OGH 1Ob688/77

OGH1Ob688/7725.1.1978

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schneider als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel, Dr. Petrasch, Dr. Schubert und Dr. Winklbauer als weitere Richter in den zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Rechtssachen der klagenden Partei A* M*, Kaufmann in *, vertreten durch Dr. Günther Maleczek, Rechtsanwalt in Schwaz, wider die beklagte Partei H* H*, Geschäftsfrau, *, vertreten durch Dr. Fritz Janetschek, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen S 12.500,-- und S 45.476,04 je samt Anhang infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 16. August 1977, GZ 1 R 106/77‑18, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Ried im Innkreis vom 28. Juni 1977, GZ 3 Cg 128/77‑3, Cg 148/77‑13, unter Rechtskraftvorbehalt aufgehoben wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1978:0010OB00688.77.0125.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Rekurskosten selbst zu tragen.

 

Begründung:

 

In den später zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Verfahren 2 Cg 369/76 (jetzt 3 Cg 128/77) und 2 Cg 343/76 (jetzt 3 Cg 148/77) erließ das Erstgericht antragsgemäß am 22. September bzw. 6. September 1976 einen Wechselzahlungsauftrag über S 12.500,-- samt Anhang bzw. S 45.476,04 samt Anhang gegen die R* Handelsgesellschaft m.b.H. und die Beklagte H* H*. Die diesen Zahlungsaufträgen zugrundeliegenden drei vom Kläger ausgestellten Wechsel sind auf die R* Handelsgesellschaft m.b.H. gezogen und bei der Raiffeisenbank * zahlbar gestellt. Sie weisen auf dem für die Annahmeerklärung vorgesehenen Teil des Wechselformulares das firmenmäßig gefertigte Akzept der bezogenen Handelsgesellschaft sowie in unmittelbarem räumlichem Zusammenhang damit die Unterschrift der Beklagten auf.

Die Beklagte hat gegen die Wechselzahlungsaufträge Einwendungen erhoben, in denen sie im wesentlichen behauptete, sie habe ihre Unterschrift mit Wissen des Klägers den Akzepten der R* Handelsgesellschaft nur als deren Bankbevollmächtigte beigesetzt, um die Einlösung der Wechsel bei der Raiffeisenbank *, bei der sie allein für das Konto der R* Handelsgesellschaft zeichnungsberechtigt, gewesen sei, zu ermöglichen. Der Kläger habe gewußt, daß sie weder als Akzeptantin im eigenen Namen noch als Wechselbürgin habe unterschreiben wollen. In der Folge wurde behauptet, daß diese Wechseleinwendungen nicht nur von der ursprünglich Zweitbeklagten H* H*, sondern auch der seinerzeit Erstbeklagten R* Handelsgesellschaft m.b.H. erhoben worden seien. Ohne daß dieser Einwand jedoch geprüft und über die damit verbundenen Anträge auf Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung und des Wechselzahlungsauftrages in Ansehung dieser Beklagten entschieden worden wäre, kam es in der Verhandlungstagsatzung vom 3. Mai 1977 zwischen dem Kläger und der R* Handelsgesellschaft m.b.H. zu einem Vergleich, worin sich letztere zur endgültigen Bereinigung nicht nur der klagsgegenständlichen, sondern auch in anderen Verfahren anhängigen Wechselansprüche des Klägers verpflichtete, einen Betrag von ca. 130.000,-- S samt Anhang in Raten zu bezahlen. Für den Vergleich war eine Widerrufsfrist vereinbart, die jedoch nicht in Anspruch genommen wurde. Dem Vergleich folgt unmittelbar die protokollierte Erklärung des Klägers, daß er das Begehren hinsichtlich der Zweitbeklagten Partei (H* H*) aufrecht erhalte. In der nächsten Verhandlungstagsatzung brachte der Kläger noch ergänzend vor, daß es sich bei der Ratenvereinbarung im Vergleich nicht um ein Hinausschieben der Fälligkeiten der Wechselverpflichtungen, sondern nur um einen befristeten Exekutionsverzicht handle, was von der Beklagten bestritten wurde. Ausdrücklich wurde der Vergleich von der Beklagten nicht gegen die verfahrensgegenständlichen Wechselansprüche eingewendet.

