European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1975:0040OB00028.75.0128.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 2.229,60 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 129,60 Umsatzsteuer und S 480,‑‑ Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Der Kläger führte zunächst auf Grund eines auf drei Monate befristeten Dienstvertrages gegen ein monatliches Bruttogehalt von S 15.100,‑‑ sowie ein Überstundenpauschale von brutto S 3.900,‑‑ monatlich, das der Beklagten gehörige S*Cafe * als Geschäftsführer. Das mit 15. Oktober 1972 befristete Dienstverhältnis wurde einvernehmlich bis 31. 10. 1972 verlängert, doch sprach die Beklagte am 18. Oktober 1972 die fristlose Entlassung des Klägers aus. Mit der vorliegend Klage begehrte der Kläger das Entgelt für die restlichen 13 Arbeitstage per S 7.967,70, sowie eine Vergütung für 373 in der Zeit vom 25. August 1972 bis 18. Oktober 1972 geleistete Überstunden per S 46.930,86 abzüglich des vereinbarten und erhaltenen Überstundenpauschales von S 11.700,‑‑ somit weitere S 35.230,86 als Überstundenentgelt.
Die Beklagte beantragte das Klagebegehren abzuweisen und wandte ein, die Entlassung sei begründet erfolgt, weshalb dem Kläger kein weiterer Anspruch auf Entlohnung zustehe. Die geleisteten Überstunden seien aber durch das vereinbarte Überstundenpauschale abgegolten.
Das Erstgericht sprach dem Kläger das Arbeitsentgelt von S 7.967,70 samt Zinsen zu, wies jedoch das Mehrbegehren mit der Begründung ab, dem Kläger stehe kein Anspruch auf ein das Pauschale übersteigendes Überstundenentgelt zu, da eine Pauschalvereinbarung gemäß Punkt 5 lit. g des Kollektivvertrages zulässig sei. Auch habe sich der Kläger die geleisteten Überstunden nicht im Sinn des Punktes 5 lit. e des Kollektivvertrages von der Beklagten bestätigen lassen. Überdies sei der Anspruch nicht innerhalb der im Punkt 5 lit. f enthaltenen Frist von vier Monaten geltend gemacht worden und daher verfallen.
Während die Beklagte den stattgebenden Teil des Ersturteiles nicht bekämpfte, erhob der Kläger gegen die Teilabweisung seines Klagebegehrens Berufung, in der er ergänzend ausführte, Punkt 5 lit. g des Kollektivvertrages widerspreche dem Arbeitszeitgesetz, da nach diesem Gesetz nur leitende Angestellte, denen maßgebliche Führungsaufgaben selbstverantwortlich übertragen wurden, vom Gesetz ausgenommen seien. Dieser Begriff sei eng auszulegen und treffe auf den Kläger nicht zu, weil dieser an Weisungen der Geschäftsleitung gebunden gewesen sei und beispielsweise Dienstnehmer weder aufnehmen noch entlassen, noch Löhne und Gehälter vereinbaren oder auszahlen habe dürfen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung nicht Folge. Es führte gemäß § 25 Abs. 1 Z 3 ArbGerG das Verfahren neu durch und traf folgende Feststellungen:
Nach vorausgegangener Besprechung über den Inhalt des beabsichtigte Dienstvertrages legten die Streitteile den wesentlichen Inhalt der getroffenen Vereinbarung im schriftlichen Arbeitsvertrag vom 28. Juli 1972 fest. Der Kläger wurde demnach ab 15. Juli 1972 als Geschäftsführer des * S*Cafe und dessen Bar, bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 42 Stunden und den im Gastgewerbe üblichen Überstunden auf genommen.
