OGH 2Ob254/75

OGH2Ob254/754.12.1975

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Piegler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fedra, Dr. Thoma, Dr. Scheiderbauer und Dr. Schubert als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L*, Verkäuferin, *, vertreten durch Dr. Richard Larcher, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagten Parteien 1.) D*, Angestellter, *, Bundesrepublik Deutschland, 2.) Verband der Versicherungsanstalten Österreichs *, beide vertreten durch Dr. Günter Zeindl, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Schadenersatzes und Feststellung infolge Revision der beklagten Parteien und Kostenrekurses der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 8. August 1975, GZ. 2 R 237/75‑30, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 21. April 1975, GZ. 24 Cg 422/73‑25, in der Hauptsache bestätigt und im Kostenpunkte abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1975:0020OB00254.75.1204.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil, das in seinen Punkten 1, 3 und 4 als unangefochten unberührt bleibt, wird im übrigen dahin abgeändert, daß es zu lauten hat:

2.) Die beklagten Parteien sind weiters zur ungeteilten Hand schuldig, der Klägerin ab 1. August 1973 eine monatliche Rente von S 2.077,50, längstens jedoch bis zur Vollendung ihres 60. Lebensjahres, zu bezahlen, und zwar die bis zur Rechtskraft dieses Urteiles fällig gewordenen Beträge binnen 14 Tagen, die künftig fällig werdenden Beträge jeweils am 5. eines jeden Monates im vorhinein.

5.) Das Mehrbegehren auf Zahlung von weiteren S 13.500 samt 4 % Zinsen ab 13. Juli 1973 sowie das Mehrbegehren auf Zahlung einer monatlichen Rente von S 2.077,50 über das 60. Lebensjahr der Klägerin hinaus wird abgewiesen.

6.) Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der Klägerin S 29.384,11 (hievon Umsatzsteuer S 2.256,56 und Barauslagen S 170) an Kosten des Verfahrens erster Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Die Klägerin ist schuldig, den Beklagten die mit S 3.269,47 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (davon Umsatzsteuer S 171,07 und Barauslagen S 960) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin wurde am 23. Juli 1972 bei einem vom Erstbeklagten verschuldeten Verkehrsunfall schwer verletzt. Sie erhielt auf ihre Ersatzansprüche eine Abschlagszahlung von S 20.000. Der Zweitbeklagten kommt für diesen Unfall die Stellung des Haftpflichtversicherers zu.

Die Klägerin verlangte nach mehrfachen Klagsänderungen von den Beklagten zur ungeteilten Hand Zahlung von S 167.620,75 s.A. (das sind 3/4 von S 150.000 Schmerzengeld, S 60.000 Verunstaltungsentschädigung, S 22.161 Behandlungskosten und S 18.000 Verdienstentgang in der Zeit vom 23. Juli 1972 bis 6. November 1972, abzüglich der Teilzahlung von S 20.000), Zahlung einer monatlichen Verdienstentgangsrente von S 2.077,50 (das sind 3/4 der Differenz zwischen ihrem ursprünglichen Verdienst von S 4.500 und dem nunmehrigen Verdienst von S 1.730) ab 1. August 1973 ohne zeitliche Beschränkung sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für künftige Schäden aus dem Unfall vom 23. Juli 1972 zu 3/4 Anteilen; die Zweitbeklagte wurde jedoch nur im Rahmen der Haftungssummen der §§ 15 und 16 EKHG in Anspruch genommen.

Die Beklagten wendeten unter anderem ein, die Klägerin könne die Verdienstentgangsrente nicht ohne zeitliche Beschränkung – also schlechthin auf Lebenszeit – verlangen, sondern jedenfalls nicht über die Vollendung ihres 60. Lebensjahres hinaus.

Die Klägerin nahm zu dieser Einwendung – abgesehen von einer ganz allgemein gehaltenen Bestreitung des Beklagtenvorbringens – nicht weiter Stellung.

