European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1975:0020OB00192.75.1030.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Beklagten haben die Kosten ihrer Revision selbst zu tragen.
Entscheidungsgründe:
Der Kläger begehrte von den Beklagten nach Erhalt von 22.278,– S restlichen Schadenersatz im Betrage von 12.932,52 S samt Anhang.
Die Beklagten beantragten Klagsabweisung, weil sie den Totalschaden am Wagen des Klägers bereits ersetzt hätten und dieser nichts mehr zu fordern habe.
Das Erstgericht sprach dem Kläger 1.614,— S samt Anhang zu und wies das Mehrbegehren ab.
Das Berufungsgericht erhöhte jedoch den Zuspruch auf 11.204,52 S samt Anhang.
Die Beklagten erheben Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Abänderungsantrag auf Wiederherstellung des Ersturteils; hilfsweise stellen sie einen Aufhebungsantrag.
Die Revisionsbeantwortung des Klägers ist verspätet (Revisionszustellung 8. 7. 1975, Postaufgabe der Revisionsbeantwortung 9. 9. 1975) und daher nicht zu beachten.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht begründet.
Die Untergerichte sind von folgenden Feststellungen ausgegangen:
Der Unfall ereignete sich am 6. 8. 1973. Die Kosten der Reparatur des PKWs. des Klägers betrugen 30.690,52 S zuzüglich 464,— S Abschleppkosten. Der Zeitwert dieses PKWs. betrug im Unfallszeitpunkt 24.000,– S, der Restwert 2.900,— S. Bei Abrechnung als Totalschaden ergibt sich daher ein Schadensbetrag von 21.100,— S, also um 800,— S weniger als die Beklagten hierauf bezahlten. Für die Aufnahme eines Darlehens bezahlte der Kläger 350,— S. Die Summe dieser beiden Beträge zuzüglich der Abschleppkosten von 464,— S ergibt jene 1.614,— S, die das Erstgericht dem Kläger zusprach.
Nach dem Unfall verständigte der Kläger die Reparaturwerkstätte N*, von der der PKW. abgeschleppt wurde. Dem Inhaber dieser Werkstätte, P* N*, sagte der Kläger, er möge die Versicherung verständigen, und beauftragte ihn, die Reparatur zu beginnen. Er erklärte ihm auch, daß er auf Urlaub zu fahren gedenke. Die Reparatur wurde sofort begonnen. Als am nächsten Tag der Sachverständige der Zweitbeklagten, C*, den PKW. besichtigte, waren die Reparaturarbeiten schon im Gange. C* erklärte N*, daß seiner Meinung nach ein Totalschaden gegeben sei. Die Reparaturarbeiten wurden aber fortgesetzt und am 10. 8. 1973 fuhr der Kläger mit seinem noch unlackierten PKW. für drei Wochen nach Deutschland. Noch vor Beendigung der Reparatur wurde der Kläger von N* verständigt, daß nach Meinung des Sachverständigen ein Totalschaden vorliege. Mit Schreiben vom 23. 8. 1974 teilte die Zweitbeklagte dem Kläger mit, daß ein Totalschaden vorliege. Während der Reparatur benützte der Kläger durch fünf Tage einen Mietwagen.
Das Erstgericht beurteilte diesen Sachverhalt dahin, daß dem Kläger nur der Ersatz des Sachschadens aus der Totalschadensabrechnung, weiter die Kreditkosten und die Abschleppkosten gebührten. Dieser Schaden sei bis auf einen Betrag von 1.614,— S bezahlt. Wenn der Kläger die Reparatur anordnete, ohne sich vorher zu vergewissern, ob die Reparaturkosten unter den Kosten des Zeitwertes des Fahrzeuges liegen, bzw. wenn er die Reparatur nicht unterbrechen ließ, nachdem er von N* verständigt worden war, daß Totalschaden vorliege, habe er gegen die Schadensminderungspflicht verstoßen. Dem Vorbringen des Klägers, die Reparatur sei im Sinne der Schadensminderungspflicht gelegen gewesen, weil der Kläger eine längere Urlaubsreise vorhatte, könne nicht gefolgt werden. Wie der Kläger selbst ausführte, hätte er, wenn ihm bekannt gewesen wäre, daß Totalschaden vorliege, ein Fahrzeug gekauft. Da zwischen Unfall und Urlaubsbeginn eine Woche vergangen sei, wäre es dem Kläger zumutbar gewesen, sich um ein Fahrzeug umzusehen. Bei gehöriger Sorgfalt hätte er bereits am 7. August erfahren können, daß sein Fahrzeug reparaturunwürdig sei. Der Kläger hätte diesbezüglich in der Reparaturwerkstätte nachfragen müssen.