Es oblag ihm die selbständige Führung dieses Betriebes in allen Belangen nach den Weisungen der Geschäftsleitung. Darunter waren zu verstehen alle Arbeiten wie Einkauf, Abrechnung (schriftlich sowie geldlich), Aufsicht des Lokals und des Personals, Arbeitseinteilung der Mitarbeiter usw. Als monatliches Entgelt wurde dem Kläger S 10.000,‑‑ netto und zusätzlich S 2.500,‑‑ netto als Leistungspauschale für Überstunden zugesichert. Das Dienstverhältnis wurde auf drei Monate befristet. Den Vertragschließenden war bewußt, daß der Betrieb des S* Cafes neu eröffnet wird und deswegen mehr Überstunden als während eines bereits laufenden Gaststättenbetriebs erforderlich sein können. Eine Schätzung des Umfanges der Überstunden wurde nicht vorgenommen, es wurde jedoch ausdrücklich betont, daß durch das vereinbarte Überstundenpauschale alle vom Kläger in seiner übernommenen Funktion als Geschäftsführer zu leistenden Überstunden abgegolten werden. Beide Teile bezogen sich auf den Kollektivvertrag der Angestellten im österreichischen Gast-, Schank- und Beherbergungsgewerbe vom 1. Oktober 1970. Dieser Kollektivvertrag grenzt unter 1.) seinen Geltungsbereich ab und bestimmt hiezu unter lit. c letzter Satz: „Leitende Angestellte, denen maßgebliche Führungsaufgaben selbstverantwortlich übertragen sind unterliegen hinsichtlich der Regelung der Arbeitszeit gemäß § 1 Abs. 2 Z. 8 Arbeitszeitgesetz nicht diesem Kollektivvertrag.“ Unter 5. wird die Überstundenarbeit geregelt und folgende auf den vorliegenden Fall bezügliche Regelung getroffen: „e) Über die geleisteten Arbeitsstunden (Normalarbeit und Überstunden) muß der Arbeitgeber Aufzeichnungen führen und die geleisteten Überstunden dem Angestellten wöchentlich jedenfalls zum Monatsende schriftlich bestätigen. g) Bei Angestellten in verantwortlicher Stellung mit Dispositionstätigkeit kann die Überstundenvergütung frei vereinbart werden (z.B. Hotel-Restaurantdirektor, Geschäftsführer).“
Rechtlich beurteilte das Berufungsgericht die Rechtssache dahin, daß zwischen § 1 Abs. 2 Z. 8 Arbeitszeitgesetz und Punkt 5 lit. g. des Kollektivvertrages kein grundlegender Unterschied bestehe, sondern der Kollektivvertrag nur die allgemeine Diktion des Arbeitszeitgesetzes auf die im Gast‑, Schank- und Beherbergungsgewerbe maßgeblichen Verhältnisse abgestellt habe. Der Kläger sei auch tatsächlich leitender Angestellter gewesen, weshalb eine Pauschalvereinbarung über die geleisteten Überstunden rechtswirksam getroffen werden konnte und mit der Bezahlung des Pauschalentgeltes alle vom Kläger geleisteten Überstunden abgegolten seien.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus den Gründen der Aktenwidrigkeit, der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit den Anträgen, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht gerechtfertigt.
Eine Aktenwidrigkeit erblickt der Kläger in der Annahme des Berufungsgerichtes, daß er Angestellter in verantwortlicher Stellung mit Dispositionstätigkeit gewesen sei und dies mit dem Inhalt des Arbeitsvertrages begründet wurde. Dabei sei die Einschränkung des Arbeitsvertrages, wonach der Kläger nur gemäß den Weisungen der Geschäftsleitung der Beklagten arbeiten durfte, übersehen worden. Hiedurch sei eine Selbstverantwortlichkeit ausgeschlossen gewesen. Die gerügte Aktenwidrigkeit liegt nicht vor. Das Berufungsgericht hat ohnehin wörtlich aus dem Dienstvertrag festgestellt, daß dem Kläger die selbständige Führung des Betriebes in allen Belangen nach den Weisungen der Geschäftsleitung oblag. Ob aber danach dem Kläger Führungsaufgaben selbstverantwortlich übertragen wurden, stellt eine Frage der rechtlichen Beurteilung der Streitsache dar.
Als Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens rügt der Kläger, daß das Berufungsgericht bei der Beurteilung seiner Tätigkeit nur vom Anstellungsvertrag ausgegangen sei, obgleich er behauptet habe, daß er in seiner Dispositionsfähigkeit in der Praxis eingeschränkt gewesen wäre. Auch dies begründet jedoch keine entscheidende Mangelhaftigkeit des Verfahrens, da – wie noch zur Rechtsrüge ausgeführt, werden wird – die unbestrittenermaßen vom Kläger ausgeübte Tätigkeit unabhängig davon, ob die in der Berufung behaupteten Einschränkungen gegeben waren oder nicht, den Kläger als leitenden Angestellten im Sinne des § 1 Abs. 2 Z. 8 Arbeitszeitgesetz qualifiziert.
