European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1972:0060OB00056.720.0427.000
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Beklagten sind schuldig, dem Kläger die mit 1.353,75 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Der Kläger begehrte Herausgabe von restlichen 75 Stück „Rehgeweihen“ (richtig Rehgehörne, Hirschgeweihe, Gamskrucken) aus einer im sogenannten M***** in F***** befindlichen Abnormitäten‑Sammlung; die Rehgehörne sollen auf geschnitzten Holzunterlagen mit eingestanzten Nummern befestigt sein. Diese Rehgehörne habe der Kläger seiner früheren Gattin Martha H***** auf deren Liegenschaft M***** leihweise und gegen die Verpflichtung überlassen, die Rehgehörne bei einem allfälligen Verkauf der Liegenschaft zurückzugeben. Martha H***** habe den M***** samt Einrichtung den Beklagten verkauft, jedoch die Sammlung abnormer Rehgehörne ausdrücklich vom Verkauf ausgenommen. Die Beklagten hätten nur einen Teil der Rehgehörne herausgegeben und hinsichtlich der strittig verbliebenen Stücke die Herausgabe verweigert.
Die Beklagten hielten dem Klagebegehren entgegen, Martha H***** sei nicht nur Eigentümerin des M***** als Liegenschaft gewesen, sondern auch des dortigen Inventars, zu dem die strittige Rehgehörnsammlung gehört habe. Sie habe den Beklagten unter anderem auch die vollständige Gehörnsammlung verkauft. Die Beklagten hätten sich gegenüber dem Kläger nie zur Ausfolgung von Rehgehörnen bereit erklärt oder gar verpflichtet. Trotz des von ihnen erworbenen Eigentums seien sie lediglich bereit gewesen, einzelne Stücke der Verkäuferin gegen Übergabe von Austauschstücken zu überlassen. In diesem Sinn hätten sie 81 Stück ausgefolgt. Hinsichtlich ihres Eigentumserwerbs an den strittigen Stücken berufen sich die Beklagten auf den originären Erwerb gemäß § 367 ABGB. Im Übrigen stehen sie auf dem Standpunkt, das Klagebegehren sei unbestimmt und schon aus diesem Grund abzuweisen.
Das Erstgericht verurteilte die Beklagten zur Herausgabe von 70 Stück Rehgehörnen der Abnormitätensammlung und wies ein Mehrbegehren auf Herausgabe weiterer fünf Stück ab. Mit dem nunmehr angefochtenen Urteil bestätigte das Berufungsgericht das Urteil erster Instanz, dessen das Klagebegehren teilweise abweisender Teil unangefochten in Rechtskraft erwuchs, im Übrigen auf der Grundlage des folgenden Sachverhalts:
Die Mutter des Klägers schenkte am 29. 7. 1939 dem Kläger und seinen Brüdern Anton und Carlos das S***** samt Inventar, zu dem auch eine Jagdtrophäensammlung gehörte. Aufgrund eines Teilungsübereinkommens erhielt der Kläger 203 Stück Jadgtrophäen. Unter ihnen befanden sich 177 abnorme Rehgehörne, einige Reh‑ und Gamshäupter sowie Hirschgeweihe. Der Kläger brachte die 177 abnormen Rehgehörne auf den M*****, deren Eigentümer er bis zum Jahre 1959 war. Ab diesem Jahr war die damalige und mittlerweile geschiedene Gattin des Klägers Martha H***** Eigentümerin der Liegenschaft. Der Kläger vereinbarte mit seiner Gattin anlässlich der Übertragung der Liegenschaft an sie, dass die 177 Rehgehörne der Abnormitätensammlung von der Eigentumsübertragung ausgenommen bleiben. Die Sammlung verblieb aber im M*****. Ein Dienstnehmer des Klägers hielt am 7. 10. 1959 die Stücke der Abnormitätensammlung in einem Inventar fest.
Als die Beklagten von der Absicht eines Verkaufs des M***** erfuhren, bekundeten sie im Jahre 1966 anlässlich einer Begegnung mit dem Kläger und seiner Gattin ihr Interesse. Bei einer Zusammenkunft unter Teilnahme des Gabor S***** am 27. 7. 1966 erklärten die Parteien den Kauf‑ und Verkaufswillen. Gabor S***** war seit 1966 der Verwalter des Forstbesitzes der Gattin des Klägers. Er nahm am 3. 9. 1966 ein Inventar des M***** auf, das außer ihm selbst von der Gattin des Klägers und vom Erstbeklagten unterfertigt wurde. Dem Inventar wurde folgender abschließender Satz beigefügt: „Die komplette Geweihsammlung wird nachträglich vereinbart.“ Damit sollte zum Ausdruck gebracht werden, dass über die Gehörnsammlung noch eine spätere Vereinbarung zu treffen sein werde.
