European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1972:0060OB00160.720.0831.000
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 9.994,90 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin forderte die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung des Schillinggegenwerts von 135.092,94 schwedischen Kronen für die vereinbarungsgemäße Lieferung von 11.595,96 lfd Meter verzinkter Stahlbleche. Sie begehrte aus dem Titel des Schadenersatzes höherer als die gesetzlichen Zinsen mit der Behauptung, da sie mit Bankkredit arbeite, seien ihr durch den Zahlungsverzug Zinsen in der begehrten Höhe aufgelaufen.
Die Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens mit der wesentlichen Behauptung, die Klägerin habe statt Stahlblech in der Stärke von 0,8 mm ohne Toleranzen solches von 0,9 mm Stärke geliefert. Zufolge notwendiger Überlappungen sei mehr Blech benötigt worden, als die Beklagte nach den Angaben des Verkaufsleiters der Klägerin kalkuliert habe. Durch das erhöhte Gewicht des Bleches seien um 21.500 S höhere Frachtkosten entstanden, welche die Klägerin schuldhaft durch Verletzung des Vertrags verursacht habe. Aufgrund der falsch angegebenen Materialpreise habe die Beklagte aus dem Geschäft mit der Firma A***** einen weiteren Schaden von mindestens 90.000 S, da sie die auf den geänderten Materialpreis, die Überlappung und die gestiegenen Frachtkosten zurückzuführende Preiserhöhung nicht habe anrechnen können. Beide Forderungen wendete die Beklagte aufrechnungsweise ein. Schließlich behauptete sie, durch die ihrem Kunden A***** bekannt gewordenen Unexaktheiten in der Abwicklung des gegenständlichen Geschäfts und nachträglicher Änderungen des Vertrags aus dem Verschulden der Klägerin entgingen ihr eine weitere Zusammenarbeit mit dieser Firma und die daraus resultierenden Gewinne, welche die Klagsforderung bei weitem überstiegen.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und sprach aus, dass die Gegenforderungen der Beklagten von 115.500 S nicht zu Recht bestehen. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:
Aufgrund einer Anfrage der Beklagten bei der Klägerin wegen Lieferung von Profilblechen besuchte der damalige Verkaufsleiter der Klägerin, Ing. W*****, am 10. oder 11. September 1970 die Beklagte Diese beabsichtigte, der N*****‑AG ***** Profilbleche für das Dach eines Neubaus, bei dem die Firma A***** bauführend war, zu liefern. Der Verkaufsleiter der Beklagten, Dr. W*****, holte telefonisch bei der Firma A***** die technischen Daten über Belastung und Spannweite des geplanten Daches ein. Hierauf erstellte Ing. W***** zwei Varianten mit Blechstärken von 0,7 und 0,8 mm und übergab der Beklagten entsprechende technische Prospekte. Mit Fernschreiben vom 11. September 1970 offerierte nunmehr die Beklagte der Firma A***** die sendzimir verzinkten Stahlbleche der Klägerin in den beiden Varianten. Die N*****‑AG bestellte aufgrund dieses Anbots ca 9.600 m2 Profilbleche, Profil 50/170, mit 0,8 mm Blechstärke, entsprechend den Prospekten der Klägerin. Am 18. September 1970 bestätigte die Klägerin der Beklagten fernschriftlich den Auftrag über die Lieferung obiger Bleche. Mit Fernschreiben vom 23. September 1970 ersuchte die Beklagte um Übersendung der verbindlichen Zeichnungsunterlagen zur Erstellung des Verlegeplans und der Stückliste. Zwischen den Parteien wurde vereinbart, dass die Fakturierung der Ware an die Beklagte zu erfolgen habe. Am 28. September 1970 erhielt die Klägerin von der Firma A***** den Plan mit Schnitten für die Wellpappenhalle. Hiebei musste sie