OGH 3Ob116/75

OGH3Ob116/7510.6.1975

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Winkelmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Kinzel, Dr. Reithofer, Dr. Stix und Dr. Schubert als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** Versicherungsgesellschaft, *****, vertreten durch DDr. Horst Spuller, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagten Parteien 1.) Hans L*****, 2.) Gerhard L*****, beide vertreten durch Dr. Johann Tischler, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen 100.000 S sA, infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 4. März 1975, GZ 5 R 34/75‑38, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 30. Juni 1974, GZ 23 Cg 149/73‑28, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1975:0030OB00116.750.0610.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagten sind zur ungeteilten Hand schuldig, der Klägerin die mit 3.486,84 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 600 S Barauslagen und 213,84 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Unbestritten ist folgender Sachverhalt:

Am 12. 1. 1971 explodierte gegen 12 Uhr in den Geschäftsräumlichkeiten des Kaufmanns Josef W***** in W***** eine Propangasflasche, die von der Firma ***** L***** OHG, deren Gesellschafter die beiden Beklagten damals waren, geliefert worden war. Infolge des durch die Explosion ausgelösten Brandes entstand in den Geschäftsräumlichkeiten des Josef W***** beträchtlicher Sachschaden, den die Klägerin als Feuerversicherer ersetzte.

Gestützt auf diesen Sachverhalt und die Behauptung, die Beklagten bzw deren Erfüllungsgehilfen hätten das Schadensereignis schuldhaft verursacht, weil die Propangasflasche entgegen den anerkannten Regeln der Technik sowie entgegen den bestehenden Vorschriften ohne Ventilschutzmutter und ohne Ventilschutzkappe geliefert und dadurch das Ausströmen von Gas sowie die anschließende Explosion möglich geworden sei, begehrte die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung des der Höhe nach unbestrittenen Betrags von 100.000 S sA.

Die Beklagten beantragten Klagsabweisung, weil das zugegebene Fehlen der Ventilschutzkappe und Ventilschutzmutter bei Lieferung der Propangasflasche für das Ausströmen des Gases und die nachfolgende Explosion nicht kausal gewesen sei, vielmehr müsse nach erfolgter Lieferung von den in den Geschäftsräumen des Josef W***** anwesenden Personen an der Gasflasche manipuliert worden sein.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im Wesentlichen statt (eine geringfügige Zinsenteilabweisung blieb unbekämpft).

Nach den wesentlichen Feststellungen des Erstgerichts brachte der damalige Lehrling der Firma W*****, Gerlinde G*****, am Vormittag des 12. 1. 1971 eine leere, 11 kg fassende Propangasflasche in das gegenüberliegende Geschäft der Firma L***** OHG, um sie gegen eine volle Flasche umzutauschen. An dieser leeren Flasche fehlten die Ventilschutzkappe und die Ventilverschlussmutter.

Der bei der Firma L***** OHG beschäftigte Josef H***** holte daraufhin aus dem Verschlag, in welchem die Firma L***** ihre vollen Propangasflaschen aufbewahrte, eine Gasflasche, an welcher bereits die Ventilverschlussmutter fehlte. Er schraubte entsprechend einer vom zuständigen Abteilungsleiter der Firma, Friedrich F*****, erteilten Anweisung auch die Ventilschutzkappe ab (diese Anweisung, unkomplette Leerflaschen durch Abschrauben der Ventilschutzvorrichtungen bei den vollen Flaschen zu vervollständigen, war deshalb ergangen, weil die Lieferfirma bei Rücknahme nicht kompletter Leerbehälter Schwierigkeiten gemacht hatte).

Anschließend trug Josef H***** die ca 20 kg schwere volle Propangasflasche an den Seitengriffen in das Geschäft W***** und stellte sie im sogenannten Nähzimmer unter ein dort befindliches Bügelbrett, weil ihm dieser ca 1,5 m von dem im Raum befindlichen Gasofen mit angeschlossener Gasflasche entfernte Platz bei früheren Zustellungen von Bediensteten des Josef W***** als Abstellplatz gezeigt worden war. Beim Abstellen der vollen Flasche unter das Bügelbrett öffnete Josef H***** unbewusst und ohne es zu merken das Ventilrad der Gasflasche, welches leichter beweglich war als beim Durchschnitt derartiger Flaschen um etwa eine Vierteldrehung (die leichtere Beweglichkeit und die Ventilradstellung war unmittelbar nach dem Brand bei Untersuchung der Flasche festgestellt worden).

Josef H***** entfernte sich nach dem Abstellen der Flasche. Kurz darnach hörten zwei Angestellte des Josef W***** ein Zischen, sahen aus der Flasche einen „grauen Nebel“ ausströmen und verließen kurz vor der Explosion fluchtartig das Zimmer. Die Bediensteten des Josef W***** haben die von H***** gelieferte Gasflasche weder berührt noch an ihr manipuliert.

