European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1975:0020OB00193.75.1002.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
1.) zu Recht erkannt:
Der Revision des Erstbeklagten wird nicht Folge gegeben. Das Teil-Zwischenurteil wird in Ansehung des Erstbeklagten bestätigt, sodaß es zu lauten hat:
Das auf Zahlung eines Schmerzengeldes gerichtete Klagebegehren besteht gegenüber dem Erstbeklagten dem Grunde nach zu drei Vierteln zu Recht und zu einem Viertel nicht zu Recht.
Zur Verhandlung und Entscheidung über die Höhe des Klagsanspruches wird die Sache an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die dieses Teil-Zwischenurteil betreffenden, auf den Erstbeklagten entfallenden Kosten aller drei Instanzen wird der Endentscheidung vorbehalten;
2.) den
B e s c h l u ß
gefaßt:
a.) Der Revision der Zweitbeklagten wird Folge gegeben. Das angefochtene Teil-Zwischenurteil wird hinsichtlich der Zweitbeklagten aufgehoben, und es wird die Sache insoweit an das Prozeßgericht erster Instanz zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Die diesen Teil der Entscheidung betreffenden Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind wie weitere Verfahrenskosten zu behandeln;
b.) dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Rekurskosten sind ebenfalls wie weitere Verfahrenskosten zu behandeln.
Entscheidungsgründe:
Der bei der Zweitbeklagten als Kraftfahrer beschäftigte Erstbeklagte hatte am 4. 5. 1970 in Bregenz in der Belruptstraße einen Lastkraftwagen, dessen Halter die Zweitbeklagte war, auf der Fahrbahn ganz nahe beim Gehsteigrand abgestellt, um Waren abzuladen und sie mittels eines Hubstaplers, einer sogenannten „Biene“, zu einem Magazin des Detailkaufmannes E* V* zu befördern. Während dieser Ladetätigkeit kippte ein Behälter mit Waren vom Hubstapler herunter und fiel auf die Fahrbahn. Der Kläger geriet unter den herabstürzenden Behälter (Korb) und erlitt dadurch einen Unterschenkelbruch und möglicherweise auch noch andere Verletzungen. Das deswegen gegen den Erstbeklagten eingeleitete Strafverfahren endete mit Freispruch.
In der am 3. 5. 1973 eingebrachten Klage wurde zunächst nur ein Schmerzengeld von S 50.000,– s.A. mit der Behauptung begehrt, daß der Kläger einen offenen Unterschenkelbruch erlitten habe. In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 9. 8. 1973 verlangte er ein weiteres Schmerzengeld von S 50.000,– s.A. mit der Behauptung, er habe durch den Unfall auch eine schwere Schädigung des Gehörs am rechten Ohr erlitten. Ferner begehrt er die Feststellung der Haftung der Beklagten für künftige Schäden.
Der Kläger behauptet, der Erstbeklagte habe den Unfall verschuldet, indem er den Hubstapler unvorsichtig und entgegen den Vorschriften der Straßenverkehrsordnung auf dem Gehsteig ohne Warnung der Fußgänger und ohne Beiziehung einer Hilfsperson gelenkt habe. Die Zweitbeklagte hafte nach den Bestimmungen des EKHG, weil der Unfall sich beim Betrieb ihres Lastkraftwagens ereignet habe und weil der Hubstapler ein Teil des Lastkraftwagens sei und auch selbst unter die Bestimmungen des EKHG falle. Die Beklagte hafte aber auch auf Grund eigenen Verschuldens, weil sie den Erstbeklagten eine gefährliche Tätigkeit habe ausüben lassen, ohne ihm eine dazu erforderliche Hilfskraft zur Verfügung zustellen und obwohl sie gewußt habe, daß eine Genehmigung der Benützung des Gehsteiges für die Ladetätigkeit gefehlt habe.
Das Feststellungsbegehren wird darauf gestützt, daß beim Kläger Dauerfolgen zurückgeblieben seien, sodaß mit künftigen Schäden zu rechnen sei.
Die Beklagten beantragten Abweisung des Klagebegehrens. Weder den Erstbeklagten noch die Zweitbeklagte treffe ein Verschulden. Der Erstbeklagte habe den Hubstapler vollkommen umsichtig und fachgerecht bedient, wobei die Hilfe eines zweiten Mannes nicht erforderlich gewesen sei. Der Unfall sei in erster Linie durch das Verhalten des Klägers ausgelöst worden, der zuerst ruhig außerhalb des Gefahrenbereiches gestanden, dann aber plötzlich hinter dem Erstbeklagten an dem Hubstapler vorbeigelaufen sei.
