European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1975:0040OB00061.75.1118.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Beiden Revisionen wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Revisionsverfahrens werden gegenseitig aufgehoben.
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin begehrte vom Beklagten zuletzt den Betrag von S 93.374,60 samt Nebengebühren. Der Beklagte schulde ihr diesen Betrag auf Grund eines ihm am 5. Mai 1972 bewilligten, jedoch vom Beklagten eigenmächtig überzogenen Gehaltsvorschusses.
Der Beklagte bestritt dieses Vorbringen, beantragte das Klagebegehren abzuweisen und wandte Gegenforderungen im Betrag von S 162.000,-- bis zur Höhe der Klagsforderung aufrechnungsweise ein, weil ihm eine Abfertigung und die Weiterzahlung des Gehaltes für die Dauer von drei Monaten zufolge unrechtmässiger Kündigung zustehe.
Die Klägerin wandte gegenüber diesen Ansprüchen des Beklagten eine Schadenersatzforderung von S 500.000,-- aufrechnungsweise ein.
Das Erstgericht sprach aus, dass die eingeklagte Forderung mit S 93.374,60, die Gegenforderung aber mit S 80.183,25 zu Recht bestehe und verurteilte daher den Beklagten zur Bezahlung von S 13.191,35 samt 4 % Zinsen ab 14. September 1973.
Gegen dieses Urteil erhoben beide Teile Berufung. Das Berufungsgericht gab beiden Berufungen nicht Folge und bestätigte das erstgerichtliche Urteil mit der Massgabe, dass der zugesprochene Betrag (auf Grund der Ausserstreitstellung im Berufungsverfahren) mit 5 % statt mit 4 % zu verzinsen sei. Das Berufungsgericht führte das Verfahren gemäss § 25 Abs. 1 Z. 3 ArbGerG neu durch und stellte folgenden Sachverhalt fest:
Mit Schreiben vom 1. Dezember 1971 bewarb sich der Beklagte bei der Klägerin um die Stelle eines *kassenleiters. Er führte darin aus, dass er die Einrechnung der beim Hauptverband der österreichischen *kassen erbrachten Dienstzeit in der Weise anstrebe, dass ihm die Vordienstzeit vollwirksam für Abfertigung etc. angerechnet werde, sodass er durch den Stellenwechsel keinen Schaden erleide. Auf Grund dieses Bewerbungsschreibens wurde von den Organen der Klägerin in der am 30. Dezember 1971 anberaumten Sitzung des Verwaltungsausschusses unter Punkt 5.) die Bestellung eines neuen *kassenleiters erörtert. Nachdem der Vorsitzende der Klägerin mitgeteilt hatte, dass der weitere Anwärter für den Posten des neuen *kassenleiters seine Bewerbung zurückgezogen und der Beklagte schon seit dem Ableben des früheren Leiters die Klägerin mit Rat und Tat unterstützt habe, wurde das Bewerbungsgesuch vom 1. Dezember 1971 zweimal verlesen und mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 1972 der Beklagte einstimmig zum provisorischen Leiter bestellt. Im Verwaltungsausschuss wurde der Wunsch des Beklagten, dass er die Einrechnung seiner Vordienstzeiten beim Hauptverband der österreichischen *kassen vollwirksam für die Abfertigung etc. anstrebe, nicht erörtert. Der Beklagte bekam jedoch ab 1. Jänner 1972 das gleiche Gehalt wie sein Vorgänger und er wurde schliesslich auch unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist gekündigt. In der die Verwaltungsausschussitzung vom 30. Dezember 1971 betreffenden Protokollabschrift, die unbestrittenermassen mit dem Inhalt des Protokolls der Klägerin übereinstimmt, ist bei Punkt 5.) nachträglich hinzugefügt worden: „Bedingungen: Gehalt wie Direktor K*, Anrechnung der Vordienstzeiten im Hauptverband.“ Am 5. Mai 1972 wurde dem Kläger einstimmig ein Gehaltsvorschuss in der Höhe eines Viertels des Jahresbezuges genehmigt; dieser Vorschuss sollte in 36 monatlichen Teilbeträgen zurückgezahlt werden. Er haftet unbestrittenermassen noch mit S 93.374,60 aus. Das Gehaltsvorschusskonto des Beklagten, dem ein Vorschuss in der Höhe von einem Viertel seines Jahresbezuges 1972, das sind S 71.622,60 bewilligt worden war, wurde bis zur Höhe von S 116.523,60 vom Beklagten überzogen. Auf diesen Betrag hat der Beklagte lediglich S 6.149,-- zurückgezahlt. Im Zeitpunkt der Klagseinbringung betrug die Forderung aus dem Gehaltsvorschuss S 110.374,60, wozu noch der Betrag von S 13.000,-- für die 13 vom Beklagten ausgestellten ungedeckten Schecke á S 1.000,-- kommt. Nach Klagseinbringung verringerte sich dieser Gesamtbetrag von S 123.374,60 infolge Eingang des vom nunmehrigen *kassenleiter N* bezahlten Kaufpreises von S 30.000,-- auf S 93.374,60. Am 30. März 1973, als der Beklagte von seiner Kündigung bereits Kenntnis hatte, verfügte er die Abbuchung eines Betrages von S 32.680,-- unter dem Titel „Mobilar-*kasse“, obgleich zwischen ihm und der Klägerin diesbezüglich keine Vereinbarung getroffen war.
