OGH 13Os44/78

OGH13Os44/7827.4.1978

Der Oberste Gerichtshof hat am 27.April 1978 unter dem Vorsitz des Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Pallin und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, Dr. Müller, Dr. Friedrich und Dr. Horak als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Schertler als Schriftführers in der Strafsache gegen Siegfried A wegen des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach den § 15, 142 Abs. 1, 143 StGB. über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht Linz vom 30.Jänner 1978, GZ. 23 Vr 1.515/77-28, nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Gugg und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwaltes Dr. Knob, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Beiden Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Siegfried A auf Grund des Wahrspruchs der Geschwornen des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach den § 15, 142 Abs. 1, 143 (2. Qualifikationsform) StGB. schuldig erkannt und hiefür zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Die Geschwornen hatten die an sie im Sinn dieses Schuldspruchs gerichtete Hauptfrage, ob der Angeklagte schuldig sei, am 2.August 1977 in Linz versucht zu haben, der Friederike B dadurch, daß er ihr ein zirka 30 cm langes Küchenmesser vorhielt und dabei äußerte 'Das ist jetzt kein Spaß, das ist ernst' und sie sodann zur Herausgabe eines Bargeldbetrages von 200.000 S aufforderte, unter Verwendung einer Waffe durch Drohung mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib und Leben fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz abzunötigen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, einstimmig bejaht und die zu dieser Hauptfrage gestellte Zusatzfrage, ob der Angeklagte vom Verbrechen des versuchten schweren Raubes zurückgetreten sei, indem er die Ausführung der Tat freiwillig aufgab oder den Erfolg abwendete, mit 5 Nein- gegen 3 Ja-Stimmen verneint.

Die (für den Fall der Verneinung der Hauptfrage gestellte) Eventualfrage 1, ob der Angeklagte schuldig sei, am 2.August 1977 in Linz, wenn auch nur fahrlässig, durch den Genuß von Alkohol, und zwar von Bier, sich in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand versetzt zu haben, wobei er im Rausch die in der Hauptfrage bezeichnete Tat begangen habe, welche ihm außer diesem Zustand als Verbrechen des versuchten schweren Raubes zugerechnet würde, und die weiteren Eventualfragen 2 und 3 (nach dem Vergehen der gefährlichen Drohung und nach dem Vergehen dieser gefährlichen Drohung im Zustand voller Berauschung) blieben folgerichtig unbeantwortet.

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte im Schuldspruch mit einer ziffernmäßig auf die Nichtigkeitsgründe der Z. 4, 5, 6 und 12 des § 345 Abs. 1 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde sowie im Strafausspruch mit Berufung.

Von der Staatsanwaltschaft wird gleichfalls der Strafausspruch mit Berufung angefochten.

Rechtliche Beurteilung

Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu. Den erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund erblickt der Beschwerdeführer zunächst darin, daß der Zeuge Wolfgang C in der Hauptverhandlung angeblich in einem (alkoholisierten) Zustand vernommen wurde, der - wenn er auch nicht jenem der Volltrunkenheit entsprochen habe - doch weitgehend Erinnerungslücken hervorgerufen haben könne, so daß die Voraussetzungen des § 151 Z. 3 StPO. gegeben gewesen seien. Derartiges ist jedoch dem Hauptverhandlungsprotokoll (vgl. S. 215- 221) in keiner Weise zu entnehmen. Der Zeuge bestätigte zwar, daß er vor seiner Einvernahme in der Hauptverhandlung nicht ganz unerhebliche Alkoholmengen konsumierte (vgl. S. 216), war aber dennoch zu vernünftigen Angaben durchaus in der Lage. Daß er zur Zeit seiner Vernehmung erwiesenermaßen wegen seiner Leibes- oder Gemütsbeschaffenheit - etwa wie ein offensichtlich Geisteskranker - außerstande gewesen wäre, das Zeugnis abzulegen (vgl. SSt. 6/33, 30/53), ist nicht einmal den Beschwerdebehauptungen zu entnehmen. Eine allfällige Beeinträchtigung der Zeugnisfähigkeit (hier durch Alkoholkonsum), die nicht bis zur gänzlichen Zeugnisunfähigkeit reicht, muß aber unter dem Gesichtspunkt des § 151 Z. 3 StPO. außer Betracht bleiben.

Der Beschwerdeführer vermag den Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs. 1 Z. 4 StPO. auch nicht mit der Behauptung darzutun, es sei ihm das dem Angeklagten gemäß dem § 255 Abs. 3 StPO. zustehende Recht auf die Schlußrede nicht eingeräumt worden. Denn abgesehen davon, daß sein Verteidiger ohnedies nach dem Staatsanwalt den Schlußvortrag hielt und daß dem Hauptverhandlungsprotokoll (und übrigens auch den Beschwerdeausführungen) nicht zu entnehmen ist, ob der Angeklagte nicht etwa überhaupt zu erkennen gab, daß er das Recht auf die Schlußrede nicht überdies auch noch persönlich ausüben wolle (vgl. S. 264), könnte (mangels Anführung der Bestimmung des § 255 StPO. im § 345 Abs. 1 Z. 4 StPO.) selbst eine Verweigerung der Schlußrede nicht diesen Nichtigkeitsgrund, sondern - bei Vorliegen der nötigen (hier nicht gegebenen) formellen Voraussetzungen - nur den Nichtigkeitsgrund nach dem § 345 Abs. 1 Z. 5