Der Hubstapler sei von dem Lastkraftwagen völlig unabhängig und hänge mit dessen Betrieb nicht zusammen. Der Lastkraftwagen selbst sei schon längere Zeit stillgestanden und außer Betrieb gewesen. Der Hubstapler sei überhaupt kein Fahrzeug und somit auch kein Kraftfahrzeug, sodaß eine Haftung nach den Bestimmungen des EKHG nicht in Betracht komme. Für die Verwendung des Hubstaplers außerhalb der Fahrbahn sei eine behördliche Genehmigung nicht erforderlich gewesen. Wenn aber den Erstbeklagten ein Verschulden treffen sollte, wäre auch ein Mitverschulden des Klägers im Ausmaß von mindestens 50 % anzunehmen. Das begehrte Schmerzengeld sei weit überhöht. Soweit der Anspruch erst am 9. 8. 1973 geltend gemacht worden sei, sei er verjährt. Da beim Kläger Dauerfolgen nicht zurückgeblieben seien, sei das Feststellungsbegehren schon aus diesem Grunde nicht berechtigt. Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Es traf im Wesentlichen folgende Feststellungen:
Der Erstbeklagte besorgte das Abladen der Lebensmittel allein. Nach dem Abstellen des Lastkraftwagens ließ er die hydraulisch bewegbare Laderampe am Lastkraftwagen rückwärts herunter und nahm dann den am Lastkraftwagen mitgeführten Hubstapler von der Ladefläche des Lastkraftwagens herunter, um damit das eigentliche Abladen der Waren vorzunehmen.
Bei diesem Hubstapler handelt es sich um ein kleines Gerät, das – ohne Last – mit einer Geschwindigkeit von höchstens 3,6 km/h fahren kann. Es hat einen elektrohydraulischen Antrieb und ist vom Lastkraftwagen unabhängig und selbständig betriebsfähig. Es ist 1,47 m breit und 2,37 m lang. Die Waren werden mittels 1,50 m hoher, auf Rollen beweglicher Behälter mit einer Grundfläche von 70 mal 80 cm befördert.
An der Unfallstelle ist der Gehsteig 2,20 m breit, die Gehsteigkante ist etwa 12 cm hoch. Der Erstbeklagte legte daher zum besseren Auffahren von der Fahrbahn auf den Gehsteig zwei Brettstücke in einer Stärke von 4 bis 5 cm vor die Gehsteigkante. Der Entladevorgang geschah so, daß der Erstbeklagte mit dem Hubstapler hinter dem Lastkraftwagen stand, die Gabeln auf dieselbe Höhe wie die Laderampe des Lastkraftwagens brachte und den Behälter von der Ladefläche des Lastkraftwagens auf die Ladebrücke des Hubstaplers rollte. Diese weist zwei U-Schienen auf, in die der Behälter gerollt wird. Dadurch soll ein seitliches Abrutschen des Behälters verhindert werden. Dann hob der Erstbeklagte die Ladebrücke etwas an, fuhr einige Zentimeter vom Lastkraftwagen weg, senkte die Gabeln auf etwa 40 bis 50 cm Höhe und fuhr etwa 4,80 m auf der Fahrbahn rückwärts vom Lastkraftwagen weg. Dann fuhr er vorwärts und schwenkte auf den Gehsteig. Mit den beiden Seitenrädern am Gehsteig und dem dritten Rad noch auf der Fahrbahn mußte er noch mehrmals vor- und zurückfahren, um genau vor den nur 1 m breiten Eingang zum Magazin des E* V* zu kommen. Bei diesem Reversieren geriet der Erstbeklagte zu weit zurück, sodaß das linke Seitenrad über die Gehsteigkante herunterrutschte. Dabei kippte der Behälter mit den Waren von der Ladebrücke des Hubstaplers nach links auf die Fahrbahn. An dem Hubstapler bestand keine Vorrichtung, die ein solches, technisch ohne weiteres mögliches Umkippen verhindert hätte. Ein seitliches Abrutschen verhinderten die schon erwähnten U-Schienen. Gegen ein Abrollen nach vorne bestand eine Sicherung dadurch, daß der Erstbeklagte die Laderampe des Hubstaplers vorne hob, sodaß der Behälter gleichsam eingeklemmt war. Insgesamt hatte der Beklagte an der erwähnten Stelle 5 Behälter mit Waren abzuladen. Der Unfall geschah beim Abladen des letzten Behälters. Bis dahin war der Lastkraftwagen schon etwa 15 bis 20 Minuten mit abgestelltem Motor gestanden.