Am 26. März 1973 fand die zweite Sitzung des Verwaltungsausschusses 1973 statt und es wurde nach dem Protokoll unter Punkt 3.) b) das Dienstverhältnis mit dem Beklagten als provisorischer *kassenleiter zum 30. Juni 1973 aufgekündigt. Der Beklagte nahm dies nach dem von ihm selbst verfassten Protokoll zur Kenntnis. Bei der Beratung zu diesem Punkt war der Beklagte nicht im Beratungszimmer. Die Kündigung erfolgte einstimmig. Der Beklagte als Protokollführer fügte nachträglich im Protokoll einen Beisatz ein, wonach er vor Beginn der Beratung zu Punkt 3.) b) der Tagesordnung den Sitzungssaal verlassen hätte, kein anderer Angestellter vertretungsweise zur Sitzung hinzugezogen und er erst nach Beratung und Beschlussfassung wieder in den Sitzungssaal gerufen worden sei. Der Ausschuss und Vorstandsmitglieder waren mittels Kurrende geladen worden. Der Beschluss des Verwaltungsausschusses betreffend die Kündigung des Dienstverhältnisses mit dem Beklagten wurde vom Amt der Niederösterreichischen Landesregierung mit Bescheid vom 19. Juni 1973 gemäss § 27 des Sparkassenregulatives in Verbindung mit § 40 Z. 11 der Sparkassensatzung genehmigt.
Unbestritten ist ferner, dass die Höhe der dem Beklagten führenden Abfertigung S 80.183,25 beträgt, die Kündigungsentschädigung des Beklagten jedenfalls der Höhe nach den Betrag von S 15.000,-- erreicht hätte, der Beklagte insgesamt 13 ungedeckte Schecks á S 1.000,-- in Umlauf gesetzt hat und dass der Beklagte mit 1. Jänner 1972 seinen Dienst bei der Klägerin angetreten und mit 30. Juni 1973 beendet hat und der provisorische *kassenleiter im Sinn des § 5 Abs. 2 des Kollektivvertrages vom 15. Juni 1966, in der ab 1. Jänner 1970 geltenden Fassung war.
Rechtlich führte das Berufungsgericht aus, zwischen den Parteien sei durch schlüssige Handlungen vereinbart worden, dass die Vordienstzeiten des Beklagten für den Anspruch auf Abfertigung anzurechnen seien. Das Bewerbungsschreiben des Beklagten, welches diese Bedingung enthalten habe, sei als Offert zu betrachten, welches die Klägerin angenommen habe. Die Klägerin hätte, wenn sie mit einzelnen Bedingungen des Offerts nicht einverstanden gewesen sei, dies ausdrücklich erklären müssen. Das neue Vorbringen der Klägerin, der Beklagte habe einen Entlassungsgrund gesetzt und damit gemäss § 52 Abs. 2 des Kollektivvertrages das Recht auf Abfertigung verloren, sei ohne Bedeutung, da die Voraussetzungen des § 52 Abs. 1 Kollektivvertrag nicht vorlägen. Gegen den Beklagten sei nämlich kein Disziplinarerkenntnis erflossen und ohne ein solches sei nach dem Kollektivvertrag eine Entlassung nicht möglich. Die Kündigung des Beklagten sei jedoch rechtswirksam erfolgt. Die Sitzung des Verwaltungsausschusses sei ordnungsgemäss einberufen worden. Dem Kläger als *kassenleiter komme nach § 52 der Satzung nur beratende Stimme zu und er müsse nicht zwingend beigezogen werden. Dass er während der Beratung über seine Kündigung das Sitzungszimmer verlassen habe, mache den gefassten Beschluss nicht rechts unwirksam. Die dreimonatige Kündigungsfrist entspreche dem § 20 Abs. 2 AngG und § 49 Abs. 1 Kollektivvertrag. Eine Gegenaufrechnungseinrede wie sie von der Klägerin erhoben wurde sei schliesslich aus rechtlichen Gründen nicht möglich.
Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen beider Streitteile aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Während der Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass seine Gegenforderung bis zur Höhe der Klagsforderung als zu Recht bestehend anerkannt werde, begehrt die Klägerin, das Urteil des Berufungsgerichtes dahin abzuändern, dass ihrem Klagebegehren zur Gänze stattgegeben werde, oder es aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Die Klägerin beantragt, der Revision des Beklagten nicht Folge zu geben.
Der Beklagte hat keine Revisionsbeantwortung erstattet.
Rechtliche Beurteilung
Beide Revisionen sind nicht gerechtfertigt.
Die Klägerin bekämpft zunächst die Ansicht der Untergerichte, zwischen den Streitteilen sei durch schlüssige Handlungen vereinbart worden, dass die Vordienstzeiten des Beklagten auf eine Abfertigung angerechnet werden. Dagegen bestehen jedoch keine Bedenken. Grundlage des mit dem Beklagten abgeschlossenen Dienstvertrages war sein Bewerbungsschreiben vom 1. Dezember 1971. Darin hatte der Beklagte ausgeführt, dass er die Einrechnung der beim Hauptverband der österreichischen *kassen erbrachten Dienstzeit in der Weise anstrebe, dass ihm die Vordienstzeit vollwirksam für die Abfertigung angerechnet werde. Wenn die Klägerin in Kenntnis dieses Schreibens den Beklagten zum provisorischen Leiter der *kasse bestellte ohne irgendwelche Vorbehalte gegenüber den finanziellen Forderungen des Beklagten zu erheben, dann kann dies nach Treu und Glauben im geschäftlichen Verkehr nur so beurteilt werden, dass sie mit dieser Forderung des Beklagten einverstanden war. Ob eine interne Erörterung dieser Forderungen stattfand, ist dabei bedeutungslos, wesentlich ist nur, was der Beklagte dem Verhalten der Klägerin entnehmen durfte.
Die Klägerin meint ferner, der Anspruch des Beklagten auf Abfertigung sei deshalb erloschen, weil die Klägerin nachträglich Kenntnis davon erlangt habe, dass ein Entlassungsgrund wegen untreuen Verhaltens des Beklagten vorliege. Da der Beklagte zu jenem Zeitpunkt bereits zufolge der Kündigung ausgeschieden gewesen sei, habe ein Disziplinarverfahren nicht mehr stattfinden können. Auch dies könnte jedoch den Anspruch des Beklagten nicht schmälern. Wurde das Dienstverhältnis gekündigt und die Kündigung nicht vor Ablauf der Kündigungsfrist in eine Entlassung verwandelt so bleibt grundsätzlich trotz nachträglichen Aufkommens eines Entlassungsgrundes der Anspruch auf Abfertigung aufrecht (SZ 13/96, ebenso Martinek-Schwarz, Angestelltengesetz2, S 347). Der vorliegende Fall bietet keinen Anlass, von dieser Rechtsansicht abzugehen.
Der Revision der Klägerin war somit ein Erfolg zu versagen.
Der Beklagte vertritt in seiner Revision neuerlich den Standpunkt, seine Kündigung sei deshalb nicht rechtsgültig, weil weder er noch in seiner Abwesenheit sein Stellvertreter an der Sitzung des Verwaltungsausschusses vom 26. März 1973 teilgenommen haben und überdies die Abstimmung über die Kündigung unter dem Tagesordnungspunkt „Allfälliges“ unzulässig gewesen sei. Der Beklagte übersieht jedoch hiebei, dass die Frage, ob der Kündigungsbeschluss im Sinne der §§ 58 Abs. 2, 40 Z. 11 und 52 der Satzung odnungsgemäss zustandegekommen ist, nur das Innenverhältnis der klagenden Partei berührt. Im Aussenverhältnis kommt es lediglich darauf an, ob dem Beklagten gegenüber vom zuständigen Organ der Klägerin diese Kündigung auch tatsächlich ausgesprochen wurde (vgl. Koziol-Welser I3 Seite 56 f). Ist dies (wie hier) der Fall, dann entfaltet eine derartige Kündigung auch alle damit verbundenen Rechtswirkungen. Es erübrigen sich daher Erörterungen darüber, ob der Beklagte die Kündigung ausdrücklich zur Kenntnis genommen hat oder nicht.
Auch der Revision des Beklagten war somit ein Erfolg zu versagen.
Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 43 Abs. 1 und 50 ZPO.
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