OGH 1Ob286/75

OGH1Ob286/7529.10.1975

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schneider als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Petretto, Dr. Schragel, Dr. Petrasch und Dr. Schubert als Richter in der Pflegschaftssache des minderjährigen H*, geboren * 1961, infolge Rekurses des Vaters H*, Operationshelfer *, vertreten durch Dr. Kurt Pilger, Rechtsanwalt in St. Pölten, gegen den Beschluß des Kreisgerichtes St. Pölten als Rekursgerichtes vom 24. September 1975, GZ. R 397/75‑23, womit der Rekurs des Vaters gegen den Beschluß desselben Gerichtes vom 3. September 1975, GZ. R 397/75-19, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1975:0010OB00286.75.1029.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Antrag auf Zuspruch von Rekurskosten wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

Der Rekurswerber hatte sich am 11. 2. 1974 anläßlich der Ehescheidung verpflichtet, für sein eheliches Kind einen Unterhaltsbetrag von S 1.000,‑‑ monatlich zu bezahlen und die für einen unmittelbaren Bezug der Familienbeihilfe durch die Mutter erforderlichen Erklärungen abzugeben. Am 29. 7. 1975 beantragte er, ihn für die Zeit vom 1. 10. 1975 bis 30. 9. 1978 von seiner Unterhaltsverpflichtung zu entbinden, weil er zur Verbesserung seiner beruflichen Möglichkeiten die Krankenpflegeschule besuchen wolle und während der 3‑jährigen Ausbildung nur ein kleines Taschengeld beziehen werde. Der Erstrichter ermäßigte die Unterhaltsverpflichtung auf S 200,‑‑ monatlich, wies aber das Mehrbegehren ab. Es müsse dem Vater unbenommen bleiben, unter vorübergehenden finanziellen Einbußen seine Aufstiegschancen für die Zukunft zu verbessern. Da dies später auch dem Unterhaltsberechtigten zugutekommen werde, sei auf die vorübergehende Erzielung bloß eines monatlichen Taschengeldes von S 652,‑‑ neben freier Kost, Wohnung und Dienstkleidung Rücksicht zu nehmen und der Unterhaltsbetrag entsprechend herabzusetzen.

Infolge Rekurses beider Eltern änderte das Rekursgericht mit dem Beschluß ON 19 die erstrichterliche Entscheidung dahin ab, daß der Antrag des Vaters auf Entbindung von der Unterhaltspflicht gänzlich abgewiesen werde. Nach Ansicht des Rekursgerichtes ruht die Unterhaltspflicht wegen Mittellosigkeit nur unter der Voraussetzung, daß er zur Befriedigung des Anspruches nicht imstande ist, nämlich einem Erwerb, der ihm die Erfüllung dieser Pflicht ermöglicht, nicht nachgehen kann. Der Vater dürfe daher durch den beabsichtigten Schulbesuch die gesetzlichen Unterhaltsansprüche des Kindes nicht verletzen.

Den gegen diesen Beschluß erhobenen Revisionsrekurs des Vaters wies das Rekursgericht mit dem angefochtenen Beschluß als unzulässig zurück. Auch die Frage der (weiteren) Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit und der Unmöglichkeit oder Unerschwinglichkeit der begehrten Unterhaltsleistung gehöre nach dem Rechtssatz II des Judikats 60 neu zu der nach § 14 Abs. 2 AußStrG nicht über die zweite Instanz hinaus anfechtbaren Bemessung gesetzlicher Unterhaltsansprüche.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen den Zurückweisungsbeschluß erhobene Rekurs des Vaters ist zwar zulässig, weil er eine verfahrensrechtliche Frage betrifft (EvBl 1974/127 uva), aber nicht berechtigt.

Das Rekursgericht ist zutreffend von der Bestimmung des § 14 Abs. 2 AußStrG ausgegangen, wonach unter anderem Rekurse gegen Entscheidungen der zweiten Instanz über die Bemessung gesetzlicher Unterhaltsansprüche unzulässig sind. Welche Einzelfragen zur Bemessung gehören, wurde im Judikat 60 neu (SZ 27/177) klargestellt. Demnach gehört zur Bemessung unter anderem die Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen (Rechtssatz II 3). Das Rekursgericht hat zutreffend erkannt, daß zur Leistungsfähigkeit auch die Fragen der weiteren Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit und der Unmöglichkeit oder Unerschwinglichkeit der begehrten Unterhaltsleistung zählen. Daher ist auch die Beantwortung der Frage unanfechtbar, ob der Unterhaltspflichtige zur Erfüllung seiner Unterhaltspflicht einem eigenen Erwerb nachgehen (EFSlg 20.807 ua) oder ein beabsichtigtes Studium zurückstellen muß (EFSlg 21.309).

Die Meinung des Rekurswerbers, daß es hier um die grundsätzliche Entscheidung gehe, ob er sich beruflich weiterbilden dürfe, läßt die Frage anklingen, ob sein zurückgewiesener Rekurs die Entscheidung über den Anspruchsgrund im Sinne des Punktes I des Judikats 60 betraf. Dies ist aber schon deshalb zu verneinen, weil der Rekurswerber die erstgerichtliche Entscheidung im Umfange der Verpflichtung zur Leistung eines Unterhalts von S 100,‑‑ monatlich unbekämpft gelassen hat, sodaß es nicht mehr um das Ob, sondern um das Wieviel seiner Unterhaltspflicht geht.

Die wirtschaftliche Bedeutung der strittigen Frage für den Rekurswerber kann die vom Rekursgericht zutreffend wahrgenommene Grenze der Anfechtbarkeit nicht beeinflussen.

Ein Kostenzuspruch ist im außerstreitigen Rekursverfahren nicht vorgesehen (EvBl 1953/358 ua).

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