Der Kläger rügt ferner, daß beide Untergerichte sein Vorbringen, die Beklagte habe seinen Anspruch auf Überstundenentlohnung konkludent anerkannt, weil sie in der letzten Abrechnung vom 18. Oktober fünf geltend gemachte Überstunden tatsächlich vergütet habe, übergangen hätten. Eine derartige Mangelhaftigkeit des Verfahrens liegt nicht vor. Diesbezüglich hat der Beklagte lediglich in erster Instanz vorgebracht (ON. 26 Seite 67 und 68 des Aktes), daß anläßlich der Endabrechnung Beilage 3 vom 18. Oktober 1972 dem Kläger seitens der Beklagten fünf Überstunden bezahlt wurden. Daraus ergebe sich, daß die Beklagte selbst auf dem Standpunkt gestanden sei, daß nicht sämtliche vom Kläger geleisteten Überstunden durch das Pauschale abgegolten seien. Aus der faktischen Bezahlung von fünf Überstunden für sich allein – und anderes wurde nicht behauptet – kann jedoch noch nicht abgeleitet werden, daß die Beklagte den Anspruch des Klägers auf Entlohnung von Überstunden auch außerhalb des Pauschales grundsätzlich für alle weiteren nunmehr eingeklagten Überstunden anerkannt hätte. Es war daher auch nicht erforderlich, zu klären, ob die Verfasserin des Schreibens Beilage 3 zu einem Anerkenntnis berechtigt war. Daß die Untergerichte auf diese Frage nicht näher eingegangen sind, begründet daher keine wesentliche Mangelhaftigkeit des Verfahrens.
Mit der Rechtsrüge bekämpft der Kläger vor allem die Ansicht der Untergerichte, er sei leitender Angestellter im Sinn des § 1 Abs. 2 Z. 8 Arbeitszeitgesetz gewesen. Dagegen bestehen jedoch keine Bedenken. Dem Kläger oblag nach den Feststellungen des Berufungsgerichtes die selbständige Führung des Betriebes in allen Belangen nach den Weisungen der Geschäftsleitung, wobei darunter alle Arbeiten wie Einkauf, Abrechnung sowohl schriftlich wie geldlich, Aufsicht über das Lokal und Personal, Arbeitseinteilung der Mitarbeiter usw. zu verstehen war. Derart weitreichende Befugnisse erfüllen jedoch den Ausnahmetatbestand des § 1 Abs. 2 Z. 8 Arbeitszeitgesetz und zwar selbst dann, wenn der Kläger tatsächlich, wie er im Berufungsverfahren behauptet hat, keine Dienstnehmer aufnehmen, kündigen oder entlassen durfte und auch nicht berechtigt war Löhne und Gehälter zu vereinbaren und auszuzahlen. Denn dem Kläger oblag trotzdem die gesamte faktische Führung des Betriebes und er hat auch selbst als Partei vernommen angegeben (ON. 26 Seite 71 des Aktes), daß er im großen und ganzen gesehen das Kaffeehaus samt Barbetrieb allein zu führen hatte. Daß er an Weisungen der Geschäftsleitung gebunden war, ändert daran nichts, da es eine völlige Entscheidungsfreiheit im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses gar nicht geben kann (Vergleiche Mayer-Maly, Der leitende Angestellte im österreichischen Recht in ZAS 1974 Seite 203 f. , insbesondere Seite 208). Daß aber die Weisungen soweit gegangen wären, daß damit praktisch seine Entscheidungsbefugnis auf das bei sonstigen Dienstnehmern übliche Maß eingeschränkt wurde, hat der Kläger weder behauptet noch ist es im Verfahren hervorgekommen.
