OGH 3Ob155/75

OGH3Ob155/758.7.1975

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Winkelmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Neperscheni, Kinzel, Dr. Reithofer und Dr. Stix als Richter in der Exekutionssache der betreibenden Parteien 1.) B*, 2.) Dr. C*, Landwirt *, vertreten durch zu 1.) Dr. Werner Winkler, Rechtsanwalt in Salzburg, zu 2.) Dr. Othmar Wolff, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die verpflichtete Partei W*, Kaufmann, *, vertreten durch Dr. Hartmut Ramsauer, Rechtsanwalt in Salzburg, Kaigasse 34, als mit Beschluß des Landesgerichtes Salzburg vom 28. Mai 1975, S 24/75, bestellter Stellvertreter des Masseverwalters DDr. B*, wegen S 7,520.000,-- und anderer Forderungen infolge Rekurses der verpflichteten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg als Rekursgerichtes vom 2. Mai 1975, GZ. 32 R 159/74-39, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Salzburg vom 15. Februar 1975, 7 E 1/74-29, teilweise bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1975:0030OB00155.75.0708.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Rekurs bzw. Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird zur Gänze aufgehoben und dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung aufgetragen.

Der Antrag der verpflichteten Partei auf Zuspruch der Rechtsmittelkosten wird abgewiesen.

 

Begründung:

Über das Vermögen des Verpflichteten W* wurde mit Beschluß des Landesgerichtes Salzburg vom 24. Juli 1974, S 24/74, der Konkurs eröffnet. Mit dem Beschluß vom 25. Juli 1974, S 24/74-9, bewilligte der Konkurskommissär dem zum Masseverwalter bestellten Rechtsanwalt DDr. B* die Zwangsversteigerung der dem Gemeinschuldner gehörigen Liegenschaft EZ. * Kat.Gem. * durch Beitritt zu dem schon vor der Konkurseröffnung zugunsten einer vollstreckbaren Forderung der betreibenden Gläubigerin B* zu 7 E 1/74 des Bezirksgerichtes Salzburg eingeleiteten Zwangsversteigerungsverfahren dieser Liegenschaft. Gegen den vom Erstgericht bestimmten Schätzwert erhob der Gemeinschuldner Einwendungen, in denen er auch die Berücksichtigung der behaupteten Mietrechte der Familie T* an der zu versteigernden Liegenschaft begehrte. Das Erstgericht wies mit dem Beschluß ON 29 diese Einwendungen ab und bestimmte den Schätzwert endgültig mit S 11,091.900,--, den des Zubehörs mit S 78.400,--. Es war der Ansicht, daß M* T* und deren Angehörigen nur ein nichtverbüchertes (unentgeltliches) „Wohnungs- und Benützungsrecht“ an Teilen der in Exekution gezogenen Liegenschaft zustehe, auf das bei der Feststellung des Schätzwertes nicht Bedacht zu nehmen sei. Der Gemeinschuldner bekämpfte diesen Beschluß insoweit mit Rekurs, als „der Schätzwert unter S 15,852.200,-- festgesetzt wurde und die Mietrechte der Familie T* unberücksichtigt blieben“. Er beantragte primär die Aufhebung des erstinstanzlichen Beschlusses zur Verfahrensergänzung und stellte außerdem den Eventualantrag, den Schätzwert mit dem vorgenannten Betrag unter gleichzeitiger Berücksichtigung der Mietrechte der Familie T* festzustellen.

Das Rekursgericht wies den Rekurs des Gemeinschuldners, soweit er die mangelnde Berücksichtigung der Mietrechte der Familie T* bekämpft, als unzulässig zurück (Punkt I); im übrigen gab es dem Rekurs nicht Folge (Punkt II). Die zweite Instanz bejahte die Rekurslegitimation des Gemeinschuldners, meinte aber, daß dieser durch die Nichtberücksichtigung der erwähnten Mietrechte bei der Feststellung des Schätzwertes nicht beschwert und sein Rekurs daher insoweit unzulässig sei. Der Verpflichtete könne kein rechtliches Interesse daran haben, durch die Berücksichtigung der behaupteten Mietrechte eine Herabsetzung des Schätzwertes zu erreichen. Das mangelnde Rechtsschutzbedürfnis ergebe sich schon daraus, daß die begehrte Bedachtnahme auf diese Mietrechte dem Rekursantrag auf Erhöhung des Schätzwertes widerspreche. Ein solches Interesse könne auch nicht „aus anderen Gründen“ abgeleitet werden, da im Exekutionsverfahren der Schätzwert zu ermitteln und nicht über den Bestand oder Nichtbestand der angeblichen Mietrechte abzusprechen sei.