In einem sogenannten Vorvertrag vom 20. 9. und 4. 10. 1966 zwischen der damals noch nicht geschiedenen Gattin des Klägers und dem Erstbeklagten bestimmt Punkt VI Folgendes: „Es wird einvernehmlich festgestellt, dass die im M***** befindliche Rehgeweihsammlung mit Ausnahme der in dem beiliegenden Verzeichnis genannten Stücke nicht Gegenstand des Kaufes sind und im Eigentum der Verkäuferin verbleiben. Die Geweihe in der Küche und im unteren Stiegenhaus können von der Verkäuferin weggenommen werden, ohne dass sie gegen andere auszutauschen sind. Die übrigen Geweihe wird die Verkäuferin nur dann wegnehmen, soweit die Verkäuferin für einen Ersatz der weggenommenen Geweihe durch andere sorgt. Die Kosten der Verkäuferin, welche für diesen Ersatz aufgewendet werden, sind von den Vertragsparteien je zur Hälfte zu tragen. Es ist zulässig, dass als Ersatzgeweihe auch zum Teil Gamskrickerl übergeben werden.“
Am 19. 10. 1966 erfolgte die Übergabe des Inventars des M***** an die Beklagten, wobei der Kläger, seine Gattin, die Beklagten und Gabor S***** anwesend waren. Der Kläger erklärte hiebei im Laufe eines Wortwechsels, er wolle sofort „seine Geweihe“ haben. „Es wurde davon gesprochen“, dass die Gehörne der Abnormitätensammlung dem Kläger gehören, eine Liste von dieser Sammlung zu verfassen sei und die Sammlung nicht Gegenstand des Kaufes gewesen sei. Gabor S***** verfasste dann eine Liste der Rehgehörne der Abnormitätensammmlung in der 89 plus 71 plus 6 (166) abnorme Rehgehörne angeführt sind. Die mit 19. 10. 1966 datierte Liste unterfertigte der Erstbeklagte. Die Bezeichnung „ein Austausch“ besagt, dass der Kläger an diesem Tag ein Rehgehörn an sich nahm und mit einem anderen austauschte. Mit der Unterfertigung dieser Liste bestätigte der Erstbeklagte das Eigentum des Klägers an den darin angeführten Gehörnen. Es übergab die von ihm unterfertigte Liste dem Kläger mit den Worten: „Da haben Sie die Liste, diese Geweihe gehören Ihnen.“
Die Gattin des Klägers erhielt kurz vor dem 7. 3. 1967 fünf Rehgehörne, die sich im Vorzimmer des M***** befanden, am 7. 3. 1967 weitere 60 Rehgehörne und am 22. 7. 1967 21 Rehgehörne aus der Abnormitätensammlung des M*****. Schließlich wurden 9 Rehgehörne der Abnormitätensammlung in der Küche gegen andere Rehgehörne ausgetauscht. Gegenwärtig sind noch 70 Rehgehörne der Sammlung im M*****.
Rechtlich beurteilte das Berufungsgericht den Sachverhalt dahin, dass das Klagebegehren bestimmt und der Titel exekutionsfähig sei und dass sich die Beklagte nicht auf § 367 ABGB berufen können. Mit der Unterfertigung des am 19. 10. 1966 angefertigten Stückverzeichnisses der Abnormitätensammlung durch den Erstbeklagten und dessen Erklärung, dass die darin angeführten Gehörne Eigentum des Klägers seien, habe nicht nur der Erstbeklagte, sondern die gleichzeitig anwesende und dem Vorgang nicht widersprechende Zweitbeklagte in schlüssiger Weise zu erkennen gegeben, dass die in dem Stückverzeichnis angeführten Gehörne zu jenen gehören, die vom Verkauf ausgenommen worden seien.
Gegen das Urteil zweiter Instanz wendet sich die Revision der Beklagten aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern, oder das Urteil aufzuheben und die Rechtssache an eine Vorinstanz zurückzuverweisen.
Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht gerechtfertigt.
Unter dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens werden nur solche Mängel behauptet, die schon dem Verfahren erster Instanz angehaftet haben sollen. Die Beklagten bekennen sich zu dem Wissen, das aufgrund wiederholter Entscheidungen eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens nur einmal geltend gemacht werden könne, doch lehnen sie diese Ansicht unter Hinweis auf eine Lehrmeinung Schimas als dem Gesetz nicht entsprechend ab. Der Oberste Gerichtshof sieht aber keinen Anlass, von seiner diesbezüglichen einheitlichen Rechtsprechung abzugehen, wobei insbesondere darauf hingewiesen werden soll, dass die Ansicht Schimas schon in der Entscheidung EvBl 1968 Nr 344 S 549 = JBl 1969 S 282 und auch in später folgenden Entscheidungen ausdrücklich abgelehnt wurde.
Die Rüge, es sei der Begriff des abnormen Rehgehörnes nicht festgestellt worden, hat mit dem Revisionsgrund des § 503 Z 2 ZPO nichts zu tun. Über diesen Punkt wird noch bei Behandlung der Rechtsfrage zu sprechen sein.