feststellen, dass die Angaben in der Zeichnung mit den Profilalternativen des Auftrags nicht übereinstimmten. Bei Blechstärke 0,8 mm ist nur eine Spannweite bis 3,25 m möglich, während laut Plan Spannweiten von 3,66 m vorgesehen waren. Da die Firma A***** die von der Klägerin fernschriftlich vorgeschlagene Variante 1 mit 0,7 mm Blechstärke nicht wählen wollte, einigte man sich im Fernschreibeweg, dass die Klägerin nur Stahlbleche mit Plustoleranz, also 0,85 bis 0,88 mm, aussuchen würde und die Überlappungen mit 200 mm Länge vorgenommen würden. Mit Fernschreiben vom 6. Oktober 1970 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die Firma A***** sie ausdrücklich gebeten habe, der Klägerin mitzuteilen, dass sie mit der prompten und exakten technischen Betreuung durch die Klägerin sehr zufrieden sei. Der Transport der Bleche von der Fabrik der Klägerin zur Baustelle oblag vereinbarungsgemäß der Beklagten. Am 8. Oktober 1970 wurden der Verlegungsplan und die Stücklisten mit den Gewichtsangaben der zum Versand kommenden Bleche an die Beklagte geschickt, sodass diese in der Lage war, den notwendigen Laderaum zu errechnen. Die Beklagte holte mit insgesamt fünf Lastkraftwagen die 11.595,96 lfd Meter Stahlbleche im Nettogewicht von 100.868 kg bei der Klägerin in Schweden ab. Da die Klägerin kein Stahlblech 0,8 mm mit nur Plustoleranz hatte, lieferte sie ohne Berechnung erhöhter Materialkosten Profilblech mit der Stärke 0,9 mm. Die Stahlbleche wurden fristgerecht an die Baustelle geliefert und die Firma A***** bestätigte, dass weder die Bauherrschaft noch sie selbst Grund zu einer Beanstandung der Lieferungen hinsichtlich Qualität, kompletter Abwicklung und Beratung habe. Die Klägerin stellte über ihre fünf Teillieferungen die Rechnungen vom 23. 10. 1970 über 31.753,82 sKr, vom 3. 11. 1970 über 28.592,60 sKr, vom 10. 11. 1970 über 28.696,40 sKr, vom 18. 11. 1970 über 28.300,06 sKr und vom 23. 11. 1970 über 17.750,06 sKr, Gesamtbetrag 135.092,94 sKr, aus. Diese Rechnungen waren binnen 30 Tagen nach Erhalt zur Zahlung fällig. Die Klägerin arbeitet mit Bankkredit. Ihr Debetsaldo bei der S***** Banken war in der Zeit vom 22. 11. 1970 bis 18. 3. 1971 mit 10,25 %, vom 18. 3. 1971 bis 23. 4. 1971 mit 9,75 %, vom 23. 4. 1971 bis 10. 9. 1971 mit 9,00 %, vom 10. 9. 1971 bis 11. 11. 1971 mit 8,50 % und ab 11. 11. 1971 mit 8,00 % zu verzinsen. Die Beklagte hat bis zur Einbringung der Klage am 8. 3. 1971 keine Mängelrüge erhoben. Der Verrechnung zwischen der Klägerin und der Beklagten liegt ein unbestrittener Preis von 13,70 sKr pro Quadratmeter = 11,65 sKr pro laufendem Meter zugrunde. Der Verrechnung zwischen der Beklagten und der N*****‑AG liegt ein Quadratmeterpreis von 87 S inklusive aller erforderlichen Befestigungsmittel frei Baustelle LKW‑verladen zugrunde, wobei das Ausmaß zwischen Innenkanten und der Attika des Daches der Wellpappenhalle festzustellen war. Die Verrechnung nach Dachausmaß ist branchenüblich, die für die Überlappungen notwendigen Blechmengen sind im Quadratmeterpreis der Dachfläche einzukalkulieren.
Rechtlich folgerte das Erstgericht aus diesem Sachverhalt, dass das Mehrgewicht der Bleche die Firma A***** zu vertreten habe, weil wegen unrichtiger Angaben bei der Erstellung des Anbots nachträgliche Änderungen der Blechstärke notwendig geworden seien. Sache der Beklagten wäre es gewesen, die dadurch erhöhten Transportkosten von ihrem Auftraggeber zu verlangen. Die Klägerin hafte nicht für die unrichtige Kalkulation der Beklagten. Die Beklagte hätte sich über die branchenübliche Verrechnung erkundigen müssen.
