OGH 11Os86/78

OGH11Os86/7820.6.1978

Der Oberste Gerichtshof hat am 20.Juni 1978 unter dem Vorsitz des Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Dienst, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Friedrich, Dr. Schneider und Dr. Walenta als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Holeschofsky als Schriftführer in der Strafsache gegen Bernhard A wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach den § 83 Abs. 2, 84 Abs. 1 StGB über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Jugendschöffengericht vom 13.März 1978, GZ. 24 Vr 2940/77-12, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Buchmayr und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Erster Staatsanwalt Dr. Strasser, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 7.Jänner 1961 geborene Schüler der Höheren Technischen Bundeslehranstalt in Linz Bernhard A des Vergehens der schweren Körperverletzung nach den § 83 Abs. 2, 84 Abs. 1 StGB schuldig erkannt. Gemäß dem § 13 (Abs. 1) JGG wurde der Ausspruch über die Strafe für eine Probezeit von zwei Jahren vorläufig aufgeschoben.

Nach den wesentlichen Urteilsannahmen griff der Angeklagte am 22. November 1977 während einer Unterrichtspause im Klassenzimmer der Klasse 2 HB seiner Schule dem Mitschüler Gerhard B mit den Zeigefingern in die Augen. B stand auf und wollte den Angeklagten abwehren. Dieser nahm ihn jedoch in den 'Schwitzkasten'. Als B nun dem Angeklagten mit dem Daumen in ein Auge fuhr, ließ ihn dieser los und versetzte ihm eine Ohrfeige in die linke Gesichtshälfte. Hiedurch erlitt B, der durch den Schlag ziemlich benommen war, eine Perforation des linken Trommelfelles, eine vom Erstgericht auf Grund des Gutachtens eines gerichtsmedizinischen Sachverständigen als an sich schwer (§ 84 Abs. 1 StGB) beurteilte Verletzung.

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5 und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der jedoch Berechtigung nicht zukommt.

Rechtliche Beurteilung

Soweit der Beschwerdeführer, der sein Verhalten als Fahrlässigkeitsdelikt nach dem § 88 Abs. 1 und 4 (1.Fall) StGB ansieht, einerseits sowohl in der Mängelrüge als auch in der Rechtsrüge das Unterbleiben von Feststellungen zur subjektiven Tatseite im Sinne des (Grund-) Tatbestandes nach dem § 83 Abs. 2 StGB (also der Sache nach Feststellungsmängel gemäß der Z 10 des § 281 Abs. 1 StGB) geltend macht, andererseits, in innerem Widerspruch zu diesem Vorbringen, die 'Unterstellung einer Mißhandlungsabsicht' im Ersturteil als unbegründet rügt, ist ihm zu entgegnen, daß nicht nur die Annahme des für diesen Tatbestand erforderlichen Vorsatzes (§ 5 Abs. 1 StGB), der angegriffenen Person durch Einwirkung physischer Kraft auf den Körper irgendein körperliches übel - wenn auch bloß nicht ganz unerhebliche körperliche Schmerzen - zuzufügen (Leukauf-Steininger 425; ÖJZ-LSK 1975/228, 1976/193; 10 Os 133/75, 13 Os 22/78), sondern auch die für diese Feststellung maßgeblichen Schlüsse aus der - eine Einheit darstellenden - erstgerichtlichen Begründung in ihrem Zusammenhang hervorgehen. Denn das Erstgericht nimmt, der Verantwortung des Beschwerdeführers und seinem nunmehrigen Vorbringen (wonach er, um von B loszukommen und den ihm von diesem zugefügten Schmerz zu beenden, 'unkontrolliert und kritiklos' losgeschlagen habe) zuwider, auf Grund der in der Hauptverhandlung verlesenen Aussagen des Zeugen B vor der Polizei (S 12, 42) als erwiesen an, daß der Beschwerdeführer seinen Mitschüler, als er diesen bereits losgelassen hatte und ihm 'von Angesicht zu Angesicht' gegenüberstand, aus Zorn und nicht etwa in einer Art Reflexbewegung 'blindlings nach rückwärts', die Ohrfeige versetzte (S 46, 48).

