Salzburg Marihuana, somit ein Suchtgift in kleineren, nicht mehr näher feststellbaren Mengen, unberechtigt erworben und besessen und hiedurch das Vergehen nach dem § 9 Abs. 1 Z. 2 dritter und vierter Fall SuchtgiftG. begangen, gemäß dem § 259 Z. 3 StPO. freigesprochen.'
Text
Gründe:
Mit dem rechtskräftigen Urteil des Bezirksgerichtes Steyr vom 10. April 1978, GZ. 1 U 225/77-11, wurde der am 18. Dezember 1959 geborene Helmut A auf Grund des am 6. März 1978 vom Bezirksanwalt beim Bezirksgericht Steyr gestellten Antrages auf Bestrafung wegen des Vergehens nach dem '§ 9 a Abs. 1 SGG.' (S. 1) des Vergehens nach dem § 9 Abs. 1 Z. 2 dritter und vierter Fall SuchtgiftG. schuldig erkannt und gemäß dem § 13 Abs. 1 JGG. der Ausspruch über die Strafe für eine Probezeit von zwei Jahren vorläufig aufgeschoben.
Helmut A liegt zur Last, daß er Suchtgift ein kleineren, nicht mehr näher feststellbaren Mengen, nämlich an einem nicht näher festgestellten Tag im März und Mai 1977 in Steyr Haschisch und am 2. Juli 1977 in Salzburg Marihuana unberechtigt erworben und besessen hat.
Rechtliche Beurteilung
Dieses Urteil steht mit dem Gesetz nicht im Einklang. Wie das Erstgericht feststellt, hat der Verurteilte Haschisch zusammen mit drei, Marihuana gemeinsam mit zwei weiteren Personen - offensichtlich aus einer von einem der übrigen Beteiligten zur Verfügung gestellten Pfeife (vgl. S. 27, 74 f.) - bloß mitgeraucht. Nach der diesen Feststellungen zugrundeliegenden Verantwortung des Verurteilten handelte es sich jeweils um geringe Mengen, die nur für die Füllung einer Pfeife reichten (S. 27, 57, 74-76).
Unter Erwerb gemäß dem Tatbild des Vergehens nach dem § 9 Abs. 1 Z. 2 SuchtgiftG. ist (in gleicher Weise wie etwa das Ansichbringen im Sinne der Hehlerei nach dem § 164 Abs. 1 Z. 2, 3 StGB. / vgl. hiezu Leukauf-Steininger, 9; ÖJZ-LSK 1976/217 / ) die Erlangung des Gewahrsams (also der Vorgang, der zum Gewahrsam führt), und unter dem Besitz (= Innehabung) der Gewahrsam selbst, d.i. die tatsächliche, unmittelbare, nicht durch das Medium einer anderen Person vermittelte Herrschaft über die Sache (vgl. Leukauf-Steininger, Nebengesetze, S. 563, Nr. 5 =
ÖJZ-LSK. 1975/16), zu verstehen.
Ausgehend von diesen Begriffsinhalten kann aber das gegenständlich festgestellte bloße Mitrauchen geringer Suchtgiftmengen durch den Verurteilten aus einer von einem anderen zur Verfügung gestellten Pfeife nicht als tatsächliche und unmittelbare Herrschaft des Verurteilten über das Suchtgift gewertet werden, sondern lediglich als durch das Medium einer anderen Person vermitteltes körperliches Naheverhältnis zum Suchtgift, das dem Gewahrsamsbegriff nicht entspricht. Der bloße (Mit-) Konsum des Suchtgiftes ist aber nicht tatbestandsmäßig nach dem § 9 Abs. 1 Z. 2 SuchtgiftG. (RZ 1977/21; vgl. auch 9 0s 162/77, S. 8 d.E.). Dieser Ansicht steht auch nicht die in EvBl. 1977/200 veröffentlichte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes, 11 0s 143, 174/76, entgegen, wonach schon das 'Mitrauchen' von Haschisch-Zigaretten den Tatbestand erfüllt. Diesem Rechtsfall lag nämlich das Rauchen von Haschischzigaretten, die den Tätern von anderen Personen zum sofortigen Konsum, 'also zum Mitrauchen' übergeben worden waren (S. 19 f. d.E.), damit aber ein Sachverhalt zugrunde, der im Sinne der oben entwickelten Kriterien als Erlangung der tatsächlichen und unmittelbaren Herrschaft über das Suchtgift selbst, demnach als Erwerb und Besitz gemäß dem § 9 Abs. 1 Z. 2 SuchtgiftG. zu beurteilen ist.
