Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 13.Juni 1945 geborene Hilfsarbeiter Anton A des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung (mit schweren Dauerfolgen) nach dem § 87 Abs. 1 und Abs. 2 StGB schuldig erkannt; nach dem Urteilsspruch hat er am 14.Dezember 1976 in Wien der Christine A dadurch, daß er sie mit einem Fixiermesser und einem Rasiermesser am Kopf und am Körper schnitt, eine schwere Körperverletzung, verbunden mit einer länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung und Berufsunfähigkeit, und zwar zwei 15 cm lange Schnittwunden am linken Oberarm, verbunden mit einer Durchtrennung des Speichennervs und teilweiser Durchtrennung der Beuge- und Streckmuskulatur, eine 3 cm lange Schnittwunde am rechten Handgelenk, sechs zwischen 30 und 40 cm lange Schnittwunden am Rücken, zwei Schnittwunden in der Länge von 6 und 10 cm am Kinn und am Unterkiefer, sowie eine Schnittwunde über dem rechten Knie, absichtlich zugefügt; die Tat hat zumindest für lange Zeit eine auffallende Verunstaltung der Christine A zur Folge gehabt, sohin eine schwere Dauerfolge im Sinn des § 85 Z 2 StGB nach sich gezogen.
Gegen den Schuldspruch richtet sich die auf die Nichtigkeitsgründe nach dem § 281 Abs. 1 Z 4, 5 und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
Zum erstgenannten Nichtigkeitsgrund rügt der Beschwerdeführer als Verfahrensmangel die Abweisung seiner Anträge auf Einvernahme der Zeugen Peter B, Liane C und Rosemarie D. Denn durch die - soweit sie Peter B betrifft neuerliche - Einvernahme der angeführten Zeugen hätte klargestellt werden können, daß die Verletzte Christine A zur Tatzeit im Besitz eines Messers (nämlich des Fixiermessers, mit dem ihr ein Teil der Verletzungen zugefügt wurde) gewesen sei und dieses somit nicht dem Beschwerdeführer gehört habe, der ihr die Verletzungen nicht vorsätzlich beigebracht, sondern sich in einer 'gewissen Notwehr bzw. Notwehrüberschreitung' befunden habe, weil Christine A mit diesem Messer auf ihn losgegangen sei. Das Erstgericht habe aber diese wesentlichen Beweisanträge abgewiesen und sich mit der Feststellung begnügt, die Herkunft des Spring- (richtig Fixier-) Messers habe nicht geklärt werden können.
Rechtliche Beurteilung
Die Verfahrensrüge schlägt jedoch nicht durch.
Das Erstgericht hat die Beweisanträge mit der Begründung abgewiesen (S 22/II. Band), daß die Zeugen C und D unbekannten Aufenthaltes seien und ihre (gemeint C) Ausforschung durch die Polizei ergebnislos versucht worden sei und B weder zur Frage einer Notwehrsituation des Beschwerdeführers oder der überschreitung der Grenzen der notwendigen Verteidigung, noch zur Herkunft des Fixiermessers habe Sachdienliches angeben können.
Diese Begründung des Erstgerichtes ist zutreffend.
Hinzuzufügen ist, daß der Zeuge B zu den im Beweisantrag angeführten Themen sowohl im Vorverfahren (S 19 bis 21, 113 bis 114, 169 bis 172/I. Band), als auch in der sodann zu Beweiszwecken vertagten Hauptverhandlung am 19.August 1977 (ON 83/I. Bd S 385 bis 393) eingehend befragt wurde, wobei er zu dem im Beweisantrag relevierten Fragenkomplex einer Notwehrsituation oder der Herkunft des Fixiermessers nichts sagen konnte, das Tatgeschehen übrigens nicht einmal von Anfang an beobachtete. Diese Beweisergebnisse sind in der mit Urteil beendeten Hauptverhandlung einvernehmlich verlesen (S 3 II.Band; vergl. auch S 403 I.Band) und zum Gegenstand der Verhandlung gemacht worden. Die Abweisung des Beweisantrages in Beziehung auf diesen Zeugen ist somit durchaus begründet, zumal es der Beschwerdeführer und sein Verteidiger auch unterlassen haben, nähere Angaben darüber zu machen, warum bei einer neuerlichen Einvernahme dieses Zeugen weitere Aufschlüsse zum Tathergang zu erwarten gewesen wären.
