OGH 6Ob12/75

OGH6Ob12/7530.1.1975

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Lassmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Petretto, Dr. Schragel, Dr. Samsegger und Dr. Resch als weitere Richter in der Pflegschaftssache des *1958 geborenen minderjährigen W* infolge Revisionsrekurses des ehelichen Vaters A*, Elektrotechniker, * gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg als Rekursgerichtes vom 1. August 1974, GZ. 32 R 357/74‑193 a, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Saalfelden vom 30. Mai 1974, GZ. P 26/69‑183, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1975:0060OB00012.75.0130.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs bzw. Rekurs wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

Mit Beschluß des Landesgerichtes Salzburg vom 13. Dezember 1973, ON. 166, wurde der Vater verpflichtet für jedes seiner fünf ehelichen Kinder, also auch für seinen Sohn W*, ab 1. Mai 1973 einen monatlichen Unterhaltsbetrag von S 500,‑‑ zu bezahlen. Mit seinem am 7. November 1973 beim Erstgericht eingelangten Antrag behauptete der Vater, sein Sohn W* habe im Oktober 1973 eine Arbeitsstelle bei einer Elektrofirma in B* angetreten und beziehe einen monatlichen Gehalt von ca. S 1.400,‑‑; es sei daher Selbsterhaltungsfähigkeit eingetreten. Der Vater beantragte Einstellung der Unterhaltsleistung ab Zahlungstag des ersten vollen Monatslohnes seines Sohnes W*. Mit rechtskräftigem Beschluß ON. 178 enthob das Erstgericht den Vater von seiner Unterhaltsleistung für den minderjährigen W* ab 1. Februar 1974 und behielt sich die Entscheidung über den Enthebungsantrag für die Zeit vom 10. Oktober 1973 bis 31. Jänner 1974 vor.

Den Antrag auf Enthebung von der Unterhaltsleistung für die Zeit vom 10. Oktober 1973 bis 31. Jänner 1974 wies das Erstgericht ab. Der Minderjährige sei zwar vom l0. Oktober bis 19. Dezember 1973 bei H* in B* als Elektrolehrling beschäftigt gewesen, habe aber während dieser Zeit nur DM 344,16 verdient, sowie DM 120 an Fahrgeld und zwei Arbeitsanzüge erhalten; er habe die Berufsschule in Freilassing besucht und S 267,60 für Schulsachen und 25 DM für Fahrtkosten ausgeben müssen. Dieses Einkommen rechtfertige weder die Enthebung von der Unterhaltsleistung noch eine Herabsetzung derselben. Vom 20. Dezember 1973 bis Ende Jänner 1974 sei W* überhaupt nicht berufstätig gewesen.

Das Rekursgericht sprach aus, daß es dem Rekurs des Vaters, soweit es sich um die Unterhaltsleistung vom 10. Oktober 1973 bis 7. (richtig 6.) November 1973 handle, nicht Folge gebe und den angefochtenen Beschluß für diese Zeit mit der Maßgabe bestätige, daß der Antrag des Vaters, ihn von seiner Unterhaltsleistung zu entheben, zurückgewiesen werde. Für die Zeit vom 7. November bis 19. Dezember 1973 änderte es den erstgerichtlichen Beschluß dahin ab, daß es die Unterhaltsverpflichtung auf S 300 monatlich herabsetzte, im übrigen, also für die Zeit vom 20. Dezember 1973 bis 31. Jänner 1974, gab es dem Rekurs nicht Folge. Eine Befreiung von der Unterhaltsverpflichtung für die Vergangenheit könne beim Pflegschaftsgericht nicht beantragt werden. Nur wenn versucht werden sollte, für die Zeit vom 10. Oktober bis 7. November 1973 Unterhaltsbeträge durch Exekution hereinzubringen, könne gegen diese Exekution eine Klage mit dem Begehren erhoben werden, daß der Unterhaltsanspruch für diese Zeit erloschen sei. In der Zeit bis 19. Dezember 1973 sei der Minderjährige als teilweise selbsterhaltungsfähig anzusehen, aber doch nicht zur Gänze.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Revisionsrekurs bzw. Rekurs des Vaters, der zwar zunächst behauptet, den Beschluß im vollen Umfang anzufechten, aber beantragt, ihn nur vom 10. Oktober 1973 bis einschließlich Dezember 1973 von der Unterhaltsleistung zu entbinden.