StPO. herstellen (vgl. SSt. 39/29, EvBl. 1970/260). Soweit die Beschwerde demgegenüber geltend macht, bei Nichterteilung des letzten Wortes an den Angeklagten liege auf jeden Fall Nichtigkeit im Sinn der Z. 4 des § 345 Abs. 1 StPO.

vor, weil es sich dabei um die Verletzung eines fundamentalen Rechtes der Verteidigung handle, ist darauf zu verweisen, daß eine analoge Anwendung der letztgenannten Bestimmung in bezug auf andere als die daselbst taxativ angeführten Vorschriften der Strafprozeßordnung auch bei Bedachtnahme auf Art. 6 MRK. ausgeschlossen ist (vgl. SSt. 32/9, EvBl. 1975/180, 11 Os 64/75 u.a.).

Mit ziffernmäßiger Beziehung auf die Nichtigkeitsgründe der Z. 5 und 6, sachlich nur unter Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes der Z. 6 des § 345 Abs. 1 StPO.

wendet sich der Beschwerdeführer in weiterer Ausführung seiner Nichtigkeitsbeschwerde dagegen, daß den Geschwornen nicht auch eine Eventualfrage in Richtung des Verbrechens der Erpressung sowie eine dahin gehende Zusatzfrage vorgelegt wurde, ob er dieses Verbrechen im Zustand der Berauschung begangen habe.

Da jedoch in der Hauptverhandlung keine Tatsachen vorgebracht wurden, die (im Sinn des § 314 Abs. 1 StPO.) eine derartige Fragestellung gerechtfertigt hätten, kann auch dieser Rüge kein Erfolg beschieden sein. Der Beschwerdeführer selbst bekannte sich in der Hauptverhandlung lediglich schuldig, Friederike B mit einem Messer bedroht zu haben, bestritt aber die gleichzeitige Forderung nach Ausfolgung von Bargeld überhaupt und räumte lediglich die Möglichkeit ein, daß er einen Scheck verlangte (vgl. insbesondere S. 200 und 202). Friederike B hinwiederum (und ähnlich auch der Zeuge C S. 215 ff.) erklärte, daß der Angeklagte von ihr unter Drohungen (mit einem Messer) zunächst die (sofortige) Ausfolgung von Bargeld und später die Ausstellung eines Schecks forderte (vgl. insbes. S. 209).

Mithin mangelte es aber an einem tatsächlichen Substrat, das zum Gegenstand einer entsprechenden Eventualfrage gemacht werden konnte und unter Umständen ermöglicht hätte, das dem Angeklagten zur Last gelegte Tatverhalten allenfalls nur als (versuchte) Erpressung zu beurteilen.

Denn bei Zugrundelegung der Darstellung der Zeugin Friederike B stellte sich die Vorgangsweise des Beschwerdeführers - auch dann, wenn er (wie er in seiner Beschwerde betont) mit seinem Opfer längere Zeit 'verhandelte' -

als das (angeklagte) Verbrechen des versuchten schweren Raubes dar, wogegen die eigene Verantwortung des Angeklagten entweder so gedeutet werden konnte, daß er Friederike B (ohne ihr dadurch zugleich auch etwas wegnehmen oder abnötigen zu wollen) nur gefährlich bedroht habe (um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen) - welcher Variante durch Stellung einer Eventualfrage in Richtung des § 107

StGB. ohnedies Rechnung getragen wurde - oder aber gleichfalls als Eingeständnis eines bis zum Beginn seiner Ausführung gediehenen Raubvorhabens (wenngleich nicht gerichtet auf das in der Anklage genannte Bargeld, sondern auf die Wegnahme oder Abnötigung eines Schecks) aufzufassen war. Hatte doch der Angeklagte nicht etwa die Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben bestritten, sondern ersichtlich zum Ausdruck gebracht, daß er uno actu die sofortige Ausstellung und übergabe eines - präsenten - (Inhaber-) Schecks erzwingen wollte (vgl. ÖJZ-LSK. 1976/92), der im Gegensatz zu den Beschwerdebehauptungen an sich als taugliches Objekt eines Raubes in Betracht kam (vgl. ÖJZ-LSK. 1975/121).