Der Kläger war zusammen mit anderen Kindern vor dem Geschäft des E* V* schon gestanden, als der Erstbeklagte dort mit dem Lastkraftwagen ankam. Bei Beginn des Abladevorganges erklärte der Erstbeklagte den Kindern, daß er abladen müsse und daß sie deshalb weggehen sollten. Die Kinder und auch der Kläger verstanden den Erstbeklagten. Sie befolgten seine Aufforderung und entfernten sich einige Meter weit. Sie kamen aber immer wieder in die Nähe des Erstbeklagten zurück, worauf dieser sie neuerlich aufforderte, sich zu entfernen. Dies taten die Kinder zwar, sie kamen aber nach kurzer Zeit wieder näher. Der Erstbeklagte schimpfte deswegen auch mit den Kindern. Als sich der Kläger beim Abladen eines Korbes an dem Hubstapler zu schaffen machte, schimpfte der Erstbeklagte auch mit ihm. Die Kinder blieben also während des ganzen Abladevorganges in der Nähe des Erstbeklagten und gingen auf seine Aufforderung immer nur für kurze Zeit weg.
Nach dem Beladen des Hubstaplers vom Lastkraftwagen aus und dem Senken der Last vergewisserte sich der Erstbeklagte durch einen Blick zurück, ob die Kinder nicht hinter ihm seien. Erst dann fuhr er mit dem Hub-Stapler zurück und gegen die Straßenmitte hin, legte dann den Vorwärtsgang ein und fuhr zum Gehsteig bzw. zum Magazineingang hin. Als der Behälter beim Entladen des 5. Korbes umfiel, rannte der Kläger gerade hinter dem Erstbeklagten, der den Blick Richtung Lastkraftwagen bzw. Magazin gewendet hatte, hervor und geriet unter den von der Ladefläche des Hubstaplers herabstürzenden, mit Waren gefüllten Korb.
Die Beklagten hatten keine Bewilligung, mit dem Hubstapler den Gehsteig zu befahren und ihn dort aufzustellen.
Der Erstbeklagte ist auch jetzt noch bei der Zweitbeklagten beschäftigt, er ist tüchtig, hatte noch nie einen ähnlichen Vorfall und ist ein sehr umsichtiger Mensch.
Diesen Sachverhalt beurteilte das Erstgericht in rechtlicher Hinsicht folgendermaßen: Der Hubstapler sei kein Fahrzeug im Sinne des § 2 Abs 1 Z 19 StVO 1960, sondern ein sogenanntes Kleinfahrzeug, mit dem man auch ohne Genehmigung am Gehsteig fahren könne. Er falle daher nicht unter das EKHG. Der Unfall stehe auch nicht mehr im Zusammenhang mit dem Betrieb des Lastkraftwagens, sodaß – zumal die Voraussetzungen des § 1315 ABGB nicht vorlägen – eine Haftung der Zweitbeklagten ausscheide. Im Übrigen fehle es an einem Verschulden des Erstbeklagten, der mit dem plötzlich hereinlaufenden Kläger nicht habe rechnen müssen.
Die Berufung des Klägers hatte teilweise Erfolg. Das Berufungsgericht beurteilte das Verfahren als mangelfrei, übernahm auch die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich, es folgte aber dem Erstgericht nicht in der rechtlichen Beurteilung. Es änderte den Ausspruch über das Leistungsbegehren mit Teil-Zwischenurteil dahin ab, daß der Klagsanspruch (Leistungsbegehren) dem Grunde nach mit drei Vierteln zu Recht und mit einem Viertel nicht zu Recht bestehe. In diesem Zusammenhang sprach es aus, daß die Sache zur Verhandlung und Entscheidung über die Höhe des Klagsanspruches an das Erstgericht zurückverwiesen werde und daß der von der teilweisen Abänderung betroffene Wert des Streitgegenstandes, über den das Berufungsgericht entschieden habe, S 1.000,– übersteige. Die Entscheidung über das Feststellungsbegehren hob es unter Rechtskraftvorbehalt auf und wies die Sache im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Urteilsfällung zurück. In rechtlicher Hinsicht führte es dazu im Wesentlichen aus:
