OGH 1Ob92/70

OGH1Ob92/7014.5.1970

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Lassmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Greissinger, Dr. Schneider, Dr. Petretto und Dr. Schragel als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** H*****, vertreten durch Dr. Gerald Kleinschuster, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei M***** R*****, vertreten durch Dr. Robert Kronegger, Rechtsanwalt in Graz, wegen 129.139,13 S sA, infolge Revision der klagenden und der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 19. Jänner 1970, GZ 2 R 157/69-40, womit infolge Berufung der klagenden und der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 28. August 1969, GZ 14 Cg 340/67-24, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Keiner der beiden Revisionen wird Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.424,25 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.624,25 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die beiden, heute im 51. bzw 53. Lebensjahr stehenden Streitteile lernten einander im Kriege kennen, verloren aber nach Kriegsende den Kontakt. Erst im Jahre 1947 nahmen sie die Verbindung wieder auf; während die Klägerin eine gescheiterte Ehe zu überwinden hatte, stand die Beklagte vor der Aufgabe, für sich und ihren im Jahre 1945 geborenen Sohn zu sorgen, dessen Vater sie nicht geheiratet hat. Über Wunsch der Klägerin, die sich offenbar in besseren wirtschaftlichen Verhältnissen befand als die Beklagte, zog letztere mit ihrem Kind nach Graz zur Klägerin. Sie beschlossen gemeinsam zu wirtschaften, wobei die Klägerin an der technischen Hochschule Chemie studierte und dieses Studium in der Folge auch mit der Graduierung zum Diplomingenieur abschloss, während sich die Beklagte als Diplomkosmetikerin in der Folge eine Existenz schaffte. Diese „Lebensgemeinschaft", wie es die Klägerin bezeichnet, gestaltete sich anfangs sehr innig, war aber im Jahre 1957 einer starken Belastung ausgesetzt, weil die Beklagte das Interesse an dem gemeinsamen Wohnen und Wirtschaften verloren hatte und nach Salzburg übersiedeln wollte. Sie hatte am 1. 3. 1953 einen Kosmetiksalon in Weiz eröffnet, ihre Tätigkeit am 1. 1. 1954 jedoch nach Bruck an der Mur verlegt und betreibt nunmehr seit 1. 1. 1965 einen solchen Salon in Graz. Solange die Beklagte ihr Geschäft in Bruck an der Mur betrieb, kam sie zwar nicht täglich nach Graz in den gemeinsamen Haushalt mit der Klägerin zurück, wohl aber zu jedem Wochenende. Über die nach einem bestimmten Schlüssel zwischen den Streitteilen aufgeteilten Auslagen führte die Klägerin Bücher, in die auch die Einnahmen aus dem Gewerbebetrieb der Beklagten eingetragen wurden. Etwa November 1966 hatten sich die beiden Frauen derart entfremdet, dass es schließlich Mitte April 1967 zum Bruch gekommen war.

Aus dieser „Lebensgemeinschaft" macht die Klägerin nunmehr gegenüber der Beklagten Ansprüche geltend, die sie mit 129.139,13 S beziffert und wie folgt aufschlüsselt:

a) 34.000 S alte (sogenannte steuerliche), als Darlehen verbuchte Schuld; dieser Betrag setzte sich zusammen aus Kosten des täglichen Lebens, welche die Klägerin der Beklagten bis zum Jahre 1953 vorgestreckt haben soll;

b) 34.500 S an Geschäftskreditforderungen,

c) 29.689,50 S als Forderungen aus dem Geschäftskauf Graz,

d) 6.291,88 S Zinsenrückzahlung für das Geschäft in Graz,

e) 4.980,69 S Schuld aus der Handkassa,

f) 19.677,06 S Haushaltsschulden bis einschließlich Mai 1967.