Im übrigen war das Eigentum an dem bei der Tat verwendeten Fixiermesser, dessen Herkunft aus Beständen der Verletzten das Erstgericht übrigens selbst als möglich bezeichnet (S 38/II.Band), für die Beurteilung der Tat völlig unentscheidend; den Schluß auf die Absichtlichkeit der Verletzungszufügung hat das Erstgericht nämlich aus einer Reihe anderer Indizien gezogen, nämlich daraus, daß der Beschwerdeführer knapp vor der Tat mit Beziehung auf seine damalige Frau der Zeugin E gegenüber erklärte, es werde ihr noch etwas passieren (S 31, 37/II.Band), daß er jedenfalls ein Küchenmesser eingesteckt hatte, als er zur Aussprache ging (S 38/II.Band) und daß er seinem Opfer mit zwei Messern zahlreiche Schnitte an verschiedenen, darunter außerordentlich empfindlichen Körperstellen in der Gesichts- und Halsgegend zufügte, die zum Teil (linker Oberarm) auch sehr tief reichten (S 39/II.Band). Die Herkunft des bei der Tat verwendeten Fixiermessers, die das Gericht für ungeklärt erachtete, war gegenüber diesen Indizien demnach ohne Belang; eine weitere Klärung der Vorfälle aber war durch die Einvernahme der beantragten Zeugen weder zu erwarten, noch war sie erforderlich; die Beweisaufnahmen konnten daher ohne Nachteil für den Beschwerdeführer oder die Wahrheitsfindung unterbleiben, zumal keiner der beantragten Zeugen den Beginn der Tat aus eigener Wahrnehmung hatte beobachten können, sodaß auch zur Frage einer Notwehrsituation des Beschwerdeführers von ihnen keine weiteren Aufschlüsse zu erwarten waren. Die Zeugin C konnte übrigens, worauf das Erstgericht zutreffend verweist, gar nicht ausgeforscht werden (ON 95, 97 und 98). Ein Verfahrensmangel im Sinn der Z 4 des § 281 Abs. 1
StPO liegt somit nicht vor.
Den Nichtigkeitsgrund nach dem § 281 Abs. 1 Z 5 StPO relevierend, behauptet der Beschwerdeführer, das Urteil des Schöffengerichtes sei unzureichend begründet, weil das Erstgericht festgestellt habe, die Herkunft des zur Tat außer dem Rasiermesser noch verwendeten Fixiermessers habe nicht geklärt werden können. Die Verantwortung des Beschwerdeführers, dieses Messer habe Christine A gehört, sei von den Zeugen F, G und anderen bestätigt wor; das Gericht habe nicht dargetan, warum es bei dieser Beweislage der Verantwortung des Beschwerdeführers, zu Beginn der Auseinandersetzung habe Christine A dieses Messer gehabt, keinen Glauben geschenkt habe. Hierauf ist dem Beschwerdeführer zu erwidern, daß die von ihm erwähnten Zeugen F und G (sowie auch H und I) aus eigener Wahrnehmung über die Herkunft des Fixiermessers nichts angeben konnten, sondern sich nur auf angebliche öußerungen des Zeugen B gegenüber der - übrigens hörbehinderten - Zeugin H beriefen, wonach Christine A bei Beginn der Auseinandersetzung mit dem Beschwerdeführer im Besitz des Fixiermessers war (S 13 bis 20/II.Band).
Ohne Verstoß gegen die Denkgesetze oder gegen die allgemeine Lebenserfahrung konnte es das Erstgericht ablehnen, hieraus Schlußfolgerungen über die Herkunft des Fixiermessers zu ziehen und davon ausgehen, daß der (wie bereits erwähnt, nicht sachentscheidende) frühere Besitz des Messers nicht geklärt werden konnte. Ein Begründungsmangel ist dem Gericht bei seinen Feststellungen über die absichtliche Zufügung der Verletzungen durch den Beschwerdeführer nicht unterlaufen, weil es dies denkfolgerichtig und realistisch auf eine Reihe anderer mit der Herkunft des Fixiermessers nicht im Zusammenhang stehender Beweisergebnisse und Tatumstände stützte.
Dem Urteil haftet somit kein Begründungsmangel an.
Schließlich wird unter Berufung auf die Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO noch ausgeführt, daß die Qualifikation 'nach absichtlicher schwerer Körperverletzung nach § 87 1 und 2 StGB' unrichtig sei, weil die Funktion der (linken) Hand, deren Nerven und Muskel durch die Schnitte in den Oberarm teilweise durchtrennt waren, ausreichend wiederhergestellt worden sei, bzw. wiederhergestellt werden könne und auch die Narben am Kinn ohne weiteres kosmetisch 'repariert' werden könnten, sodaß keine Dauerfolgen im Sinn des § 85 Z 2
StGB eingetreten seien. Mit diesem Vorbringen will der Beschwerdeführer erkennbar die Beurteilung seiner Tat (bloß) als schwere Körperverletzung nach den § 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB erreichen, doch kann ihm auch insoweit ein Erfolg nicht beschieden sein.
