European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1964:0040OB00041.064.0728.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluss, den, soweit die Nichtigkeitsberufung verworfen wurde, als nicht in Anfechtung gezogen unberührt bleibt, in seinem übrigen Umfang aufgehoben und dem Berufungsgericht ergänzende Verhandlung und neuerliche Entscheidung aufgetragen.
Auf die Kosten des Rechtsmittelverfahrens wird gleich Verfahrenskosten erster Instanz Bedacht zu nehmen sein.
Begründung:
Erstkläger begehrt Feststellung, dass sein Dienstverhältnis bei beiden beklagten Parteien aufrecht bestehe, und die Bezahlung eines Betrags von 74.000 S sZ von der Erstbeklagten und von 44.333,34 S sZ von der Zweitbeklagten, sowie eines Betrages von 330 S von beiden Beklagten mit der Begründung, er sei bei beiden Beklagten als Geschäftsführer angestellt gewesen und mit Schreiben vom 25. 10. 1962 ungerechtfertigt entlassen worden. Die Entlassung sei überdies rechtsunwirksam, da zum Zeitpunkt ihres Ausspruchs bei keinem der beiden beklagten Vereine ein den Statuten entsprechender Vorstand, der den Verein zum Entlassungsausspruch berechtigt hätte, vorhanden gewesen sei. Die Entlassung sei überdies verspätet erfolgt.
Zweitklägerin begehrte Feststellung, dass ihr Dienstverhältnis zur erstbeklagten Partei noch aufrecht bestehe und die Bezahlung eines Betrags von 57.260 S sZ mit der Begründung, sie sei dort als Kassier angestellt gewesen und ebenfalls mit Schreiben vom 25. 10. 1962 unbegründet entlassen worden. Zur Behauptung der Rechtsunwirksamkeit der Entlassung führt sie die gleichen Gründe an wie der Erstkläger.
Beklagte Parteien bestritten dieses Vorbringen.
Das Erstgericht wies sowohl das Feststellungs- als auch das Leistungsbegehren ab. Es stellte fest, dass infolge Verhaftung des Erstklägers, der damals Obmann beider beklagten Vereine gewesen war, der Obmannstellvertreter der Erstbeklagten Michael S* die Geschäfte weiterführen musste und der zu jener Zeit beschlussfähige, aus den Mitgliedern S* und der Zweitklägerin als Kassierin bestehende Vorstand am 18. 7. 1962 gemäß § 9 Abs 3 der Statuten durch Kooptierung des Wilhelm G* ergänzt wurde. Nach der Verhaftung der Zweitklägerin habe der Vorstand der Erstbeklagten aus S* und G* bestanden, es konnte damals noch ein weiteres Mitglied kooptiert werden, sodass der Vorstand der Erstbeklagten am 25. 10. 1962 jedenfalls den Statuten gemäß zusammengesetzt und die Entlassung der beiden Kläger beschließen konnte. Auch der Vorstand der zweitbeklagten Partei sei zu jener Zeit beschlussfähig gewesen, da nach Verhaftung beider Kläger noch die Vorstandsmitglieder K* und G* übrig blieben und bei der Vorstandsitzung vom 25. 10. 1962 anwesend waren. Die Entlassung sei daher wirksam ausgesprochen worden. Sie sei aber auch gerechtfertigt gewesen, da sich die beiden Kläger, wie außer Streit gestellt wurde, längere Zeit in Untersuchungshaft befanden, Erstkläger vom 17. 7. bis 9. 11. 1962 und Zweitklägerin vom 31. 7. bis 12. 11. 1962; somit seien sie eine den Umständen nach erhebliche Zeit an der Verrichtung ihrer Dienste verhindert gewesen.
Infolge Berufung der klagenden Parteien hob das Landesgericht Graz mit dem angefochtenen Beschluss das Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Prozessgericht erster Instanz zurück. Es sprach gleichzeitig aus, dass das Verfahren erster Instanz erst nach Rechtskraft des Aufhebungsbeschlusses fortzusetzen sei (§ 319 Z 3 ZPO). Der Rekurs ist begründet.
