OGH 12Os87/78

OGH12Os87/788.6.1978

Der Oberste Gerichtshof hat am 8.Juni 1978 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Bernardini, Dr. Kral und Dr. Steininger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Haindl als Schriftführer in der Strafsache gegen Klaus A und Lothar B wegen versuchten Verbrechens nach § 15 StGB. und § 6 Abs. 1 SuchtgiftG. und einer anderen strafbaren Handlung über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 10. Jänner 1978, GZ. 10 Vr 3089/77-20, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Karollus, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In der Strafsache gegen Klaus A und Lothar B wegen versuchten Verbrechens nach § 15 StGB. und § 6 Abs. 1 SuchtgiftG. sowie einer weiteren strafbaren Handlung, AZ. 10 Vr 3089/77 des Landesgerichtes für Strafsachen Graz, ist durch das Urteil dieses Gerichtes vom 10. Jänner 1978, GZ. 10 Vr 3089/77-20, soweit Klaus A und Lothar B des (versuchten) Verbrechens nach § 15

StGB. und § 6 (Abs. 1) SuchtgiftG. schuldig erkannt und hiefür zu Freiheitsstrafen verurteilt worden sind und soweit das beschlagnahmte Suchtgift gemäß § 6 Abs. 3

SuchtgiftG. für verfallen erklärt worden ist, das Gesetz in den Bestimmungen des § 6 Abs. 1 und 3 SuchtgiftG. verletzt. Das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 10.Jänner 1978, GZ. 10 Vr 3089/77-20, das im übrigen unberührt bleibt, wird im Schuldspruch wegen Verbrechens nach § 15 StGB. und § 6 SuchtgiftG. sowie im Ausspruch über die Strafe aufgehoben. Desgleichen werden alle auf diesem Teil des Urteils beruhenden Beschlüsse und richterlichen Verfügungen aufgehoben und es wird gemäß § 288 Abs. 2 Z. 3

StPO. in der Sache selbst erkannt:

Klaus A und Lothar B sind schuldig, am 10.November 1977 in Spielfeld im bewußt gemeinsamen Zusammenwirken als Mittäter unberechtigt ein Suchtgift, und zwar 1370 Gramm Haschisch, besessen zu haben. Sie haben hiedurch das Vergehen nach § 9 Abs. 1 Z. 2 SuchtgiftG. begangen und werden hiefür nach dem ersten Strafsatz des § 9 Abs. 2 SuchtgiftG., Klaus A auch für das im aufrecht gebliebenen Teil des erstinstanzlichen Schuldspruches bezeichnete Vergehen nach § 36 Abs. 1 lit. b WaffenG. und sohin unter Anwendung des § 28 StGB. zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 5 (fünf) Monaten, und Lothar B zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 5 (fünf) Monaten sowie beide gemäß § 389 StPO. zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt.

Der vorgefundene Suchtgiftvorrat wird für verfallen erklärt (§ 9 Abs. 3 SuchtgiftG.).

Gemäß § 26 StGB. wird die bei Klaus A beschlagnahmte Stahlrute eingezogen.

Der Ausspruch über die Anrechnung der von Klaus A und Lothar B erlittenen Vorhaft (§ 38 StGB.) wird aus dem erstinstanzlichen Urteil übernommen.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 10.Jänner 1978, GZ. 10 Vr 3089/77-20, wurden der am 9.November 1956 geborene Klaus A und der am 14.Jänner 1955 geborene Lothar B, zwei zuletzt beschäftigungslos gewesene deutsche Staatsangehörige, des (versuchten) Verbrechens nach § 15 StGB. und § 6 SuchtgiftG. und der Erstgenannte überdies des Vergehens nach § 36 Abs. 1 lit. b WaffenG. schuldig erkannt.

Ihnen wurde zur Last gelegt, am 10.November 1977 in Spielfeld im bewußt gemeinsamen Zusammenwirken als unmittelbare Täter versucht zu haben, den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in solchen Mengen, nämlich 1370 Gramm Haschisch, einzuführen, daß daraus in größerer Ausdehnung eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen konnte; dem Klaus A liegt überdies zur Last, am 10.November 1977 in Spielfeld eine Stahlrute, sohin eine verbotene Waffe, unbefugt besessen zu haben.