Das Erstgericht sprach der Klägerin S 154.120,75 s.A. (das sind 3/4 von S 150.000 Schmerzengeld, S 60.000 Verunstaltungsentschädigung, S 22.161 Behandlungskosten, abzüglich der Teilzahlung von S20.0000) sowie eine monatliche Rente in der begehrten Höhe von S 2.077,50 ab 1. August 1973 ohne zeitliche Beschränkung zu und erkannte im Sinne des Feststellungsbegehrens. Es war der Ansicht, daß eine zeitliche Begrenzung des Rentenbegehrens nicht vorzunehmen sei, weil durch die verminderte Arbeitsfähigkeit der Klägerin und das damit verringerte Einkommen auch ab dem 60. Lebensjahr die Pensionsansprüche der Klägerin wesentlich niedriger sein werden, als es dem normalen Verlauf der Dinge und der Entwicklung des Arbeitseinkommens der Klägerin entsprechen würde. Das Mehrbegehren (Verdienstentgang für die Zeit vom 23. Juli 1972 bis 6. November 1972) wies es ab.

Die Abweisung des Mehrbegehrens blieb unangefochten.

Die Berufung der Beklagten, mit der Abänderung des Ersturteiles im Sinne einer Abweisung des Rentenbegehrens beantragt und in der neuerlich geltend gemacht wurde, daß die Rente jedenfalls mit der Vollendung des 60. Lebensjahres der Klägerin zu terminisieren gewesen wäre, blieb erfolglos. Das Berufungsgericht war der Ansicht, die Beklagten könnten sich durch den zeitlich unbegrenzten Rentenzuspruch nicht beschwert erachten, weil sie der Klägerin den Ersatz der Kosten einer freiwilligen Weiter- bzw. Höherversicherung nicht angeboten haben, sodaß die Klägerin, die nur den Ersatz ihres Nettoentganges verlangt habe, auch nach Erreichung des Pensionsalters einen Entgang haben werde, weil ihre Alterspension wegen des unfallsbedingt verminderten Einkommens und der damit verringerten Sozialversicherungsbeiträge geringer sein werde, als sie ohne den Unfall gewesen wäre.

Mit der vorliegenden Revision der Beklagten wird das Urteil des Berufungsgerichtes aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung nur insoweit angefochten, als die der Klägerin zuerkannte Rente nicht mit der Vollendung ihres 60. Lebensjahres (21. 9. 2000) begrenzt wurde. Beantragt wird Abänderung im Sinne eines Rentenzuspruches von monatlich S 2.077,50 vom 1. August 1973 bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres der Klägerin.

Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Das Revisionsgericht hatte sich zunächst im Hinblick auf die Bestimmung des § 502 Abs. 2 Z. 3 ZPO mit der Frage der Zulässigkeit der Revision zu befassen. Gegen die Zulässigkeit bestehen indes keine Bedenken, denn sie betrifft einen S 1.000 übersteigenden Teil des Entscheidungsgegenstandes des Berufungsgerichtes. Hier handelt es sich um die Differenz zwischen einer auf unbestimmte (Lebens-) Zeit und einer auf bestimmte, 20 Jahre überschreitende Zeit zuerkannten Rente. Diese ist aber wieder eine Rente von unbestimmter Dauer, die nach § 58 JN zu bewerten ist (vgl. SZ 27/239). Es kann also nicht etwa davon ausgegangen werden, daß der von der Revision betroffene Teil des Entscheidungsgegenstandes des Berufungsgerichtes gleich Null wäre, weil sich bei der Berechnung des Wertes der zuerkannten gegenüber der zuzusprechenden Rente nach § 58 JN keine Differenz zu Gunsten der Revisionswerber ergebe.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aber auch gerechtfertigt.

Nach den vorliegenden Feststellungen war die Klägerin zur Zeit des Unfalles unselbständig erwerbstätig. Sie geht auch jetzt wieder als unselbständig Beschäftigte einer Erwerbstätigkeit nach, bei der ihr Verdienst unfallsbedingt um S 2.770 monatlich geringer ist als früher. Sie verlangt 3/4 ihres Verdienstentganges in Form einer monatlichen Rente ersetzt, wobei sie einerseits eine zeitliche Begrenzung der Rentenleistungen nicht vornimmt, anderseits aber auch nichts darüber vorbringt, daß sie ihre Erwerbstätigkeit über die Erreichung des Pensionsalters (nach § 253 Abs. 1 ASVG bei Frauen die Vollendung des 60. Lebensjahres) hinaus fortzusetzen beabsichtigt.