Das Schöffengericht hat aus der Art der Zufügung der Verletzungen und den öußerungen des Beschwerdeführers vor der Tat logisch und lebensnah begründet abgeleitet, daß die Verletzungen absichtlich zugefügt wurden, das heißt, daß der Beschwerdeführer den Erfolg bezweckte, sich die Verwirklichung dieses Erfolges zum Ziel setzte, sein Verhalten nach dieser Zielvorstellung ausrichtete und im Interesse der Erreichung dieses Zieles, nämlich der schweren Verletzung der Christine A, tätig wurde (vgl. 13 Os 96/75). Die Absicht, schwer zu verletzen, leuchtet nach Ansicht des Erstgerichtes schon aus der Art der Zufügung der Schnittwunden mit verschiedenen, zum Teil sehr scharfen (Rasiermesser) Instrumenten hervor, zum Teil aber auch daraus, daß die Verletzungen sehr empfindliche Körperpartien (Gesichts- und Halsregion) betrafen. Die bei der Verletzungszufügung aufgewendete Kraft war erheblich und führte zu schweren und tiefreichenden Schnitten am linken Oberarm, die nicht nur die Muskeln und Sehnen, sondern auch die Nerven durchtrennten (vgl. hiezu 10 Os 33/75).
Die Verletzungen der Christine A haben aber auch, wie das Erstgericht weiters feststellt (S 39/40/II.Band), infolge der Narbenbildungen zu einer auffallenden Verunstaltung geführt, die nur durch zahlreiche langwierige kosmetische Operationen - wenn überhaupt - im Verlauf von etwa zwei Jahren beseitigt oder doch weniger auffallend gemacht werden kann. Hierauf und nicht auf die Einschränkung der Gebrauchsfähigkeit der linken Hand, wie der Beschwerdeführer meint, hat das Erstgericht rechtlich zutreffend die Feststellung über das Bestehen schwerer Dauerfolgen bei Christine A gestützt (vgl. Foregger-Serini, StGB2, Erläuterung II zu § 85), die vom Täter zumindest fahrlässig im Sinn des § 7 Abs. 2 StGB verschuldet wurden, welchem Umstand das Erstgericht rechtsrichtig durch Annahme der Qualifikation nach dem § 87 Abs. 2 StGB Rechnung getragen hat (Foregger-Serini, ebendort, Erläuterung III zu § 87 StGB).
Die unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Anton A war daher zu
verwerfen.
Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach dem ersten Strafsatz des § 87 Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Jahren. Bei der Strafbemessung wertete es als erschwerend die einschlägigen Vorstrafen des Angeklagten, als mildernd dessen Geständnis und dessen Erregung über das Verhalten seiner Frau. Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch der Angeklagte haben gegen diesen Ausspruch über die Strafe Berufung erhoben.
Die Staatsanwaltschaft begehrt eine Erhöhung des Strafausmaßes, weil das Erstgericht auch den raschen Rückfall als erschwerend hätte werten sollen. Weiters seien den Vorstrafen des Angeklagten wegen Gewalttätigkeitsdelikten und dem schweren Verletzungserfolg zu wenig, den Milderungsgründen hingegen zuviel Gewicht beigelegt worden, zumal nur ein Teilgeständnis vorliege und von einer besonderen Erregung zur Tatzeit nicht gesprochen werden könne. Der Angeklagte begehrt eine Herabsetzung der Strafe, weil er sich seit dem Jahre 1971 wohl verhalten habe.
Keine Berufung erweist sich als berechtigt.
Es trifft zu, daß der Angeklagte erst zwei Monate vor der Tat wegen
des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125
StGB, somit wegen einer auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Handlung zu einer Geldstrafe verurteilt und somit rasch rückfällig geworden ist. Da er seit dem Jahre 1971
insgesamt vier Mal wegen Aggressionshandlungen verurteilt worden ist (siehe die Punkte 5 bis 9 der Strafregisterauskunft S 13/I), kann nicht davon gesprochen werden, daß er sich sechs Jahre wohl verhalten hat. Der schwere Verletzungserfolg bedingt die Annahme der strafsatzändernden Qualifikation des ersten Anwendungsfalles des zweiten Absatzes des § 87 StGB und kann nicht gesondert als Erschwerungsumstand zugerechnet werden.
Das Erstgericht hat somit bei Berücksichtigung der tatsächlich gegebenen Strafzumessungsgründe ein Strafmaß gefunden, das sowohl dem - schweren - Unrechtsgehalt der Tat als auch der Täterpersönlichkeit des Angeklagten entspricht.
Es mußte demnach auch beiden Berufungen ein Erfolg versagt bleiben. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.
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