OGH 6Ob184/62

OGH6Ob184/625.9.1962

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Deutsch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Meyer-Jodas, Dr. Lachout, Dr. Hammer und Dr. Lassmann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei prot. Firma K*****, vertreten durch Dr. Helmuth Schmid, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Otto G*****, vertreten durch Dr. Walter Muhry, Rechtsanwalt in Graz, wegen 10.500 S sA, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 9. Mai 1962, GZ 1 R 56/62, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 28. Februar 1962, GZ 7 Cg 840/61-6, unter Rechtskraftvorbehalt aufgehoben wird, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluss aufgehoben und die Rechtssache zu neuerlicher Entscheidung an das Berufungsgericht zurückgewiesen.

Die Rekurskosten sind wie Kosten des Berufungsverfahrens zu behandeln.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Klägerin, eine Maschinenhändlerin in G*****, verkaufte dem Beklagten, einem Zementwarenerzeuger in N*****, am 17. 4. 1959 eine Betonmischmaschine, welche von der Maschinenfabrik J***** K***** in W***** hergestellt worden war. Auf den Kaufpreis von 20.935 S bezahlte der Beklagte, dem bei der Bestellung die seit 1. 8. 1955 geltenden „Allgemeinen Lieferbedingungen des Fachverbands der Maschinen- und Stahl und Eisenbauindustrie Österreichs“ (Beil ./B) ausgehändigt worden waren, zunächst 6.935 S. In der Folge zeigten sich bei der dem Beklagten gelieferten Maschine wiederholt Mängel, deren Behebung über seine Reklamation und Veranlassung der Klägerin mehrfach versucht wurde. Zuletzt traten Brüche auf, worauf die Maschine in die Fabrik K***** nach W***** gebracht wurde, wo sie bis zur rechtskräftigen Beendigung des Prozesses 2 C 1304/59 (später 2 C 872/60) des Bezirksgerichts für Zivilrechtssachen Graz blieb.

In diesem, am 14. 10. 1959 anhängig gemachten Prozess hatte der Beklagte die Klägerin aus dem Titel der Gewährleistung und Irreführung bzw des Rücktritts vom Vertrag in erster Linie auf Rückzahlung des von ihm schon bezahlten Betrags von 6.935 S hilfsweise auch auf Verbesserung der ihm gelieferten Maschine belangt. Während er mit seinem Hauptbegehren unterlag, gab das Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz dem Verbesserungsbegehren - die technischen Einzelheiten können hier wohl übergangen werden - mit Urteil vom 17. 10. 1960 statt. Die Berufungen der Klägerin und der dem Prozess auf ihrer Seite als Nebenintervenientin beigetretenen Firma K***** blieben erfolglos. Das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 21. 12. 1960, gegen das zufolge des Ausspruchs, der Wert des Streitgegenstands übersteige nicht 10.000 S, ein weiterer Rechtszug ausgeschlossen war, wurde den Parteienvertretern am 19. 1. 1961 zugestellt.

Dieser Judikatschuld hat die Klägerin - nach der Aktenlage am 10. 3. 191 - entsprochen, worauf der Beklagte allerdings erst im September 1961 einen weiteren Betrag von 3.500 S bezahlte, sodass vom Kaufpreis von 20.935 S noch ein Restbetrag von 10.500 S aushaftet.

Im vorliegenden, seit 14. 11. 1961 anhängigen Prozess belangte nun die Klägerin den Beklagten auf Bezahlung dieses Restkaufpreises samt 10 % Zinsen ab 4. 1. 1961. Sie stützte sich dabei darauf, dass der Vorprozess am 3. 1. 1961 rechtskräftig beendet worden sei, sodass mit diesem Tage festgestanden sei, der Beklagte müsse sich mit der Reparatur der Maschine begnügen und den Restkaufpreis bezahlen; da sie mit 10%-igem Bankkredit arbeite, sei sie auch berechtigt, 10 % Zinsen des geschuldeten Betrags ab 4. 1. 1961 zu fordern.

Der Beklagte wendete aufrechnungsweise eine Gegenforderung in der Höhe der Klageforderung ein, wobei er sich einerseits auf den Rechtsgrund des Schadenersatzes, andererseits - allerdings ohne nähere Präzisierung (S 21) - auf den der Gewährleistung stützte. Was den Schadenersatzanspruch betrifft, so lastete der Beklagte der Klägerin als ihr Verschulden bzw von ihr wenigstens zu vertretendes Verschulden an, es sei nicht der richtige Elektromotor geliefert worden, es sei ihm ungeachtet des Hinweises auf verschiedene Mängel nicht von der Weiterverwendung der Maschine abgeraten worden, was schließlich zu Brüchen geführt habe, und überdies seien die in der Zwischenzeit vorgenommenen Reparaturen, zu denen sich die Klägerin der Maschinenfabrik K***** bedient habe, schlecht ausgeführt worden; der Schaden, dessen Ersatz der Beklagte begehrte soll darin bestehen, dass infolge der Unzulänglichkeit der gelieferten Maschine während mindestens 15 Monaten die halbe Arbeitskraft eines Hilfsarbeiters mit einem Kostenaufwand von 700 S monatlich zusätzlich nötig gewesen sei. Dem weiteren Vorbringen der Klägerin, gemäß Pkt G, Z 9 der „Allgemeinen Lieferbedingungen“ sei die Erhebung von Schadenersatzansprüchen gegen die Klägerin ausgeschlossen, begegnete der Beklagte mit dem Einwand, dass dieser Punkt der „Allgemeinen Lieferbedingungen“ nur Gewährleistungs-, nicht aber Schadenersatzansprüche betreffe, dass dieser die Einschränkung der Mängelhaftung betreffende Punkt in den umfangreichen „Allgemeinen Lieferbedingungen“ drucktechnisch in keiner Weise hervorgehoben sei und er die „Allgemeinen Lieferbedingungen“ nicht durchgesehen habe, weil er von der Klägerin nicht auf die einzelnen Bestimmungen hingewiesen worden sei.