Unter dem Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit wenden sich die Beklagten dagegen, dass die Vorinstanzen immer wieder von einer Abnormitätensammlung ausgegangen seien, wobei sie sich auch auf den Kaufvertrag zwischen den Beklagten und Martha H***** (Punkt VI) gestützt hätten. Dies sei aktenwidrig, da in dem zitierten Kaufvertrag nur von einer Rehgehörnsammlung und nicht von einer Abnormitätensammlung die Rede sei. Dem ist entgegenzuhalten, dass das Klagebegehren nicht auf den zitierten Kaufvertrag gestützt wird und dass auch der Prozesserfolg des Klägers in den Vorinstanzen nicht darauf beruht. Die Feststellung, es handle sich um eine Abnormitätensammlung, beruht nicht ausschließlich auf Punkt VI des zitierten Kaufvertrags, sondern auf anderen Beweismitteln, und es kann die Feststellung deshalb keineswegs als aktenwidrig bezeichnet werden.
Unter dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung versuchen die Beklagten neuerlich ihrem Standpunkt Geltung zu verschaffen, das Klagebegehren sei unbestimmt und die Klage schon aus diesem Grund abzuweisen. In diesem Zusammenhang vermissen die Beklagten insbesondere die Angabe der einzelnen Nummern für jedes einzelne Stück der Gehörnsammlung. Im Inventar seien die Rehgehörne jeweils summarisch, also ohne Unterscheidung einzelner Gehörne, angeführt worden. Dritte Personen könnten daher die strittigen Gehörne nicht erkennen. Zu der Meinung des Berufungsgerichts, der Begriff des abnormen Rehgehörns sei in Jägerkreisen sowie nach der Verkehrsauffassung vollkommen klar, führen die Beklagten aus, dass weder sie selbst noch ein allfälliger Vollstrecker den Jägerkreisen angehören.
Zu all dem ist zu sagen, dass im Sinne der zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts die Notwendigkeit einer deutlichen Bezeichnung beweglicher Sachen (§ 370 ABGB) nicht überspitzt werden darf. Bei anderen Klagen als Zahlungsklagen ist dem Erfordernis des § 226 ZPO hinsichtlich der Bestimmtheit des Klagebegehrens jedenfalls schon dann Genüge getan, wenn man unter Berücksichtigung des Sprach‑ und Ortsgebrauchs und nach den Regeln des Verkehrs daraus entnehmen kann, was begehrt wird (EvBl 1952 Nr 229 S 354 ua). Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass die begehrten Rehgehörne den noch auf dem M***** verbliebenen Teil einer geschlossenen Gehörnsammlung darstellen. Es kann sich für einen Vollstrecker gar nicht die Frage erheben, ob er den Jägerkreisen angehört und jagdkundlich in der Lage ist zu beurteilen, ob ein bestimmtes Rehgehörn abnorm ist oder nicht. Ob einzelne Stücke mit Recht oder Unrecht in eine geschlossene Abnormitätensammlung aufgenommen wurden, ist sowohl vom Standpunkt der Bestimmtheit des Begehrens als auch der Vollstreckbarkeit des Titels gleichgültig. Nicht minder gleichgültig ist es, ob die Beklagten den Jägerkreisen angehören und diesbezüglich Fachkenntnisse besitzen. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass der Erstbeklagte ohne Widerspruch der hiebei anwesenden Zweitbeklagten ein Stückverzeichnis der Rehgehörne unterschieben und das Verzeichnis dem Kläger mit der ausdrücklichen Erklärung übergeben hat, dass diese Gehörne ihm gehören. Der wesentliche Fehler der Ausführung der Rechtsrüge in der Revision liegt darin, dass die Beklagten fast vollständig von Punkt VI des Kaufvertrags zwischen ihnen und Martha H***** ausgehen, obwohl ihnen schon das Berufungsgericht rechtlich einwandfrei gesagt hat, dass es sich diesbezüglich nur um das Innenverhältnis zwischen den Partnern dieses Vertrags handelt. Auf § 367 ABGB können sich die Beklagten ebenso wenig mit Erfolg berufen wie auf die Undeutigkeit des mehrfach zitierten Punktes VI des Kaufvertrags, weil sie jedenfalls eine Rehgehörnsammlung aus dem Verkauf des Inventars ausgenommen haben, also die Grundvoraussetzung des § 367 ABGB fehlt, nämlich ein entgeltlicher Erwerb der hier strittigen beweglichen Sachen. Deshalb erübrigen sich auch alle Betrachtungen darüber, was man als „Anvertrauen“ iSd § 367 ABGB zu verstehen hat und darüber, was die Merkmale des guten Glaubens sind. Die ausdrücklich dem Kläger gegebene Erklärung, die im Stückverzeichnis angeführten Rehgehörne gehörten ihm, ist rechtlich als ein Anerkenntnis des Herausgabeanspruchs, nämlich des ihm zugrundeliegenden Eigentums des Klägers aufzufassen, obwohl der Kläger auf dieses Anerkenntnis an sich gar nicht angewiesen ist.
Die Rechtsrüge der Revision vermag daher die zutreffende rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts nicht zu widerlegen, weshalb der Revision ein Erfolg zu versagen war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
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