Der in Rede stehende Hubstapler sei ein Kraftfahrzeug im Sinne des § 2 Z 1 KFG 1967, weil es ein zur Verwendung auf Straßen bestimmtes oder auf Straßen verwendetes Fahrzeug sei, das durch technisch freigemachte Energie angetrieben werde. Es handle sich dabei um einen Transportkarren im Sinne des § 2 Z 19 KFG 1967, weil das Fahrzeug nach seiner Bauart und Ausrüstung ausschließlich oder vorwiegend zur Beförderung von Gütern sowie in erster Linie zur Verwendung innerhalb von Betriebsanlagen bestimmt sei. Dafür spreche auch § 106 Abs 1 der Allgemeinen Dienstnehmer Schutzverordnung, BGBl Nr 265/1951, in der Fassung BGBl Nr 32/1962, durch § 33 Abs 1 lit a Z 10 Arbeitnehmerschutzgesetz, BGBl Nr 234/1972, in den Rang eines Bundesgesetzes erhoben, wo Elektrokarren, Dieselkarren oder Hubstapler als Beispiele von motorisch angetriebenen Transportkarren angeführt werden. Daß gemäß § 1 Abs 2 lit a und lit b KFG 1967 dieses Kraftfahrzeug von der Anwendung der Bestimmungen der Abschnitte II bis XI des KFG 1967 ausgenommen sei, ändere nichts an der grundsätzlichen Qualifikation als Kraftfahrzeug. Allerdings sei der gegenständliche Hubstapler, mit dem auf gerader, waagrechter Fahrbahn bei Windstille eine Geschwindigkeit von 10 km/h nicht überschritten werden könne, gemäß § 2 Abs 2 EKHG von den strengen Haftpflichtbestimmungen dieses Gesetzes ausgenommen. Ersatzansprüche für einen Unfall durch ein solches Langsamfahrzeug richten sich nach bürgerlichem Recht und bedürfen daher des Nachweises eines Verschuldens des in Anspruch Genommenen. Der Halter eines solchen Fahrzeuges hafte jedoch nach § 19 Abs 2 EKHG für das Verschulden der Personen, die mit seinem Willen beim Betrieb des Kraftfahrzeuges tätig gewesen seien, soweit diese Tätigkeit für den Unfall ursächlich gewesen sei. Die Zweitbeklagte hafte daher für jedes Verschulden des Erstbeklagten beim Betrieb des Hubstaplers. Ein solches Verschulden des Erstbeklagten liege jedoch vor. Er sei gemäß § 62 Abs 1 StVO 1960 verpflichtet gewesen, beim Entladen des Lastkraftwagens die Sicherheit des Verkehrs, insbesondere auch des Fußgängerverkehrs, nicht wesentlich zu beeinträchtigen. Er hätte also darauf achten müssen, daß die Ladung des Hubstaplers nicht herunterkippt. Nun sei ihm vorzuwerfen, daß er durch eine „kleine Unachtsamkeit zu weit zurückgeriet“, sodaß das linke Seitenrad über die Gehsteigkante heruntergerutscht sei. Der Erstbeklagte hätte berücksichtigen müssen, daß ein Umkippen des Korbes wegen der Labilität des Hubstaplers ohne weiteres möglich gewesen sei. Er hätte daher bei der Benützung des Hubstaplers eine den Eigenarten dieses Gerätes gerecht werdende erhöhte Vorsicht anwenden müssen, dies selbst dann, wenn das Umkippen im Bereich der hingelegten Bretter geschehen sei. Dem Erstbeklagten müsse daher ein – wenn auch geringfügiger – Fahrfehler angelastet werden, möge er auch sonst ein umsichtiger und tüchtiger Mensch gewesen sein. Wenn es mit dem Hubstapler vorher noch keinen Unfall gegeben habe, dann müsse es wohl an der Bedienung des Gerätes durch den Erstbeklagten gelegen sein, wenn der mit Waren gefüllte Korb heruntergekippt sei. Der Erstbeklagte habe also fahrlässigerweise die als Schutznorm, im Sinne des § 1311 ABGB aufzufassende Bestimmung des § 62 Abs 1 StVO 1960 übertreten und hafte daher für allen daraus entstandenen Schaden, auch wenn dieser für ihn im Einzelfall nicht vorhersehbar gewesen sei. Von einem Fehlen des Rechtswidrigkeitszusammenhanges könne nicht die Rede sein, denn der Schutz vorbeigehender Fußgänger sei ja gerade der Zweck dieser Norm. Der Erstbeklagte hätte auch damit rechnen müssen, daß sich die Kinder trotz Abmahnung dem Hubstapler wieder nähern werden und bei Umkippen der Ladung gefährdet werden können. Mit dem Verschulden des Erstbeklagten sei auch die Ersatzpflicht der Zweitbeklagten zu bejahen.
