Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Die untergerichtlichen Beschlüsse werden aufgehoben und dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung aufgetragen.
Beide Parteien haben die ihnen im bisherigen Rechtsmittelverfahren erwachsenen Kosten selbst zu tragen.
Text
Begründung
Die Verpflichtete ist die Mutter, der betreibende Gläubiger der außereheliche Vater der am 15. 12. 1965 geborenen Zwillinge Gerlinde und Hermine L*****. In der beim Erstgericht zu P 36/67 geführten Pflegschaft sprach der Oberste Gerichtshof mit Beschluß vom 25. 6. 1968 (ON 29 im erstgerichtlichen Akt P 36/67) aus, daß der außereheliche Vater Ludwig E***** berechtigt ist, die beiden genannten Kinder bis auf weiteres jeweils am ersten Samstag des Monates in der Zeit von 10 bis 12 Uhr in der Wohnung der Mutter in P***** zu besuchen. Dieser Beschluß wurde den Parteien am 10. 7. 1968 zugestellt. Am 6. 8. 1968 gab der Vater beim Erstgericht sinngemäß zu Protokoll: Am 3. 8. 1968, am ersten Samstag im Monat August, habe er das ihm eingeräumte Besuchsrecht auszuüben versucht. Er sei in die Wohnung der Verpflichteten eingelassen worden und in einem Zimmer, in das drei Stühle, einer für ihn und zwei für die Kinder, gestellt worden seien, mit diesen in Anwesenheit ihrer Mutter und deren Ehegatten Josef H***** zusammengetroffen. Die Mutter habe alsbald das Zimmer verlassen, wogegen ihr Mann dort zurückgeblieben sei. Nachdem die Kinder ihm, dem Vater gegenüber bereits einigermaßen zutraulich geworden seien, habe sie Josef H***** an sich genommen und mit ihnen gespielt. Vergeblich habe er deshalb H***** Vorhaltungen gemacht; dieser habe darauf erwidert, die Kinder würden eben lieber zu ihm als zu ihrem Vater kommen. Mit dem Hinweis, daß unter solchen Umständen sein Besuchsrecht praktisch vereitelt werde, stellte der Vater den Antrag, der Kindesmutter aufzutragen, alles zu unterlassen, was dem gerichtlich festgelegten Besuchsrecht widerspricht; es sei ihr eine Beugestrafe von 500 S anzudrohen (S 101 des P-Aktes). Über die Stellungnahme der Mutter zu diesem Antrag ist lediglich festgehalten, daß sie, gemäß § 358 EO hiezu vernommen, dessen Abweisung beantrage (S 109 des P-Aktes).
Der den Antrag des Vaters erledigende Beschluß des Erstgerichtes (ON 37 des P-Aktes) hat nachstehenden Wortlaut: "Der betreibenden Partei wird aufgrund des rechtskräftigen Beschlusses des Obersten Gerichtshofes vom 25. Juni 1968, P 36/67-29, gemäß § 19 (3) AußStrG zur Erzwingung des Anspruches gegen die verpflichtete Partei auf besuchsweise Übergabe der mj. Gerlinde und Hermine L***** an jedem ersten Samstag (in den für die Parteien bestimmten Beschlußausfertigungen heißt es infolge eines Schreibfehlers fälschlich Sonntag) des Monats in der Zeit von 10 bis 12 Uhr in der Wohnung der Mutter in P***** die Exekution in der Weise bewilligt, daß der verpflichteten Partei aufgetragen wird, die mj. Gerlinde und Hermine L***** am nächst fälligen Besuchstag um 10 Uhr zu übergeben und alles zu unterlassen, was der ungestörten Ausübung des Besuchsrechtes im Wege steht. Der Vollzug der bewilligten Exekution bleibt im Sinne des § 354 EO dem Exekutionsgericht vorbehalten. Als Exekutionsgericht hat das Bezirksgericht Neuhofen a. d. Krems einzuschreiten."