Hiefür wurden Klaus A und Lothar B nach § 6 Abs. 1 SuchtgiftG. unter Anwendung des § 41 StGB., der Erstgenannte auch unter Bedachtnahme auf § 28 StGB., zu Freiheitsstrafen in der Dauer von acht bzw. sieben Monaten verurteilt. Die beschlagnahmte Suchtgiftmenge wurde gemäß § 6 Abs. 3 SuchtgiftG. für verfallen erklärt, die beschlagnahmte Stahlrute gemäß § 26 StGB. eingezogen. Den Urteilsfeststellungen zufolge haben Klaus A und Lothar B in der Türkei gemeinsam ca. 1400 Gramm Haschisch erworben, wovon sie ca. 30 Gramm noch in der Türkei gemeinsam verraucht haben. Am 10.November 1977

wollten sie als Passagiere eines türkischen Autobusses aus Jugoslawien kommend beim Straßenzollamt Spielfeld nach Österreich einreisen. Im Zuge der Zollkontrolle wurden zunächst bei Lothar B in einem Kopfkissen verwahrt 700 Gramm Haschisch und anschließend bei Klaus A weitere 670 Gramm Haschisch vorgefunden. Das Suchtgift hatten die Angeklagten bei Salzburg wieder ausführen wollen, um es dann, wie sie angaben, in Deutschland für den Eigengebrauch zu verwenden. Bei der versuchten Einfuhr der 1370 Gramm Haschisch haben die Angeklagten im bewußt gemeinsamen Zusammenwirken als Mittäter gehandelt, wobei sie eine getrennte Verwahrung des Suchtgiftes günstiger fanden. Bei Klaus A wurde außerdem eine Stahlrute vorgefunden, die ebenso wie das Haschisch sichergestellt wurde. Gegen dieses Urteil haben der Angeklagte Lothar B Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung und der Angeklagte Klaus A Berufung erhoben. Infolge Zurückziehung dieser Rechtsmittel ist das Urteil jedoch in Rechtskraft erwachsen.

Rechtliche Beurteilung

Der Schuldspruch wegen versuchten Verbrechens nach § 15 StGB. und § 6 (Abs. 1) SuchtgiftG. steht mit dem Gesetz nicht in Einklang.

Des Verbrechens nach § 6 Abs. 1 SuchtgiftG. macht sich schuldig, wer

vorsätzlich den bestehenden Vorschriften zuwider ein Suchtgift in

solchen Mengen ... einführt ..., daß daraus in größerer Ausdehnung

eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen

kann.

Der Tatbestand erfordert die Herbeiführung einer Gemeingefahr, die

als Folge ... der Einfuhr ... eines Suchtgiftes entstehen kann (13

Os 123/74, zitiert bei Leukauf-Steininger, Strafrechtliche Nebengesetze, unter Nr. 13 zu § 6 SuchtgiftG.).

Zwar übersteigt die von den Angeklagten eingeführte Menge von 1370 Gramm Haschisch die bei diesem Suchtgift im Bereich von 100 Gramm anzunehmende 'Grenzmenge' bei weitem und würde daher - objektiv gesehen - zur Herbeiführung der im § 6 Abs. 1 SuchtgiftG. umschriebenen Gemeingefahr ausreichen (vgl. Maurer in RZ. 1973, 43- 44;

JBl. 1975, 330).

Wie der Oberste Gerichtshof aber zu SSt. 45/10 und in zahlreichen anderen Entscheidungen zum Ausdruck gebracht hat, muß auch der Eintritt der Gemeingefahr vom Vorsatz des Täters umfaßt sein, wozu allerdings dolus eventualis genügen würde.

