OGH 1Ob98/75

OGH1Ob98/7527.8.1975

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schneider als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Petretto, Dr. Schragel, Dr. Petrasch und Dr. Resch als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei * M*, Pensionist, *, vertreten durch Dr. Viktor Wolczik, Rechtsanwalt in Baden, wider die beklagte Partei E*, Privater, *, vertreten durch Dr. Ferdinand Koch, Rechtsanwalt in Baden, wegen Räumung infolge Revision der beklagten Partei und Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen das Urteil und den Beschluß des Kreisgerichtes Wr. Neustadt als Berufungs- und Rekursgerichtes vom 26. März 1975, GZ. R 65, 66/75‑14, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Baden vom 4. Dezember 1974, GZ. 3 C 560/74-9, bestätigt und infolge Rekurses der beklagten Partei der Beschluß des Bezirksgerichtes Baden vom 4. Dezember 1974, GZ. 3 C 560/74-9, ersatzlos aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung

 

I. den

Beschluss

gefaßt:

 

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1975:0010OB00098.75.0827.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs des Klägers wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

 

II. zu Recht erkannt:

 

Der Revision des Beklagten wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit S 1.125,12 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 192 Barauslagen und S 69,12 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Der Klagen begehrte mit der am 22. Juli 1974 bei Gericht eingelangten Klage die Auflösung des mit dem Beklagten geschlossenen Bestandvertrages und brachte hiezu vor, daß der Beklagte seit dem zweiten Quartal des Jahres 1971 mit der Bezahlung des Bestandzinses säumig sei. Er habe ungeachtet einer schriftlichen Mahnung die fälligen Beträge nicht bezahlt, so daß für den Zeitraum vom 1. April 1971 bis 31. März 1974 ein Rückstand von S 17.230,22 aufgelaufen sei. In der Tagsatzung vom 5. September 1974 brachte der Kläger ergänzend vor, daß auch ein grobes Verschulden des Beklagten an dem Zinsrückstand vorliege, da dieser während eines Zeitraumes von 3 Jahren keine Zinszahlungen erbracht und auch alle Mahnungen, Nachfristsetzungen und Vorschreibungen der geschuldeten Beträge nicht beachtet habe. Es liege auch noch ein weiterer Zahlungsrückstand vor, weil der Beklagte das Bestandobjekt mit Vertrag vom 27. Mai 1971, an O* untervermietet habe und nach dem Inhalt des Bestandvertrages vom 17. Juni 1965 verpflichtet sei, im Falle einer Untervermietung 10 % des erzielten Entgeltes an den Kläger abzuführen. Dieser Verpflichtung habe der Beklagte ebenfalls nicht entsprochen.

Der Beklagte beantragte Klagsabweisung, da er den in der Klage behaupteten Rückstand an Zins und Betriebskosten am 4. September 1974 bezahlt hatte. Ein grobes Verschulden an dem Zahlungsrückstand könne ihm nicht angelastet werden, da die Frage der Zahlungspflicht Gegenstand eines Rechtsstreites zu C 276/73 des Bezirksgerichtes Baden gewesen sei. Überdies habe O*, die nach Meinung des Beklagten als seine Rechtsnachfolgerin in den Vertrag eingetreten sei, immer wieder versucht, Zins und Betriebskosten an den Kläger zu leisten, doch habe dieser die Zahlungen zurückgewiesen. Auf Grund der schriftlichen Mahnung des Klagsvertreters vom 28. Juni 1974 mit Nachfristsetzung bis 12. Juli 1974 habe der Beklagte vorerst am 20. August 1974 einen Betrag von S 11.731,30 bezahlt, weil in dem Betrag von S 17.230,22 bereits verjährte Betriebskosten enthalten gewesen seien. Der Betrag sei aber durch den Kläger dicht angenommen worden. Um dem Risiko einer Räumungsverpflichtung zu begegnen, habe der Beklagte schließlich am 4. September 1974 den gesamten Betrag bezahlt.

Der Erstrichter stellte mit dem in das Urteil aufgenommenen Beschluß gemäß § 21 Abs. 2 MietG fest, daß im Zeitpunkt der Beschlußfassung (28. November 1974) ein Bestandzinsrückstand von S 2.263,98 bestanden habe. Mit Urteil vom 4. Dezember 1974 erkannte er den Beklagten schuldig, das von ihm gemietete Gartenhaus des Klägers in *, zu räumen und dem Kläger geräumt von allen Fahrnissen zu übergeben.

