OGH 2Ob115/75

OGH2Ob115/7519.6.1975

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wittmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Piegler, Dr. Fedra, Dr. Thoma und Dr. Scheiderbauer als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*, Schlosser, *, vertreten durch Dr. Robert Kronegger, Rechtsanwalt, Graz, wider die beklagten Parteien 1.) H*, Transportunternehmer, *, 2.) * Versicherung*, beide vertreten durch Dr. Christoph Klauser, Rechtsanwalt in Graz, wegen restlicher S 108.035,– samt Anhang und Feststellung, infolge Rekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 28. Februar 1975, GZ. 1 R 20/75‑33, womit die Berufung der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 6. Dezember 1974, GZ. 12 Cg 164/73‑30, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1975:0020OB00115.75.0619.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben, und es wird dem Oberlandesgericht Graz die Entscheidung über die Berufung der beklagten Parteien unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

 

Begründung:

Der Kläger wurde am 14. Juni 1971 bei einem vom Erstbeklagten verschuldeten Verkehrsunfall verletzt, wobei er auch Sachschaden erlitt. Unter Anrechnung einer erhaltenen Teilzahlung von 20.000,– S verlangt er Zahlung von weiteren S 112.068,– samt Anhang sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für künftige Schäden, hinsichtlich der Zweitbeklagten mit der sich aus § 63 KFG 1967 ergebenden Beschränkung.

Die Beklagten beantragten Abweisung des Klagebegehrens. Sie stellten lediglich den eingetretenen Sachschaden von S 1.968,– der Höhe nach außer Streit und wendeten unter anderem ein Mitverschulden des Klägers im Ausmaß von einem Drittel ein.

Das Erstgericht hielt den Mitverschuldenseinwand für nicht berechtigt und verurteilte die Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung von 108.035,– S samt Anhang (S 118.000,– Schmerzengeld, S 1.968,– Sachschaden, S 8.067,– für Hilfskräfte abzüglich S 20.000,–). Das Mehrbegehren auf Zahlung von weiteren S 4.033,— samt Anhang wies es ab. Es stellte ferner fest, daß die Beklagten dem Kläger für alle künftigen Schäden aus dem Unfall zu haften haben, hinsichtlich der Zweitbeklagten mit der oben erwähnten Beschränkung.

Die Abweisung des Mehrbegehrens blieb unangefochten.

Die gegen den stattgebenden Teil erhobene Berufung der Beklagten wies das Berufungsgericht gemäß §§ 471 Z 3, 474 Abs 2 ZPO. mit der Begründung zurück, daß sie unschlüssig sei und daß dem Berufungsantrag die Bestimmtheit fehle, sodaß die Berufung den Voraussetzungen des § 467 Z 3 ZPO. nicht entspreche.

Dagegen richtet sich der Rekurs der Beklagten mit dem Antrag, den Beschluß des Berufungsgerichtes aufzuheben und dem Berufungsgericht die Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung und die Entscheidung in der Sache aufzutragen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist gerechtfertigt.

Das Berufungsgericht hielt die Berufung für unschlüssig und den Berufungsantrag für unbestimmt, weil sich die Beklagten nach dem Inhalt der Berufungsausführungen durch den stattgebenden Teil des Ersturteiles in Wahrheit nur zum Teil beschwert ansehen, im Gegensatz dazu aber den stattgebenden Teil zur Gänze anfechten und Abänderung im Sinne einer gänzlichen Abweisung des Klagebegehrens beantragen. Das Rechtsmittelgericht könne bei dieser Sachlage nicht wissen, wie weit sich die Beklagten durch den Spruch der Vorinstanzen wirklich beschwert erachten. Die Beklagten hätten zwar die von ihnen angestrebte Mitverschuldensquote angegeben, aber nicht näher ausgeführt, welchen Betrag an Schmerzengeld und Kosten für Hilfskräfte sie zugestehen wollen.

Demgegenüber machen die Beklagten geltend, ihrer Berufung sei ohne weiteres zu entnehmen gewesen, daß sie einen restlichen Schmerzengeldbetrag von 58.600,– S als angemessen anerkennen und die Feststellung über die Kosten der beim Hausbau verwendeten Hilfskräfte nicht mehr bekämpfen. Die im § 467 ZPO. vorgeschriebenen Erklärungen seien in der Berufungsschrift enthalten. Schließlich sei in dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer teilweisen Abänderung auch der auf Abänderung im Sinne einer teilweisen Abänderung enthalten.

Diesen Ausführungen kann Berechtigung nicht abgesprochen werden.

Nach § 474 Abs 2 ZPO. ist in den Fällen des § 471 Z 2 und 3 ZPO. die Berufung zu verwerfen (zurückzuweisen). Die hier in Betracht kommende Norm der Z 3 des genannten Paragraphen behandelt die Fälle, daß in der Berufungsschrift das Urteil nicht angegeben ist, wider welches Berufung erhoben worden ist, daß die Berufungsschrift keinen oder keinen bestimmten Berufungsantrag enthält oder daß die Berufungsgründe weder ausdrücklich noch durch deutliche Hinweisung einzeln angeführt sind. Hier kommt nur der Fall des fehlenden oder unbestimmten Berufungsantrages in Betracht. Dieser liegt aber nicht vor, weil der Berufungsantrag, der auch mit der Anfechtungserklärung übereinstimmt, eindeutig auf Abänderung im Sinne einer gänzlichen Klagsabweisung, allenfalls auf Aufhebung des Ersturteiles im Umfange der Anfechtung und Zurückverweisung der Sache an das Erstgericht zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung, lautet. Es liegt auch keine Unschlüssigkeit der Berufung etwa in dem Sinne vor, daß der gewählte Rechtsmittelantrag durch den geltend gemachten Rechtsmittelgrund nicht gedeckt wäre (Fasching IV Seite 81 und 93). Es handelt sich im vorliegenden Fall lediglich darum, daß der Inhalt der Berufungsausführungen den Rechtsmittelantrag sachlich nicht zur Gänze begründet. Insoweit liegt jedoch kein Formalverstoß im Sinne des § 471 Z 3 ZPO. vor, sondern es wäre die Berufung in diesem Umfange meritorisch abzuweisen (vgl. dazu 1 Ob 115/65).

Demzufolge war dem Rekurse Folge zu geben und wie im Spruche zu erkennen.

Eine Kostenentscheidung entfällt, weil Rekurskosten nicht verzeichnet wurden.

 

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