OGH 13Os47/78

OGH13Os47/786.4.1978

Der Oberste Gerichtshof hat am 6.April 1978

unter dem Vorsitz des Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Pallin und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, Dr. Müller, Dr. Friedrich und Dr. Horak als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Mölzer als Schriftführer in der Strafsache gegen Wilhelm Franz A wegen des Verbrechens des Diebstahls nach den § 171 ff StG und anderer strafbarer Handlungen über die von der Generalprokuratur gegen die Anordnung und Durchführung einer Hauptverhandlung sowie gegen die Fällung eines Sachurteils durch den Einzelrichter am 20.Jänner 1978, GZ. 2 e E Vr 7.483/77-25, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Karollus, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Im Verfahren zum AZ 2 e E Vr 7.483/77 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien gegen Wilhelm Franz A wegen des Verbrechens des Diebstahls nach den § 171 ff StG und anderer strafbarer Handlungen wurde durch die Anordnung und Durchführung einer Hauptverhandlung sowie durch die Fällung eines Sachurteils durch den Einzelrichter das Gesetz in den Bestimmungen der § 13 Abs. 2 Z 1, 485 Abs. 1 Z 2, 488 Z 6 StPO verletzt.

Das Urteil vom 20.Jänner 1978, ON. 25 des Aktes, wird aufgehoben und dem Erstgericht aufgetragen, dem Gesetze gemäß vorzugehen. Der Angeklagte wird mit seiner Berufung, ON. 28

des Aktes, auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Im oben bezeichneten Verfahren wurde Wilhelm Franz A mit Urteil des Einzelrichters vom 20.Jänner 1978, ON. 25 d.A, unter anderem des Vergehens des schweren Diebstahls nach den § 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z 4 StGB schuldig erkannt. Die Anklagebehörde hatte ihm die betreffende, am 20.September 1973 begangene Tat in dem im November 1977 eingebrachten Antrag auf Bestrafung als Verbrechen nach den § 171, 173, 174 I lit. d, 176 I lit. b StG zur Last gelegt; nach Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls hatte der öffentliche Ankläger im Schlußvortrag insoweit 'Feststellung bezüglich des Schlüssels zur Wohnung der Fr. B, ob dieser nachgemacht wurde oder zufällig gepaßt hat, Bestrafung nach § 127 (1), 128 (1) Z 4 StGB in Verbindung mit § 39, § 28 (1) StGB' beantragt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig; ein Verteidiger stand dem Beschuldigten bisher nicht zur Seite.

Rechtliche Beurteilung

Die Anordnung und Durchführung einer Hauptverhandlung sowie die Fällung eines Sachurteils durch den Einzelrichter entsprachen nicht dem Gesetz.

Gemäß dem § 13 Abs. 2 Z 1 StPO obliegt die Hauptverhandlung und Urteilsfällung wegen der dem Gerichtshof erster Instanz zugewiesenen strafbaren Handlungen dann, wenn eine Freiheitsstrafe angedroht ist, deren Höchstmaß drei Jahre, in den Fällen des § 129 Z 1 bis 3 StGB aber fünf Jahre übersteigt, dem Schöffengericht.

Nach Inhalt des im vorliegenden Verfahren erhobenen Anklagevorwurfs lag keiner der im § 129 Z 1 bis 3 StGB bezeichneten Fälle vor, weil die dem Beschuldigten angelastete Tat (im Hinblick auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 39 StGB rechtsrichtig - § 61 StGB) nach altem Recht beurteilt wurde; das Höchstmaß der angedrohten Freiheitsstrafe aber betrug nach dem § 178 StG fünf Jahre. Zur Hauptverhandlung und Urteilsfällung wäre daher das Schöffengericht zuständig gewesen.

Demzufolge hätte der Einzelrichter anstatt der Anordnung einer Hauptverhandlung gemäß dem § 485 Abs. 1 Z 2

StPO die Entscheidung der Ratskammer über seine (Un-)Zuständigkeit herbeiführen müssen. In der Hauptverhandlung aber hätte er jedenfalls kein Sachurteil fällen dürfen, sondern gemäß dem § 488 Z 6 StPO (mit Urteil) seine Unzuständigkeit aussprechen müssen; der im Hauptverhandlungsprotokoll beurkundete Antrag des öffentlichen Anklägers im Schlußvortrag änderte an der Zuständigkeit des Schöffengerichtes nichts, da er - abgesehen von der im gegebenen Fall durch den § 39

StGB insoweit bewirkten Erweiterung der Strafdrohung auch des § 128 Abs. 1 StGB bis zu 4 1/2 Jahren (§ 8 Abs. 3 StPO) -, im Zusammenhang gelesen, unmißverständlich nur eventualiter auf eine Bestrafung des Beschuldigten nach dem § 128 Abs. 1 StGB (in Verbindung mit den § 39, 28 Abs. 1 StGB) abzielte, sodaß nichtsdestoweniger der oben erörterte schriftliche Antrag auf Bestrafung (primär) aufrecht blieb.

Da der zum Teil leugnende Beschuldigte in der Hauptverhandlung nicht durch einen Verteidiger vertreten war, gereichte ihm deren gesetzwidrige Durchführung durch den Einzelrichter zum Nachteil, weil im Verfahren vor dem Schöffengericht hiefür Verteidigerzwang bestanden hätte (§ 41 Abs. 3 StPO). Gemäß dem § 292 letzter Satz StPO war daher das Sachurteil des Einzelrichters aufzuheben. Mit seiner - dessen Unzuständigkeit nicht geltendmachenden - Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Im Sinn der § 489 Abs. 1, 475 Abs. 2 StPO wird es dem Ankläger obliegen, die zur Einleitung des gesetzlichen Verfahrens erforderlichen Anträge zu stellen.

Hiebei und im folgenden Rechtsgang wird zu beachten sein, daß zur Verwirklichung des dem Beschuldigten zudem angelasteten Vergehens nach dem § 299 Abs. 1 StGB auf der subjektiven Tatseite, worüber das Urteil des Einzelrichters nur dürftige Feststellungen enthält, mindestens bedingter Vorsatz (§ 5 Abs. 1 zweiter Halbsatz StGB) in bezug auf die Tatsache, daß der Begünstigte eine mit gerichtlicher Strafe bedrohte Handlung begangen hat, und darüber hinaus Absichtlichkeit (§ 5 Abs. 2 StGB) in bezug auf die (gänzliche oder teilweise) Vereitelung seiner Verfolgung oder der Vollstreckung der Strafe oder vorbeugenden Maßnahme an ihm erforderlich ist; ferner ist darauf Bedacht zu nehmen, daß eine (im Urteil gleichfalls angeordnete) Einziehung von Munition nach dem § 26 Abs. 1 StGB nur insoweit in Betracht kommt, als letztere - sei es als eigenes instrumentum sceleris (§ 12, 36 Abs. 1 lit. c WaffG) oder sei es als Zubehör zu einer Waffe - zur Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung verwendet oder bestimmt oder durch diese Handlung hervorgebracht wurde.

In Stattgebung der von der Generalprokuratur erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes war daher wie im Spruch zu erkennen.

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