Bei diesem Sachverhalt führte das Erstgericht im Wesentlichen aus, die Beklagten und ihre Erfüllungsgehilfen hätten gegen § 34 Abs 1 der Dampfkesselverordnung, BGBl 1948/83, in der am 12. 1. 1971 geltenden Fassung verstoßen, nach welcher Versandbehälter für Gase mit einer eisernen Schutzkappe für das Ventil zu versehen sind. Der Zweck dieser als Schutznorm im Sinne des § 1311 ABGB anzusehenden Vorschrift bestehe sowohl in der Verhinderung mechanischer Beschädigungen des Ventils, als auch in der Verhinderung einer unbeabsichtigten Ventilöffnung. Da zwischen der Firma L***** OHG und Josef W***** hinsichtlich der von Josef H***** überbrachten Propangasflasche ein Kaufvertrag abgeschlossen worden sei, hafte die Firma L***** OHG für das bereits in der Übertretung der Schutznorm gelegene Verschulden des Josef H***** gemäß § 1313a ABGB wie für ihr eigenes. Die Beklagten seien als Gesellschafter der OHG zufolge § 128 HGB verpflichtet, den gemäß § 67 VersVG von Josef W***** auf die Klägerin übergegangenen Schadenersatzanspruch zu berichtigen. Schließlich liege ein allfälliges Mitverschulden des Josef W***** nicht vor, da eine Vorschrift, volle Propangasflaschen in einem anderen Raum als den jeweils in Gebrauch stehenden Behälter aufzubewahren, am 12. 1. 1971 nicht existiert habe, jedenfalls aber Derartiges dem Josef W***** oder dessen Bediensteten von der Firma L***** OHG nicht zur Kenntnis gebracht worden sei (ein zum Mitverschuldenseinwand in der letzten Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung gestellter Beweisantrag wurde vom Erstgericht gemäß § 179 Abs 1 ZPO zurückgewiesen).

Mit dem angefochtenen Urteil bestätigte das Berufungsgericht die Entscheidung des Erstgerichts. Es sah die von den Beklagten insbesondere wegen Zurückweisung ihres Beweisantrags gemäß § 179 2. Satz ZPO, wegen Unterlassung der Beiziehung eines weiteren Sachverständigen und wegen Unterlassung einer „Tragprobe“ behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens nicht als gegeben an, übernahm die tatsächlichen Feststellungen des Erstgerichts als unbedenklich und trat auch dessen rechtlicher Beurteilung bei.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Beklagten aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens (§ 503 Z 2 ZPO) und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das Klagebegehren in Abänderung des angefochtenen Urteils abzuweisen. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht gerechtfertigt.

Mit dem Revisionsgrund des § 503 Z 2 ZPO wiederholen die Revisionswerber ihre Ausführungen gegen das Urteil erster Instanz, dass ein weiterer Sachverständiger beizuziehen gewesen wäre, ferner dass ihre Anträge auf Vornahme einer Tragprobe bzw Vernehmung der Zeugin NN nicht als unerheblich bzw gemäß § 179 ZPO hätten zurückgewiesen werden dürfen. Da das Berufungsgericht sich mit diesen bereits im Berufungsverfahren behaupteten Verfahrensmängeln auseinandersetzte und ihr Vorliegen verneinte, können alle diese Umstände im Revisionsverfahren nicht nochmals aufgerollt werden (ebenso SZ 41/8, JBl 1972, 312 ua); dies gilt auch hinsichtlich der Zurückweisung eines Vorbringens gemäß § 179 Abs 2 ZPO (ebenso EvBl 1959/361 ua). Schon deshalb liegt die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens nicht vor, zumal die Beurteilung des Schutzzwecks einer Norm in das Gebiet rechtlicher Beurteilung gehört.

Bei der rechtlichen Beurteilung ist davon auszugehen, dass nach den Feststellungen der Vorinstanzen Josef H***** beim Abstellen der vollen Propangasflasche – allerdings unbeabsichtigt und ohne es zu bemerken – deren Ventil öffnete und deshalb Gas aus der Flasche ausströmte. Es liegt auf der Hand, dass bei Belassung der Ventilschutzkappe ein derart unbeabsichtigtes Öffnen nicht erfolgt wäre, ein „Gegenbeweis“ im Sinn der Bestimmung des § 1311 letzter Halbsatz ABGB, kommt somit angesichts der vorgenannten Feststellung hier überhaupt nicht in Betracht.

Die in der Lieferung der Flasche ohne Ventilschutzkappe gelegene Übertretung einer Schutznorm bewirkt zufolge der hier unwiderlegten Verschuldensvermutung des § 1311 ABGB (vgl hiezu SZ 37/159, RZ 1970, 168 ua) die Ersatzpflicht für alle Schäden, die im Zweckbereich der Schutznorm auftreten können. Da die Beklagten selbst davon ausgehen, dass der Zweck des § 34 Abs 1 der Dampfkesselverordnung die Vermeidung von Beschädigungen der Ventile sei, aber auch die Beschädigung von Ventilen zu deren Undichtheit und damit zum unbeabsichtigten Ausströmen von Gas führen kann, muss ein durch Ausströmen von Propangas verursachter Schaden dann als ein solcher angesehen werden, der durch Verletzung einer Norm eingetreten ist, die gerade seine Verhinderung bezweckte, wenn – wie hier – von einer mit Gas gefüllten Flasche vor Anschluss eines entsprechenden Geräts die Ventilschutzkappe entfernt wurde (vgl hiezu SZ 25/84, EvBl 1967/2019, ZVR 1972/190 ua).

Die zutreffende Auffassung der Untergerichte, dass die Bestimmung des § 1313a ABGB auch für jene Fälle gilt, in welchen dem einen Vertrag erfüllenden Gehilfen die Übertretung einer Schutznorm als Verschulden zuzurechnen ist, wird von der Revision nicht bekämpft.

Schließlich kann beim festgestellten Sachverhalt auch von einem Mitverschulden des Josef W***** oder seiner Bediensteten nicht gesprochen werden.

Da somit auch die rechtliche Beurteilung der Sache durch die Vorinstanzen einwandfrei ist, war der Revision nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 46 Abs 2, 50 ZPO.

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