Die Haftung der Zweitbeklagten würde sich übrigens auch aus § 5 Abs 1 EKHG ergeben, weil sich der Unfall zugleich beim Betrieb des Lastkraftwagens ereignet habe. Das Entladen eines Lastkraftwagens stelle nämlich einen Betriebsvorgang dar. Der Zusammenhang zwischen dem Unfall und diesem Betriebsvorgang sei im Sinne der verkehrstechnischen Auffassung gegeben. Der Hubstapler sei immerhin sozusagen Zubehör des Lastkraftwagens gewesen, denn er sei dauernd dazu gewidmet gewesen, Waren vom Lastkraftwagen abzuladen, und er sei zu diesem Zweck mit dem Lastkraftwagen dauernd mitgeführt worden. Wenn auch die Waren nicht direkt von dem Lastkraftwagen, sondern von dem als Abladezubehör des Lastkraftwagens zu wertenden Hubstapler heruntergefallen seien, so habe das Herunterkippen der Waren vom Hubstapler doch noch zum Betrieb des Lastkraftwagens gehört.
Das Berufungsgericht war ferner der Ansicht, daß den Kläger, ungeachtet seiner Unmündigkeit, ein Mitverschulden treffe, weil es heutzutage auch für ein achtjähriges Kind einsichtig sei, daß es sich nicht in die Nähe von reversierenden Fahrzeugen oder beladenen Hubstaplern begeben dürfe; das treffe für den Kläger umsomehr zu, als er vom Erstbeklagten ausdrücklich ermahnt worden sei, sich aus dem Gefahrenbereich zu begeben. Mit Rücksicht auf das Alter des Klägers sei sein Mitverschulden aber nur mit einem Viertel anzunehmen.
Hinsichtlich des Leistungsbegehrens sei somit die Sache dem Grunde nach spruchreif. Insoweit sei daher mit Teil-Zwischenurteil zu entscheiden gewesen. Daß das Schmerzengeldbegehren zum Teil auf Verletzungen gestützt werde, die derzeit noch nicht feststehen, stehe dem nicht entgegen. Der Verjährungseinrede bezüglich des ausgedehnten Schmerzengeldbegehrens komme keine Berechtigung zu, weil die Verjährung durch die rechtzeitig eingebrachte Feststellungsklage unterbrochen worden sei. Um Unklarheiten zu vermeiden, werde ausgesprochen, daß der von der Teilabänderung betroffene Wert des Streitgegenstandes, über den das Berufungsgericht entschieden habe, S 1.000,– übersteige.
Hinsichtlich des Feststellungsbegehrens sei die Sache noch nicht spruchreif, weil das Erstgericht entsprechend seiner Rechtsansicht über die mangelnde Ersatzpflicht der Beklagten die Voraussetzungen für das Feststellungsbegehren, nämlich das Vorliegen eines Dauerschadens beim Kläger, nicht geprüft habe. Um die innere Einheitlichkeit der Entscheidung sicherzustellen, erfolge die Aufhebung unter Rechtskraftvorbehalt.
Der Kläger erhob gegen diese Entscheidung kein weiteres Rechtsmittel.
Gegen das Teil-Zwischenurteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision und gegen den Aufhebungsbeschluß der – fälschlich als Revisionsrekurs bezeichnete – Rekurs der Beklagten. Geltend gemacht werden die Rechtsmittelgründe der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Beantragt wird, das angefochtene Teil-Zwischenurteil und den angefochtenen Aufhebungsbeschluß
a.) dem „gesamten Inhalt nach abzuändern und das Urteil erster Instanz wiederherzustellen“ oder sie
b.) dem „gesamten Inhalt nach abzuändern, ein Verschulden abzulehnen und eine eventuelle Haftung der Zweitbeklagten für das Gerät („Biene“) auf die Höchstsumme des EKHG zu beschränken“ oder
c.) sie „aufzuheben und an das Erst- bzw. Zweitgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung im Sinne einer Bestätigung des Ersturteiles zurückzuverweisen" oder
d.) sie „aufzuheben und zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung nach Durchführung weiterer Beweise, insbesondere Anfrage an das Bundesministerium für Verkehr, bezüglich Qualifikation des Gerätes an die erste bzw. zweite Instanz zurückzuverweisen".
Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist teilweise, der Rekurs jedoch nicht gerechtfertigt.