Die Beklagte gab zu, dass die Streitteile jahrelang im gemeinsamen Haushalt wohnten und gemeinsam wirtschafteten, dass die Klägerin den Haushalt leitete und über die Einnahmen und Ausgaben Bücher führte. Sie bestritt jedoch die Angemessenheit des verwendeten Aufteilungsschlüssels und behauptete, die Klägerin habe von ihr größere Geldbeträge erhalten, als die einbekannten Einnahmen aus ihren Geschäften; es müsste sogar ein Guthaben der Beklagten bestehen. Im Übrigen habe die Klägerin der Beklagten aber wiederholt versichert, dass sie auf jede Verrechnung verzichte und die Beklagte durch keinerlei Kosten für die Lebenshaltung belastet werde. Die Klägerin selbst habe der Beklagten ein „Ultimatum" gestellt, von Bruck/Mur nach Graz zurückzukehren, und habe auch alles getan, um die Beklagte an sich zu binden; letztere hätte niemals ein teures Lokal in Graz erworben und die aufwendige Lebensweise der Klägerin geführt, hätte sie gewusst, eines Tages diesen Aufwand der Klägerin zurückzahlen zu müssen.

Der Erstrichter verurteilte die Beklagte zur Zahlung von 59.157,75 S, wies jedoch das Mehrbegehren von 69.981,38 S ab. Die Begründung seiner Entscheidung lässt sich wie folgt zusammenfassen: Am 20. 8. 1948 zog die Beklagte mit ihrem Kind zur Klägerin nach Graz und zwar in deren Wohnung in der Kolpinggasse. Aber schon am 15. 12. 1949 bezogen beide Streitteile eine gemeinsame Wohnung in der Schubertgasse und blieben dort bis Oktober 1956. Die Haushaltserfordernisse sollten die Streitteile im Verhältnis 3/5 zu 2/5 zu Lasten der Beklagten tragen. Am 1. 3. 1953 eröffnete die Beklagte einen eigenen Kosmetiksalon in Weiz, verlegte jedoch ihre Tätigkeit am 1. 1. 1954 Nach Bruck an der Mur. Seit 1. 1. 1965 betreibt die Beklagte ihr Gewerbe in einem eigenen Salon in Graz. Im August 1956 kaufte die Klägerin in Graz in der Grabenstraße ein Haus, wohin die Streitteile anschließend zogen. Nach dem Tode des Vaters der Klägerin (April 1957) nahm diese ihre Mutter zu sich; infolge Differenzen zwischen letzterer und der Beklagten kam es dort erst Ende 1958 zu einer gemeinsamen Haushaltsführung. Als es im Jahre 1957 zwischen den Streitteilen zu der eingangs erwähnten Krise kam, stellte die Klägerin der Beklagten brieflich und mündlich ein „Ultimatum"; die Beklagte hätte sich zu entscheiden, ob sie die ursprüngliche „Lebensgemeinschaft" mit der Klägerin weiterhin aufrechterhalten oder ihre eigenen Wege gehen wolle; ersterenfalls verlange die Klägerin von der Beklagten, dass sie so bald wie möglich ihren Arbeitsplatz nach Graz verlege, sich persönlich dem gemeinsamen Leben widme und auch im „gesellschaftlichen Leben die vorhandenen Schranken akzeptiere", andernfalls werde die Klägerin der Beklagten die Wohnmöglichkeit nicht nehmen, bis letztere den Mann ihrer Wahl gefunden habe, da sie sich verpflichtet fühle, ihr und dem Kind Wohnung zu geben, die Klägerin sei aber nicht bereit, auch einem Freund oder Ehemann der Beklagten Wohnung zu geben; im Falle weiteren Bestehens der „Gemeinsamkeit" müsse die Beklagte in Graz entweder ein Geschäft übernehmen oder neu anfangen oder eine Anstellung suchen; dabei würde ihr die Klägerin gerne helfen; wenn die Klägerin ihr Studium beendet habe und sie es sich halbwegs leisten könne, solle die Beklagte überhaupt ganz zu Hause bleiben. Die Klägerin gab der Beklagten Zeit bis zum Frühjahr 1958. Für die Aufgabe des Geschäfts in Bruck an der Mur verpflichtete sie sich, der Beklagten einen getrennten Wohnraum mit Kochnische in Hauptmiete zu überlassen und falls die Wohnung B***** in ihrem Hause frei werde, dort Gelegenheit zur Geschäftseröffnung gegen alle Ansprüche etwaiger Rechtsnachfolger zu geben. Keinesfalls sollte die Beklagte ihre Entscheidung unter dem Druck finanzieller Lasten treffen. Auch wenn sie sich entschließe, ihre eigenen Wege zu gehen, werde die Klägerin die gebuchte Schuld schriftlich stornieren; die Klägerin werde dann eben nur mehr die Wohnungsgeberin der Beklagten bleiben.