Das Berufungsgericht traf selbst zwar keine Tatsachenfeststellungen, erachtete aber das erstinstanzliche Verfahren noch in folgenden Richtungen ergänzungsbedürftig. Es sei vor allem noch die statutengemäße Zusammensetzung des die Entlassung aussprechenden Organs zu jener Zeit zu prüfen. Unter Hinweis auf die Bestimmungen des § 9 Abs 3 der Statuten der Erstbeklagten und des § 7 Abs 5 der Statuten der Zweitbeklagten, wonach bei Ausscheiden eines gewählten Mitglieds an dessen Stelle ein anderes wählbares Mitglied kooptiert werden könne, bringt das Berufungsgericht die Rechtsauffassung zum Ausdruck, dass nach dem Inhalte der Statuten der Vorstand nicht berechtigt wäre, durch Kooptierung die Anzahl der von der letzten Generalversammlung bestimmten Mitglieder zu vermehren. Es müsse daher noch festgestellt werden, wer in dem Zeitraum zwischen der Verhaftung der Kläger und dem 25. 10. 1962 jeweils aus dem Vorstand ausschied. Das Erstgericht sei zwar aufgrund seiner Tatsachenfeststellungen zur rechtlichen Beurteilung gelangt, dass die Vorstandsitzung vom 25. 10. 1962 beschlussfähig war, jedoch mangle es an Tatsachenfeststellungen über jene Vorgänge, die im Einzelnen zu den Kooptierungen geführt hatten, wie darüber, ob die Vorstandsitzungen geschäftsordnungs‑ und statutengemäß einberufen worden waren.
Rechtliche Beurteilung
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der beklagten Parteien aus den Gründen der Aktenwidrigkeit, der Unzulässigkeit des Rechtswegs und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Beschlusses, dass dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung über die Berufung aufgetragen werde, in eventu die bisherige Entscheidung und das bisherige Verfahren als nichtig aufzuheben.
Der Rekurs ist begründet.
Die Rekurswerber vermeinen nun, den Zuschriften der Bundespolizeidirektion Graz sei mit genügender Deutlichkeit zu entnehmen gewesen, wer damals Angehöriger des Vorstands war. Dieser Rechtsmeinung ist aber wie schon das Berufungsgericht zutreffend ausführte, entgegenzuhalten, dass Berichte an die Bundespolizeidirektion keinen Aufschluss über das ordnungs- und satzungsgemäße Zustandekommen der Bestellung eines Vereinsvorstands geben.
Hingegen können die Bedenken des Berufungsgerichts in der Richtung der Mangelhaftigkeit des erstgerichtlichen Verfahrens vom Obersten Gerichtshof nicht geteilt werden.
Da nach den Statuten beider Vereine nur bei Ausscheiden eines Mitglieds des Vorstands dieser zu einer Kooptierung schreiten kann, ein Ausscheiden der Kläger als Funktionäre und Vorstandsmitglieder aber mit Rücksicht auf die Ergebnisse des Erstverfahrens nicht angenommen werden kann, ist davon auszugehen, dass der Vorstand der Erstbeklagten zur Zeit des Entlassungsausspruchs nicht statutengemäß zusammengesetzt war. Von den beklagten Parteien wird nämlich nicht behauptet, dass ein förmlicher Ausschluss der Kläger von ihren Funktionen als Vereinsorgane herbeigeführt wurde. Selbst wenn die Behauptung der beklagten Parteien zuträfe, dass der Erstkläger in einem Enthaftungsantrag im Strafverfahren erklärt habe, nicht mehr Funktionär der beiden Vereine zu sein, käme dieser Umstand mangels einer Erklärung den Vereinen selbst gegenüber einem Ausscheiden im Sinne der Statuten nicht gleich. Trotzdem ist aber der Entlassungserklärung des Michael S* vom 25. 10. 1962 Rechtswirksamkeit zuzuerkennen. Unbestritten blieb nämlich, dass sich im Zeitpunkt der Verhaftung des Erstklägers der Vorstand der erstbeklagten Partei aus dem Erstkläger als Obmann und Geschäftsführer, aus S* als bereits im Vorjahr kooptierten Obmannstellvertreter und der Zweitklägerin als Kassier zusammensetzte. Dass nach der Verhaftung des Erstklägers der Obmannstellvertreter S* die Geschäftsführung übernahm, fand in der Bestimmung des § 27 (2) der Geschäftsordnung der erstbeklagten Partei seine Stütze, wonach während der Abwesenheit einzelner Funktionäre der Vorstand geeignete Stellvertreter mit der Führung der Agenden zu betreuen hat. Es wurde bisher nicht behauptet, dass etwa die Zweitklägerin, die damals Vorstandsmitglied und noch nicht verhaftet war, dieser Anordnung widersprochen hätte. Nach der Verhaftung der Zweitklägerin war also Michael S* als einziger rite bestellter Stellvertreter des Obmanns und Geschäftsführer berechtigt, gegen nachträglichen Bericht an den Vorstand bzw die Generalversammlung unter eigener Verantwortung Anordnungen zu treffen, wie dies § 9 (9) der Statuten der erstbeklagten Partei vorsieht. Dass Gefahr im Verzuge war, wird man wohl bei der von beiden Seiten geschilderten durch die Verhaftung der Kläger hervorgerufenen Situation der erstbeklagten Partei annehmen können. Die Wahl eines neuen Vorstands wäre gemäß den Statuten nur durch Einberufung der Generalversammlung möglich gewesen. Die Entlassung der Kläger duldete schon wegen der finanziellen Folgen, aber vor allem wegen der möglichen Einrede eines verspäteten Ausspruchs derselben keinen Aufschub.