Sofern die von der Tat betroffene Suchtgiftmenge nicht so groß ist, daß sie von vornherein außer jeder Relation zum möglichen Eigenbedarf einer begrenzten Personenzahl steht (10 Os 140/73), sind zur Annahme eines auf die Herbeiführung der im § 6 Abs. 1 SuchtgiftG. umschriebenen Gemeingefahr gerichteten Vorsatzes (vgl. RZ. 1972, 148) über die Annahme einer Kenntnis des Täters von der Suchtgiftmenge und von den theoretischen Möglichkeiten der Verwendung und Verbreitung des betreffenden Suchtgiftes hinaus auch entsprechend begründete Feststellungen in der Richtung erforderlich, daß der Täter eine Gefahr, die einen größeren Personenkreis (SSt. 21/34) auf eine solche Weise erfaßt, daß der Täter die Folgen seines Handelns selbst nicht mehr beliebig zu bestimmen und zu begrenzen vermag, in einen Vorsatz aufgenommen hat (EvBl. 1972/239). Dazu bedarf es insbesondere entsprechend begründeter Feststellungen darüber, an wieviele Personen und an welchen Abnehmerkreis (Süchtige, Endverbraucher oder Händler) das Suchtgift weitergegeben worden ist oder weitergegeben werden sollte und wie die Verbreitung vonstatten gegangen ist oder vonstatten gehen sollte. Den - aktenmäßig gedeckten - Urteilsfeststellungen zufolge haben die Angeklagten das Haschisch für den Eigenverbrauch verwenden wollen (S. 110 d.A.), bei welcher Sachlage nicht gesagt werden kann, daß sie die Herbeiführung einer Gemeingefahr im oben erwähnten Sinn in ihren Vorsatz aufgenommen hätten.

Durch den Schuldspruch wegen (versuchten) Verbrechens nach § 15 StGB. und § 6 (Abs. 1) SuchtgiftG. wurde daher das Gesetz zum Nachteil der Angeklagten Klaus A und Lothar B verletzt. Die Handlungsweise der Angeklagten erfüllt aber den Tatbestand des Vergehens nach § 9 Abs. 1 Z. 2 SuchtgiftG., weil sie - am 10. November 1977 in Spielfeld - unberechtigt Suchtgift besessen haben, welches die für ihren eigenen Verbrauch innerhalb einer Woche bestimmte Menge von (je) 30 Gramm Haschisch (vgl. den Erlaß des Bundesministeriums für Justiz vom 18.Juli 1972, JABl. Nr. 11) um ein Vielfaches übersteigt, weshalb ihnen Straflosigkeit nach § 9 a Abs. 1 SuchtgiftG. nicht zustatten kommt.

über die von der Generalprokuratur gemäß § 33 Abs. 2 StPO. erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes war daher die Verletzung der Bestimmungen des § 6 Abs. 1 und 3 SuchtgiftG. festzustellen, das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 10.Jänner 1978 im Schuldspruch wegen Verbrechens nach § 15 StGB. und § 6 Abs. 1 SuchtgiftG. sowie im Ausspruch über die Strafe und alle auf diesem Teil des Urteils beruhenden Beschlüsse und richterliche Verfügungen aufzuheben und gemäß § 288 Abs. 2 Z. 3 StPO. in der Sache selbst Klaus A und Lothar B des Vergehens

nach § 9 Abs. 1 Z. 2 SuchtgiftG.

schuldig zu sprechen.

Die Strafe war nach § 9 Abs. 2 SuchtgiftG., 1. Strafsatz zu bemessen. Bei beiden Angeklagten war erschwerend die relativ große Menge Suchtgift, bei A außerdem das Zusammentreffen zweier Straftaten, mildernd war bei beiden Angeklagten das Geständnis und ihr ordentlicher Lebenswandel.

Unter Berücksichtigung dieser Strafbemessungsgründe ist bei beiden Angeklagten eine Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Monaten dem Unrechtsgehalt der Tat und ihrer Schuld angemessen. Gemäß § 9 Abs. 3 SuchtgiftG.

mußte der Suchtgiftvorrat für verfallen erklärt werden. Die Stahlrute war gemäß § 26 StGB. einzuziehen. Im übrigen wurde der Ausspruch über die Anrechnung der Vorhaft aus dem erstinstanzlichen Urteil übernommen.

Mit Rücksicht auf die Sucht der Angeklagten und die besonderen Umstände der vorliegenden Tat, insbesonders der großen Haschischmenge, die sie besessen haben, bedarf es der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe, um die Täter von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten. Aus diesen Erwägungen war auch die Vollstreckung der Strafe erforderlich. Die Verhängung einer Geldstrafe und bedingte Strafnachsicht waren somit nicht möglich. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung beruht auf der angeführten Gesetzesstelle.

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