Wie der Oberste Gerichtshof in Auseinandersetzung mit der bis dahin uneinheitlichen Rechtsprechung in seiner Entscheidung vom 2. Dezember 1971, 2 Ob 198/71 (SZ 44/183 = RZ 1972, 52 = EvBl 1972/100 = JB1 1972, 540 = ZVR 1973/135) ausgesprochen hat, muß die klagende Partei, die eine unselbständige Erwerbstätigkeit über die Erreichung des Pensionsalters (vollendetes 65. Lebensjahr bei Männern bzw. vollendetes 60. Lebensjahr bei Frauen) hinaus bis an ihr Lebensende als Grundlage ihres Rentenbegehrens annimmt, besondere Tatsachen behaupten und unter Beweis stellen, die eine derartige Annahme rechtfertigen, weil es eine offenkundige Tatsache ist, daß unselbständig Erwerbstätige mit der Erreichung des Pensionsalters auch tatsächlich in Pension gehen. An dieser Auffassung hat der Oberste Gerichtshof auch in der Folgezeit festgehalten (vgl. ZVR 1973/135, 2 Ob 234/71, zuletzt 8 Ob 46/75) und es besteht auch im vorliegenden Fall kein Anlaß, davon abzugehen.

Da die Klägerin, wie schon erwähnt, trotz der von den Beklagten gegen einen unbegrenzten Rentenzuspruch erhobenen Einwendungen nichts in der Richtung vorgebracht hat, daß sie eine unselbständige Erwerbstätigkeit über die Erreichung des Pensionsalters hinaus ausgeübt hätte, war die Rente nur bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres der Klägerin zuzuerkennen. Richtig ist wohl, daß die Klägerin bei der Berechnung ihres Verdienstentganges nicht vom Nettoentgang hätte ausgehen müssen (vgl. ZVR 1961/81) und daß es ihr freigestanden wäre, schon jetzt auch die Beiträge für eine freiwillige Höherversicherung zu verlangen, deren Einzahlung ihr einen ungeschmälerten Pensionsbezug gesichert hätten (SZ 33/50, ZVR 1964/44). Wenn sie von diesen Möglichkeiten keinen Gebrauch gemacht hat, kann sie daraus aber eine Berechtigung, die Verdienstentgangsrente ohne zeitliche Begrenzung zu verlangen, nicht ableiten. Eine Behauptung, daß die Klägerin beim künftigen Bezug der Alterspension unfallsbedingt einen Ausfall in Höhe des derzeitigen Verdienstentganges erleiden werde, hat sie ebensowenig aufgestellt wie sie ihr Rentenbegehren, soweit es über die Vollendung des 60. Lebensjahres hinausgeht, darauf gestützt hat.

Damit erweist sich die Revision als gerechtfertigt und es war das angefochtene Urteil im Sinne des gestellten Revisionsantrages abzuändern.

Die Entscheidung über die Prozeßkosten erster Instanz gründet sich auf §§ 43 Abs. 1 und 2, 46 und 50 ZPO. Da durch die Terminisierung der Rente mit der Vollendung des 60. Lebensjahres der im Jahr 1940 geborenen Klägerin das Verhältnis zwischen Obsiegen und Unterliegen nicht erheblich geändert wurde und mit der Klärung der zuletzt noch strittigen Frage ein Prozeßkostenaufwand nicht verbunden war, hatte es bei der vom Berufungsgericht getroffenen Kostenentscheidung zu verbleiben. Im Berufungsverfahren sind die Beklagten hinsichtlich des Rentenzuspruches unterlegen, in der Frage der zeitlichen Begrenzung der Rente haben sie jedoch obsiegt. Es waren daher die Kosten des Berufungsverfahrens gemäß §§ 43 Abs. 1 und 50 ZPO gegeneinander aufzuheben. Im Revisionsverfahren haben die Beklagten vollständig obsiegt, sodaß ihnen die Kosten des Revisionsverfahrens nach §§ 41 und 50 ZPO zuzusprechen waren.

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