OGH 2Ob368/64

OGH2Ob368/6421.1.1965

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Köhler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Pichler, Dr. Höltzel, Dr. Bauer und Dr. Steinböck als Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Martha H*****, 2.) mj Jörg H*****, 3.) mj Klaus H*****, 4.) mj Josef H*****, 5.) mj Gert H*****, sämtliche *****, und vertreten durch die Erstklägerin als eheliche Mutter und Vormünderin, diese vertreten durch Dr. Hans Pirker, Rechtsanwalt in Irdning, wider die beklagten Parteien 1.) Alfred R*****, 2.) Alfred G*****, beide vertreten durch Dr. Robert Plaß, Rechtsanwalt in Leoben, wegen 296.628,97 S sA, in eventu wegen 44.309,20 S sA und monatlich 3.408,40 S sowie Feststellung (Streitwert 16.000 S) infolge der Rekurse beider Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 5. Oktober 1964, GZ 3 R 147/64-24, womit das Teil- und Zwischenurteil des Kreisgerichts Leoben vom 6. Juni 1964, GZ 3 Cg 60/63-17, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Beiden Rekursen wird nicht Folge gegeben.

Die Parteien haben die Kosten ihrer erfolglosen Rechtsmittel selbst zu tragen.

Text

Begründung

Nach den bisherigen Feststellungen der Untergerichte ereignete sich am 14. 7. 1962 auf der Landstraße zwischen den Ortschaften A***** und D*****, ein Verkehrsunfall, bei dem der Gatte der Erstklägerin und Vater der Zweit- bis Fünftkläger, Josef H*****, so schwer verletzt wurde, dass er am Tage darauf starb. Der Erstbeklagte fuhr mit dem LKW des Zweitbeklagten in Richtung D*****. Während der Fahrt hatte der LKW einen so starken Ölverlust, dass sich auf der Fahrbahn eine ca 40 cm breite Ölspur von größerer Länge bildete. Josef H***** rutschte mit seinem Moped auf dieser Ölspur aus, stürzte und wurde dabei lebensgefährlich verletzt. Der Erstbeklagte wurde vom Strafgericht rechtskräftig schuldig erkannt, dass er es unterlassen habe, diese Ölspur abzusichern. Er habe dadurch eine fahrlässige Unterlassung iSd § 335 StG begangen.

Mit der vorliegenden Klage machten die Kläger Schadenersatzansprüche gegen die beiden Beklagten als Lenker und Halter des am Unfall beteiligten LKW in der oben angeführten Höhe geltend, wobei sie den ihnen durch den Tod ihres Ernährers entgangenen Unterhalt in erster Linie in Form eines Kapitalsbetrags begehrten. Daneben stellten sie auch noch das Eventualbegehren auf Auszahlung von Renten.

Die Beklagten wendeten ein Mitverschulden oder eine Mitverursachung des Josef H***** im Ausmaß von mindestens 60 % ein und begründeten dies damit, dass dieser bei gehöriger Aufmerksamkeit die Verschmutzung der Fahrbahn hätte rechtzeitig bemerken müssen und sein Moped nicht auf diese Straßenstellen hätte lenken dürfen. H***** sei auch vorschriftswidrig in der Straßenmitte gefahren.