Der Kläger fiel daher nicht unter die Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes. Es konnte somit sowohl seine Arbeitszeit als auch ein allfälliges Überstundenentgelt frei vereinbart werden sofern er nicht trotzdem diesbezüglich vom Kollektivvertrag erfaßt war (vgl. Haslinger, Überstundenprobleme im Arbeitszeitrecht in ZAS 1971 Seite 47 f. , insbesondere Seite 49). Im vorliegenden Fall sagt nun Punkt 1 lit. c des Kollektivvertrages, daß leitende Angestellte, denen maßgebliche Führungsaufgaben selbstverantwortlich übertragen sind, hinsichtlich der Regelung der Arbeitszeit gemäß § 1 Abs. 2 Z. 8 Arbeitszeitgesetz nicht diesem Kollektivvertrag unterliegen. Gemäß Punkt 5 lit. g des Kollektivvertrages kann ferner bei Angestellten in verantwortlicher Stellung mit Dispositionstätigkeit die Überstundenvergütung frei vereinbart werden. Der Kreis der Angestellten nach Punkt 5 lit. g des Kollektivvertrages mag sich nun zwar nicht unbedingt mit jenem nach § 1 Abs. 2 Z. 8 Arbeitszeitgesetz, bzw. Punkt 1 lit. c des Kollektivvertrages decken, wofür schon die verschiedene Diktion im Punkt 1 lit. c und Punkt 5 lit. g spricht, doch fallen zweifellos alle leitenden Angestellten, denen maßgebliche Führungsaufgaben selbstverantwortlich übertragen werden auch unter den vielleicht weiteren Begriff der Angestellten in verantwortlicher Stellung mit Dispositionstätigkeit, sodaß der Kläger auch unter Punkt 5 lit. g des Kollektivvertrages fällt. Damit war aber auch nach dem Kollektivvertrag eine frei Vereinbarung möglich.
Nun hat das Berufungsgericht auf Grund des Inhaltes des schriftlichen Dienstvertrages zwar als erwiesen angenommen, daß der Kläger bei einer wöchentlichen Arbeitsleistung von 42 Stunden und den im Gastgewerbe üblichen Überstunden aufgenommen wurde. Andererseits hat es aber festgestellt, daß den Vertragschließenden bewußt war, daß der Betrieb des S*Cafe neu eröffnet wird und deswegen mehr Überstunden als während eines bereits laufenden Gaststättenbetriebes erforderlich sein können, wobei eine Schätzung des Umfanges der Überstunden nicht vorgenommen jedoch ausdrücklich betont worden sei, daß durch das vereinbarte Überstundenpauschale alle vom Kläger in seiner übernommenen Funktion als Geschäftsführer zu leistenden Überstunden abgegolten werden. Damit liegt aber tatsächlich eine Vereinbarung vor, wonach der Kläger verpflichtet war, die auf Grund seiner Stellung als Geschäftsführer notwendigen Arbeiten ohne Zeitbeschränkung zu verrichten, wobei die Mehrarbeit zur Gänze durch das Überstundenpauschale abgegolten sein sollte. Eine solche Vereinbarung ist bei einem leitenden Angestellten, der nicht dem Arbeitszeitgesetz unterliegt und für den sich auch – wie im vorliegenden Fall – aus dem Kollektivvertrag nichts gegenteiliges ergibt zulässig, (vgl. §§ 1152, 1153 ABGB). Denn der Dienstnehmer kann sich sogar zu unentgeltlichen Dienstleistungen verpflichten und auch der Umfang der vereinbarten Dienste findet – von Sonderfällen abgesehen, wie etwa dem Mutterschutzgesetz oder dem Gesetz über die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen – seine Schranken nur im Arbeitszeitgesetz und im Kollektivvertrag. Daß aber die Vereinbarung sittenwidrig wäre und deshalb die tatsächlich geleisteten Überstunden verrechnet werden können wurde weder behauptet, noch kann dies nach dem Inhalt der Vereinbarung gesagt werden.
War aber die Vereinbarung zulässig und ist sie rechtswirksam, dann sind sämtliche Dienstleistungen des Klägers durch das vereinbarte und unbestrittenermaßen auch ausbezahlte Entgelt und das Überstundenpauschale abgegolten, sodaß der Kläger für geleistete Überstunden, auch wenn sie über das im Gastgewerbe übliche Ausmaß hinausgingen, kein weiteres Entgelt mehr verlangen kann.
Die Untergerichte haben daher das Klagebegehren mit Recht abgewiesen, weshalb auch der Revision ein Erfolg zu versagen war.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
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