Der Erstrichter gab dem Klagebegehren statt, ohne allerdings über die eingewendete Gegenforderung spruchmäßig zu entscheiden. Er begründete sein Urteil im Wesentlichen damit, dass sich der Beklagte durch sein Verhalten bei der Annahme der „Allgemeinen Lieferbedingungen“ deren Bestimmungen unterworfen habe, dass die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen durch Punkt G, Z 9 der „Allgemeinen Lieferbedingungen“ ausgeschlossen sei, während die behauptete schlechte Reparatur nur wiederum eine neuerliche kostenlose Reparatur aus dem Titel der Gewährleistung innerhalb der gesetzlichen Frist nach sich ziehen könne; ein Zinsenbegehren in der Höhe von 10 % sei durchaus üblich.

Das Berufungsgericht verwies die Rechtssache unter Rechtskraftvorbehalt an die erste Instanz zurück. Die Begründung seines Beschlusses lässt sich wie folgt zusammenfassen: Dass der Beurteilung des Falls die „Allgemeinen Lieferbedingungen“ (Beil ./B) zugrunde zu legen seien, werde vom Beklagten nicht bekämpft und sei auch unbedenklich; dem Erstrichter sei auch darin zuzustimmen, dass der Beklagte weder aus der drucktechnischen Ausstattung der Lieferbedingungen noch daraus, dass er sie angeblich nicht durchgesehen habe und auch nicht im besonderen auf einzelne ihrer Bestimmungen aufmerksam gemacht worden sei, für seinen Standpunkt etwas gewinnen könne; dagegen könne dem Erstrichter bei Auslegung des Punkts G, Z 9 der „Allgemeinen Lieferbedingungen“ nicht gefolgt werden, denn er enthalte wohl einen Ausschluss bestimmter Gewährleistungsansprüche, aber nicht oder zumindest nicht eindeutig einen Verzicht auf Schadenersatzansprüche, der freilich - in gewissen Grenzen - rechtlich zulässig gewesen wäre; es müssten daher die zur Beurteilung des Schadenersatzanspruchs des Beklagten erforderlichen Feststellungen getroffen werden; auch zur Beurteilung des Zinsenbegehrens müssen unter Bedachtnahme auf die im Gutachten des Obersten Gerichtshofs vom 8. 3. 1923, SZ V/53, niedergelegten Grundsätze die erforderlichen Feststellungen getroffen werden; mit bloßen Parteibehauptungen oder dem Hinweis auf die „Üblichkeit“ solcher Verzinsungssätze könne nicht das Auslangen gefunden werden.

Der Beschluss des Berufungsgerichts wird von der Klägerin mit Rekurs bekämpft, wobei Spruchreife der Sache geltend gemacht wird.

Dass sich die Kompensationsforderung aus dem Titel eines Gewährleistungsanspruchs nicht ableiten lässt, war schon im Berufungsverfahren unbekämpft geblieben. Der Oberste Gerichtshof hat daher keine Veranlassung, sich mit dieser Frage noch zu befassen.

Was das Schadenersatzbegehren des Beklagten betrifft, ist dem Rekurs aus nachstehenden Erwägungen Folge zu geben:

Punkt G der „Allgemeinen Lieferbedingungen“ (Beil ./B) befasst sich mit der „Mängelhaftung des Lieferers“ und enthält ua folgende Bestimmung:

„9.) Die Mängelhaftung des Lieferers umfasst in allen Fällen nur die Beseitigung des von ihm zu vertretenden Mangels und schließt darüber hinausgehende Ansprüche des Bestellers, insbesondere für Folgeschäden, aus. Eine Verlängerung der ursprünglichen Gewährleistungsfrist tritt wegen einer Mängelbehebung nicht ein.“