Auf Grund dieses Sachverhaltes hat das Erstgericht ohne weitere Beweisaufnahmen die Wechselzahlungsaufträge hinsichtlich der Beklagten H* H* kostenpflichtig aufgehoben und dies rechtlich damit begründet, daß durch die Übernahme einer Wechselverpflichtung eine Solidarhaftung mit den übrigen Wechselschuldnern gegenüber den Gläubigern eintrete. Doch wirke jede Art der Erfüllung durch einen Schuldner, aber auch ein zwischen dem Gläubiger und einem Schuldner vereinbarter Erlaß oder Vergleich für alle. Es erlösche daher durch einen Vergleich zwischen Gläubiger und Annehmer, in welchem die Wechselschuld – wenn auch nur teilweise – erlassen oder gestundet werde, regelmäßig die gesamte Wechselschuld. Der Beklagten die auf Grund ihrer Unterschrift allenfalls als Bürge für die Akzeptantin in Betracht käme, stünden die Einwendungen des Hauptschuldners, soweit sie den Gläubiger beträfen, zu; sie könne daher dem Gläubiger den mit dem Hauptschuldner geschlossenen Vergleich entgegenhalten. Mangels eines entsprechenden Vorbehaltes sei die ursprüngliche Wechselschuld durch den gegenständlichen Vergleichsabschluß zwischen dem Kläger und der Firma R*, durch den anstelle der wechselmäßigen Verbindlichkeit eine Verpflichtung auf Grund der getroffenen Ratenvereinbarung getreten sei, erloschen. Dadurch sei aber auch die Verpflichtung des allenfalls der Akzeptantin beigetretenen Bürgen untergegangen. Da die Beklagte selbst für den Fall einer ursprünglichen Bürgschaftsübernahme nicht mehr zur Haftung herangezogen werden könne, brauche die Frage, ob sie tatsächlich eine Bürgschaftserklärung abgegeben habe oder lediglich als Vertreterin der Firma R* unterzeichnet habe, nicht mehr geprüft werden. Die Wechselzahlungsaufträge seien daher hinsichtlich der Beklagten aufzuheben gewesen.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil über Berufung des Klägers auf und verwies die Rechtssache unter Beisetzung eines Rechtskraftvorbehaltes an das Erstgericht zurück. Das Berufungsgericht billigte zunächst die Rechtsansicht des Erstgerichtes, daß die Unterschrift der Beklagten auf den drei verfahrensgegenständlichen Wechseln quer über dem linken Rand der Wechselformulare auf oder unmittelbar unter dem Abdruck der Firmenstampiglie der R* Handelsgesellschaft m.b.H. als Bürgschaftserklärung für diese Akzeptantin aufgefaßt werden könne. Es sei auch zutreffend, daß eine Wechselbürgschaft nach Maßgabe des Art 32 Abs 2 WG akzessorisch sei; doch könne sich der Wechselbürge auf einen Erlaß oder eine Stundung gegenüber dem Akzeptanten nur im Rahmen des Art 47 WG berufen. Ob sich die zweifellos novierende Wirkung des gegenständlichen Vergleiches zwischen dem Kläger und der Akzeptantin (Firma R*) auch auf andere Wechselverpflichtete erstrecke, sei eine Tatfrage. Ein gegenüber dem Akzeptanten ausgesprochener Erlaß oder eine Stundung müsse nicht zwangsläufig in jedem Fall auch allen anderen Wechselverpflichteten zugutekommen. Es hänge vielmehr vom Parteiwillen bei Abschluß des Erlaß- oder Stundungsvertrages ab, ob davon die gesamte Wechselverbindlichkeit oder nur jene des unmittelbaren Vertragspartners umfaßt werde. Hier sei zwar im Verglich vom 3. Mai 1977, der als Stundungs-, vielleicht sogar als Erlaßvertrag gelten könne, keine ausdrückliche Vereinbarung über die Reichweite der Ratenvereinbarung in Bezug auf allfällige andere Wechselverpflichtete getroffen worden. Unmittelbar nach der Niederschrift des Vergleichstextes und noch vor der Unterschrift der Parteien habe jedoch der Kläger eine eindeutige Erklärung zu Protokoll gegeben, daß er das Klagebegehren hinsichtlich der (nunmehr einzigen) Beklagten trotz Vergleichsabschluß aufrecht erhalte. Es sei also aus dem Akteninhalt eindeutig zu erkennen, daß es beim Abschluß des Vergleiches zumindest der Wille des Klägers gewesen sei, die Stundung nur der Firma R* einzuräumen, das Verfahren gegen die Beklagte aber davon unberührt fortzusetzen. Mit dieser für die Akzeptantin nachteiligen, weil möglicherweise Rückgriffsansprüche auslösenden Vereinbarung hätten sich beide Vergleichsparteien einverstanden erklärt und von den ihnen eingeräumten Widerrufsmöglichkeiten keinen Gebrauch gemacht. Es sei daher unzutreffend, daß durch den Vergleich vom 3. Mai 1977 auch die wechselmäßigen Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte als mögliche Bürgin zwangsläufig weggefallen seien. Überdies habe die Beklagte den Einwand des Vergleiches gar nicht erhoben, obgleich sie unmittelbar nach Vergleichsabschluß hiezu in der Lage gewesen wäre. Der vom Erstgericht in Ansehung der Beklagten angezogene Abweisungsgrund sei daher nicht stichhältig. Es sei vielmehr notwendig, die Berechtigung der Einwendungen der Beklagten, daß sie mit ihrer angeblichen Bürgschaftserklärung gar keie Bürgschaft habe gewähren wollen und der Kläger davon gewußt habe, durch Aufnahme der angebotenen Beweise zu überprüfen.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes richtet sich der Rekurs der Beklagten, dem jedoch keine Berechtigung zukommt.