Das Rechtsmittelvorbringen der Beklagten läßt sich etwa folgendermaßen zusammenfassen:
Die „Biene“ (der Hubstapler bzw. das Gerät) sei überhaupt kein Fahrzeug im Sinne des § 2 Abs 1 Z 19 StVO 1960, sondern ein vorwiegend zur Verwendung außerhalb der Fahrbahn bestimmtes Kleinfahrzeug. Charakteristisches Merkmal eines Fahrzeuges sei, daß damit längere Strecken zurückgelegt werden können, was aber auf die „Biene“ nicht zutreffe. Sei dieses Gerät nicht einmal ein Fahrzeug, dann könne es auch kein Kraftfahrzeug sein, und es könne daher auch die Bestimmung des § 19 Abs 2 EKHG darauf nicht angewendet werden. Es sei auch kein Transportkarren im Sinne des § 2 Z 19 KFG 1967, denn dafür wäre die Eigenschaft als Kraftfahrzeug Voraussetzung.
Sei die Qualifikation eines Fahrzeuges als Kraftfahrzeug strittig, dann sei nach § 1 Abs 4 des KFG 1967 darüber die Entscheidung des Bundesministeriums für Verkehr einzuholen. Daß dies im vorliegenden Fall nicht geschehen sei, begründe einen Verfahrensmangel.
Mangels Fahrzeugeigenschaft der „Biene“ könne § 62 StVO 1960 hier nicht angewendet werden, denn diese Bestimmung setze voraus, daß die Be- oder Entladung von einem Fahrzeug aus erfolge. Aber selbst wenn eine Übertretung dieser Bestimmung vorläge, könnte sie unter den festgestellten Umständen nicht als verschuldet angesehen werden. Dem Erstbeklagten sei nur ein geringfügiger Fahrfehler bzw. nur eine kleine Unachtsamkeit unterlaufen, doch habe er damit rechnen können, daß seine Anordnungen von den Kindern befolgt werden; mit einem Hineinlaufen des Klägers in den fallenden Korb habe er nicht rechnen müssen.
Der Unfall habe sich auch nicht beim Betrieb des Lastkraftwagens ereignet, der abgestellt und nicht mehr Quelle einer besonderen Betriebsgefahr gewesen sei. Die „Biene“ könne nicht als Zubehör des Lastkraftwagens angesehen werden, denn sie sei davon völlig unabhängig. Daß sie dem Betrieb des Lastkraftwagens gewidmet worden wäre, wie das Berufungsgericht ausführe, entbehre jeder aktenmäßigen Grundlage und werde als Aktenwidrigkeit gerügt.
Der Kläger habe sich seine Verletzungen selbst zuzuschreiben, während der Erstbeklagte jede gebotene Sorgfalt beobachtet habe. Für ihn sei der Unfall ein unabwendbares Ereignis gewesen. Sollte den Erstbeklagten aber dennoch ein Verschulden treffen, dann wäre es mit nicht mehr als 10 % zu veranschlagen.
Soweit eine Haftung nach den Bestimmungen des EKHG bestehen sollte, wäre diese mit den dort vorgesehenen Höchstsummen zu begrenzen.
Die Sache sei somit im Sinne einer gänzlichen Abweisung des Klagebegehrens sowohl hinsichtlich des Leistungs-, als auch des Feststellungsbegehrens, und zwar gegenüber beiden Beklagten spruchreif.
Diesen Ausführungen kann zunächst insoweit nicht beigepflichtet werden, als sie sich gegen die Annahme eines Verschuldens des Erstbeklagten wenden. Für die Frage der Haftung des Erstbeklagten ist die Qualifikation des gegenständlichen Hubstaplers als Fahrzeug oder Kraftfahrzeug bzw. als Zubehör des Lastkraftwagens unerheblich. Es kommt auch nicht darauf an, ob sich der Unfall beim Betrieb eines Kraftfahrzeuges ereignet hat. Für die Haftung des Erstbeklagten ist allein maßgeblich, ob sein Verhalten rechtswidrig und schuldhaft war. Die Rechtsmittelausführungen, mit denen ein Verfahrensmangel und eine Aktenwidrigkeit behauptet werden, betreffen diese Frage jedoch nicht. Bezüglich des rechtswidrigen und schuldhaften Verhaltens des Erstbeklagten ist auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes zu verweisen, daß von dem Hubstapler herunterfallende Waren, die doch einiges Gewicht hatten, auf jeden Fall eine Gefährdung der Sicherheit des Verkehrs auf der Straße, sei es auf dem Gehsteig oder auf der Fahrbahn, also eine Gefährdung der Sicherheit dort befindlicher Personen, ausging. Dies kann im vorliegenden Fall umso weniger zweifelhaft