Am 21. 10. 1968 faßte das Erstgericht als Exekutionsgericht den Vollzugsbeschluß, womit der Verpflichteten für den Fall, als sie die beiden Kinder am nächsten Besuchstag um 10 Uhr dem betreibenden Gläubiger nicht übergebe und nicht alles unterlasse, was der ungestörten Ausübung seines Besuchsrechtes im Wege stehe, eine auf seinen Antrag zu verhängende Geldstrafe von S 500,-- angedroht wurde. Die zweite Instanz gab dem Rekurs der Verpflichteten Folge, indem sie in Abänderung der erstrichterlichen Exekutionsbewilligung (ON 37 des P-Aktes) unter gleichzeitiger Aufhebung des Vollzugsbeschlusses (ON 2 des E-Aktes) den Antrag des betreibenden Gläubigers auf Androhung einer Beugestrafe kostenpflichtig abwies. Nach den Ausführungen des Rekursgerichtes komme, da es dem betreibenden Gläubiger lediglich um die Unterlassung von Störungen seines Besuchsrechtes und nicht um die Erzwingung der ohnehin erfolgten Übergabe der Kinder zu tun sei, hier richtigerweise die Exekution nach "§ 335 EO" (S 15 Abs 2; gemeint ist aber wohl § 355 EO) in Betracht. Doch falle das nicht weiter ins Gewicht, da das anzuwendende Exekutionsmittel (Geldstrafe) das gleiche sei wie nach § 354 EO. Was nun aber die Frage der behaupteten Störung anlangt, so sei allerdings zuzugeben, daß Besuche des berechtigten Teiles in der Regel nur dann sinnvoll seien, wenn er hiebei mit den Kindern allein sein könne, da die Anwesenheit Dritter im Allgemeinen geeignet sei, die Entfaltung seiner persönlichen Beziehungen zu den Kindern zu beeinträchtigen. Dies könne aber dann nicht gelten, wenn es sich wie hier um die erst am Anfang stehende Kontaktnahme mit zweieinhalbjährigen Kindern handle. Diese würden sich vielmehr, mit dem ihnen völlig fremden Vater allein gelassen, von ihrer Mutter preisgegeben fühlen, daher ihre natürliche Scheu vor fremden Menschen nicht ohne weiteres überwinden, sondern sich ängstigen und möglicherweise in der Folge seelischen Schaden nehmen. Die Anwesenheit des Ehemannes der Mutter beim ersten Besuch des Vaters am 3. 8. 1968 und allenfalls auch noch beim zweiten und dritten Besuch sei somit bei richtigem Verhalten aller Beteiligten für die Begegnung der Kinder mit ihrem Vater als förderlich anzusehen. Dem letzteren könne zugemutet werden, sich gelegentlich seiner Besuche vorerst im Hintergrund zu halten und sich beim Spielen der Kinder mit ihrem Stiefvater mehr auf die Rolle eines Zuschauers zu beschränken. Mit der Zeit werde das von selbst anders werden und die Kinder würden ihrem ihnen allmählich vertraut gewordenen Vater zugehen. Nach einigen Besuchen, mangels besonderer Schwierigkeiten wohl spätestens nach dem dritten, werde aber der Vater verlangen können, mit den Kindern allein gelassen zu werden. Bisher jedoch sei er, wenn man von diesen Überlegungen und seinen eigenen Behauptungen ausgehe, in seinem Besuchsrecht nicht verletzt worden, so daß kein Anlaß bestehe, gegen die Mutter mit Zwangsmaßnahmen vorzugehen.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diese Entscheidung erhobene Revisionsrekurs des Vaters ist gerechtfertigt.