Gegen diese Entscheidung erhebt – nach Einstellung der dem Masseverwalter bewilligten Zwangsversteigerung der für den Masseverwalter gemäß § 85 KO bestellte Stellvertreter als gesetzlicher Vertreter des Gemeinschuldners Revisionsrekurs mit dem Antrag, 1.) den angefochtenen Beschluß aufzuheben und dem Rekursgericht die Aufhebung des erstinstanzlichen Beschlusses aufzutragen oder die Sache an das Erstgericht zurückzuverweisen und 2.) den Zurückweisungsbeschluß aufzuheben und dem Rekursgericht die Sachentscheidung über die Belastungen der Liegenschaft aufzutragen.

Rechtliche Beurteilung

Das Rechtsmittel ist, soweit es sich gegen den Zurückweisungsbeschluß der zweiten Instanz richtet, ein Rekurs und im übrigen ein Revisionsrekurs. Es ist zulässig und berechtigt.

Im Zeitpunkt der Erhebung des Rechtsmittels gegen den Beschluß des Rekursgerichtes war die dem Masseverwalter gemäß § 119 KO bewilligte Zwangsversteigerung der Liegenschaft des Gemeinschuldners durch Beitritt zu einem anhängigen Versteigerungsverfahren bereits eingestellt. Es handelt sich also nunmehr um eine reine Exekutionssache, in welcher der Masseverwalter der gesetzliche Vertreter des Gemeinschuldners ist (Heller‑Berger‑Stix, Komm, zur EO4 S 143; SZ 27/15 u.a.). Zur Anfechtung der Entscheidung der zweiten Instanz ist daher der Masseverwalter bzw. dessen Stellvertreter legitimiert.

Die formelle Rechtskraft des Beschlusses vom 20. Mai 1975, ON. 42, mit dem die von der betreibende Partei vorgelegten Versteigerungsbedingungen genehmigt wurden, hindert nicht die sachliche Entscheidung über das vorliegende Rechtsmittel, obwohl auch im Beschluß ON. 42 der Schätzwert der zu versteigernden Liegenschaft mit dem in der Entscheidung über die Einwendungen gegen den Schätzwert endgültig bestimmten Betrag angegeben wurde. Nach § 51 Abs. 2 RealSchO ist über den Betrag des Schätzwertes auf Grund der gegen diesen erhobenen Einwendungen endgültig Beschluß zu fassen. Der endgültig bestimmte Schätzwert ist den Beteiligten mit der Verständigung über die Versteigerungsbedingungen im Versteigerungsedikt (§ 171 Abs. 5 EO) bekannt zu geben. Die Genehmigung der Versteigerungsbedingungen ist also nicht von der Rechtskraft des Beschlusses abhängig, mit dem über die Einwendungen gegen den Schätzwert entschieden wird. Daraus folgt, daß der Bekanntgabe des Schätzwertes in den Versteigerungsbedingungen für sich allein keine materielle Rechtskraftwirkung zukommt, da hier insoweit eine gesonderte Beschlußfassung erfolgt (vgl. Slg 3736). Es sind daher trotz der inzwischen rechtskräftig gewordenen Genehmigung der Versteigerungsbedingungen im Falle einer Änderung des Schätzwertes durch das Rekursgericht auch die Versteigerungsbedingungen insoweit endgültig im Versteigerungsedikt abzuändern (vgl. Heller‑Berger‑Stix S 1158 f.).