Der Entlassungserklärung S*s im Namen der erstbeklagten Partei war daher Wirksamkeit zuzubilligen.
Hinsichtlich der zweitbeklagten Partei ging das Erstgericht von der Tatsachenfeststellung aus, dass eine Kooptierungsmeldung nicht erstattet wurde und am 25. 10. 1962 von den seinerzeit bestellten Vorstandsmitgliedern Dr. A*, Kr*, K* und G* die beiden letzteren, also die Hälfte der Vorstandsmitglieder, die Entlassung beschlossen. Nach § 7 (5) der Statuten der zweitbeklagten Partei ist der Vorstand bei Anwesenheit der Hälfte seiner Mitglieder beschlussfähig. Eine schriftliche Einberufung zur Sitzung ist nach diesen Statuten nicht Voraussetzung für die Gültigkeit der Beschlussfassung.
Gelangt also das Berufungsgericht bei den von ihm noch zutreffenden Tatsachenfeststellungen gleich dem Erstgericht zu dem Ergebnis, dass die beiden Vorstandsmitglieder K* und G* die Entlassung der Klägerin beschlossen, dann war auch die Entlassung namens der zweitbeklagten Partei rechtswirksam. Sie ist nach den klägerischen Behauptungen beiden Klägern auch zugekommen. Die Mitteilung der Entlassung unterliegt keiner Formvorschrift. Wird sie schriftlich mitgeteilt, so bedarf die Mitteilung keiner firmenmäßigen Fertigung und auch nicht der Unterschrift eines nach den Statuten vorgesehenen Zeichnungsberechtigten (Arb 5.173). Auch in dieser Richtung wird sich eine weitere Beweisführung durch das Erstgericht erübrigen.
Als Entlassungsgrund wurde, wenn auch erst im Berufungsverfahren, die Verhinderung der Dienstnehmer an der Verrichtung ihrer Dienste während einer den Umständen nach erheblichen Zeit infolge ihrer mehrmonatigen Untersuchungshaft geltend gemacht. Nach den Klagserzählungen wurde den Klägern das Entlassungsschreiben während ihrer Haftzeit, also noch vor dem Ende ihrer Behinderung, zugestellt. Dem angezogenen Entlassungsgrund liegt ein Dauerzustand zugrunde, der als Entlassungsgrund so lange geltend gemacht werden kann, als er andauert (Arb 5.877, 7.411, JBl 1954, S 466). Es wird daher auch in diesem Belange eine weitere Beweisführung über die Rechtzeitigkeit des Entlassungsausspruchs entfallen können.
Abgesehen von den oben ausgeführten Erwägungen ist der Entlassung aber auch aus folgenden Gründen Rechtswirksamkeit zuzuerkennen. Geht man nämlich von der Tatsache aus, dass der im Zeitpunkt der Entlassungserklärung bestehende Vorstand infolge seiner nicht den Statuten gemäß erfolgten Zusammensetzung die ihm übertragene Aufgabe überschritt, so ist in der Rechtsverteidigung der beklagten Partei nunmehr eine nachträgliche Genehmigung des Rechtsgeschäfts (Entlassung) im Sinne des § 1016 ABGB im Zusammenhalt mit § 26 ABGB zu erblicken. Genehmigt aber der Vertretene (die beklagten Vereine) das Geschäft, so wird es rückwirkend zwischen ihm und dem Dritten (den Klägern) wirksam (Klang2, § 1016, S 853). Auch aus diesem Grunde erscheinen somit die Bedenken des Berufungsgerichts gegen die Wirksamkeit der Entlassungserklärung nicht gerechtfertigt.
Was schließlich die im Rekurs erstmalig eingewendete Unzulässigkeit des Rechtswegs unter Berufung auf die Schiedsgerichtsklauseln in den beiden Statuten betrifft, so begründet eine derartige, in Statuten vorgesehene Klausel für Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis nach ständiger Rechtsprechung nicht die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs, sondern lediglich die der Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts, die jedoch schon am Beginn des Rechtsstreits hätte erhoben werden müssen (SZ II/41, VI/122). Darüber hinaus beziehen sich die Schiedsgerichtsklauseln nur auf die „aus dem Vereinsverhältnis“ entstehenden, also nicht auch auf jene Streitigkeiten, die wie die verfahrensgegenständlichen, zwischen den Vereinen und ihren Dienstnehmern wegen Dienstentgeltsansprüchen nach dem Angestelltengesetz entstehen.
Der Oberste Gerichtshof teilt somit nicht die Auffassung des Berufungsgerichts, dass der Sachverhalt in wesentlichen Punkten ungeklärt geblieben sei. Es war daher der Beschluss des Berufungsgerichts in seinem angefochtenen Umfang aufzuheben und die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung im Sinne des § 25 ArbGerG und neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf § 52 ZPO.
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