OGH 1Ob1/70

OGH1Ob1/7015.1.1970

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Lassmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Greissinger, Dr. Schneider, Dr. Petretto und Dr. Schragel als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Leopold M*****, vertreten durch Dr. Anton Lembacher, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) Anna F***** und 2.) Rosa F*****, beide vertreten durch Dr. Viktor Czaharnicki und Dr. Alfred Pribik, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 50.000,-- s.A. infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 21. Oktober 1969, GZ 45 R 494/69-9, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Hernals vom 19. Juni 1969, GZ 4 C 90/69-5, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, den Beklagten die mit S 1.536,32 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger begehrt von den Beklagten Rückzahlung eines Betrages von S 50.000,-- samt 4 % Zinsen seit 3. August 1968 mit der Behauptung, dass er ihnen diese Geldsumme im Juli 1968 aus Anlass des Abschlusses eines Mietvertrages über ein Geschäftslokal als "Ablöse" gezahlt habe. Es handle sich dabei um eine nach den Bestimmungen des § 17 MietG unzulässige Leistung, zu deren Rückforderung er nach dem zitierten Gesetz berechtigt sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt, wobei es von folgenden Feststellungen ausging: Der Kläger habe sich zu Beginn des Jahres 1968 bei der Verwaltung des Tabakmonopols über freie Trafiken erkundigt und sei auf diese Weise auf die im Hause der Beklagten in W*****, gelegene Tabaktrafik aufmerksam geworden. Eine Bekannte des Klägers, die sich an dem Trafikgeschäft als stille Teilhaberin beteiligen wollte, habe daraufhin im Auftrag des Klägers mit Dr. H*****, Hausverwalter und Vertreter der Beklagten, Verbindung aufgenommen und von diesem den "Preis der Trafik" mit S 50.000,-- als einmaliger Zahlung und S 1.000,-- monatlichem Mietzins erfragt. In der Kanzlei Dris. H***** sei es am 21. 3. 1968 zwischen dem Kläger und dem genannten Hausverwalter als Vertreter der Beklagten zu einer Niederschrift gekommen, derzufolge der Kläger - die Erlangung einer Verschleißerlizenz vorausgesetzt - für die Überlassung des Geschäftslokales (Trafik) S 50.000,-- als einmalige, bei Abschluss des Vertrages fällig werdende Zahlung sowie einen monatlichen Hauptmietzins von (wertgesichert) S 1.000,-- zuzüglich der auflaufenden Betriebskosten und öffentlichen Abgaben angeboten habe; Dr. H***** habe dieses Anbot im Namen der Beklagten angenommen (Beil. ./D). Der Kläger habe diese Vermietungszusage als Unterlage für sein Gesuch um Verleihung einer Verschleißerlizenz benötigt. Nach Erlangung diese Lizenz habe der Kläger mit den Beklagten am 18. 6. 1968 einen schriftlichen Mietvertrag geschlossen, in dem die einmalige Zahlung von S 50.000,--, die im August 1968, und zwar nach Übernahme des Geschäftslokales durch den Kläger tatsächlich erfolgte, nicht mehr ausdrücklich erwähnt, wohl aber angeführt worden sei, dass der Kläger näher erläuterte bauliche Veränderungen am Bestandobjekt vornehmen dürfe (Beil. ./C). Seit dem 1. 7. 1968 zahle der Kläger den Beklagten für das ihm überlassene Geschäftslokal einen Mietzins von S 1.000,-- monatlich und dazu die etwa S 200,-- monatlich betragenden Betriebskosten.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, dass die Zahlung des Betrages von S 50.000,-- eine verbotene Ablöse im Sinne des § 17 Abs 1 lit d MietG darstelle, deren Rückforderung der Kläger gem. der Bestimmung des § 17 Abs 2 MietG begehren könne.

Das Berufungsgericht gab der von den Beklagten erhobenen Berufung Folge und wies in Abänderung der erstgerichtlichen Entscheidung das Klagebegehren ab. Ausgehend von den Feststellungen des Erstgerichtes und unter Bedachtnahme auf eine in der Berufungsverhandlung erfolgte Außerstreitstellung, wonach das gegenständliche Geschäftslokal nach dem 1. 1. 1968 frei geworden und nach der Räumung durch den früheren Mieter am 18. 6. 1968 an den Kläger vermietet worden sei, erachtete das Berufungsgericht - abweichend von der Beurteilung des Erstgerichtes - die Bestimmungen des § 17 MietG über verbotene Ablösen im vorliegenden Fall für unanwendbar.

Gegen das Berufungsurteil wendet sich die vorliegende, unrichtige rechtliche Beurteilung (§ 503 Z 4 ZPO) geltend machende Revision des Klägers mit dem Antrag, es im Sinne einer Wiederherstellung der erstgerichtlichen Entscheidung abzuändern.

Die Beklagten beantragen, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Erfolg oder Misserfolg des Rechtsmittels hängen allein von der Lösung der Frage ab, ob auf den zu entscheidenden Fall die Bestimmung des § 17 Abs 2 MietG anwendbar ist, nach deren Wortlaut das, was entgegen den Bestimmungen der §§ 2 bis 16a MietG oder entgegen den Bestimmungen des ersten Absatzes leg cit geleistet wird, samt den gesetzlichen Zinsen zurückgefordert werden kann.