Er stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Mit Vertrag vom 17. Juni 1965 vermietete der Kläger dem Beklagten das Gartenhaus samt einem dazugehörigen kleinen Garten. Der Vertrag enthielt u.a. folgende wesentliche Bestimmungen: „Die Miete wurde mit S 200,‑‑ per Monat, zahlbar per Quartal im Vorhinein zu erlegen, vereinbart". Ferner hatten die Streitteile eine Wertsicherungsklausel vereinbart: „Zur Sicherung der Kaufkraft des vereinbarten Mietzinses von S 200,‑‑ wird einverständlich vereinbart, daß der Lebenshaltungskostenindex (Index II), wie er vom Institut für Wirtschaftsforschung für einen vierköpfigen Arbeitnehmerhaushalt jeweils festgestellt wird, als Wertsicherung zugrundezulegen ist, wobei jener bei Abschluß des Kaufvertrages in Geltung stehende Index als Ausgangspunkt dient. Veränderungen nach oben oder unten bleiben bis 10 % unberücksichtigt“. Schließlich enthielt der Vertrag auch noch folgende Bestimmung: „Weiters wurde Herrn G* bewilligt in Anbetracht seines hohen Alters und seines Gesundheitszustandes das Bestandobjekt unter seiner eigenen Verantwortung ganz oder teilweise abzugeben, da Herr G* oft in ausländischen Kliniken Kuren machen muß und sein Haus nicht allein lassen kann. Für solche Fälle erhält Herr M* einen Betrag von 10 % des von Herrn G* erzielten Entgeltes“.

Mit einem Übereinkommen vom 27. Mai 1971 übertrug nun der Beklagte gegen einen Betrag von S 46.000,‑‑an O* sämtliche Rechte und Pflichten aus dem am 17. Juni 1965 zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Bestandvertrag. Hievon verständigte der Beklagte den Kläger und überwies ihm einen Betrag von S 4.600,‑‑ im Sinne der oben wiedergegebenen Vertragsbestimmung. Der Kläger nahm diesen Betrag nicht an und vertrat den Standpunkt, daß in dem Vertrag vom 17. Juni 1965 eine Übertragung der Mietrechte durch den Beklagten an eine dritte Person nicht vorgesehen sei. Im Verfahren C 276/73 des Bezirksgerichtes Baden begehrte der Kläger gegenüber dem Beklagten und der O* die Feststellung, daß nicht O*, sondern der Beklagte Hauptmieter des Gartenhauses sei. Dem Klagebegehren wurde mit Urteil vom 28. Jänner 1974, bestätigt durch das Urteil des Berufungsgerichtes vom 3. April 1974, entsprochen. Dieses Urteil ist seit dem 9. Mai 1974 rechtskräftig.

Zu 2 Cg 432/74 des Kreisgerichtes Wr. Neustadt –diese Klage langte bei Gericht ebenfalls am 22. Juli 1974 ein –klagte * M* den für den Zeitraum ab 1. April 1971 bis 31. März 1974 aushaftenden Rückstand an Bestandzins und Betriebskosten in der Höhe von S 17.230,22 gegenüber dem Beklagten ein. Diesen Betrag überwies der Beklagte am 3. September 1974 an den Kläger, worauf am 21. Oktober 1974 Ruhen des Verfahrens eintrat.

Zum Zeitpunkt der im gegenständlichen Verfahren am 3. Oktober 1974 abgeführten Tagsatzung, hatte somit der Beklagte, wie der Erstrichter fortführte, den Bestandzins und die Betriebskosten bis 31. März 1974 bezahlt. Es haftete aber damals der bereits fällige Bestandzins und ebenso die Betriebskosten für das zweite und dritte Quartal des Jahres 1974 mit einem Betrag von S 3.744,84 unberichtigt aus. Die Zinsvorschreibung für das zweite und dritte Quartal hatte der Kläger dem Beklagten am 28. September 1974 übermittelt. Der Beklagte überwies einige Tage nach der Tagsatzung vom 3. Oktober 1974 den vorgeschriebenen Betrag von S 3.744,82 an den Kläger. Zum Zeitpunkt der Tagsatzung vom 3. Oktober 1974 war aber auch der Bestandzins für das vierte Quartal des Jahres 1974 fällig, wobei dieser Betrag bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz nicht bezahlt wurde und somit unberichtigt aushaftete.