Das Berufungsgericht war aber der Ansicht, daß dem Kläger der Ersatz der ganzen Reparaturkosten zustehe, denn er habe schon vier Tage nach dem Unfall eine geplante dreiwöchige Urlaubsreise ins Ausland angetreten, während der er ca. 3.500 km zurücklegte. Der Sachverständige habe errechnet, daß die Inanspruchnahme eines Mietfahrzeuges in dieser Zeit bei einer Fahrleistung von 4.500 km 14.556,— S gekostet hätte. Das Erstgericht treffe über diesen theoretischen Aufwand keine Feststellungen, doch dürfe als allgemein bekannt vorausgesetzt werden, daß selbst bei einer geringeren Kilometerleistung die Kosten eines Mietwagens für die Dauer von drei Wochen den Betrag von 9.590,— S (Differenz zwischen Totalschadensabrechnung und Reparaturkosten) leicht erreichen konnten. Der vorliegende Fall weiche somit vom Normalfall insofern ab, als der Kläger bei Nichtdurchführung der Reparatur berechtigt gewesen wäre, während der relativ langen Zeit des Urlaubs einen Mietwagen zu benützen, womit höhere Kosten entstanden wären als durch die Reparatur. Es entspreche nicht der Lebenserfahrung, daß der Kläger innerhalb von vier Tagen einen Ersatzwagen anschaffen, versichern, anmelden und für eine längere Urlaubsfahrt hatte vorbereiten können. Es sei daher davon auszugehen, daß der Kläger keine Möglichkeit mehr gehabt habe, vor seinem Urlaub ein anderes Fahrzeug zu erwerben. Wenn der Kläger angab, er hätte sein Fahrzeug nicht reparieren lassen, wenn er gewußt hätte, es handle sich nach Meinung der Versicherung um einen Totalschaden, und er hätte ein neues Auto gekauft, bringe er damit in keiner Weise zum Ausdruck, daß er dies schon vor seinem Urlaubsantritt getan hätte oder auch tatsächlich tun hätte können. Es könne aber nicht darauf ankommen, ob der Kläger dann seine Urlaubsfahrt überhaupt angetreten und in dieser Zeit ein Mietfahrzeug genommen hätte. Es stehe zweifelsfrei fest, daß er zur Inanspruchnahme eines Mietfahrzeuges in dieser Zeit berechtigt gewesen wäre, aber mit dem eigenen Wagen gefahren sei. Es könne mit Sicherheit angenommen werden, daß dem Kläger bei Inanspruchnahme eines Mietwagens mit wesentlich höheren Kosten als jenen der Reparatur eingewendet worden wäre, er hätte im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht doch lieber seinen Wagen reparieren lassen sollen. Die sogenannte Schadensminderungspflicht könne aber nicht dazu verwendet werden, in schikanöser Weise in jedem Fall dem Geschädigten den Vorwurf einer den Schaden erhöhenden Handlung zu machen. Die Reparatur sei diesfalls nicht nur technisch möglich, sondern auch im Hinblick auf mögliche höhere Kosten durch Anmietung eines Ersatzfahrzeuges wirtschaftlich gewesen. Es sei daher bedeutungslos, ob der Kläger alle diese Erwägungen sofort angestellt habe oder nicht, ob er der Meinung sein konnte, daß die Reparatur unwirtschaftlich sei und daher ein wirtschaftlicher Totalschaden vorliege. Selbst wenn er dies alles schon damals mit Sicherheit gewußt habe, sei er berechtigt gewesen, die Reparatur mit Anspruch auf Kostenersatz durchführen zu lassen.
Die Revisionswerber machen geltend, der Fahrzeugschaden und der Anspruch auf einen Mietwagen müßten unabhängig voneinander betrachtet werden. Da die Reparaturkosten den Zeitwert bei weitem überstiegen, sei eine Reparatur unwirtschaftlich gewesen und der Kläger müsse sich die Abrechnung als Totalschaden gefallen lassen. Davon unabhängig sei zu beurteilen, ob der Kläger berechtigt gewesen sei, während der Zeit der Anschaffung eines Ersatzfahrzeuges einen Mietwagen zu verwenden oder nicht, keinesfalls könnte aber die Mietwagenkosten zur Frage der Berechtigung der Reparatur des Fahrzeuges herangezogen werden.
Es ist jedoch dem Berufungsgericht beizupflichten, daß ein besonders gelagerter Fall gegeben ist, weil dem Kläger auch bei sofortiger Kenntnis, daß ein Totalschaden vorliege, nicht zuzumuten gewesen wäre, innerhalb weniger Tage einen Ersatzwagen anzuschaffen und damit die bereits festgelegte mehrwöchige Urlaubsreise anzutreten. Hätte aber der Kläger – wozu er bei dieser Sachlage berechtigt gewesen wäre – die Urlaubsreise mit einem Mietwagen durchgeführt, wären keine geringeren Kosten entstanden als durch die Reparatur des total beschädigten Wagens (vgl. den ähnlichen Fall der Entscheidung 2 Ob 242/74).
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf §§ 41,50 ZPO.
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