European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1975:0010OB00065.75.0521.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Beklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.
Entscheidungsgründe:
Am 10. Juni 1972 verletzte der Beklagte den Kläger durch einen Tritt ins Gesicht, wobei dem Kläger eine Zahnprothese aus dem Mund geschlagen wurde.
Der Kläger begehrte die Kosten der Neuanschaffung der Zahnprothese, die nicht mehr auffindbar gewesen sei in Höhe von S 2.943,36 und für erlittene Schmerzen ein angemessenes Schmerzengeld im Betrag von S 6.000,‑‑ jeweils samt 4 % Zinsen seit 26. August 1973.
Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, er habe dem Kläger den Fußtritt nicht schuldhaft versetzt, die Erneuerung der Zahnprothese sei nicht unfallskausal gewesen, weil sie der Kläger im Zeitpunkt der ihm zugefügten Verletzung gar nicht getragen habe.
Im Verfahren vor dem Erstgericht wurde schließlich außer Streit gestellt, daß die Ansprüche des Klägers auf Schmerzengeld und auf Ersatz der Zahnprothese mit mindestens 1 S zu Recht bestehen. Mit Zwischenurteil vom 5. März 1974 (ON 8 d.A.) sprach das Erstgericht aus, daß der Anspruch des Klägers (auf Schmerzengeld und auf Ersatz der Kosten einer neuen Zahnprothese) aus dem Raufhandel vom 10. Juni 1972 dem Grunde nach zur Gänze zu Recht bestehe. Der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung gab das Berufungsgericht keine Folge (ON 14 d.A.). Im Verfahren über die Höhe des Anspruchs brachte der Kläger vor, daß die Kosten der Zahnprothese von der Krankenkasse des Klägers bezahlt worden seien; dem hielt der Kläger entgegen, daß er diesen Betrag der Krankenkasse refundiert habe.
Das Erstgericht erkannte den Beklagten schuldig, dem Kläger einen Betrag von S 3.501,‑‑ samt Anhang zu bezahlen, wogegen das darüber hinausgehende Mehrbegehren auf Zuspruch von weiteren S 5.442,36 abgewiesen wurde. Es stellte fest, daß der Kläger durch den ihm vom Beklagten versetzten Tritt ins Gesicht im Bereich des linken Auges verletzt wurde, wobei er einen Tag starke, drei Tage mittelstarke und sechs Tage leichte Schmerzen erlitt. Durch den ihm versetzten Tritt stürzte der Kläger zu Boden und war einige Minuten benommen aber nicht bewußtlos. Er erhob sich, ging zu einem nahe gelegenen Brunnen, wo er sich das Gesicht wusch. Dabei bemerkte er, daß ihm die Oberkieferprothese abhanden gekommen war. Er suchte jedoch nicht sofort nach ihr, sondern fuhr zunächst mit seinem Bruder nach Hause. Erst am Nachmittag – der Vorfall hatte sich am Vormittag ereignet – suchte der Kläger nach seiner Zahnprothese, konnte sie aber nicht mehr finden. Ende Oktober 1972 ließ sich der Kläger von einem Zahnarzt in Bayern nach Extraktion von 4 im Oberkiefer noch vorhandenen Zähnen eine Oberkieferprothese zum Preis von DM 403,20 anfertigen. Hievon trug die Betriebskrankenkasse des Klägers einen Teilbetrag von DM 373,20 der Kläger selbst bezahlte DM 30,‑‑. Am 13. 6. 1974 teilte der Kläger seiner Krankenkasse mit, daß er die Möglichkeit habe, die Kosten der Zahnprothese vom Kläger ersetzt zu bekommen, worauf die Krankenkasse um die Überweisung des bezahlten Betrages von DM 373,20 ersuchte, welchem Ersuchen der Kläger am 1. 7. 1974 nachgekommen ist.