Die Zurückweisung eines Rekurses aus formellen Gründen ohne Überprüfung der Sachentscheidung durch die zweite Instanz ist nicht als Bestätigung des Beschlusses anzusehen. Der Rekurs gegen den Zurückweisungsbeschluß ist daher zulässig (SZ 13/278, SZ 18/54, SZ 40/1 u.a.). Wenn das Rekursgericht, wie hier, den Rekurs des Verpflichteten teilweise aus formellen Gründen zurückweist und ihm ansonsten nicht Folge gibt, so liegt keine bestätigende Entscheidung im Sinne des § 528 Abs. 1 Z. 1 ZPO vor. Nach den auch im Rekursverfahren anzuwendenden Grundsätzen des Jud. 56 neu sind nur vollbestätigende Entscheidungen über einen Gegenstand unanfechtbar (SZ 25/224, SZ 59/90 u.a.). Das Jud. 56 neu ist im Rekursverfahren nur dann unanwendbar, wenn ein Beschluß zwei voneinander getrennte Gegenstände erledigt, die innerlich nicht zusammengehören (ÖBl 1966, 86). Dies ist hier nicht der Fall, da es über die Feststellung des Schätzwertes nur eine einheitliche Entscheidung geben kann. Die Rechtsmittelbeschränkung des § 528 Abs. 1 Z. 1 ZPO ist daher nicht gegeben.

Die vom Rekursgericht eingehend erörterte Frage, ob der Gemeinschuldner zur selbständigen Anfechtung der vom Erstgericht über die Einwendungen gegen den Schätzwert getroffenen Entscheidungen berechtigt war, obwohl im Zeitpunkt der Rekurserhebung der Masseverwalter gemäß § 119 KO der Zwangsversteigerung beigetreten war, kann auf sich beruhen, da der nunmehr jedenfalls zur Anfechtung legitimierte Stellvertreter des Masseverwalters in seinem Rechtsmittel jene Einwendungen gegen die Schätzwertbestimmung geltend macht, mit denen der Gemeinschuldner den vom Erstgericht festgesetzten Schätzwert bekämpfte.

Der Rekurs wendet sich mit Recht gegen die Ansicht des Rekursgerichtes, daß der Verpflichtete durch die Nichtberücksichtigung der behaupteten Mietrechte der inzwischen verstorbenen M* T* und ihrer Angehörigen nicht beschwert sein könne. Es ist vor allem unrichtig, daß die geforderte Berücksichtigung dieser Mietrechte dem Rekursbegehren nach Erhöhung des Schätzwertes widerspreche. Der Rekursantrag des Gemeinschuldners konnte im Zusammenhang mit den Rekursausführungen nur dahin verstanden werden, daß als Schätzwert der Differenzbetrag zwischen dem im Rekursbegehren angeführten Betrag und dem Wert der Belastung durch die behaupteten Mietrechte bestimmt werden solle. Es wäre also an sich denkbar, daß auch bei Berücksichtigung einer solchen Belastung der Schätzwert schließlich mit einem höheren als dem von den Untergerichten angenommenen Betrag bestimmt werden könnte. Es kann aber auch der Ansicht des Rekursgerichtes nicht gefolgt werden, daß der Verpflichtete kein rechtliches Interesse an der Herabsetzung des Schätzwertes haben könne. Den Parteien des Exekutionsverfahrens, also auch dem Verpflichteten, ist ein schutzwürdiges Interesse daran zuzubilligen, daß der Schätzwert sowohl in formeller als auch in materieller Beziehung dem Gesetz entsprechend festgestellt und dabei alle hiefür ausschlaggebenden Komponenten berücksichtigt werden.

Dem Rekurs war daher Folge zu geben und dem Rekursgericht die Sachentscheidung darüber aufzutragen, ob und mit welchem Betrag die behaupteten Mietrechte bei der Schätzwertbestimmung zu berücksichtigen sind. Da der Betrag des Schätzwertes vom Ergebnis dieser Sachbeurteilung abhängt, mußte auch dem Revisionsrekurs Folge gegeben und der angefochtene Beschluß in seinem bestätigenden Teile aufgehoben werden.

Rechtsmittelkosten waren dem Stellvertreter des Masseverwalters als Vertreter des Verpflichteten nicht zuzusprechen, da dieser mangels eines streitähnlichen Verhältnisses gegen die betreibenden Gläubiger keinen Kostenersatzanspruch hat.

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