OGH 2Ob371/64

OGH2Ob371/6421.1.1965

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Köhler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Pichler, Dr. Höltzel, Dr. Bauer und Dr. Steinböck als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Fritz O*****, vertreten durch Dr. Walter Brunhuemer, Rechtsanwalt in Gmunden, wider die beklagte Partei Josef Wa*****, vertreten durch Dr. Karl Spitzer, Rechtsanwalt in Gmunden, wegen restl 478,10 S sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Kreisgerichts Wels als Berufungsgericht vom 29. Juni 1964, GZ R 316/64-23, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Gmunden vom 29. April 1964, GZ C 200/63 -18, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, dem Beklagten die mit 298,08 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 10. 11. 1962 stieß auf der Almsee-Landesstraße ein vom Beklagten gelenkter Personenkraftwagen im Zuge eines Überholvorgangs an einen dem Kläger gehörigen Personenkraftwagen, dessen Lenker eben im Begriff war, nach links in die Abzweigung zur K*****-Mühle einzubiegen. Der Wagen des Klägers wurde dabei beschädigt.

Das Erstgericht erkannte über das auf Zahlung von 2.512,40 S gerichtete Schadenersatzbegehren des Klägers nach Beschränkung auf den Grund des Ausspruchs zunächst mit Zwischenurteil, dass der Klagsanspruch dem Grunde nach zur Hälfte zu Recht bestehe.

Infolge Berufung beider Parteien hob das Berufungsgericht dieses Zwischenurteil zur Behebung von Feststellungsmängel auf.

Im zweiten Rechtsgang verurteilte das Erstgericht den Beklagten unter Abweisung des Mehrbegehrens von 1.556,20 S zur Zahlung von 956,20 S an den Kläger. Es kam zu dem Ergebnis, dass der Lenker des klägerischen Fahrzeugs sich nicht zur Straßenmitte eingeordnet und es unterlassen habe, sich unmittelbar vor dem Abbiegen durch einen Blick in den Rückspiegel von der Möglichkeit der gefahrlosen Durchführung des beabsichtigten Manövers zu überzeugen. Hingegen habe der Beklagte die vom Lenker des klägerischen Wagens rechtzeitig gegebenen Blinkzeichen übersehen und mit diesem Lenker nicht Kontakt aufgenommen, obwohl dessen Fahrweise Anlass zu Zweifeln gegeben habe, da er nach Betätigung des linken Fahrtrichtungsanzeigers nach rechts gelenkt habe. Auch habe der Beklagte gegen § 16 Abs 3 der Eisenbahn-KreuzungsVdg verstoßen, wonach auf einer Eisenbahnkreuzung und unmittelbar danach ein Überholen unzulässig sei. Das Verschulden beider Lenker wiege gleich schwer, sodass der Kläger nur die Hälfte seines mit 1.912,40 S festgestellten Schadens vom Beklagten verlangen könne.

Der nur vom Kläger erhobenen Berufung gab das Berufungsgericht teilweise dahin Folge, dass es auf der Grundlage des vom Erstgericht festgestellten Sachverhalts unter Annahme einer Verschuldensteilung im Verhältnis von 3 : 1 zu Lasten des Beklagten diesen schuldig erkannte, dem Kläger 1.434,30 S zu bezahlen, und das Mehrbegehren abwies. Dem klägerischen Lenker könne nur die Unterlassung des Blicks in den Rückspiegel angelastet werden.

Dieses Urteil bekämpft der Kläger, soweit ein Mitverschulden seines Lenkers angenommen wurde, mit Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Abänderungsantrag auf Zuspruch weiterer 478,10 S, allenfalls 239,05 S.

Der Beklagte beantragt, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht begründet.

Ihrer Ansicht, der Lenker des klägerischen Wagens sei überfordert, wollte man von ihm noch einen Blick in den Rückspiegel unmittelbar vor dem Abbiegen verlangen, obwohl er einem allfälligen Gegenverkehr und einem allfälligen aus der Zufahrt zur K*****-Mühle kommenden Verkehr sein Augenmerk zuwenden und überdies den Eisenbahnkörper beobachten musste, kann nicht gefolgt werden. Wie das Erstgericht feststellte, beginnt die Einfahrt zur K*****-Mühle 13 m nach dem Eisenbahngeleise. Der Bahnkörper bildete somit keine mögliche Gefahrenquelle mehr. Die Pflicht zur Beobachtung des ansonsten in Betracht kommenden Verkehrs kann aber für einen Durchschnittsfahrer kein Hindernis für einen Blick in den Rückspiegel bilden. Einen solchen erforderte jedoch die besondere Lage des Falls. Der klägerische Lenker wusste, dass hinter ihm der Beklagte nachfährt. Er zeigte eine Fahrtrichtungsänderung nach links an, lenkte jedoch sein Fahrzeug nach rechts. Dadurch schuf er eine unklare Verkehrslage, die eine Beobachtung des Verhaltens des nachfolgenden Fahrzeugs unmittelbar vor Beginn der Linkswendung gebot. Nur für den Fall, dass der Fahrzeuglenker rechtzeitig die beabsichtigte Fahrtrichtungsänderung angezeigt und sich auf dem richtigen Fahrstreifen eingeordnet hat, wurde in der Rechtsprechung ein weiterer Blick nach hinten nicht für erforderlich erachtet (ZVR 1963 Nr 196). Den von der Revision zur Stützung ihrer Ansicht geführten, durchwegs im zeitlichen Geltungsbereich des Straßenpolizeigesetzes ergangenen Entscheidungen liegt teils ein anderer Sachverhalt zugrunde, teils bringen auch sie zum Ausdruck, dass die Pflicht zur Benützung des Rückspiegels von den besonderen Umständen abhängt. Wenn der Lenker des klägerischen Fahrzeugs bei der festgestellten Verkehrslage nicht zurückblickte, bevor er nach links einzubiegen begann, dann hat er zumindest nicht jede nach den Umständen des Falls gebotene Sorgfalt beobachtet (§ 9 Abs 2 EKHG), was zur Folge hat, dass sich der Kläger eine Schmälerung seines Ersatzanspruchs gefallen lassen muss, gegen deren vom Berufungsgericht angenommenes Ausmaß keine Bedenken bestehen.

Das Berufungsgericht hat - im Gegensatz zum Erstgericht - dem Umstand, dass sich der klägerische Lenker nicht zur Mitte der 6 m breiten Fahrbahn einordnete, kein für die Verschuldensteilung ausschlaggebendes Gewicht beigemessen. Darüber hätte sich lediglich der Beklage beschweren können. Auf die Revisionsausführungen des Klägers, betreffend die verfahrensrechtliche Möglichkeit des Widerrufs einer Außerstreitstellung, braucht bei dieser Sachlage nicht eingegangen zu werden.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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