Der Beschwerdeführer vermag eine unrichtige Fragestellung auch nicht mit der Behauptung aufzuzeigen, den Geschwornen hätte anstelle der Eventualfrage 1 (§ 287 mit bezug auf § 15, 142 Abs. 1, 143 StGB.) eine Zusatzfrage auf volle Berauschung vorgelegt werden müssen. Zwar ist zuzugeben, daß bei behaupteter Volltrunkenheit zur Tatzeit grundsätzlich ein Drei-Fragen-Schema, und zwar: Hauptfrage zur Anklagetat, Zusatzfrage nach § 11 StGB. und Eventualfrage nach § 287 StGB. angewendet werden sollte (vgl. ÖJZ-LSK. 1975/112); besteht aber - wie hier - kein Anhaltspunkt für das Vorliegen einer unverschuldeten vollen Berauschung, dann wirkt es sich nicht zum Nachteil des Angeklagten aus, wenn der Schwurgerichtshof (an sich fehlerhaft) nach dem Zwei-Fragen-Schema vorgeht und lediglich eine Hauptfrage zur Anklagetat und eine Eventualfrage nach dem § 287 StGB. (diesfalls kommt die Stellung einer Zusatzfrage nicht in Betracht, weil ja danach gefragt wird, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat unter ein anderes Strafgesetz als das in der Anklageschrift angeführte, nämlich unter die Bestimmung des des § 287 StGB., fällt) stellt, zumal die Geschwornen auch bei dieser Form der Fragestellung hinlänglich Gelegenheit haben, die allfällige Annahme einer (verschuldeten) Volltrunkenheit im Wahrspruch zum Ausdruck zu bringen (vgl. SSt. 44/32).

Unter Anrufung des Nichtigkeitsgrundes des § 345 Abs. 1 Z. 12 (gemeint: Z. 11 lit. a) StPO. bringt der Beschwerdeführer schließlich vor, seine Verurteilung beruhe deshalb auf unrichtiger Gesetzesauslegung, weil Friederike B gar nicht im Besitz des verlangten Geldbetrages von 200.000 S gewesen sei, sodaß auch dessen sofortige übergabe nicht möglich gewesen wäre. Diesen Ausführungen, mit denen der Sache nach geltend gemacht wird, es liege (wegen Nichtvorhandenseins eines Raubobjekts) ein absolut untauglicher Versuch vor, ist folgendes zu erwidern:

Ein (strafloser) absolut untauglicher Versuch im Sinne des § 15 Abs. 3 StGB. liegt nur vor, wenn die Vollendung der Tat unter keinen Umständen stattfinden konnte, es also - sei es wegen der Untauglichkeit des Subjekts, der Handlung oder des Objekts - auch bei einer generalisierenden, von den Besonderheiten des Einzelfalles losgelösten (abstrakten) Betrachtungsweise geradezu denkunmöglich war, daß der Versuch zur Vollendung der Tat führen konnte (vgl. ÖJZ-LSK. 1977/88, 1978/19 u.a.).

Bezogen auf den vorliegenden Fall bedeutet dies, daß es gar nicht darauf ankommt, ob Friederike B das vom Beschwerdeführer erhoffte Bargeld tatsächlich gerade bei sich hatte oder nicht. Daß sie als Geschäftsfrau an sich über gewisses Bargeld verfügte, kann füglich nicht bezweifelt werden. Selbst dann, wenn es sich zur Tatzeit zufällig nicht am Tatort befunden haben sollte, könnte dies nur eine relative Untauglichkeit des (damit strafbaren) Versuchs bewirken (vgl. ÖJZ-LSK. 1978/39). Es bestand somit auch kein Anlaß für den Schwurgerichtshof, die Geschwornen mit der Frage der Tauglichkeit des Versuches eigens zu befassen.

Da somit auch diese Rüge des Angeklagten versagt, war die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen.

Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB. unter Anwendung des § 41 StGB. zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren.

Bei der Strafzumessung wertete es als erschwerend die zehn einschlägigen (von den insgesamt sechzehn) Vorstrafen des Angeklagten; als mildernd hingegen das Geständnis, den Umstand, daß die Tat beim Versuch blieb, eine gewisse Haltlosigkeit durch Enthemmung infolge Alkoholgenusses und daß der Angeklagte sich freiwillig einer Schadenszufügung enthielt.

Dagegen richten sich die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft:

Der Angeklagte strebt eine Herabsetzung, die Staatsanwaltschaft eine Erhöhung des Strafausmaßes an.

Beiden Berufungen kommt keine Berechtigung zu.

Abgesehen davon, daß die Enthaltung von Schadenszufügung den Umständen nach nicht gesondert als mildernd in Betracht kommt, wurden die gegebenen Strafzumessungsgründe in erster Instanz im wesentlichen richtig und vollständig festgestellt und zutreffend gewürdigt. Die verhängte Freiheitsstrafe entspricht auch nach Auffassung des Obersten Gerichtshofes im Ergebnis sowohl dem Unrechtsgehalt der Tat mit all ihren Begleitumständen als auch dem Verschuldensgrad des der Trunksucht verfallenen Täters. Dabei wurden vom Erstgericht - entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft - die Voraussetzungen einer außerordentlichen Strafmilderung nach § 41 StGB. zu Recht bejaht, weil - im Hinblick auf die nunmehr im Zuge befindliche Zwangsentwöhnung des Berufungswerbers - auch bei Verhängung einer das gesetzliche Mindestmaß unterschreitenden, dessenungeachtet aber mehrjährigen und damit - auch in Beziehung auf den hier offensichtlich kriminalitätsfördernden Alkoholmißbrauch - wirkungsvollen Freiheitsstrafe begründete Aussicht auf Besserung besteht. Beiden Berufungen war demgemäß ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung fußt auf § 390 a StPO.

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