Die Beklagte verlegte dann tatsächlich ihren Kosmetiksalon von Bruck nach Graz, dies jedoch nicht bis zum Frühjahr 1958, sondern erst am 1. 1. 1965. Zwischen den Streitteilen bestand das gemeinsame Wohnen und Wirtschaften jedoch aufrecht. Erst 1966 kam es zwischen den beiden Frauen zu einer Entfremdung, die schließlich im April 1967 zum Bruch führte.

Der Erstrichter konnte nicht feststellen, dass die Klägerin auf die Verrechnung der Haushaltsschulden, die Forderungen aus dem Handkassabuch und auf die eingeräumten Geschäftskredite schon von Anfang an verzichtet hätte. Wohl aber stellte der Erstrichter fest, dass die Streitteile mit Beginn des Jahres 1965, als die Beklagte die Tätigkeit im eigenen Kosmetiksalon in Graz begonnen hatte, mit der Verrechnung von vorne anfingen. Die Klägerin sagte der Beklagten damals, dass diese ihr gegenüber keine Schulden mehr habe und dass das, was sie schuldet, von ihr bereits entnommen worden sei. Hingegen habe die Klägerin Zahlungen für Geschäftskredite der Beklagten in den Jahren 1966 und 1967 in der Höhe von 34.500 S und auch deren Eigenschaft als Darlehen gegen spätere Rückzahlung bewiesen. Die Klägerin habe ferner ihr Guthaben gegenüber der Beklagten aus dem Anteil an den Haushaltskosten ab 1. 1. 1965 in der Höhe von 19.677,06 S und aus dem Handkassabuch mit 4.980,69 S bewiesen. Es bestehe daher das Klagebegehren mit 59.157,75 S zu Recht.

Beide Streitteile fochten das Urteil des Erstrichters an. Das Berufungsgericht gab keiner der beiden Berufungen Folge und bestätigte die Entscheidung des Erstrichters. Es übernahm die Feststellungen als das Ergebnis eines mangelfreien Verfahrens und einer unbedenklichen Beweiswürdigung und teilte auch die Rechtsansicht des Erstrichters, wozu es ausführte, es könne dahingestellt bleiben, unter welchen Rechtsbegriff die von der Beklagten geradezu zur Bedingung gemachte Erklärung der Klägerin im Einzelnen zu subsumieren sei. Angesichts der unbestrittenen Tatsache, dass die Klägerin die gesamte Buchhaltung samt Kassa in der Hand hatte, gehe man nicht fehl, als Erlöschungsgrund der bis 1. 1. 1965 aufgelaufenen Schulden der Beklagten eine kontokorrentähnliche Verrechnung mit „Schulderlass" und soweit die Klägerin „das, was die Beklagte schuldete, bereits entnommen hat", als „Zahlung" anzunehmen. Alle diese Rechtsbegriffe führten gleichermaßen zur Aufhebung der Verbindlichkeit der Beklagten. Es habe aber auch der Berufung der Beklagten nicht Folge gegeben werden können. Fasse man ihre Berufungsausführungen zusammen, dann wende sie sich nicht gegen die nach dem 1. 1. 1965 entstandenen Forderungen, sondern wolle aus dem Verhalten der Klägerin, insbesondere aus deren Schreiben vom Juli 1957, einen schlüssigen Verzicht auf alle, also auch auf die nach dem 1. 1. 1965 entstandenen Forderungen, ableiten. Dieser Argumentation könne nicht gefolgt werden, denn so sehr es auf der Hand liege, dass die Klägerin mit 1. 1. 1965 „einen Strich unter die Rechnung" machen wollte, so wenig könne angenommen werden, dass sie nun für alle Zeiten namhafte Beträge für die Beklagte ohne jede Rückzahlungsverpflichtung bezahle. Das Berufungsgericht konnte sich also der Meinung der Beklagten hinsichtlich eines so weit gehenden Verzichts, der auch die nach dem 1. 1. 1965 entstandenen Forderungen erfassen sollte, nicht anschließen. Es billigte vielmehr die Ansicht des Erstrichters, dass ein solcher nicht feststellbar sei.

