OGH 5Ob261/66

OGH5Ob261/6629.9.1966

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Hammer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Sobalik, Dr. Wittmann, Dr. Winkelmann und Dr. Hager als Richter in der Konkurssache über das Vermögen des Gemeinschuldners Adalbert M*****, vertreten durch den Kurator Dr. Herbert Schaller, Rechtsanwalt in Wien, infolge Revisionsrekurses des Masseverwalters Dr. Walter Merio, Rechtsanwalt Wien I., Tuchlauben 12, und des Gemeinschuldners Adalbert M*****, vertreten durch Dr. Herbert Schaller, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 28. Juli 1966, GZ 4 R 171/65-1428, womit der Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 25. Juni 1965, GZ S 13/49-1422, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Den Revisionsrekursen wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

In der Konkurssache über das Vermögen des Adalbert M***** bildeten einen Teil der Konkursmasse die kriegsbeschädigten Wohnhäuser Wien 3., G***** und Wien 17., H*****. Die Meter der Bestandobjekte beider Häuser entrichteten Baukostenbeiträge an den Gemeinschuldner und kamen auch für die dem Aufbau ihrer Objekte dienenden Auslagen auf. Am 28. 10. 1961 legte der Masseverwalter Dr. Walter Merio die Schlussrechnung (ON 1258).

Der Gemeinschuldner bemängelte, dass der Masseverwalter es auch nach dem Wirksamwerden der Mietengesetznovelle 1951, BGBl Nr 228/1951, bei den vereinbarten Pauschalzinsen bewenden ließ, und nicht eine Festsetzung der Jahresmietwerte 1914 beantragt und auf dieser Grundlage die Einhebung des erhöhten Vielfachen begehrt habe. Das Erstgericht versagte im ersten Rechtsgang mit Beschluss vom 19. 6. 1964 (ON 1398) der vom Masseverwalter im Bericht vom 28. 10. 1961 (ON 1258), ergänzt durch die Berichte vom 28. 11. 1961 (ON 1264) und vom 12. 1. 1962 (ON 1273) gelegten Rechnung die Genehmigung. Es erkannte ferner den Masseverwalter schuldig, binnen 14 Tagen den Ersatzbetrag von 28.067 S s.A. an die Konkursmasse einzuzahlen. Es vertrat die Auffassung, dass die Mieter der angeführten Liegenschaften überwiegend für die Kosten des Wiederaufbaues der Mietgegenstände aufgekommen seien und ihre Objekte daher der Zinsbindung nach dem Mietengesetz unterliegen. Habe der Masseverwalter seit 1. 11. 1951 das nach dem Mietengesetz zulässige Vielfache nicht eingehoben, so müsse er die Differenz zwischen den eingehobenen und den gesetzlich zulässigen Mietzinsen der Masse ersetzen.

Das Rekursgericht bestätigte im ersten Rechtsgang mit Beschluss vom 20. 7. 1964 (ON 1405) den erstgerichtlichen Beschluss im Ausspruch über die Nichtgenehmigung der vom Masseverwalter gelegten Rechnung. Soweit das Erstgericht den Masseverwalter den Ersatz eines Betrages von 28.067 S s.A. auftrug, änderte das Rekursgericht den erstgerichtlichen Beschluss dahin ab, dass der Gemeinschuldner mit seinen Ansprüchen auf den Rechtsweg verwiesen wurde. Es nahm den Standpunkt ein, dass der behauptete Schaden sich nicht aus der Rechnungsprüfung ergebe und daher im ordentlichen Rechtsweg geltend zu machen sei.

Mit hg Beschluss vom 15. 10. 1964, 5 Ob 248/64-1412, wurde der Beschluss des Rekursgerichtes, der im Ausspruch über die Nichtgenehmigung der gelegten Rechnung unangefochten blieb, im Ausspruch über die Verweisung auf den Rechtsweg aufgehoben und dem Rekursgericht eine neuerliche Entscheidung aufgetragen, weil über Ansprüche gegen den Masseverwalter aus der pflichtwidrigen Führung seines Amtes bezüglich eines dem Befriedigungsfonds aller Konkursgläubiger zugefügten Vermögensnachteiles vor der Beendigung des Konkursverfahrens oder vor der Enthebung des Masseverwalters vom Konkursgericht im Rahmen des Rechnungslegungsverfahrens nach den §§ 121 ff KO zu entscheiden sei.