sein, weil Kinder sich nicht bloß in der Nähe des Hubstaplers aufgehalten haben, sondern sich diesem trotz Abmahnung aus kindlicher Neugier immer wieder genähert haben. Der Erstbeklagte mußte daher damit rechnen, daß eines dieser Kinder sich doch in den Gefahrenbereich des Hubstaplers begeben werde. Der Erstbeklagte war daher – ob ein Verstoß gegen die Vorschrift des § 62 Abs 1 StVO 1960 vorliegt, kann dahingestellt bleiben – schon auf Grund des sich aus der gesamten Rechtsordnung ergebenden grundsätzlichen Gefährdungsverbotes verpflichtet, den Hubstapler so zu bedienen, daß die Ladung nicht herunterkippen konnte. Dieser Verpflichtung ist er nicht nachgekommen. Er muß selbst zugeben, daß ihm ein Fahrfehler bzw. eine Unachtsamkeit unterlaufen ist. Auch wenn diese Fehler nicht allzu schwerwiegend erscheinen, ändert dies nichts an der Rechtswidrigkeit und Schuldhaftigkeit des Verhaltens des Erstbeklagten. Die Revisionsbehauptung, der Erstbeklagte habe damit rechnen können, daß seine Anordnungen von den danebenstehenden Kindern befolgt werden, steht mit den Feststellungen in Widerspruch, wonach der Erstbeklagte ja selbst die Wahrnehmung machen mußte, daß die Kinder zwar zunächst gefolgt haben, dann aber wieder näher an den Hubstapler herangekommen sind. Es kann daher auch nicht gesagt werden, daß der Erstbeklagte mit einem Hineinlaufen des Klägers in den fallenden Korb nicht habe rechnen müssen.
In der Bejahung der Haftung des Erstbeklagten für den dem Kläger aus dem Unfall vom 4. 5. 1970 erwachsenen Schaden ist daher ein Rechtsirrtum nicht zu erkennen.
Auch gegen die Ausmessung des Mitverschuldensanteiles des Klägers mit nur 25 % bestehen keine Bedenken. Ein höherer Mitverschuldensanteil kommt schon wegen des Alters des Klägers von rund 8 Jahren zur Zeit des Unfalles und des dadurch bedingten geringen Maßes an Einsicht nicht in Betracht.
Soweit die Revision vom Erstbeklagten erhoben wurde, ist sie demnach nicht gerechtfertigt.
Anders verhält es sich mit der von der Zweitbeklagten erhobenen Revision. Eine Haftung der Zweitbeklagten für das Verschulden des Erstbeklagten als Besorgungsgehilfen nach § 1315 ABGB kommt nach den vorliegenden Feststellungen nicht in Betracht. Auch eine Haftung der Zweitbeklagten nach § 5 Abs 1 EKHG als Halterin des Lastkraftwagens, mit dem der Erstbeklagte im Auftrag der Zweitbeklagten Waren an Kunden auslieferte, kann – entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes – nicht angenommen werden, weil sich der Unfall des Klägers nicht beim Betrieb des Lastkraftwagens ereignete. Die zu liefernden Waren waren von dem Lastkraftwagen bereits abgeladen worden und befanden sich bereits auf dem Hubstapler. Der Unfall ereignete sich erst dadurch, daß die Ladung des Hubstaplers umkippte, als der Erstbeklagte mit diesem zum Magazinseingang fahren wollte. Es kann daher auch bei ausdehnender Auslegung des Begriffes „beim Betrieb“ nicht gesagt werden, daß der Unfall in einem inneren ursächlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang des Lastkraftwagens stand (vgl. JBl 1974, 157 und 2 Ob 119/75).
Der Zweitbeklagten ist auch beizupflichten, daß der Hubstapler jedenfalls nicht zu den Betriebseinrichtungen des Lastkraftwagens zu zählen ist, weil es sich dabei um ein vollständig selbständiges und von dem Lastkraftwagen gänzlich unabhängig funktionierendes Gerät handelt, das übrigens auch für den Betrieb des Lastkraftwagens nicht erforderlich ist. Es läßt sich daher ein Unfall beim Betrieb des Hubstaplers nicht als Unfall beim Betrieb des Lastkraftwagens, also eines Kraftfahrzeuges, im Sinne des § 1 EKHG werten. Daß das Berufungsgericht ohne entsprechende aktenmäßige Grundlage den Hubstapler als dem Betrieb des Lastkraftwagens gewidmetes Zubehör beurteilt hat, erscheint daher bei Zugrundelegung der dargelegten Rechtsansicht nicht mehr von Bedeutung.