Gegen diese Entscheidung wenden sich die Revisionen beider Streitteile. Die Klägerin macht als Anfechtungsgründe Mangelhaftigkeit des Verfahrens, Aktenwidrikeit und unrichtige rechtliche Beurteilung (§ 503 Z 2, 3 und 4 ZPO) geltend und stellt den Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass ihr auch der restliche Betrag von 69.981,38 S zugesprochen werde, oder dass es in diesem Umfang aufgehoben und die Sache an eine der Vorinstanzen zurückverwiesen werde.

Die Beklagte hingegen bekämpft das Urteil des Berufungsgerichts nur wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung (§ 503 Z 4 ZPO) und beantragt, es im Sinne gänzlicher Klagsabweisung abzuändern oder es im stattgebenden Teil aufzuheben und die Rechtssache an die zweite oder erste Instanz zurückzuverweisen.

Wechselseitig beantragen die Parteien, der gegnerischen Revision nicht Folge zu geben.

Keine der beiden Revisionen ist gerechtfertigt.

Rechtliche Beurteilung

I. Zur Revision der Klägerin:

Als Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens rügt die Klägerin, sie habe beantragt, der Beklagten aufzutragen, sämtliche Buchhaltungsunterlagen seit dem Jahre 1953 vorzulegen; diesem Antrag sei vom Erstrichter auch stattgegeben worden. Die Beklagte habe aber nur die Unterlagen für die Jahre 1953 und 1954 vorgelegt; das Berufungsgericht habe daher zu Unrecht darin eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens nicht erblickt. Es sei - so führte die Klägerin weiter aus - im Gegensatz zur Ansicht des Berufungsgerichts nicht erforderlich, im Einzelnen anzuführen, welche und welche Stellen dieser Aufzeichnungen gegen die Feststellungen des Erstrichters sprechen würden, um einen solchen Verfahrensmangel beheben zu können, weil die Klägerin gar nicht in der Lage gewesen sei, diese Details anzuführen, zumal dies ja den Besitz dieser Unterlagen voraussetzen würde.

Wenngleich ein Mangel erster Instanz eine Revision nicht mehr geltend gemacht werden kann, wenn das Berufungsgericht bereits erkannt hat, dass er nicht vorliegt (SZ XXVII 4 ua), ist diesem Vorbringen dennoch zu erwidern, dass Erkundungsbeweise grundsätzlich unzulässig sind (2 Ob 790/51, 2 Ob 50/67). Nur im Falle eines offenbaren Behauptungs- und Beweisnotstands des Klägers könnten auch Erkundungsbeweise zugelassen werden, wenn trotz Fehlens genauer Tatsachenbehauptungen eine verlässliche Entscheidung aufgrund der vom Kläger angebotenen Beweise möglich ist (5 Ob 267/62). Aber auch daraus lässt sich für einen Erfolg der Klägerin nichts gewinnen. Es war zur Klärung des gegenständlichen Rechtsfalls nicht erforderlich, in diese Unterlagen Einsicht zu nehmen, weil das weitere Bestehen einer Forderung der Klägerin gegenüber der Beklagten aus der Zeit vor dem 1. 1. 1965 im Zeitpunkt der Einbringung der Klage von den Untergerichten als nicht erweisen angenommen wurde. Der Versuch, unter dem geltend gemachten Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit, die vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen des Erstrichters zu bekämpfen, stellt eine in diesem Verfahrensstadium unzulässige Bekämpfung der Beweiswürdigung dar.