Den Vorinstanzen ist zuzustimmen, daß die Unterfertigung der Wechsel durch die Beklagte, soferne damit überhaupt eine wechselmäßige Verpflichtung begründet wurde, nur als Bürgschaftserklärung, und zwar angesichts des räumlichen Zusammenhanges mit dem Akzept der Firma R* für diese Wechselannehmerin aufgefaßt werden kann. Letzteres wird auch von der Rekurswerberin nicht mehr in Zweifel gezogen. Die Wechselbürgschaft ist zwar ihrem Wesen nach ebenso wie die bürgerlich-rechtliche Bürgschaft ein Sicherungsmittel für eine fremde Verbindlichkeit. Sie geht aber infolge des Formalcharakters der Wechselerklärungen und ihrer gegenseitigen Unabhängigkeit insoferne über eine solche hinaus, als der Bürge selbständig verpflichtet wird, wenn die Verbindlichkeit, für die er sich verbürgt hat, aus einem anderen Grund als wegen eines Formfehlers nichtig ist (Art 7, 32 Abs 2 WG). Der Bürge kann also wechselmäßig in Anspruch genommen werden, wenn der Hauptschuldner geschäftsunfähig, seine Unterschrift gefälscht oder erdichtet oder aus einem anderen Grund materiell nichtig ist (Kapfer, Handkomm. 145; Stanzl, Wechselrecht 73; Baumbach-Hefermehl, WG11, 213; Jacobi, 297; EvBl 1967/418 = JBl 1968, 202; 5 Ob 226/69; 6 Ob 51/73; QuHGZ 1975, H 3/131). Im übrigen haftet der Wechselbürge jedoch in gleicher Weise wie derjenige, für den er sich verbürgt hat (Art 32 Abs 1 WG); mehrere Wechselschuldner haften als Gesamtschuldner (Art 47 WG). Dies bedeutet einerseits, daß es im Belieben des Wechselgläubigers steht, in welcher Reihenfolge und in welchem Verhältnis er die einzelnen Wechselschuldner in Anspruch nimmt, daß er aber anderseits die Schuld nur einmal tatsächlich erhalten kann. Wird die Schuld durch Erfüllung getilgt, werden kraft Gesetzes alle Wechselschuldner dem Gläubiger gegenüber frei. Erläßt oder stundet hingegen der Gläubiger einem der Gesamtschuldner die Verbindlichkeit, so hängt es von der getroffenen Vereinbarung ab, ob der Erlaß oder die Stundung allen Schuldnern oder nur dem Vertragspartner persönlich zugute kommen soll. Hiefür sind mangels abweichender Bestimmungen im Wechselgesetz jene des bürgerlichen Rechtes maßgebend (§ 894 ABGB; Jacobi 302; Gschnitzer in Klang2 IV/1, 305 und dessen Anmerkung in JBl 1958, 548; EvBl 1966/258). Bei einem Erlaß- oder Stundungsvertrag zwischen Wechselgläubiger und Annehmer wird wohl regelmäßig anzunehmen sein, daß dadurch die gesamte Wechselschuld aufgehoben werden soll, weil andernfalls der Annehmer den Rückgriffsansprüchen der Einlöser ausgesetzt bliebe, und damit der Erlaß oder die Stundung wirkungslos wäre, doch kann sich aus der Vereinbarung auch etwas anderes ergeben (Baumbach-Hefermehl a.a.O. 244; Jacobi 305 f, 686; Stranz, Wechselges14 270 f, EvBl 1967/418 = JBl 1968, 202).