Vor Einbringung der Klage 2 Cg 432/74 des Kreisgerichtes Wr. Neustadt leistete der Beklagte zuletzt am 5. Oktober 1970 und am 31. Dezember 1970 Zahlungen von jeweils S 1.250,‑‑. Die Zahlung vom 5. Oktober 1970 erfolgte für das vierte Quartal des Jahres 1970, jene vom 31. Dezember 1970 für das erste Quartal des Jahres 1971. Ab diesem Zeitpunkt leistete der Beklagte bis zum 4. September 1974 keine Zahlungen mehr. Er nahm vielmehr nach dem Vertrag mit O* vom 27 Mai 1971 den Standpunkt ein, es sei O* in das Bestandverhältnis eingetreten, er sei daher von der Verpflichtung zur Zahlung befreit. Diesen Standpunkt vertrat der Beklagte auch noch im Schreiben vom 4. Jänner 1972 an den Kläger, obwohl dieser bereits am 5. August 1971 die Zahlung des Zinses für das zweite Quartal 1971, die aushaftenden Betriebskosten und 10 % des vom Beklagten aus der Untervermietung an O* erzielten Entgeltes beim Beklagten einmahnte. Der Kläger übermittelte die Zinsvorschreibungen auch nach Abschluß des Vertrages zwischen dem Beklagten und O* weiterhin dem Beklagten, doch verweigerte letzterer die Annahme sämtlicher an ihn gerichteten, die Zinsvorschreibungen enthaltenden Schreiben.

Der Erstrichter stellte noch fest, daß im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Betrag von S 1.117 (Hauptmietzins für das vierte Quartal 1974) und das vom Beklagten vereinbarungsgemäß zu leistende Entgelt von 10 % des vom Beklagten durch Untervermietung erzielten Erlöses von S 1.146,98, insgesamt sohin S 2.263,98 unberichtigt aushafteten.

Diesen Sachverhalt beurteilte der Erstrichter dahin, daß – auch wenn man davon absehe, daß im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung noch ein Betrag von S 2.263,98 unberichtigt aushaftete, – ein grobes Verschulden des Beklagten am Entstehen der Zahlungsrückstände deshalb gegeben sei, weil er vorerst einen Rückstand von drei Jahren habe entstehen lassen und nach Beseitigung der unklaren Rechtslage nicht bezahlt habe. Hiezu komme, daß der Beklagte während des Zeitraumes von drei Jahren nicht versucht habe, die geschuldeten Beträge bei Gericht zu hinterlegen und daß er, nachdem das Verfahren C 276/73 des Bezirksgerichtes Baden am 9. Mai 1974 rechtskräftig beendet war, erst auf Grund einer Klage und nach Ablauf eines Zeitraumes von fast vier Monaten die geschuldeten Beträge geleistet habe. Auch in jedem Stadium des gegenständlichen Verfahrens und bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung habe ein Bestandzinsrückstand vorgelegen. Verweigere der Mieter die Zahlung nicht aus Not, sondern aus Rechthaberei, so sei die Annahme gerechtfertigt, daß ihn am Zahlungsrückstand ein grobes Verschulden treffe. Das Klagebegehren bestehe somit – auch wenn man vom Vorliegen des Zahlungsrückstandes im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung absehen wollte, oder davon ausginge, daß dieser Rückstand vor Schluß der mündlichen Verhandlung bezahlt worden wäre – zu Recht, so daß. es dem Beklagten auch durch Zahlung des vor Schluß der mündlichen Verhandlung festgestellten Rückstandes nicht möglich gewesen wäre, einen Klagserfolg abzuwenden.

Das Berufungsgericht hob über Rekurs des Beklagten den Beschluß über den Bestandzinsrückstand ersatzlos auf, gab aber der Berufung gegen das Urteil des Erstgerichts nicht Folge und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 50.000,‑‑ übersteigt.