Die Berufung der Beklagten blieb erfolglos. Das Berufungsgericht verneinte das Vorliegen eines Verfahrensmangels, übernahm die Feststellungen des angefochtenen Urteils und führte in rechtlicher Hinsicht aus, die Beklagte habe durch ihre ausdrückliche Zustimmung zur Lieferung stärkerer Bleche ihre allfälligen Ansprüche gegen die Klägerin verloren. Daraus, dass die Beklagte den geänderten Blechstärken ohne jeden Vorbehalt zugestimmt habe, ergebe sich, dass der von der Beklagten angeblich erlittene Schaden nur auf eine zufolge Branchenunkenntnis fehlerhafte eigene Preiskalkulation und nicht auf einen Fehler der Klägerin zurückzuführen sei. Aus dem gleichen Grunde könne die Beklagte nicht durch das größere Gewicht erhöhte Transportkosten auf die Klägerin überwälzen. Bezüglich der Differenz zwischen 0,88 und 0,9 mm Blechstärke hätte es sich, wenn die Beklagte mit der Lieferung der stärkeren Bleche nicht einverstanden gewesen wäre, um offene Mängel gehandelt, welche sofort hätten gerügt werden müssen.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Beklagten aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das Urteil im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern, allenfalls es aufzuheben und die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückzuverweisen.
Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht gerechtfertigt.
Mangelhaft soll das Berufungsverfahren sein, weil das Vorliegen des bereits in der Berufung gerügten Mangels des erstinstanzlichen Verfahrens durch Nichtbeiziehung eines Sachverständigen aus dem Baufach zur Feststellung, ob die Überlappungen der Bleche branchenüblicherweise bei der Preisgestaltung im Quadratmeterpreis miteinkalkuliert seien, von der zweiten Instanz mit der Begründung verneint worden sei, das Erstgericht habe seine Feststellung über die Branchenüblichkeit auf die Aussage von Zeugen stützen können. Bei der Beurteilung der Branchenüblichkeit handle es sich nicht um die bloße Wiedergabe von Wahrnehmungen, sondern um die durch Sachwissen fundierten Schlüsse aus solchen Wahrnehmungen. Solche könnten nur von Sachverständigen gezogen werden.
Der Revisionswerberin entgeht, dass nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ein bereits mit Berufung geltend gemachter Verfahrensmangel, welchen das Berufungsgericht verneint hat, nicht mehr mit Revision geltend gemacht werden kann (SZ 22/106, SZ 27/4, JBl 1969, S 282 uva). Unzutreffend ist die Ansicht der Revisionswerberin, was branchenüblich sei, könne nur durch Sachverständige ermittelt werden. Es kann auch anderen Personen die Branchenüblichkeit bekannt sein. Das Bestehen eines Handelsbrauchs oder einer Usance ist ein Tatfrage. Die Beurteilung, ob die zur Klärung dieser Frage herangezogenen Beweismittel für die getroffene Feststellung ausreichen, ist ein Akt der Beweiswürdigung, dessen Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof nicht möglich ist. Da sich das Berufungsgericht mit der von der Beklagten erhobenen Mängelrüge auseinandergesetzt hat, liegt ein Verfahrensmangel nicht vor (JBl 1959, S 238, SZ 25/219 ua).
Die Rechtsrüge entbehrt, soweit sie nicht vom festgestellten Sachverhalt ausgeht, der gesetzmäßigen Darstellung. Nach dem für die rechtliche Beurteilung maßgeblichen Sachverhalt erhielt die Klägerin erst nach der Auftragserteilung von der Baufirma A*****, mit welcher die Beklagte zusammenarbeitete, den Plan mit Schnitten für die Wellpappenhalle und musste hiebei feststellen, dass die Angaben in der Zeichnung mit den Profilalternativen des Auftrags nicht übereinstimmten. Da nachher eine Einigung zwischen den Streitteilen über eine von der Klägerin vorgeschlagene Änderung des Auftrags zustandekam, kann die Beklagte aus dieser von ihr vorbehaltlos genehmigten Auftragsänderung keine durch diese Änderung ihr angeblich entstandenen Schadenersatzforderungen gegenüber der Klägerin geltend machen. Darauf, ob der Vertreter der Klägerin sich vor der Auftragserteilung an Ort und Stelle die erforderlichen Daten hätte selbst beschaffen können, kommt es bei dieser Sachlage nicht an. Sache der Beklagten wäre es gewesen, bei der einvernehmlichen Änderung des Auftrags entsprechende Vorbehalte zu machen. Da sie dies nach den Feststellungen der Vorinstanzen nicht getan und die Lieferung von Blechen der Stärke von 0,9 mm nicht rechtzeitig gerügt hat, wurden schon aus diesem Grunde mit Recht die von der Beklagten aufrechnungsweise eingewendeten Gegenforderungen verneint.
Die Revision musste daher erfolglos bleiben.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)