Das Revisionsvorbringen zur behaupteten Aktenwidrigkeit ist selbst aktenwidrig. Die vom Berufungsgericht übernommene Feststellung des Erstrichter, dass die Streitteile am Beginn des Jahres 1965 mit der Verrechnung von vorne anfingen und die Klägerin der Beklagten gegenüber erklärte, diese habe keine Schulden mehr, hat der Erstrichter aufgrund der Aussage der Beklagten als Partei (S 221 d.A.) im Zusammenhalt mit dem Inhalt des Haushalts- und des Handkassabuchs getroffen, die beide am 1. 1. 1965 keinen oder keinen nennenswerten Übertrag enthielten, sowie im Zusammenhalt mit dem Inhalt der Steuerakten, in denen keine Schulden „H*****" mehr aufschienen. Wenn daher das Berufungsgericht nach Überprüfung der Beweiswürdigung diese Feststellungen des Erstrichters als unbedenklich übernommen hat, kann darin eine Aktenwidrigkeit nicht erblickt werden.

Geht man aber von dem festgestellten Sachverhalt aus, dann ist auch die Rechtsrüge unbegründet.

Es trifft vor allem nicht zu, dass für einen angenommenen nachträglichen Verzicht der Klägerin auf ihre vor dem 1. 1. 1965 entstandenen Forderungen Prozessbehauptungen der Beklagten fehlen, hat diese doch in ihrem Schriftsatz ONr 4 ausdrücklich auf einen solchen Verzicht hingewiesen (S 34 d.A.). Im Übrigen stellen sich die Ausführungen zum Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung wenigstens zum Teil ebenfalls nur als Versuch einer im Revisionsverfahren nicht mehr zulässigen Bekämpfung der Beweiswürdigung der Untergerichte dar, soweit diese nämlich einen Verzicht der Klägerin auf die bis zum 1. 1. 1965 entstandenen Forderungen angenommen haben (6 Ob 149/69 ua).

Es ist der Klägerin zuzugeben, dass die aus einer Erklärung abzuleitenden Rechtsfolgen danach zu beurteilen, wie die Erklärung bei objektiver Beurteilung der Sachlage zu verstehen war. Hiebei ist ein unentgeltlicher Verzicht auf Rechtsausübung nur anzunehmen, wenn sich der Verzicht aus der Erklärung unzweifelhaft ergibt (6 Ob 239/65 = RiZ 1966 S 148, uva, zuletzt etwa 2 Ob 267/69). Beurteilt man jedoch den gegenständlich festgestellten Sachverhalt in seiner Gesamtheit, nämlich, dass der Klägerin an der Fortsetzung der innigen Lebensgemeinschaft mit der Beklagten sehr gelegen war, ja dass sie ihr sogar ein „Ultimatum“ stellte, nach Graz in den gemeinsamen Haushalt zurückzukehren, und sie ihr für diesen Fall weitgehende Zusicherungen hinsichtlich ihrer weiteren Existenz machte und sich die Beklagte - wenn auch wesentlich später - entschloss, tatsächlich wieder zur Klägerin zurückzukehren, dann kann die festgestellte Erklärung nur dahin verstanden werden, dass die Klägerin unter die bisherige Verrechnung tatsächlich einen „Strich machen“ und man wieder von vorne anfangen wollte. Dafür sprechen auch die verschiedenen oben erwähnten buchhalterischen Unterlagen ab 1. 1. 1965. Wenn auch aus dem Schreiben vom 21. bis 30. 7. 1957 (Beilage 2) ein Verzicht auf die erst später und bis 1. 1. 1965 entstandenen Forderungen nicht abgeleitet werden kann, so ergibt sich dies zwanglos im Zusammenhang mit der zu Beginn des Jahres 1965 abgegebenen Erklärung der Klägerin.