Der Revisionsrekurs bzw. Rekurs ist unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 14 Abs. 2 AußStrG sind Rekurse gegen die Entscheidung der zweiten Instanz über die Bemessung gesetzlicher Unterhaltsansprüche unzulässig. Nach ständiger Rechtsprechung gehört auch die Frage der Selbsterhaltungsfähigkeit des Unterhaltsberechtigten zum Bemessungskomplex, weil zur Bemessung die Beurteilung der Bedürfnisse des Unterhaltsberechtigten und der zur Deckung dieser Bedürfnisse vorhandenen Arbeits-(Erwerbs-)fähigkeit des Unterhaltsberechtigten gehört und diese Beurteilung dann die Selbsterhaltungsfähigkeit ergibt, wenn danach das Ausmaß der Unterhaltsverpflichtung auf Null absinkt (JB. 60 neu = SZ 27/177; EFSlg 14.655 ua). Insbesondere ist auch die Frage, ob ein Minderjähriger im Hinblick auf eine ihm zustehende Lehrlingsentschädigung als selbsterhaltungsfähig anzusehen ist, eine solche der Bemessung (EFSlg. 16.794). Eine Anfechtung der Entscheidung des Rekursgerichtes über die Fortdauer der Unterhaltsverpflichtung des Vaters für die Zeit ab 7. November 1973 ist daher nicht zulässig.

An sich anfechtbar ist die Entscheidung der zweiten Instanz darüber, ob und inwieweit es im außerstreitigen Verfahren möglich ist, über den Entfall einer Unterhaltsverpflichtung für die Vergangenheit zu entscheiden. Es handelt sich hiebei um eine verfahrensrechtliche Frage, die nicht die Bemessung des Unterhaltes betrifft und daher grundsätzlich an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden kann; der Oberste Gerichtshof hat allerdings gleichzeitig auch ausgesprochen, daß im außerstreitigen Verfahren die Unterhaltsverpflichtung nur mit Wirksamkeit für die Zeit nach der Stellung des Antrages herabgesetzt oder aufgehoben werden kann, wogegen über die in der Vergangenheit liegende Leistungsverpflichtung nur im Prozeßweg (bei Exekutionsführung über eine Oppositionsklage nach § 35 EO, sonst über eine negative Feststellungsklage) abgesprochen werden kann (SZ 38/159; EvBl. 1965/370 u.a.; in diesem Sinne auch Heller-Berger-Stix 379). Nach einer weiteren Bestimmung des § 14 Abs. 2 AußStrG. kann der Oberste Gerichtshof aber überhaupt nur angerufen werden, wenn die zweite Instanz über einen Beschwerdegegenstand von mehr als S 2.000 entschieden hat. Für die gesamte Zeit vom 10. Oktober 1973 bis 31. Jänner 1974, die allein Gegenstand der Entscheidung des Rekursgerichtes war, war bei einer monatlichen Unterhaltsverpflichtung von S 500 jedoch nur ein Unterhaltsbetrag strittig, der unter S 2.000 liegt. Das Rekursgericht entschied damit über einen Beschwerdegegenstand, der S 2.000 nicht übersteigt. Es ist daher eine Anfechtung der Entscheidung der zweiten Instanz unter allen Umständen und insbesondere, wenn sie nur einen Zeitraum von weniger als einen Monat zum Gegenstand hatte, ausgeschlossen.

Der Revisionsrekurs bzw. Rekurs ist demnach zur Gänze als unzulässig zurückzuweisen.

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