OGH 9Os73/78

OGH9Os73/786.6.1978

Der Oberste Gerichtshof hat am 6.Juni 1978 unter dem Vorsitz des Senatpräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Racek sowie der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Steininger und Dr. Horak als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Maresch als Schriftführer in der Strafsache gegen Meinhard A wegen des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 (erster und zweiter Anwendungsfall) StGB und anderer strafbarer Handlungen über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht Salzburg vom 26.Jänner 1978, GZ 16 Vr 1754/77-76, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung und über die von der Staatsanwaltschaft erhobene Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Hetz und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Tschulik, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben und die Freiheitsstrafe auf 10 Jahre erhöht.

Der Angeklagte wird mit seiner Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 9.April 1947

geborene beschäftigungslose Meinhard A auf Grund des Wahrspruchs der

Geschwornen des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach §§

15, 142 Abs 1, 143 (erster und zweiter Anwendungsfall) StGB (Punkt

1.) des Urteilssatzes), des Verbrechens der versuchten

erpresserischen Entführung nach §§ 15, 102 Abs 2 Z 2 und Abs 4

StGB (Punkt 2.) des Urteilssatzes) und des Vergehens nach § 36 Abs

1 lit a WaffenG (Punkt 3.) des Urteilssatzes) schuldig erkannt,

weil er zu 1.): am 25.Juni 1977 in Salzburg in Gesellschaft des

inzwischen (durch Selbstmord) verstorbenen Gottfried B als

Beteiligter (§ 12 StGB) unter Verwendung zweier durchgeladener

Faustfeuerwaffen durch die öußerung 'überfall und aufsperren',

wobei die Täter zur Unterstreichung ihrer Drohung ihre

Faustfeuerwaffen gegen den Bedrohten in Anschlag brachten, somit

durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89

StGB) versuchte, dem Ingo C Bargeld in- und ausländischer Währung

im Betrag von insgesamt S 908.978,03 mit dem Vorsatz abzunötigen,

sich durch dessen Zueignung unrechtmäßig zu bereichern;

zu 2.): am 25.Juni 1977 in Salzburg in Gesellschaft des inzwischen

verstorbenen Gottfried B als Beteiligter (§ 12 StGB) dadurch, daß er

sich mit seinem Mittäter und dem bereits vorher in ihre Gewalt

geratenen Bankkassier Ingo C in der Wechselstube der D-Bank in der

Getreidegasse verschanzte und mit der Erschießung der Geisel

drohte, würde man ihnen nicht eine weitere Geldsumme von S

1,500.000,-- sowie ein Fluchtauto zur Verfügung stellen und mit

der Geisel freien Abzug gewähren, versuchte, unter Ausnützung

einer ohne Nötigungsabsicht vorgenommenen Bemächtigung einer Person

einen Dritten zu einer Handlung, Duldung und Unterlassung zu

nötigen, wobei die Täter freiwillig unter Verzicht auf die

begehrte Leistung die Person, deren sie sich bemächtigten, ohne

ernstlichen Schaden in ihren Lebenskreis zurückgelangen ließen;

zu 3.): in der Zeit zwischen Mai 1977 und dem 26.Juni 1977

in Salzburg und anderen Orten Österreichs vorsätzlich unbefugt eine Faustfeuerwaffe der Marke Ortgies, Nr. 163644, Kal. 7,65 mm, mit geladenem Magazin besaß und führte.

Die Geschwornen hatten alle drei im Sinne der Anklage (wegen dieser strafbaren Handlungen) an sie gerichteten Hauptfragen jeweils stimmeneinhellig bejaht; Zusatz- oder Eventualfragen wurden nicht gestellt.

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte lediglich im Schuldspruchfaktum 2.) mit einer ziffernmäßig auf die Nichtigkeitsgründe des § 345 Abs 1 Z 11 und 12 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Aus dem letztgenannten Nichtigkeitsgrund wendet sich der Beschwerdeführer zunächst gegen die Unterstellung seines Tatverhaltens auch unter den Tatbestand der versuchten erpresserischen Entführung mit der Begründung, daß sein bezügliches deliktisches Verhalten als 'straflose Nachtat' durch seine Bestrafung wesen des Verbrechens des versuchten schweren Raubes in seinem Unrechtsgehalt mitumfaßt sei, weil dadurch kein weiteres Rechtsgut verletzt worden, sein Vorsatz vielmehr ausschließlich auf die Ausführung eines Raubes gerichtet gewesen sei.

Die Rüge versagt.

Wohl sind beim Verbrechen des Raubes alle Handlungen des Täters vom Beginn der Ausführung seines räuberischen Vorsatzes bis zum Zeitpunkt, in welchem die geraubte Sache in Sicherheit gebracht wird, grundsätzlich als Einheit anzusehen und stellen nur Phasen eines Deliktes dar, sodaß im Zuge der Ausführung eines Raubes ausgeübte oder der eigentlichen Wegnahme nachfolgende Gewalttätigkeiten und gefährliche Drohungen gegen das Raubopfer dem Täter in der Regel nicht gesondert zuzurechnen sind. Diese einheitliche rechtliche Beurteilung verschiedener Deliktsphasen als ein einziges Delikt findet jedoch ihre Grenze darin, daß zwischen den Tathandlungen ein sachlicher, innerer und unmittelbarer Zusammenhang bestehen muß. Tathandlungen eines Räubers, die sich nicht nur gegen die Person des Beraubten selbst, sondern (auch) gegen einen Dritten richten, sind daher rechtlich gesondert zu beurteilen, selbst wenn sie bloß der Sicherung der Beute oder der Einleitung der Flucht die; sie sind daher grundsätzlich jenem Tatbestand zu unterstellen, den sie für sich gesondert erfüllen (vgl. SSt. 46/11; LSK 1976/213).

