Spruch:
Ernst A hat durch die ihm laut des aufrecht gebliebenen Schuldspruches zur Last fallende Tat das Vergehen der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach dem § 287 Abs 1 (297 Abs 1, 83 Abs 2) StGB begangen und wird hiefür nach dem § 287 Abs 1 StGB
zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 6 (sechs) Monaten verurteilt.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Rechtliche Beurteilung
Die gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 29. April 1975, GZ 5 b Vr 7825/74-67, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wurde teilweise als offenbar unbegründet im Sinne des § 285 d Abs 1 Z 2 StPO, teilweise als nicht gesetzmäßig ausgeführt gemäß dem § 285 d Abs 1 Z 1 (285 a) StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung am 17. September 1975 zurückgewiesen. Das bezeichnete Urteil ist jedoch zum Nachteil des Angeklagten mit einer von ihm nicht geltend gemachten Nichtigkeit im Sinne des § 281 Abs 1 Z 10 StPO behaftet, die aus Anlaß dieser Nichtigkeitsbeschwerde gemäß den §§ 285 d Abs 2, 290 Abs 1 StPO von Amts wegen wahrzunehmen ist.
Das Erstgericht hat nämlich - von der Überlegung ausgehend, daß das neue (StGB) Recht zwar nicht im Faktum Verleumdung im Zustand voller Berauschung, wohl aber im Faktum Gattenmißhandlung im Zustand voller Berauschung im Sinne des § 61 StGB ungünstiger sei als das alte (StG.) Recht - den Angeklagten im ersten Faktum des Vergehens nach dem § 287
(297) StGB und, im zweiten Faktum daneben auch noch des Vergehens (gemeint der Übertretung) nach dem § 523 (419) StG. schuldig erkannt, obwohl Ernst A beide strafbaren Handlungen in ein und demselben (von ihm fahrlässig herbeigeführten) Rauschzustand begangen hatte.
Begeht aber jemand in einem einzigen Rausch mehrere Straftaten, dann ist dies zwar für die Strafbemessung bedeutsam, kann jedoch die gesonderte Zurechnung jeder einzelnen Tat als je ein für sich bestehendes Rauschdelikt nicht rechtfertigen. Vielmehr begründen alle in demselben Rauschzustand verübten strafbaren Handlungen (nach altem Recht) nur einmal den Tatbestand nach dem § 523 StG. (vgl. SSt.
24/72, 25/2, JBl. 1953, 607) oder (nach neuem Recht) einmal jenen nach dem § 287 StGB Denn Gegenstand des Schuldvorwurfes im Falle der Begehung strafbarer Handlungen in einem bestimmten Zustand voller Berauschung ist nur die (zumindest fahrlässige) Herbeiführung eben dieses - einen -
Rauschzustandes selbst, während die im Rausch verübten Straftaten lediglich die objektive Bedingung der Strafbarkeit der schuldhaften Rauschherbeiführung - bei mehreren 'Grunddelikten' eben 'verstärkt' - darstellen (vgl. Leukauf-Steininger, Kommentar zum StGB, 1141 und Dokumentation zum StGB 228).
Im vorliegenden Fall war daher beim Günstigkeitsvergleich nach dem § 61 StGB der § 287 StGB dem § 523 StG.
nur einmal gegenüberzustellen. Dabei ist zu beachten, daß die beim Faktum Gattenmißhandlung als Grunddelikt in Betracht gezogene Übertretung nach dem § 419 StG. nach altem Recht überhaupt nicht zum Tragen gekommen wäre, da sich die rechtliche Beurteilung des § 523 StG. als Vergehen oder Übertretung nach dem schwersten im Rausch begangenen Delikt bestimmte (vgl. die oben zitierte Judikatur); diese Übertretung (§ 419 StG.) kann daher auch beim Günstigkeitsvergleich keine Rolle spielen. Vergleicht man aber das (zufolge des Grunddeliktes des Verbrechens der Verleumdung nach § 209 StG.
anzunehmende) Vergehen nach dem § 523 StG. mit jenem nach dem § 287 StGB, dann stellt sich die Bestimmung des § 287 StGB im Hinblick auf die (sich aus § 18 Abs 2 StGB ergebende), geringere Untergrenze bei der Freiheitsstrafe und auf die wahlweise primär angedrohte Geldstrafe sogar als das eindeutig günstigere Gesetz dar, das daher (unter Bedachtnahme auf die Unzulässigkeit einer Mischung von altem und neuem Recht) allein zur Anwendung zu kommen hatte.
Durch den dem Erstgericht unterlaufenen Rechtsirrtum wurde der Angeklagte zu Unrecht zweier Delikte schuldig erkannt und nicht nur (rechtsrichtig) wegen eines Vergehens nach dem § 287 StGB; er wurde nämlich daneben auch noch (rechtsirrig) wegen der Übertretung nach dem § 523 StG.
verurteilt. Es liegt sohin ein Subsumtionsirrtum im Sinne des Nichtigkeitsgrundes der Z 10 des § 281 Abs 1 StPO vor, der sich zu seinem Nachteil auswirkt (vgl. die Strafzumessungsgründe S. 397 d. A.). Dieser materiellrechtliche Nichtigkeitsgrund war daher von Amts wegen wahrzunehmen und spruchgemäß zu entscheiden. Dabei ist, da auch bezüglich des Ausspruches über das Vorliegen der Grunddelikte zu § 287 StGB eine Mischung von altem und neuem Recht schon auf Grund des § 61
StGB (arg. 'Gesamtauswirkung') nicht zulässig wäre, in Ansehung der im Rausch erfolgten Mißhandlung der Edith A von der Bestimmung des § 83 Abs 2 StGB auszugehen.
Bei der durch die Teilaufhebung des Urteils erforderlich gewordenen Neubemessung der Strafe wertete der Oberste Gerichtshof als mildernd die, wenn auch nicht die Grenze des § 11 StGB erreichende psychische Abnormität des Angeklagten, als erschwerend hingegen die zahlreichen einschlägigen Vorstrafen. Die desolaten Familienverhältnisse konnten, entgegen der Annahme des Erstgerichts, nicht als mildernd gewertet werden, weil an ihnen auch der Angeklagte ein Verschulden trägt.
Die ausgesprochene Strafe erscheint dem Schuldgehalt der Tat und der Täterpersönlichkeit angemessen und berücksichtigt auch in ausreichendem Maße generalpräventive Erwägungen.
Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.
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