Im vorliegenden Fall bestehen – im Gegensatz zu dem in der Entscheidung EvBl 1967/418 behandelten Sachverhalt – keine Zweifel, daß die Wirkungen des prozeßgegenständlichen, zwischen dem Kläger als Wechselgläubiger und der zunächst erstbeklagten Firma R* als Wechselannehmer in Vergleichsform geschlossenen Stundungs- und möglicherweise auch Erlaßvertrages vom 3. Mai 1977 auf die Vertragspartner beschränkt bleiben, und sich nicht auch auf die zunächst Zweitbeklagte beziehen sollten. Andernfalls wäre der Vergleich eben auch mit dieser Prozeßpartei geschlossen worden. Die Tatsache, daß es ausdrücklich nur zwischen dem Kläger und der Firma R* zum Vergleichsabschluß kam, läßt – ohne Nachweis einer gegenteiligen Parteiabsicht – eine Ausdehnung der vergleichweise getroffenen Vereinbarungen auf die daran nicht beteiligte Beklagte nicht zu. Dies wurde auch durch die anschließend an den Vergleich protokollierte Erklärung des Klägers klargestellt, daß er sein Begehren hinsichtlich der Beklagten aufrecht erhalte. Die Firma R*, der klar sein mußte, daß der Vergleich nur sie persönlich betrifft, und sie daher nicht vor möglichen Rückgriffsansprüchen der Beklagten bei deren allfälliger Inanspruchnahme durch den Kläger schützt, nahm die vom Kläger klar zum Ausdruck gebrachte Beschränkung zur Kenntnis, unterfertigte den Vergleich und machte auch vom eingeräumten Widerrufsrecht keinen Gebrauch. Die Beklagte kann daher die im Vergleich nur der Firma R* eingeräumten Vorteile nicht für sich in Anspruch nehmen. Erst durch die tatsächliche Befriedigung des Klägers seitens der Firma R* würde aus den dargelegten Gründen auch die Beklagte von ihrer allfälligen wechselrechtlichen Verpflichtung befreit.

Bei dieser Rechtslage erübrigt sich ein Eingehen auf die vom Berufungsgericht wegen des Unterbleibens der Einwendung des Vergleiches durch die Beklagte in formeller Hinsicht geäußerten Bedenken.

Die Aufhebung des erstgerichtlichen Urteiles durch das Berufungsgericht zur Prüfung der von der Beklagten erhobenen Wechseleinwendungen erweist sich daher frei von Rechtsirrtum, weshalb dem Rekurs der Beklagten ein Erfolg zu versagen war.

Die Rekurskostenentscheidung gründet sich auf die §§ 40 und 50 ZPO.

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