Dazu hat das Berufungsgericht mit Recht darauf hingewiesen, dass bereits zur Zeit der Geltung des § 16 Abs 2 und 3 MietG (alter Fassung) Rechtsprechung und Schrifttum den Anwendungsbereich des § 17 MietG auf Mietverhältnisse beschränkt haben, die hinsichtlich der Zinsbildung dem Mietengesetz unterliegen (Czech-Michlmayr, Der neue Text des Mietengesetzes, 1956, S 230 f; Zingher, Das Mietengesetz,

15. Aufl. S 59; MietSlg 8063, 8846, 16.264, 16.268, 16.271, 18.342 u. a.). Das Gericht zweiter Instanz hat auch richtig erkannt, dass durch das Inkrafttreten des Mietrechtsänderungsgesetzes vom 30. 6. 1967, BGBl Nr 281/1967, die bis zu diesem Zeitpunkt gegebenen rechtlichen Möglichkeiten einer freien Zinsvereinbarung wesentlich erweitert und im gleichen Verhältnis die Grenzen der Anwendbarkeit des § 17 MietG eingeengt wurden. So hat das Mietrechtsänderungsgesetz 1967 u.a. eine freie Vereinbarung zwischen dem Vermieter und dem Mieter über die Höhe des Mietzinses auch dann als zulässig erklärt, wenn der Vermieter eine nach dem 1. 1. 1968 frei werdende Geschäftsräumlichkeit innerhalb eines Jahres nach der Räumung durch den früheren Mieter oder Inhaber neu vermietet (§ 16 Abs 1 Z 3 MietG).

Nach den im Berufungsverfahren ergänzten Feststellungen hat sich nun der zwischen den Parteien am 18. 6. 1968 geschlossene Vertrag auf ein nach dem 1. 1. 1968 frei gewordenes Geschäftslokal (Trafik) bezogen. Die Parteien konnten daher innerhalb der ihnen durch die Vorschriften über den Wucher gezogenen Schranken, deren Überschreitung der Kläger selbst nicht behauptet hat, einen beliebigen Mietzins vereinbaren, ohne damit gegen die Verbotsnorm des § 17 MietG zu verstoßen (vgl Czech-Michlmayr, Das neue Wohnungsrecht, Bd II S 34). Das Mietengesetz behandelt auch die sogenannten Ablösen im Rahmen der Bestimmungen über "Zulässige Vereinbarungen über die Höhe des Mietzinses" (§§ 16, 16a und 17 MietG) und bringt damit zum Ausdruck, dass es diese als eine mögliche Form der Mietzinszahlung wertet. Bei Bedachtnahme auf die wirtschaftliche Funktion einer vom neuen Mieter an den Vermieter gezahlten Ablöse - eine Bezeichnung, die im Mietengesetz selbst nicht vorkommt - wird offenbar, dass es sich hierbei tatsächlich um eine, im Regelfall zu den vereinbarten wiederkehrenden Zinszahlungen hinzutretende, Mietzinsleistung handelt (vgl Ohmeyer, Die Ablöse bei Mietverträgen, JBl 1931 S 493, Zingher aaO S 55 und die dort zitierte Judikatur). Diese wirtschaftliche Betrachtungsweise lässt zugleich erkennen, dass die im Mietengesetz vorgenommene systematische Eingliederung des Ablöseproblems und dessen Behandlung im Rahmen der Bestimmungen über zulässige Zinsvereinbarungen durchaus sinnvoll ist.

Der in der Rechtsrüge enthaltene Hinweis auf die unangemessene Höhe des Mietzinses, die nach dem diesbezüglichen Revisionsvorbringen bei einer Einbeziehung der einmaligen Leistung von S 50.000,-- in die vereinbarten fortlaufenden Zinszahlungen zutage treten soll, könnte allenfalls den Versuch darstellen, eine Fehlbeurteilung der Sache durch das Berufungsgericht in der Nichtbeachtung der Bestimmungen des § 934 ABGB aufzuzeigen. Gewiss kann das Rechtsinstitut des § 934 ABGB auch bei Bestandverhältnissen zum Tragen kommen (Gschnitzer in Klang2 IV/1 S 558, 563 f und die dort enthaltenen Literaturhinweise), doch muss das beschriebene Bemühen des Klägers im vorliegenden Fall - abgesehen von der Frage eines Verzichtes der Parteien auf eine Anfechtung des Bestandvertrages wegen Verletzung über die Hälfte (siehe Beil. ./C bei § 9) - schon deshalb scheitern, weil der Kläger als der angeblich verletzte Vertragsteil nicht etwa die Aufhebung des Vertrages und im Zusammenhang damit den Rückersatz des Geleisteten gefordert, seinen Rückforderungsanspruch vielmehr ausschließlich auf die bei der gegebenen Sachlage unanwendbare Bestimmung des § 17 MietG gestützt hat.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Der Ausspruch über die Kosten beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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