Das Besuchsrecht soll es dem nicht pflege- und erziehungsberechtigten Elternteil ermöglichen, sein auf Blutsverwandtschaft beruhendes Naheverhältnis zum Kind lebendig zu erhalten, eine Entfremdung zu verhindern und von dessen Erziehung und jeweiligem Gesundheitszustand unmittelbare Kenntnis zu haben. Um diesen Zweck zu erreichen, ist in aller Regel die Ausübung des Besuchsrechtes durch den erziehungsberechtigten Elternteil oder durch eine von diesem beauftragte dritte Person nicht zu überwachen, sondern das Kind dem Besuchsberechtigten allein anzuvertrauen, es sei denn, daß im Einzelfall besondere Umstände, etwa das niedrige Alter des Kindes, in dessen Interesse ein Abgehen von diesem Grundsatz geboten erscheinen lassen (vgl Wentzel-Plessl in Klang2 I/2 S 56; 1 Ob 298/68, 7 Ob 144/65 uva). Soweit daher das Rekursgericht meint, daß dem Vater bei Ausübung seines Besuchsrechtes auf die Dauer das Alleinsein mit den Kindern nicht werde verwehrt werden dürfen, bis zu deren ungefähr nach den ersten drei Besuchen zu erwartende Gewöhnung an ihn aber die Anwesenheit des Gatten der Kindesmutter zweckmäßig sei, ist diese Erwägung an sich zwar richtig, doch geht sie am Wesen der Sache vorbei. Wie nämlich seinem Antragsvorbringen (S 101 des P-Aktes) zu entnehmen ist, wendet sich der Vater, zumindest nicht ausdrücklich, gegen die Anwesenheit des Josef H***** als solche, sondern gegen die Art seines Verhaltens, nämlich dagegen, daß er angeblich die Kinder, als sie bereits im Begriffe gewesen seien, zu ihrem Vater zutraulich zu werden, geflissentlich von ihm abgelenkt habe. War das aber der Fall, dann könnte naturgemäß keine Rede davon sein, daß, wie es das Rekursgericht in Übereinstimmung mit den seinerzeitigen Rekursausführungen der Kindesmutter (S 7 des E-Aktes) annimmt, ihr Mann beim Besuch des Vaters am 3. 8. 1968 dessen Fühlungnahme mit den Kindern begünstigt hätte, vielmehr hätte er sie geradezu hintertrieben. Wie es sich tatsächlich verhielt, darüber fehlt jegliche Feststellung, was im Hinblick darauf verständlich ist, daß es sich hier dem Erstgericht zufolge um eine Zwangsvollstreckung nach § 354 EO, dem Rekursgericht zufolge um eine solche nach § 355 EO handle, in beiden Fällen aber zur Bewilligung der Exekution die Behauptung im Exekutionsantrag, die verpflichtete Partei habe gegen den Exekutionstitel verstoßen, genügt und es deren Sache ist, ihre Einwendungen (§§ 35 ff EO) zu erheben. Nun vertritt jedoch der Oberste Gerichtshof, gestützt auf die einschlägigen Darlegungen bei Neumann-Lichtblau, 4. Aufl, S 80 ff, in seiner neuesten Rechtsprechung die Auffassung und hält daran fest, daß jede die Person eines Minderjährigen berührende Maßnahme des Außerstreitrichters im Interesse des Kindes getroffen wird, das Objekt der Leistung in Wirklichkeit der Träger der Rechte ist und die Eltern nicht eigene Rechte an Kindern so, als wären diese Sachen, geltend machen können, weshalb die Interessen des Minderjährigen nicht in einem Zweiparteienverfahren zu wahren sind, an dem er gar nicht beteiligt ist, sondern von dem im Interesse des Pflegebefohlenen einschreitenden Außerstreitrichter. Zur Durchsetzung von Titeln in Fragen der Pflege und Erziehung des Kindes - und hierher gehört auch das Besuchsrecht eines Elternteiles - ist demnach das Exekutionsverfahren grundsätzlich nicht geeignet, sondern es hat das Pflegschaftsgericht gemäß § 19 Abs 1 AußStrG die angemessenen Zwangsmaßnahmen zur Vollstreckung seines Beschlusses zu verfügen (3 Ob 53/67 = ÖRZ 1967 S 123 = EvBl 1968 Nr 97 ua). Der Antrag des Vaters (S 101 des P-Aktes) kann nach Form und Inhalt zwanglos dahin verstanden werden, daß zur Durchsetzung seines Besuchsrechtes das Pflegschaftsgericht nach § 19 Abs 1 AußStrG vorgehen möge. Ob freilich die Voraussetzungen hiefür gegeben und welche Maßnahmen danach anzuordnen sind, wird das Erstgericht noch zu klären haben (§ 2 Abs 2 Z 5 AußStrG).
Dem Revisionsrekurs war daher spruchgemäß Folge zu geben. Der Kostenentscheidung liegt die Überlegung zugrunde, daß die vorliegende Sache eine solche des Außerstreitverfahrens ist, welches einen Kostenersatz jedoch nicht vorsieht.
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