Es verwies darauf, daß der Beklagte den zur Begründung der Räumungsklage (Klagseinbringung 22. Juli 1974) geltend gemachten Zinsrückstand für die Zeit vom 1. April 1971 bis 31. März 1974 per S 17.230,22 mit dem Teilbetrag von S 11.731,50 als richtig zugegeben habe. Nach § 1118 ABGB könne der Bestandgeber die frühere Aufhebung des Vertrages unter anderem fordern, wenn im Zeitpunkt der Fälligkeit einer weiteren Zinsrate trotz Mahnung noch ein Zinsrückstand für die frühere Zinsperiode bestehe. Der Beklagte sei schon mit Schreiben vom 5. August 1971 erstmals gemahnt worden; im übrigen bedürfe es keiner Mahnung, wenn sich der Mieter – wie hier nach seinem Vertrag mit O* – ausdrücklich weigere, den vereinbarten Zins zu bezahlen. Das Gericht zweiter Instanz billigte auch die vom Erstrichter für die Annahme eines groben Verschuldens an der Nichtzahlung des Mietzinses ins Treffen geführten Gründe. Im übrigen rechtfertige schon die weitere Säumnis des Beklagten nach rechtskräftiger Beendigung des Prozesses C 276/73 des Bezirksgerichtes Baden (9. Mai 1974 bis 20. August 1974) die Annahme eines groben Verschuldens, zumal der Beklagte für dieses weitere Hinhalten des Klägers keinen Grund angegeben habe. Da sich somit ein qualifizierter Mietzinsrückstand i.S. des § 1118 ABGB herausgestellt habe, dessen Zustandekommen auf ein grobes Verschulden des Beklagten zurückzuführen sei, auch habe dieser durch Zahlung im Laufe des Prozesses das Räumungsbegehren nicht gemäß § 21 Abs. 2 und 3 MietG abwenden können. Die Klagsstattgebung sei schon aus diesem Grunde berechtigt. Die Frage nach weiteren Mietzinsrückständen aus dem Titel des dem Kläger angeblich gebührenden zusätzlichen Entgelts in der Höhe von 10 % des Erlöses des Beklagten aus der Untervermietung und auch solche, die erst im Laufe des Rechtsstreites fällig geworden seien, sei daher unerheblich. Damit falle aber auch die Voraussetzung für eine Beschlußfassung gemäß § 21 Abs. 2 MietG über die Höhe des strittigen Rückstandes weg. Ein solcher Beschluß sei nur zu fassen, wenn den Mieter an einem unbestrittenen Zahlungsrückstand kein grobes Verschulden treffe. Aus diesem Grund sei dieser Beschluß ersatzlos aufzuheben gewesen.

Während sich der Kläger mit seinem Revisionsrekurs gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes, mit der der Beschluß über den Bestandzinsrückstand ersatzlos aufgehoben wurde, wendet, bekämpft der Beklagte mit seinem Rechtsmittel das bestätigende Urteil des Berufungsgerichtes aus den Revisionsgründen nach § 503 Z 2 und 4 ZPO mit dem Antrag, das Berufungsurteil im Sinne einer Klagsabweisung abzuändern oder es aufzuheben und die Rechtssache an eine der Vorinstanzen zurückzuverweisen.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof zieht aus Zweckmäßigkeitsgründen zunächst die Revision des Beklagten in Behandlung:

1. Zur Revision des Beklagten:

Mit dem Vorbringen, daß die Vereinbarung der Parteien, wonach der Beklagte dem Kläger jeweils 10 % des bei einer Abgabe des Bestandobjektes an eine dritte Person erzielten Erlöses abzuführen habe, des Charakters einer Mietzinsvereinbarung entbehre und der festgestellte Mietzinsrückstand für das vierte Quartal 1974 in der Höhe von S 1.117,‑‑ keine vorzeitige Aufhebung des Mietvertrages nach § 1118 ABGB rechtfertige, zeigt der Revisionswerber keine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens im Sinne des angerufenen Revisionsgrundes nach § 503 Z 2 ZPO auf, er unternimmt damit ebenso wie mit seinen Ausführungen zum Revisionsgrund nach § 503 Z 4 ZPO den Versuch, die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes zu bekämpfen.

Gemäß § 1118, zweiter Fall, ABGB kann der Bestandgeber die frühere Aufhebung des Vertrages fordern, wenn der Bestandnehmer der Sache nach geschehener Einmahnung mit der Bezahlung des Zinses dergestalt säumig ist, daß er mit Ablauf des Termines den rückständigen Bestandzins nicht vollständig entrichtet hat. Diese Bestimmung wird in Lehre und Rechtsprechung (vgl. Klang in Klang 2 und die dort enthaltenen Literaturhinweise, 1 Ob 299/68 u.a.) dahin verstanden, daß der bezeichnete Aufhebungsgrund dann vorliegt, wenn der Bestandnehmer bis zum nächsten Zinstermin im Rückstand bleibt, so daß eine neuerliche Zinszahlung fällig geworden ist noch ehe die vorhergehende vollständig erfolgt war (MietSlg. 17.208 u.a.).

Nach den Urteilsannahmen war der Beklagte ungeachtet wiederholter Mahnungen mit den Zinszahlungen für die Zeit vom 1. April 1971 bis 31. März 1974 auch noch nach Einbringung der gegenständlichen Räumungsklage im Rückstand.