Letzteres trifft nach dem dem Wahrspruch der Geschwornen zugrundeliegenden Sachverhalt auf die in der Hauptfrage II umschriebenen Handlungen zu, durch die nicht der in der Bankfiliale in die Gewalt der Täter gelangte Ingo C selbst, sondern Dritte genötigt werden sollten, eine Geldsumme von S 1,500.000,-- und ein Fluchtauto zur Verfügung zu stellen und den Tätern mit ihrer Geisel freien Abzug zu gewähren.

Diese Handlungen richteten sich solcherart nicht gegen die Person des Beraubten allein und bezweckten nicht bloß, den Täter die weitere Ausführung des Raubes, die Sicherung der Raubbeute und die Flucht zu ermöglichen, sondern darüber hinaus auch Dritten unter anderem eine weitere Geldsumme abzunötigen. Die gesonderte Beurteilung dieses - mithin über die durch die Vortat begangene Rechtsverletzung hinausgehenden und von der Vortat in ihrem Unrechtsgehalt nicht mitumfaßten - Tatverhaltens als versuchte erpresserische Entführung entspricht daher dem Gesetz. Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang noch ausführt, seine Absicht sei ausschließlich auf die Ausführung eines Raubes gerichtet gewesen, setzt er sich über die im Wahrspruch der Geschwornen getroffenen - einer Anfechtung im Nichtigkeitsverfahren gänzlich entzogenen - gegenteiligen Tatsachenfeststellungen hinweg; insoweit mangelt es der Rechtsrüge schon an der prozeßordnungsgemäßen Darstellung des angerufenen Nichtigkeitsgrundes.

Ferner macht der Beschwerdeführer geltend, es komme ihm in Ansehung des Schuldspruchfaktums 2.) strafbefreiender Rücktritt vom Versuch gemäß § 16 Abs 1 StGB zustatten, weil er freiwillig - in der Erwartung, dadurch eine mildere Bestrafung zu erlangen - von der Ausführung der erpresserischen Entführung abgestanden sei. Dieser Beschwerdeeinwand schlägt gleichfalls nicht durch. Es genügt ihm vielmehr entgegenzuhalten, daß mangels einer insoweit dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 9

lit b StPO entspechenden Regelung im § 345 Abs 1 (Z 11 lit b) StPO im geschwornengerichtlichen Verfahren die Annahme oder Nichtannahme von Umständen, durch die die Strafbarkeit der Tat aufgehoben ist, mithin auch des persönlichen Strafaufhebungsgrundes nach § 16 StGB (vgl. SSt. 46/42 und 9 Os 41/76 vom 23.Juni 1976) grundsätzlich nicht mit Rechtsrüge angefochten, sondern nur wegen Unterlassung einer diesbezüglichen Fragestellung unter Verletzung der Vorschrift des § 313 StPO aus dem Grunde der Z 6 des § 345 Abs 1 StPO gerügt werden kann (vgl. Gebert-Pallin-Pfeiffer III/3, Nr. 4 zu § 345 Abs 1 Z 11 lit b StPO) was im gegenständlichen Fall nicht geschah.

Im übrigen wurde, ausgehend vom Wahrspruch der Geschwornen, wonach der Angeklagte (und Gottfried B) den Ingo C freiwillig unter Verzicht auf die begehrte Leistung ohne ernstlichen Schaden in seinen Lebenskreis zurückgelangen ließen, die Rechtsfrage im Sinne des § 102 Abs 4 StPO richtig gelöst.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Beklagten war sohin zu verwerfen. Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach dem (Freiheitsstrafe von fünf bis zu fünfzehn Jahren vorsehenden) ersten Strafsatz des § 143 StGB unter Anwendung des § 28

StGB zu neun Jahren Freiheitsstrafe.

Hiebei wertete es als erschwerend die Höhe der Geldsumme, die durch den versuchten schweren Raub und die räuberische Erpressung erlangt werden sollte, die zahlreichen einschlägigen (auch Rückfall nach § 39 StGB begründenden) Vorstrafen, den Umstand, daß die Tat in zweifacher Hinsicht als schwerer Raub qualifiziert ist, den raschen Rückfall und das Zusammentreffen von zwei Verbrechen mit einem Vergehen, als mildernd hingegen das Geständnis, daß es beim schweren Raub und bei der erpresserischen Entführung jeweils beim Versuch geblieben ist und eine durch Fehlen eines geordneten Elternhauses vernachlässigte Erziehung.

Mit ihren Berufungen streben die Staatsanwaltschaft eine Erhöhung, der Angeklagte hingegen eine Reduzierung des Strafausmaßes an. Die Berufung der Staatsanwaltschaft ist begründet.

Das Erstgericht hat zwar - abgesehen von der 'vernachlässigten Erziehung', die einem 30-jährigen Täter wohl nicht mehr als mildernd zugebilligt werden kann - die vorhandenen Strafzumessungsgründe im wesentlichen zutreffend erfaßt;

bei deren Bewertung hat es jedoch dem nach den allgemeinen Strafbemessungsgrundsätzen des § 32 StGB überdurchschnittlich hohen Schuld- und Unrechtsgehalt der Tat sowie dem schwer belasteten Vorleben des Angeklagten zu geringe Bedeutung beigelegt. Es wurde daher die Freiheitsstrafe auf das aus dem Spruch ersichtliche, dem Obersten Gerichtshof tatschuldangemessen erscheinende Ausmaß erhöht. Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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