Daß das Erstgericht aus diesem äußeren Verhalten (vgl. Gebert-Pallin-Pfeiffer III/2 Nr. 59 j zu § 281 Abs. 1 Z 5 StPO), nämlich des erst nach der Beendigung des Raufhandels erfolgten (vgl. S 49) Versetzens einer das körperliche Wohlbefinden nicht unerheblich beeinträchtigenden und daher objektiv eine Mißhandlung darstellenden (Leukauf-Steininger, S 425, 572) kräftigen Ohrfeige, durch welche Gerhard B sogar benommen war, auf den Mißhandlungsvorsatz im Sinne der dargelegten rechtlichen Kriterien schloß (vgl. auch S 48: '.... Daraus ist aber zu entnehmen .....'), entspricht den Denkgesetzen und durchaus auch der Lebenserfahrung. In Anbetracht dieser mängelfrei begründeten Feststellungen zur äußeren und inneren Tatseite des § 83 Abs. 2 StGB verfangen die weiteren (in der Mängel- und Rechtsrüge enthaltenen, sachlich jedoch einen Begründungsmangel relevierenden) Beschwerdeausführungen, das Erstgericht habe das Gutachten des medizinischen Sachverständigen, wonach es sich bei der Tathandlung um eine traumatische, unkritische Reaktion (auf Grund des Schmerzes im Auge) gehandelt haben könnte (S 41), stillschweigend übergangen, schon deshalb nicht, weil das Erstgericht von einer anderen Tatsituation als der Sachverständige ausgegangen ist. Zu all dem hat aber das Erstgericht diese Alternative eines 'blinden Zurückschlagens' ausdrücklich mit denkmöglicher Begründung abgelehnt (S 48), woraus sich mit hinreichender Deutlichkeit ergibt, daß es die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte öußerung des Sachverständigen in den Kreis seiner überlegungen einbezogen hat.

Die vom Beschwerdeführer in der Rechtsrüge vertretene Meinung, unter 'Mißhandlungsabsicht' sei die Absicht zu verstehen, einem anderen ein körperliches übel zuzufügen, das mit einer Gesundheitsstörung oder Berufsunfähigkeit verbunden ist, widerspricht der herrschenden Rechtsprechung und Lehre zum Vorsatz nach dem § 83 Abs. 2 StGB (vgl. neuerlich ÖJZ-LSK 1975/228, Leukauf-Steininger S 425). Es genügt vielmehr, wie bereits dargetan, auf der subjektiven Tatseite dieses Tatbildes der auf die Herbeiführung irgendeines körperlichen übels, wenn auch nur nicht ganz unerheblicher körperlicher Schmerzen, gerichtete Vorsatz (§ 5 Abs. 1 StGB). Soweit der Beschwerdeführer unter Anrufung des Nichtigkeitsgrundes der Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO, wie in der Mängelrüge, das Vorliegen einer 'unkritischen Reaktionshandlung' behauptet, und sein Verhalten deshalb als Fahrlässigkeitsdelikt im Sinne des Tatbildes des § 88 Abs. 1 und 4 erster Fall StGB gewertet sehen will, negiert er die Feststellungen über den Mißhandlungsvorsatz und führt somit die Rechtsrüge nicht dem Gesetz gemäß aus.

Die nach Ansicht des Beschwerdeführers (S 57 oben und unten) der Annahme des Mißhandlungsvorsatzes widersprechende Feststellung, daß das 'gegenseitige Greifen in die Augen' unter den Schülern öfters vorkommt, hat das Erstgericht nicht getroffen. Es gab vielmehr insofern bloß die Verantwortung des Angeklagten wieder (S 46 f). Die weiteren Beschwerdeausführungen in der Rechtsrüge, wonach ein derartiges Verhalten der Schüler 'im allgemeinen' nicht in feindseliger Absicht, sondern mit dem Willen geschehe, 'einander Unbehagen zu bereiten und die eigene körperliche überlegenheit zu zeigen' (vgl. die vom Beschwerdeführer zitierte Entscheidung EvBl. 1968/183, der im übrigen noch die Rechtslage nach dem Strafgesetz zugrundeliegt), vergleichen ebenfalls nicht den Urteilssachverhalt mit dem darauf anzuwendenden Gesetz. Denn die Verletzung des Gerhard B erfolgte ja aus der ihm vom Angeklagten mit Mißhandlungsvorsatz zugefügten Ohrfeige.

Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war deshalb zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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