Das Rekursgericht hob daraufhin mit Beschluss vom 23. 11. 1964 (ON 1413) den erstgerichtlichen Beschluss in seinem Ausspruch, dass der Masseverwalter den Betrag von 28.067 S s.A. an die Konkursmasse zu zahlen habe, auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung auf, weil die Frage der Verjährung und der Umstand, ob sich der Masseverwalter von einer vertretbaren Gesetzesauslegung leiten ließ, als er keine höheren Mietzinse vorschrieb, nicht erörtert worden sein.

Das Erstgericht erkannte im zweiten Rechtsgang den Masseverwalter schuldig, den Betrag von 28.067 S und 4 % Zinsen

a) für die Zeit vom 1. 11. 1951 bis zum 30. 6. 1953 im Betrag von S 453,83 aufgerundet auf S 454,--,

b) für die Zeit vom 1. 7. 1953 bis zum 30. 6. 1960 im Betrag von S 5.841,22 abgerundet auf S 5.841,--,

c) von S 28.067,-- für die Zeit vom 1. 7. 1960

an die Konkursmasse einzuzahlen (ON 1422). Es ging davon aus, dass der Masseverwalter eine lineare Mietzinserhöhung von 30,-- S je Mietgegenstand bis Oktober 1956 vorgeschrieben habe. Als die Mieter den erhöhten Zins nicht bezahlt haben, habe er in der Gläubigerausschusssitzung vom 10. 3. 1953 für eine Klagsermächtigung keine Mehrheit erhalten. Seit Oktober 1956 sei die lineare Mietzinserhöhung nicht mehr vorgeschrieben worden. Eine Vereinbarung, den Mietzins nicht zu erhöhen, weil die Mieter Baukostenbeiträge geleistet haben, sei nicht zustandegekommen. Es wäre Amtspflicht des Masseverwalters gewesen, auf die Zulässigkeit der Mietzinserhöhung im Verfahren hinzuweisen, eine Entscheidung des Konkursgerichtes herbeizuführen und wenigstens in einem einzigen Falle als Musterprozess eine Mietzinsklage einzubringen. Die Säumnis des Masseverwalters könne nicht mehr behoben werden, weil der rückständige Mietzins wegen des Ablaufes der dreijährigen Verjährungsfrist nach § 1486 Z 4 ABGB von den Mietern der seinerzeit zur Masse gehörigen Wohnhäuser nicht mehr begehrt werden könne. Eine Vereinbarung, dass für die Dauer von 10 Jahren auf eine Erhöhung der Mietzinse wegen der Entrichtung der Baukostenbeiträge verzichtet werde, sei nicht zustandegekommen.

Eine Verjährung der Ansprüche gegen den Masseverwalter sei noch nicht eingetreten. Selbst bei einer Bejahung der Anwendbarkeit des § 1489 ABGB beginne die Frist erst mit der Entscheidung über die Rechnungslegung zu laufen. Ein Verschulden des Masseverwalters sei dadurch gegeben, dass er selbst in seinen Vorschlägen die Ansicht vertrete, die Voraussetzungen für eine Mietzinserhöhung seien nach den Vorschriften der Mietengesetznovelle 1951 gegeben, trotzdem aber die erforderlichen Maßnahmen unterlassen habe. Der dem Masseverwalter zum Ersatz an die Masse auferlegte Betrag ergebe sich aus der Differenz der nach dem Mietengesetz zulässigen Mietzinse und der tatsächlich eigehobenen Mietzinse.

Das Rekursgericht hob den erstgerichtlichen Beschluss unter Rechtskraftvorbehalt neuerdings auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung auf (ON 1428). Seine Begründung lässt sich dahin zusammenfassen, dass die dreijährige Verjährungsfrist des § 1489 ABGB auch für den Ersatzanspruch gegen den Masseverwalter zur Anwendung gelange. Sie beginne aber nicht vor der Tagsatzung, zu der gemäß § 121 Abs 3 KO der Masseverwalter, die Mitglieder des Gläubigerausschusses, der Gemeinschuldner und sämtliche Konkursgläubiger zu laden seien, wo sie in die Rechnung Einsicht nehmen und allfällige Bemängelungen bei der Tagsatzung oder vorher vorbringen können. Diesfalls sei die Tagsatzung gemäß § 121 Abs 3 KO am 12. 2. 1964 abgehalten worden. Sie habe die Abrechnungen des Masseverwalters für die Zeit vom 11. 4. 1951 bis 17. 8. 1960 betroffen. Schon mit dem Schriftsatz vom 28. 4. 1962 und seither in weiteren Schriftsätzen habe der Gemeinschuldner bemängelt, dass der Masseverwalter nicht ab 1. 11. 1951 die Hauptmietzinse auf das gesetzlich zulässige Ausmaß erhöht habe, sodass eine Verjährung nicht eingetreten sei. Doch sei zu untersuchen, ob nicht im Hinblick auf die von den Mietern erbrachten Leistungen Pauschalmietzinse vereinbart worden seien, die keine Erhöhung erfahren sollen. Eine solche Vereinbarung zugunsten der Mieter sei nach den Bestimmungen des Mietengesetzes zulässig.