Die Zahlung des qualifizierten Mietzinsrückstandes vor Schluß der Verhandlung erster Instanz allein führt noch nicht zur Abweisung eines auf § 1118, zweiter Fall, ABGB gegründeten Räumungsbegehrens. Der belangte Mieter muß außerdem behaupten und beweisen, daß ihn an dem Zahlungsrückstand kein grobes Verschulden trifft. Nach ständiger Rechtsprechung ist ein die Rechtswohltat des § 21 Abs. 2 und 3 MietG ausschließendes grobes Verschulden des Mieters dann anzunehmen, wenn dieser aus Rechthaberei beharrlich die Bezahlung des Mietzinses oder eines Teiles davon verweigert (Zingher 15, 101, MietSlg. 13.516, 15.477, 16.517, 19.394, 20.527, 22.457 u.a.).

Selbst wenn dem Beklagten zugestanden wird, daß er sich während der gesamten Dauer des Rechtsstreites zu C 276/73 des Bezirksgerichtes Baden in einem Irrtum über seine Eigenschaft als Mieter der streitgegenständlichen Räume und damit über seine Verpflichtung zur Zinszahlung befunden hat, so mußte dieser Irrtum spätestens am 9. Mai 1974, dem Tage des Eintrittes der Rechtskraft der in dem bezeichneten Verfahren ergangenen Entscheidung aufgeklärt gewesen sein. Wenn aber der Beklagte ungeachtet des Umstandes, daß der Bestandzins für einen Zeitraum von über drei Jahren (1. April 1971 bis 31. März 1974) unberichtigt aushaftete, auch nach der urteilsmäßig erfolgten Klarstellung seiner Mietereigenschaft ohne plausible Erklärung weiterhin nahezu vier Monate säumig blieb und erst nach Einbringung der gegenständlichen Räumungsklage Zahlungen leistete, dann nötigt dies geradezu zu dem Schluß, daß es kein fehlerhaftes Vorstellungsbild, sondern Rechthaberei gewesen sein muß, die den aufgelaufenen Mietzinsrückstand entstehen ließ.

So gesehen ist in der Auffassung des Berufungsgerichtes, daß den Beklagten an dem festgestellten qualifizierten Mietzinsrückstand ein grobes Verschulden trifft und daß ihm deshalb die Rechtswohltat des § 21 Abs. 2 und 3 MietG nicht zugestanden werden könne, eine Fehlbeurteilung nicht zu erblicken.

Die Revision des Beklagten muß deshalb erfolglos bleiben.

Der Ausspruch über die Revisionskosten beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

 

II. Zum Revisionsrekurs des Klägers:

Die Frage der Zulässigkeit des Rechtsmittels ist zu bejahen, da in der ersatzlosen Aufhebung eines erstgerichtlichen, im Sinne des § 21 Abs. 2 MietG gefaßten Beschlusses durch das Rekursgericht die Ablehnung dieser Entscheidung und damit eine Abänderung derselben zu erblicken ist. Der Umstand, daß sich der Wortlaut des Spruches nicht von einer Aufhebung im technischen Sinn unterscheidet, ändert nichts daran, daß ein solcher Beschluß nicht der Anfechtungsbeschränkung des § 527 Abs. 2 ZPO unterliegt; er ist daher auch ohne Rechtskraftvorbehalt anfechtbar (MietSlg. 21.824). Der Revisionsrekurs ist jedoch nicht gerechtfertigt.

Zweck einer Beschlußfassung im Sinne des § 21 Abs. 2 MietG ist es, klarzustellen, welchen Betrag der Mieter dem Vermieter schuldet, damit der Mieter noch vor Schluß des Verfahrens erster Instanz die Möglichkeit erhält, durch Zahlung des rückständigen Mietzinses die auf § 19 Abs. 2 Z 1 MietG gestützte Kündigung oder die Stattgebung des auf den zweiten Fall des § 1118 ABGB gegründeten Räumungsbegehrens abzuwenden, vorausgesetzt, daß ihn an der bisherigen Nichtzahlung des Zinses kein grobes Verschulden trifft (MietSlg 9.777, 20.521, 22.452 u.a.).

Da im gegenständlichen Fall den Beklagten (Mieter) wie den vorstehenden Rechtsausführungen zu entnehmen ist, an dem die Zeitspanne vom 1. April 1971 bis 31. März 1974 umfassenden Zinsrückstand ein grobes Verschulden trifft, war – wie das Gericht zweiter Instanz zutreffend erkannte – für eine Beschlußfassung im Sinne des vorletzten Satzes des § 21 Abs. 2 MietG kein Raum.

Der Revisionsrekurs erweist sich daher gleichfalls als nicht zielführend.

Der Ausspruch über die Kosten des Rechtsmittels des Klägers beruht auf den §§ 40, 50 ZPO.

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