In Anbetracht des mangelnden Vorliegens des Erwerbes und Besitzes des Suchtgiftes durch Helmut A erübrigt sich gegenständlich die Klärung der für die Tatbildlichkeit nach dem § 9 Abs. 1 Z. 2 SuchtgiftG.
wesentlichen weiteren Frage, ob bei einem Mitrauchen einer Pfeifenfüllung zusammen mit drei bzw. zwei Personen von einem Naheverhältnis des Verurteilten zu einer überhaupt erfaßbaren Menge Suchtgiftes (vgl. ÖJZ-LSK 1975/109) gesprochen werden kann. Mangels Tatbildlichkeit des festgestellten Verhaltens Helmut A hätte daher das Bezirksgericht Steyr mit einem Freispruch gemäß dem § 259 Z. 3 StPO.
vorzugehen gehabt.
Selbst wenn aber die Tatbestandsmäßigkeit zu bejahen wäre, würde der Schuldspruch nicht dem Gesetz entsprechen:
Gemäß dem § 9 a Abs. 1 SuchtgiftG. hat der Staatsanwalt die gegen eine Person ausschließlich deshalb erstattete Anzeige, weil sie unberechtigt ein Suchtgift erworben oder besessen hat (§ 9 Abs. 1 Z. 2 dritter und vierter Fall SuchtgiftG.), zurückzulegen, wenn das Suchtgift die für den eigenen Verbrauch des Angezeigten innerhalb einer Woche bestimmte Menge nicht übersteigt und wenn ferner die Bezirksverwaltungsbehörde entweder feststellt, daß der Angezeigte wegen des Suchtgiftmißbrauches keiner ärztlichen Behandlung oder Kontrolle bedarf oder daß er sich der notwendigen ärztlichen Behandlung oder einer Kontrolle unterzieht (§ 9 b Abs. 2 SuchtgiftG.). Ist gegen den Angezeigten bereits ein Antrag auf Bestrafung gestellt worden, so ist das Strafverfahren unter den gleichen Voraussetzungen - vom Gericht - einzustellen. Dem Abs. 4 des § 9 a SuchtgiftG. zufolge kann, wenn eine Person bereits einmal wegen einer nach dem Suchtgiftgesetz gerichtlich strafbaren Handlung verurteilt worden und die Verurteilung noch nicht getilgt ist, oder wenn bereits einmal nach dem Abs. 1 leg. cit. eine Anzeige zurückgelegt oder ein Strafverfahren eingestellt worden ist und seither noch nicht mehr als drei Jahre verstrichen sind, im Falle einer neuerlichen Anzeige eine Zurücklegung oder Einstellung nach dem Abs. 1 nur erfolgen, wenn die Bezirksverwaltungsbehörde feststellt, daß der Angezeigte wegen des Suchtgiftmißbrauches in der notwendigen ärztlichen Behandlung steht. Gegenständlich würden die Voraussetzungen für die (bedingt temporäre) Straffreiheit gemäß dem § 9 a Abs. 1
SuchtgiftG. auch bei Bejahung der Tatbildlichkeit des Verhaltens Helmut A vorliegen. Denn die vom bisher unbescholtenen Angezeigten, gegen den gemäß dem § 9 a Abs. 1 SuchtgiftG. auch noch keine Anzeige zurückgelegt oder ein Strafverfahren eingestellt worden ist, jeweils (mit-) gerauchten Suchtgiftmengen haben nicht die für den eigenen Verbrauch innerhalb einer Woche bestimmten Mengen überstiegen und es hat ferner die Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land am 13. Jänner 1978 festgestellt, daß der Angezeigte wegen des Suchtgiftmißbrauches keiner ärztlichen Behandlung, überwachung oder Kontrolle bedarf und sonstige Anzeichen eines Suchtgiftmißbrauches bei ihm nicht vorgefunden wurden (S. 63).
Da der Bezirksanwalt dennoch (wenn auch vermutlich nur versehentlich, wie die Anführung des § 9 a Abs. 1
SuchtgiftG. / S. 1 / zeigt), den Antrag auf Bestrafung des Helmut A gestellt hat, wäre das Strafverfahren - bei Bejahung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 9 Abs. 1 Z. 2 dritter und vierter Fall SuchtgiftG. (unberechtigter Erwerb und Besitz von Suchtgift) - vom Bezirksgericht Steyr gemäß dem § 9 a Abs. 1 letzter Satz SuchtgiftG. - noch vor Anberaumung der Hauptverhandlung -
einzustellen gewesen.
Es war daher spruchgemäß zu erkennen.
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