OGH 8Ob270/63

OGH8Ob270/6329.10.1963

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Lenk als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachout, Dr. Bauer, Dr. Rothe und Dr. Kohlbank als Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Erwin P*****, 2. Martina P*****, und vertreten durch Dr. Johannes Galvanek, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Walter M*****, vertreten durch Dr. Leopold Schön, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 12. Juli 1963, GZ 41 R 324/63-16, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 26. April 1963, GZ 43 C 307/62-10 aufgehoben wurde, den Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und es wird die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Die Kosten des Rekurses der klagenden Parteien sind als weitere Kosten des Berufungsverfahrens zu behandeln.

Der als "Revisionsbeantwortung " bezeichnete Schriftsatz der Beklagten Partei wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten dieses Schriftsatzes selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Kläger änderten in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung am 9. 1. 1963 das in der Klage gestellte Feststellungsbegehren in ein Unterlassungsbegehren des Inhaltes ab, der Beklagte sei schuldig, die Benützung des im Hause Wien 5., *****, im 1. Stock vom Stiegenaufgang links, gegenüber der Türnummer 11, befindlichen Gangklosetts zu unterlassen. Der Beklagte sprach sich gegen diese Klagsänderung aus.

Das Erstgericht heilt die Änderung des Klagebegehrens für zulässig, weil sie sich auf den gleichen Sachverhalt wie das ursprünglich gestellte Feststellungsbegehren stütze und durch die Änderung des Begehrens keine Verzögerung des Verfahrens zu befürchten sei. Es erkannten - ohne ausdrückliche formelle Beschlußfassung über die Klagsänderung - über das geänderte Unterlassungsbegehren im Sinne seiner Stattgebung.

Das Berufungsgericht hielt die Klagsänderung für unzulässig, weil der Kläger kein rechtliches Interesse an dem ursprünglich gestellten Feststellungsbegehren gehabt habe, sodaß dieses Begehren bereits im Sinne einer Klagsabweisung spruchreif gewesen sei. Obwohl das Berufungsgericht zunächst auf die Entscheidung vom 14. 12. 1909, GlUNF Nr 4.826, verweis, wonach die Rechtsmittelinstanz, wenn sie entgegen dem Erstgerichte die Klagsänderung für unzulässig halte, über das ursprüngliche Begehren zu entscheiden habe, hob es das Ersturteil mit der Begründung auf, es habe nicht mit einer Entscheidung in der Sache selbst vorgehen können, weil das Erstgericht nicht über das ursprünglich, sondern über das geänderte Klagebegehren entschieden habe.

Die Kläger bekämpfen den Beschluß des Berufungsgerichtes mit einem - unrichtigen als Revision bezeichneten - Rekurs.

Diese unrichtige Bezeichnung des Rechtsmittels hat die beklagte Partei veranlaßt, eine "Revisionsbeantwortung" zu erstatten, die aber mit Rücksicht darauf, daß das Rekursverfahren ein einseitiges Verfahren ist und eine Beteiligung des Prozeßgegners nicht kennt als unzulässig zurückzuweisen war.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der Kläger ist begründet.

Wie der Oberste Gerichtshof in wiederholten Entscheidungen ausgesprochen hat, liegt es im Sinne der Zivilprozeßordnung, Klagsänderungen, wenn tunlich, zuzulassen, weil sie den Parteien und dem Gerichte einen zweiten Prozeß ersparen. Aussichtslosigkeit des ersten oder des geänderten Begehrens oder selbst die Notwendigkeit einer Vertagung sind keineswegs ein Grund die Klagsänderung zu versagen (vgl SZ XXVII/167, EvBl 1959, Nr 382 ua). Nur dann wäre eine Klagsänderung nicht zuzulassen, wenn sie durch Änderung des Begehrens oder des Klagsgrundes den Rahmen des ursprünglichen Rechtsstreites sprengen und damit eine erhebliche Verzögerung oder Erschwerung der Prozeßführung herbeiführen würde.

Das trifft aber hier nicht zu, denn durch die Änderung des Feststellungsbegehrens in ein Unterlassungsbegehren wurde der relevante Prozeßstoff in keiner Weise betroffen. Schon das Erstgericht hat mit Recht darauf hingewiesen, daß sich das geänderte Klagebegehren auf den gleichen Sachverhalt stützte, wie das ursprünglich gestellte und daher durch die Klagsänderung das Verfahren nicht verzögert werde. Die Tatsache, daß, wie das Berufungsgericht meint, das Feststellungsbegehren aus prozeßualen Gründen abzuweisen gewesen wäre, kann für die Frage der Zulässigkeit der Klagsänderung nicht entscheidend sein (EvBl 1959, Nr 382). Der Oberste Gerichtshof kann daher die der Prozeßökonomie widerstreitende Rechtsansicht des Berufungsgerichtes nicht teilen. In der Sache selbst konnte das Revisionsgericht jedoch nicht entscheiden, weil das Berufungsgericht die Sachentscheidung des Erstgerichtes aufgehoben und die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen hat.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

Der Ausspruch über die Kosten des von den klagenden Parteien erhobenen Rekurses stützt sich auf § 52 Abs 1 ZPO. Der Ausspruch über die Kosten der von der beklagten Partei eingebrachten, unzulässigen, als "Revisionsbeantwortung" bezeichneten Entgegnung zum Rekurse der Kläger gründet sich auf die §§ 40, 50 ZPO.

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