Bei dieser Sachlage hielt das Erstgericht lediglich den Zuspruch eines Schmerzengeldes von S 3.500,‑‑ und im Hinblick auf das rechtskräftige Zwischenurteil den Zuspruch eines Betrages von S 1,‑‑ für die Zahnprothese als gerechtfertigt.
Das Berufungsgericht gab der gegen den abweisenden Teil des Urteiles gerichteten Berufung des Klägers teilweise Folge und sprach ihm einen weiteren Betrag von S 2.942,36 samt 4 % Zinsen seit 26. 8. 1973 zu. Es führte im wesentlichen aus, daß das zuerkannte Schmerzengeld im Hinblick auf die Dauer und Intensität der erlittenen Schmerzen durchaus angemessen sei. Dem Kläger gebühre aber auch der Ersatz der Kosten der Zahnprothese. Durch das rechtskräftige Zwischenurteil sei nämlich festgestellt, daß der Anspruch des Klägers dem Grunde nach zur Gänze zu Recht bestehe; alle Einwendungen gegen den Grund des Anspruchs, wie insbesondere, daß der Anspruch auf Schadenersatz auf die Betriebskrankenkasse übergegangen sei und den Kläger ein Mitverschulden am eingetretenen Schaden wegen Verletzung der Rettungspflicht zur Last falle, seien präkludiert. Der Beklagte habe im übrigen ein Mitverschulden des Klägers im Verfahren erster Instanz gar nicht behauptet.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich die Revision des Beklagten, der es insoweit bekämpft, als dem Kläger über den vom Erstrichter zuerkannten Betrag hinaus weitere S 2.942,36 samt 4 % Zinsen seit 26. 8. 1973 zugesprochen wurden. Der Beklagte macht die Revisionsgründe der Aktenwidrigkeit, der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit den Anträgen geltend, das angefochtene Urteil hinsichtlich eines Betrages von S 2.942,36 samt Anhang und im Kostenpunkt „abzuweisen“, sodaß das der ersten Instanz (unter Kostenzuspruch) wiederhergestellt wird, in eventu es aufzuheben und die Rechtssache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an die erste oder zweite Instanz zurückzuverweisen.
Der Kläger hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.
Die Revision ist nicht begründet.
Rechtliche Beurteilung
Als aktenwidrig wird die Feststellung des Berufungsgerichtes bekämpft, es lasse sich nicht feststellen, ob die Zahnprothese durch den dem Kläger vom Beklagten versetzten Fußtritt oder aber dadurch beschädigt wurde, daß sie zu Boden fiel. Nun ist aber die Frage, ob die Prothese beschädigt wurde, unerheblich, weil feststeht, daß die Prothese dem Kläger aus dem Mund geschlagen wurde und verloren gegangen ist; ob diese in Verlust geratene Zahnprothese auch beschädigt wurde, ist ohne rechtliche Relevanz.