Der in dieser nach den Verfahrensergebnissen zum Vertragsinhalt gewordenen Bestimmung verwendete Ausdruck „Folgeschäden“ ist nicht dem Gesetz entnommen, hat also keine durch das Gesetz festgelegte Bedeutung nach § 914 ABGB auszulegen. Da der Beklagte seiner eigenen Behauptung nach die „Allgemeinen Lieferbedingungen“ seinerzeit gar nicht gelesen hatte, kommt es hier unter Bedachtnahme auf die Gewohnheit des redlichen Verkehrs darauf an, wie er bei objektiver Beurteilung zu verstehen ist. „Folgeschäden“ können unter diesem Gesichtspunkt zunächst Schäden sein, die außerhalb des unmittelbaren technischen Bereichs eines Mangels an der gelieferten Maschine selbst oder in deren Umgebung entstehen, wenn sie trotz des Mangels weiters in Betrieb gehalten wird; es können aber auch sonstige Nachteile sein, die der Käufer der mangelhaften Maschine an seinem Vermögen erleidet und mit dem Mangel nur in einem entfernteren oder mittelbaren Zusammenhang gebracht werden können, wie etwa Gewinnentgang infolge der ungenügenden Leistung der Maschine. Da die im Punkt G, Z 9 der „Allgemeinen Lieferbedingungen“ gewählte Formulierung eindeutig auf die Beseitigung des vom Lieferer zu vertretenden Mangels abgestellt ist und darüber hinausgehende Ansprüche in allen Fällen, insbesondere für Folgeschäden ausschließt, umfasst sie nicht nur einen Ausschluss andersartiger Gewährleistungsansprüche (Preisminderung, Wandlung), sondern bezieht sich mit hinlänglicher Klarheit auch auf Ansprüche, die außerhalb des Bereichs der eigentlichen Gewährleistungsansprüche liegen (wie zB Ersatz für Gewinnentgang), die also überhaupt nur aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes wegen eines Verschuldens des Lieferanten (§ 932 Abs 1 ABGB Schlusssatz), nicht aber schon nach den eigentlichen Gewährleistungsregelungen gefordert werden könnten.

Die vom Beklagten eingewendete Gegenforderung welche aus dem angeblich während mindestens 15 Monaten notwendig gewordenen Einsatz der halben Arbeitskraft eines Hilfsarbeiters abgeleitet wird, fällt darum - wie der Erstrichter richtig erkannte - unter den Haftungsausschluss des Punkts G, Z 9 der „Allgemeinen Lieferbedingungen“.

Nun ist ein solcher Haftungsausschuss bei Schadenersatzansprüchen - zum Unterschied von den eigentlichen Gewährleistungsansprüchen (§ 929 ABGB) - unter Umständen anfechtbar und zwar nach der Judikatur dann, wenn es sich um einen Schadensfall handelt, der vorsätzlich oder grob fahrlässig in einem für das Rechtsverhältnis überhaupt atypischen oder wenigstens nach den Umständen des Einzelfalls nicht voraussehbaren Zusammenhang herbeigeführt wird (SZ XXI/88, SZ XXXI/57, 6 Ob 293/58, 6 Ob 159/59 ua). Die Anfechtbarkeit des Haftungsausschlusses für Schadenersatzansprüche beruht in solchen Fällen darauf, dass das Beharren auf einer solchen Vereinbarung ein Verstoß gegen die guten Sitten wäre. Damit ist aber für den Beklagten im vorliegenden Fall nichts gewonnen, weil er es, nachdem die Klägerin sich auf die Bestimmung des Punkts G, Z 9 der „Allgemeinen Lieferbedingungen“ gestützt hatte, unterließ, Sittenwidrigkeit dieser Klausel bzw des Bestehens der Klägerin auf dieser Klausel geltend zu machen und die zum Nachweis eines Verstoßes gegen die guten Sitten erforderlichen tatsächlichen Behauptungen aufzustellen (vgl hiezu EvBl 1991, Nr 95). Daher besteht für den Obersten Gerichtshof im vorliegenden Fall weder Anlass noch Möglichkeit, auf diese Frage einzugehen, es ist vielmehr die Ergänzungsbedürftigkeit des Verfahrens in der Hauptsache bereits zu verneinen.

Was das Begehren auf Zuspruch von 10 % Zinsen betrifft, hätte die Klägerin nicht nur allgemein behaupten und unter Beweis stellen müssen, dass sie mit einem 10%igen Bankkredit arbeite, sondern darüber hinaus, dass sie durch die Nichtzahlung der Kaufpreisrestschuld des Beklagten genötigt worden sei, mit Bankkredit zu arbeiten und für diesen Kredit 10 % Zinsen zahlen müsse (SZ XXVII/195, 3 Ob 338/59 = HS 177). Das Verzinsungsbegehren der Klägerin war daher unschlüssig, soweit es das gesetzliche Ausmaß überstieg. Da der Beklagte in der Berufung selbst zugab, die Klägerin habe Anspruch auf 5 % Zinsen, erscheint auch in diesem Belang eine Verfahrensergänzung nicht notwendig, zumal es sich bei der letzten noch zu prüfenden Frage, ob die Klägerin den Zinsenzuspruch schon ab 4. 1. 1961 begehren kann, um eine solche rein rechtlicher Beurteilung handelt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO.

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