Der Revisionswerberin kann auch nicht gefolgt werden, dass der Erstrichter diese Erklärung als Tatsache nicht festgestellt hätte. Dieser führte in seiner Entscheidung (S 255 d.A.) vielmehr ausdrücklich aus: „Wohl aber ist festzustellen, dass die Streitteile am Beginn des Jahres 1965, als die Beklagte die Tätigkeit im eigenen Kosmetiksalon in Graz aufnahm, mit der Verrechnung von vorne anfingen. Die Klägerin sagte der Beklagten, dass diese ihr gegenüber keine Schulden mehr habe und das, was sie schuldete, von ihr bereits entnommen worden war.“ Der Erstrichter stützt sich hinsichtlich dieser Feststellung auf die Aussage der Beklagten als Partei (S 211 d.A.). Es trifft aber nicht zu, dass das Berufungsgericht etwas als Tatsache übernommen hätte, was der Erstrichter gar nicht festgestellt hat. Soweit die Klägerin ausführt, mit der diesbezüglichen Aussage habe die Beklagte nur den Erlass jener Schuld verstanden, der bis zur Abfassung des Schreibens Beilage 2 entstanden ist, bekämpft sie in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung der Vorinstanzen. Es muss ferner darauf hingewiesen werden, dass Verweisungen der Revision auf Rechtsausführungen in der Berufungsschrift, wie es die Klägerin auf Seite 6 ihres Rechtsmittels unternimmt, für den Obersten Gerichtshof unbeachtlich sind (27. 10. 1926, ZBl 1927 NR 60). Soweit die Klägerin aber vorbringt, nach dem Brief (Beilage 2) sei es nicht mehr ihr Wunsch gewesen, dass die Beklagte nach Graz kommt, und sich aus ihrer Aussage als Partei ergebe, dass die Forderungen vor dem 1. 1. 1965 weiterhin zu Recht bestünden und sie diese niemals erlassen habe, bekämpft sie ebenfalls in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung der Vorinstanzen.

Es bestehen ferner keine Bedenken gegen die rechtliche Qualifikation des Erlöschungsgrundes durch das Berufungsgericht, denn sowohl „Schulderlass“ als auch „Zahlung“ („das was die Beklagte schuldete, bereits entnommen worden war“), führen dazu, dass der Klägerin aus der Zeit vor dem 1. 1. 1965 gegenüber der Beklagten keine Forderungen mehr zustehen. Es kann daher darin, dass die Untergerichte das Klagebegehren hinsichtlich dieses Teilbetrags abgewiesen haben, ein Rechtsirrtum nicht erblickt werden.

II. Zur Revision der Beklagten:

Die Beklagte vermeint, es müsse bei der rechtlichen Beurteilung des festgestellten Sachverhalts von der zwischen der Klägerin und ihr bestandenen Lebensgemeinschaft ausgegangen werden; als sie sich entschlossen hatte, ihren Kosmetiksalon von Bruck nach Graz zu verlegen, sei es zwischen den Streitteilen zufolge des Anbots der Klägerin konkludent zu der Übereinkunft gekommen, dass die Beklagte bei der Klägerin wohnen und wirtschaften könne, dies nicht unter dem Druck finanzieller Lasten und so wie dies eben zwischen zwei Personen üblich sei, die eine Lebensgemeinschaft führen; die Klägerin könne von dieser stillschweigend zustande gekommenen Willensübereinstimmung nicht einseitig abgehen und von ihr nun alle Unkosten verlangen, auf deren Ersatz sie verzichtet bzw deren Ersatz sie nie begehrt habe.

Bei diesem Vorbringen geht die Beklagte nicht vom festgestellten Sachverhalt aus, denn die Vorinstanzen haben ausdrücklich festgestellt, dass die Klägerin nur auf jene Forderung verzichtet hat, die bis zum 1. 1. 1965 entstanden ist. Die Vorinstanzen konnten jedoch nicht als erwiesen annehmen, dass sich dieser Verzicht auch auf die nach diesem Zeitpunkt entstandenen Forderungen bezogen hätte. Die Revisionsausführungen stellen sich daher lediglich als der Versuch dar, soweit die Vorinstanzen einen solchen Verzicht nicht angenommen haben, in diesem Stadium des Verfahrens in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung derselben zu bekämpfen. Zutreffend haben die Untergerichte auch begründet, dass sich aus dem Schreiben Beilage 2 ein so weitgehender Verzicht nicht ableiten lässt.

Es war daher auch der Revision der Beklagten der Erfolg zu versagen.

Die Streitteile haben die Kosten ihrer erfolglosen Rechtsmittelschriften selbst zu tragen (§§ 40, 50 ZPO). Da sie aber mit ihren Revisionsbeantwortungen jeweils die gegnerische Revision abgewehrt haben, hat die Klägerin der Beklagten diese Kosten zu ersetzen, so wie die Beklagte der Klägerin die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung zu bezahlen hat (§§ 41, 50 ZPO).

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