Das Schwergewicht der Revisionsausführungen liegt in der Bekämpfung der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, die Präklusionswirkung des rechtskräftigen Zwischenurteiles schließe eine neuerliche Aufrollung der Frage, ob dem Kläger Ersatz für die in Verlust gegangene Zahnprothese zustehe, aus. Diese Bindungswirkung wird zunächst vom Beklagten mit dem Hinweis bekämpft, daß dem Spruch des Zwischenurteils nicht entnommen werden könne, daß der Anspruch des Klägers auf Ersatz der Kosten für die Zahnprothese dem Grunde nach zu Recht bestehe. Dies trifft zwar zu, doch bilden Spruch und Entscheidungsgründe des Urteils eine Einheit. Aus den Entscheidungsgründen ist nun ohne jeden Zweifel zu entnehmen, daß sich das Zwischenurteil auf den geltend gemachten Anspruch auf Schmerzengeld und den Ersatz der Kosten einer neuen Zahnprothese bezieht. Ein Zweifel hierüber kann nicht bestehen, wenngleich es zweckmäßig gewesen wäre, die einzelnen Ansprüche, deren Zurechtbestehen ausgesprochen wurde, in den Urteilsspruch aufzunehmen (vgl. Fasching, Komm. III, 590). Weiters führt der Revisionswerber aus, er habe – wenn auch erst nach ergangenem Zwischenurteil – in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 21. 10. 1974 vorgebracht, daß die Kosten der Zahnprothese von der Betriebskrankenkasse des Klägers bezahlt worden und der Schadenersatzanspruch auf den Sozialversicherungsträger übergegangen sei; zufolge der eingetretenen Legalzession hätte nur die Betriebskrankenkasse die Kosten der Zahnprothese fordern können. Wenn der Kläger diese Kosten schließlich der Betriebskrankenkasse refundiert habe, so könne er nicht Schadenersatz, sondern nur Aufwandersatz verlangen, doch sei ein solches Begehren nicht gestellt worden. Das Berufungsgericht habe sich schließlich auch mit der Frage der Rettungspflicht nicht befaßt. Diese Ausführungen verkennen das Wesen und die rechtliche Bedeutung des Zwischenurteils gemäß § 393 Abs. 1 ZPO. Das Zwischenurteil über den Grund des Anspruchs äußert zufolge seiner materiellen Rechtskraft Bindungswirkung insoweit, als das Gericht und die Parteien die Frage des Anspruchsgrundes nicht mehr neuerlich aufrollen dürfen. Darüber hinaus äußert es Präklusionswirkung in dem Sinne, als es den Parteien verwehrt ist, weitere anspruchsbegründende oder anspruchsvernichtende Tatsachen vorzubringen, deren Vortrag und Erörterung dem Verfahren über den Grund des Anspruchs vorbehalten ist (vgl. Fasching, a.a.O., 595). Im Verfahren über die Höhe des Anspruches können anspruchsaufhebende Tatsachen nach der Rechtsprechung ausnahmsweise dann vorgetragen werden, wenn sie im Verfahren über den Grund des Anspruches noch nicht eingewendet werden konnten, wie z.B. die zufolge Ruhens des Verfahrens eingetretene Verjährung (EvBl 1972/201). Ein solcher Fall liegt aber hier nicht vor. Demgemäß kommt aber der Abgrenzung zwischen jenen Tatsachen, die zum Grund des Anspruchs und jenen, die die Höhe betreffen, besondere Bedeutung zu. Die vom Beklagten im Verfahren über die Höhe vorgebrachten Umstände, wie insbesondere, daß dem Kläger ein Anspruch wegen erfolgter Legalzession an den Sozialversicherungsträger nicht zustehe (vgl. Fasching a.a.O. 591) sowie die Einwendung des Mitverschuldens können nur im Verfahren über den Grund des Anspruches geprüft werden (vgl. Michlmayr-Stohanzl ZPO13 § 393/23). Sofern der Beklagte von der Tatsache der Legalzession an den Sozialversicherungsträger erst nach ergangenem Zwischenurteil erfahren haben sollte, wäre es ihm frei gestanden dieses Zwischenurteil mit Wiederaufnahmsklage zu bekämpfen. Der Anspruch des Klägers kann auch nicht mit dem Hinweis, die alte Prothese habe dem Kläger ohnehin nicht mehr gepaßt, in Frage gestellt werden. Was aber den Rechtsgrund des geltend gemachten Anspruchs betrifft, so ist auch diese Frage einer Erörterung im Verfahren über die Höhe entzogen. Gegen die Höhe des Schadenersatzanspruches wendet sich der Revisionswerber nicht. Auch gegen den Zinsenzuspruch bestehen keine Bedenken, zumal der Beklagte den Erhalt des Aufforderungsschreibens des Klägers vom 9. 8. 1973 substantiell nicht bestritten hat.
Der Kostenausspruch gründet sich auf die §§ 40, 50 ZPO.
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