In dem gegen den Beschluss des Rekursgerichtes vom Masseverwalter eingebrachten Revisionsrekurs wird der Antrag gestellt, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass der Auftrag an den Masseverwalter zur Einzahlung eines Ersatzbetrages an die Masse aufgehoben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Konkursverfahrens aufgetragen werde.

Hingegen wird in dem vom Gemeinschuldner gegen den Beschluss des Rekursgerichtes eingebrachten Revisionsrekurs beantragt, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass der erstgerichtliche Beschluss bestätigt werde.

Rechtliche Beurteilung

Beiden Revisionsrekursen kommt keine Berechtigung zu. Es kann auf sich beruhen, ob § 1489 ABGB überhaupt zur Anwendung gelangt, da es sich um die amtswegige Auferlegung eines Ersatzbetrages an den Masseverwalter handelt, dem eine Verletzung seiner Obliegenheiten zur Last gelegt wird. Desgleichen kann es unerörtert bleiben, wer vom Schaden Kenntnis erlangt haben muss, nämlich der Konkurskommissär, der Konkurssenat, die Gläubiger oder der Gemeinschuldner. Denn auf keinen Fall konnte die Höhe des entstandenen Schadens vor der Rechnungslegung des Masseverwalters feststehen. Wohl hat der Masseverwalter Zwischenabrechnungen gelegt. Aber erst mit der Schlussrechnung des Masseverwalters im Bericht vom 28. 10. 1961 (ON 1258), ergänzt durch die Berichte vom 28. 11. 1961 (ON 1264) und vom 12. 1. 1962 (ON 1273) sowie mit der Anberaumung einer Tagsatzung darüber am 12. 2. 1964 (ON 1382) konnte der Lauf einer allfälligen Verjährungsfrist beginnen, weil damit erst der Schade in seiner Gesamtheit und damit seiner Höhe nach beurteilt werden konnte. Entgegen den Ausführungen des Masseverwalters im Revisionsrekurs bedarf daher die Frage der Verjährung keiner weiteren Erörterung mehr. Eine Verjährung kommt bei der gegebenen Sach- und Rechtslage nicht in Betracht.

Es trifft zu, dass auf Mietgegenstände, die durch Kriegseinwirkung nicht nur vorübergehend unbenützbar wurden (§ 1 der EinwVO vom 28. 9. 1943, DRGBl I S 546) und überwiegend aus Mitteln der Mieter wiederhergestellt wurden, kraft Gesetzes die Vorschriften des Mietengesetzes über die Zinsbildung zur Anwendung gelangen (MietSlg Nr 3756, 3757 ua), wenn die Räume vor der Wiederherstellung der Zinsbildung des Mietengesetzes unterlagen (MietSlg Nr 3755). Kamen auf die Räume aber vor ihrer Herstellung nicht die Vorschriften des Mietengesetzes über die Zinsbildung zur Anwendung, weil einer der Befreiungstatbestände nach § 1 Abs 2 MietG gegeben war, dann greifen auch nach ihrer Wiederherstellung aus überwiegenden Mitteln des Mieters nicht kraft Gesetzes die Zinsbildungsvorschriften des Mietengesetzes Platz. Das Erstgericht ist nun davon ausgegangen, dass die kriegsbeschädigten Mietobjekte überwiegend mit Mitteln der Mieter hergestellt wurden. Es hat aber Feststellungen darüber unterlassen, ob die einzelnen Bestandgegenstände vor der Kriegseinwirkung der Zinsbildung des Mietengesetzes unterlagen. Die Sache ist daher schon aus diesem Grunde noch nicht spruchreif.

Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht bei jedem einzelnen Mietgegenstand der Wohnhäuser, deren Verwaltung dem Masseverwalter oblag, zu prüfen haben, ob vor der Kriegseinwirkung die Zinsbildung nach den Bestimmungen des Mietengesetzes oder nach den preisrechtlichen Vorschriften erfolgte oder ob eine freie Zinsbildung bestand. Auch die vom jeweiligen Mieter und Vermieter für das einzelne Objekt aufgewendeten Mittel werden festzustellen sein. Erst dann kann beurteilt werden, ob seit dem Wirksamwerden der Mietengesetznovelle 1951, was diesbezüglich gemäß Art III Z 1 des Bundesgesetzes vom 21. 9. 1951, BGBl Nr 228/1951, mit 1. 11. 1951 erfolgte, das erhöhte Vielfache von S 1,-- je Krone des Jahresmietzinses 1914 eingehoben werden durfte.

Von Belang wird es aber auch sein, welche Vereinbarungen in den einzelnen Mietverträgen über die Zinsbildung sowie über den für den Wiederaufbau der Wohnhäuser bestimmten Kostenbeitrag getroffen wurden. Es ist zulässig, Mietgegenstände, auf welche die Vorschriften des Mietengesetzes über die Zinsbildung nicht zur Anwendung gelangen, den Bestimmungen des Mietengesetzes zu unterstellen, sofern nicht preisrechtliche Vorschriften eine für den Bestandnehmer günstigere Zinsbildung vorsehen. Es bedarf aber einer Erörterung, ob nach der Absicht der Parteien vom Vielfachen des Jahresmietzinses 1914 zur Zeit der Vermietung ausgegangen wurde oder ob das jeweils nach § 2 MietG zulässige Vielfache die Grundlage der Mietzinsbildung darstellen sollte.

Was die Frage der Vereinbarung eines Pauschalzinses anlangt, so kann ein solcher auch bei Mietverhältnissen, die der Zinsbildung des Mietengesetzes unterliegen, dann vereinbart und eingehoben werden, wenn dadurch der nach den §§ 2 ff MietG zulässige Mietzins nicht überschritten wird. Diesfalls hat zwar zum Teil der vereinbarte Pauschalzins vor dem Wirksamwerden der Mietengesetznovelle 1951 offenbar den gesetzlich zulässigen Mietzins überschritten. Die Mieter haben jedoch die Überschreitung nicht geltend gemacht. Seit 1. 11. 1951 liegt der Pauschalzins unter dem Vielfachen von S 1,-- je Krone des Jahresmietzinses 1914. Es bedarf daher einer Erörterung darüber, ob allenfalls nach der Absicht der Parteien die Vereinbarung des Pauschalzinses eine allfällige gesetzlich zulässige Erhöhung des Vielfachen in Zukunft ausschließen sollte. Dem Masseverwalter ist beizutreten, dass eine solche Vereinbarung zugunsten der Mieter für die Zeit seit dem 1. 11. 1951 zulässig wäre. Für die Zeit vor dem 1. 11. 1951 wurde sie nicht angefochten und seit 1. 11. 1951 liegt offenbar eine Überschreitung des gesetzlichen Zinsausmaßes nicht vor. Dem Rekurs des Masseverwalters ist auch beizupflichten, dass, falls vereinbarte Pauschalzinse vor dem 1. 11. 1951 das gesetzliche Zinsausmaß überschritten haben, und die Mieter eine Überschreitung des gesetzlich zulässigen Zinsausmaßes deshalb nicht geltend gemacht haben, weil es seit 1. 11. 1951 beim Pauschalzins blieb, zu untersuchen wäre, welchen Schaden der Masseverwalter durch die Nichterhebung eines höheren Zinses abgewendet hat. Denn den Mietern stand es frei, die Rückforderung des unzulässigen Zinsbetrages zu begehren. Von Belang wird es gleichfalls sein, ob auch die Geltendmachung anderer Ansprüche der Mieter im Konkurs vom Masseverwalter dadurch abgewendet wurde, dass keine höheren Mietzinse eingebracht wurden.

Sofern der Gemeinschuldner von der Anwendbarkeit der Bestimmungen des Mietengesetzes über die Zinsbildung ausgeht, ist zu sagen, dass noch nicht feststeht, ob die Mietverhältnisse vor der Kriegseinwirkung den Vorschriften des Mietengesetzes über die Zinsbildung unterlagen. Beiden Revisionsrekursen war somit der Erfolg zu versagen.

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