Das Erstgericht erkannte mit Teil- und Zwischenurteil zu Recht, 1.) dass „das Leistungsbegehren“ der Kläger dem Grunde nach gegenüber beiden Beklagten zu Recht bestehe, 2.) es werde festgestellt, dass die beiden Beklagten zur ungeteilten Hand den Klägern für zukünftige Schäden aus diesem Verkehrsunfall ersatzpflichtig seien. Das Erstgericht war der Meinung, dass ein Mitverschulden des Josef H***** nicht gegeben sei. Die Ölspur habe sich zwar ca 1,20 m vom rechten Fahrbahnrand in einer Breite von ca 40 cm hingezogen und sei aus einer Entfernung von 20 bis 25 m als Flüssigkeitsstreifen erkennbar gewesen. Josef H***** habe aber nicht erkennen können, dass es sich dabei um ausgeflossenes Öl handle. Die von ihm eingehaltene Geschwindigkeit von 30 km/h sei nicht zu hoch gewesen. Da auch kein Gegenverkehr herrschte, sei auch die Fahrweise des Josef H***** näher der Fahrbahnmitte nicht als schuldhaftes Verhalten zu werten. Auch aus der Betriebsgefahr des Mopeds könne keine Mitverursachung abgeleitet werden, zumal Josef H***** keine übermäßige Geschwindigkeit eingehalten habe. Es stehe schon jetzt fest, dass den Klägern mehr entgangen sei, als 1.991,60 S monatlich, welchen Betrag sie derzeit vom Sozialversicherungsträger erhalten, weshalb zumindest ihre Ansprüche im Sinne des Eventualbegehrens gerechtfertigt seien, sodass dem Grunde nach darüber erkannt werden könne. Das Feststellungsbegehren sei gerechtfertigt, weil sich in Zukunft noch Ansprüche der Kläger, an die heute noch nicht gedacht werden könne, wie etwa aus der Berufswahl der Zweit- bis Fünftkläger, ergeben könnten. Josef H***** habe einen aufstrebenden Betrieb geführt und er hätte in Zukunft auch besser für seine Familie sorgen können.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge, hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Sache an das Erstgericht zurück, wobei es aussprach, dass das Verfahren erst nach Rechtskraft seines Beschlusses fortzusetzen sei. Das Berufungsgericht war der Meinung, dass Josef H***** ein Mitverschulden zu einem Drittel treffe, weil er bei Beachtung der Vorschrift des § 7 Abs 1 StVO 1960 so weit rechts hätte fahren müssen, dass er mit der Ölspur auf der Fahrbahn nicht in Berührung gekommen wäre. Das Berufungsgericht war jedoch der Auffassung, dass über den Grund der Ansprüche und über das Feststellungsbegehren derzeit noch nicht entschieden werden könne, weil nicht feststehe, dass den Klägern auf jeden Fall ein wenn auch noch so kleiner Teil ihrer Forderungen gebühre. Dem Feststellungsbegehren sei aber vorerst die Grundlage entzogen, wenn nicht feststehe, dass noch weitere Ansprüche der Kläger für die Zukunft zu erwarten seien. Die Kläger erhielten aus der Sozialversicherung Rentenbeträge, die unter Zugrundelegung eines Mitverschuldens des Josef H***** zu einem Drittel so hoch sein könnten, dass den Klägern keine über die an den Sozialversicherungsträger zufolge der Legalzession nach § 332 ASVG abgetretenen Ansprüche hinaus zustehen. Es sei daher weder die Fällung eines Zwischenurteils noch eines Feststellungserkenntnisses zulässig gewesen, wobei sich außerdem aus dem Spruch des angefochtenen Urteils nicht ergebe, ob sich das Zwischenurteil sowohl auf das Haupt- als auch auf das Eventualbegehren bezogen habe. Auch seien die Kläger zu verhalten, ihre Ansprüche getrennt für jede Person geltend zu machen.

Gegen den Beschluss des Berufungsgerichts richten sich die Rekurse beider Parteien. Die Kläger lassen die Aufhebung des Zwischenurteils unbekämpft und fechten nur die Aufhebung des Feststellungserkenntnisses an. Sie machen unrichtige Beweiswürdigung und unrichtige Tatsachenfeststellung sowie unrichtige rechtliche Beurteilung geltend und beantragen, den angefochtenen Beschluss, soweit damit das Teilurteil (Feststellungserkenntnis) des Erstgerichts aufgehoben wurde, aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zur Entscheidung im Sinne einer Bestätigung des erstgerichtlichen Teilurteils zurückzuverweisen.

Die Beklagten fechten den Beschluss des Berufungsgerichts insoweit an, als damit eine Verschuldensteilung im Verhältnis 2 : 1 zu ihrem Nachteil vorgenommen wurde. Sie beantragen, eine Verschuldensteilung im Verhältnis 3 : 2 zum Nachteil der Kläger vorzunehmen.

Rechtliche Beurteilung

I. Zum Rekurs der Kläger:

Die Kläger wenden sich vorerst gegen die vom Berufungsgericht vorgenommene Verschuldensteilung und führen aus, dass ein Mitverschulden des Josef H***** zu Unrecht angenommen worden sei. Sie sind der Meinung, dass das Berufungsgericht den erhobenen Sachverhalt unrichtig und nicht vollständig verwertet habe. Das Berufungsgericht hätte davon ausgehen müssen, dass entlang des rechten Fahrbahnrandes ein Holzzaun aufgestellt und dadurch die Sicht insofern beeinträchtigt worden war, als Josef H***** keine Sicht in die Unfallskurve hatte und daher schon wegen allfälliger Haustiere, Fußgänger und Kinder nicht zu knapp rechts hätte fahren dürfen. Auch fehle es an dem Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen der Fahrweise des Josef H***** und dem Unfall.