Nach § 2 Abs 2 EKHG ist der Begriff des Kraftfahrzeuges im Sinne des KFG 1967 auszulegen. Soweit sich aus dem EKHG nichts anderes ergibt, ist dieses auf Kraftfahrzeuge, bei denen nach ihrer Bauart und ihrer Ausrüstung dauernd gewährleistet ist, daß mit ihnen auf gerader, waagrechter Fahrbahn bei Windstille eine Geschwindigkeit von 10 km in der Stunde nicht überschritten werden kann, nicht anzuwenden. Da diese Voraussetzung bei dem in Rede stehenden Hubstapler gegeben ist, käme, auch wenn er ein Kraftfahrzeug wäre, die Anwendung des § 5 EKHG nicht in Betracht. Wohl aber käme eine Haftung der Zweitbeklagten für ein Verschulden des Erstbeklagten im Sinne des § 19 Abs 2 EKHG in Frage, weil nach dieser Bestimmung auch der Halter eines Kraftfahrzeuges, auf das das EKHG sonst nicht anzuwenden ist, für das Verschulden der Personen – ohne Begrenzung der Haftung auf die Höchstbeträge der §§ 15 und 16 EKHG – haftet, die mit seinem Willen beim Betrieb des Kraftfahrzeuges tätig waren, soweit diese Tätigkeit für den Unfall ursächlich war.
Es kommt daher für die Frage der Haftung der Zweitbeklagten letztlich darauf an, ob der in Rede stehende Hubstapler ein Kraftfahrzeug im Sinne des KFG 1967 ist. Nun verweist aber die Zweitbeklagte zutreffend darauf, daß nach § 1 Abs 4 KFG 1967, wenn die Entscheidung einer Verwaltungsbehörde oder eines Gerichtes von der Vorfrage abhängig ist, ob ein Fahrzeug als Kraftfahrzeug oder als Anhänger oder eine Type von Fahrzeugen als Type von Kraftfahrzeugen oder Anhängern im Sinne des KFG 1967 zu gelten hat, das Verfahren zu unterbrechen und die Entscheidung des Bundesministeriums für Verkehr (siehe Bundesministeriengesetz 1973, BGBl Nr 389) hierüber einzuholen ist. Es handelt sich hier um einen jener Fälle, in denen das Gesetz dem Gericht die Unterbrechung des Verfahrens zur Klärung einer Vorfrage zwingend vorschreibt. Wurde bei Klärung der Vorfrage der vom Gesetz vorgeschriebene Vorgang nicht eingehalten, dann begründet dies einen Verfahrensmangel, der zur Aufhebung des davon betroffenen Teiles der Entscheidung zwingt (vgl dazu die noch zu der im wesentlichen gleichlaufenden Bestimmung des § 1 Abs 3 KFG 1955 ergangenen Entscheidungen ZVR 1960/23 und ZVR 1962/294, ferner Ringhofer, Grundsätzliches über das Verfahren nach § 1 Abs 3 KFG 1955 und über den Begriff „Kraftfahrzeug", ZVR 1956, S 114 ff und Dittrich - Veit - Veit, Kraftfahrrecht2 S 4/5).
Damit erweist sich, daß die Sache in Ansehung der Zweitbeklagten noch nicht spruchreif ist, weil eine Entscheidung des Bundesministeriums für Verkehr über die hier entscheidende Vorfrage der Eigenschaft des Hubstaplers als Kraftfahrzeug nicht vorliegt. Demzufolge mußte der Revision der Zweitbeklagten Folge gegeben, das Teil-Zwischenurteil in Ansehung der Zweitbeklagten aufgehoben und die Sache insoweit an das Prozeßgericht erster Instanz zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen werden.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich hinsichtlich des Erstbeklagten auf §§ 52, 393 Abs 4 ZPO, hinsichtlich der Zweitbeklagten auf § 52 ZPO.
Aus diesen Darlegungen ergibt sich zugleich, daß die Sache auch hinsichtlich des Feststellungsbegehrens weder gegenüber dem Erstbeklagten noch gegenüber der Zweitbeklagten, und zwar im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens spruchreif ist. Es bedarf daher auch noch einer Klärung der Frage, ob der Kläger als Folge des Unfalles vom 4. 5. 1970 einen Dauerschaden davongetragen hat und ob der Eintritt künftiger Schäden möglich erscheint.
Demzufolge mußte dem Rekurs der beiden Beklagten gegen den Aufhebungsbeschluß der Erfolg versagt bleiben.
Die Entscheidung über die Rekurskosten gründet sich auf § 52 ZPO. Der Vorbehalt erscheint dadurch gerechtfertigt, daß der Rekurs zumindest teilweise zu einer Änderung der dem Erstgericht überbundenen Rechtsansicht geführt hat.
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