Diese Ausführungen sind nicht stichhältig. Eine Behinderung der Sicht des Josef H***** durch den am rechten Straßenrand befindlichen Zaun wurde weder behauptet noch festgestellt. Vielmehr steht fest, Josef H***** habe bereits aus einer Entfernung von 20 bis 25 m erkennen können, dass auf der Fahrbahn Flüssigkeit verschüttet worden war, die sich in einer Breite von ca 40 cm auf eine längere Strecke hinzog. Wenn Josef H***** diese Verschmutzung der Fahrbahn auch nicht als eine Ölspur erkennen konnte, so musste er daraus doch auf ein Gefahrenmoment schließen und es wäre eine selbstverständliche Vorsichtsmaßnahme gewesen, dieser Spur auszuweichen. Er hätte dies leicht tun können, weil er noch ca 1,20 m bis zum rechten Fahrbahnrand frei hatte und sich an die Fahrbahn auch noch ein Bankett anschließt. Ein Ausweichen um ca 20 cm hätte ausgereicht, um den Gefahren zu entgehen. Dabei hätte Josef H***** noch immer einen Abstand von ca 1 m vom Fahrbahnrand einhalten können, was einen ausreichenden Sicherheitsabstand bedeutet hätte.

Josef H***** hätte aber der von der Ölspur ausgehenden Gefahr gar nicht ausweichen müssen, wenn er sich vorschriftsmäßig iSd § 7 Abs 1 StVO 1960 verhalten hätte und entsprechend rechts gefahren wäre. Diese Gesetzesbestimmung hat den Zweck, allen nur möglichen Gefahren im Straßenverkehr vorzubeugen. Es ist somit auch der Rechtswidrigkeitszusammenhang gegeben, wenn Josef H***** diese Vorschrift nicht eingehalten hat. Die Kläger hätten daher gemäß § 1311 ABGB nachweisen müssen, dass sich der Unfall auch dann ereignet hätte, wenn sich Josef H***** vorschriftsmäßig verhalten hätte. Einen solchen Beweis konnten sie bei der gegebenen Sachlage nicht erbringen. Die Fahrweise des Josef H***** ist für den Unfall auch ursächlich, weil sich dieser überhaupt nur zufolge dieser Fahrweise ereignet hat. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Verschuldensteilung im Verhältnis 2 : 1 zum Nachteil der Beklagten wird der Sachlage gerecht.

Bezüglich der Aufhebung des Feststellungserkenntnisses des Erstgerichts sind die Kläger der Meinung, dass schon im Hinblick auf die Möglichkeit eines Hochschulstudiums und eines Ausstattungsanspruchs dieses Begehren gerechtfertigt gewesen sei.

Diese Ausführungen sind deshalb nicht stichhältig, weil die Kläger ein Hauptbegehren auf Abfindung aller ihrer Ansprüche durch einen Kapitalsbetrag gestellt haben, sodass für ein Feststellungsbegehren, das sich nur auf allfällige zukünftige Ansprüche beziehen könnte, kein Raum bleibt. Dieses Hauptbegehren ist noch aufrecht; auf die Ausführungen der Kläger in ihrem Rekurs, wonach sie dieses Begehren zurückziehen werden, kann nicht Bedacht genommen werden.

Dem Rechtsmittel der Kläger kann daher kein Erfolg beschieden sein.

II. Zum Rekurs der Beklagten:

Die Beklagten sind der Meinung, dass eine Verschuldensteilung im Verhältnis 3 : 2 zum Nachteil der Kläger vorzunehmen gewesen wäre. Ihren Ausführungen hiezu kann nicht beigepflichtet werden. Das Berufungsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass der Erstbeklagte dadurch, dass er die sofortige Absicherung der Ölspur unterlassen hat, die Hauptursache für den Unfall gesetzt hat. Wenn diese Spur auch auf eine Entfernung von 20 bis 25 m erkennbar war, so konnte Josef H***** doch auf diese Entfernung noch nicht wahrnehmen, dass es sich um eine Ölspur handelt, die bekanntermaßen für Kraftfahrer von besonderer Gefahr ist. Wie sich aus den obigen Ausführungen zum Rekurs der Kläger ergibt, ist Josef H***** als Mitverschulden nur anzulasten, dass er unvorsichtig gewesen sei, weil er dieser Spur nicht ausgewichen ist. Diese Unvorsichtigkeit stellt aber einen geringeren Verschuldensanteil dar als jener des Erstbeklagten. Der Oberste Gerichtshof sieht sich daher nicht veranlasst, eine Änderung der Verschuldensteilung vorzunehmen.

Da beide Parteien mit ihren Rechtsmitteln unterlegen sind, ist auszusprechen, dass sie die Kosten selbst zu tragen haben (§§ 40, 50 ZPO).

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