OGH 9Os238/61

OGH9Os238/6110.10.1961

Der Oberste Gerichtshof hat am 10. Oktober 1961 unter dem Vorsitze des Rates des Obersten Gerichtshofes Dr. Prinz in Gegenwart der Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Altmann, Dr. Estl, Dr. Feichtinger und Dr. Spemoga als Richter und des Richteramtsanwärters Dr. Keber als Schriftführers, in der Strafsache gegen Otmar H***** wegen des Vergehens gegen die Sicherheit des Lebens nach dem § 335 StG über die vom Angeklagten Otmar H***** gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt als Schöffengerichtes vom 14. März 1961, GZ 5 b Vr 1021/59-57, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Rates des Obersten Gerichtshofes Dr. Estl, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Armin Dietrich und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwaltes Dr. Gröger, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Gemäß dem § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Anschließend hat der Oberste Gerichtshof nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Berufung der Staatsanwaltschaft den Beschluss

gefasst:

Der Berufung wird hinsichtlich des Strafausmaßes Folge gegeben und die über den Angeklagten verhängte Strafe auf sieben Monate strengen Arrest verschärft durch einen Fasttag in der gesamten Strafzeit erhöht.

Im Übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben.

Text

Gründe:

Der bisher unbestrafte Kraftwagenlenker Otmar H***** war im gegenständlichen Verfahren mit dem Urteil vom 3. November 1959 (ON 33) des Vergehens gegen die Sicherheit des Lebens nach dem § 335 StG deshalb schuldig erkannt worden, weil er am 21. Mai 1959 in Schottwien als Lenker eines LKW-Zuges durch unachtsames Fahren Handlungen bzw Unterlassungen begangen hatte, von welchen er schon nach ihren natürlichen, für jedermann leicht erkennbaren Folgen, sowie vermöge besonders bekanntgemachter Vorschriften, nämlich des § 7 StPolG, einzusehen vermochte, dass sie eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder körperliche Sicherheit von Menschen herbeizuführen oder zu vergrößern geeignet waren; es sei hieraus, und zwar zufolge Zusammenstoßes mit dem von Robert S***** gelenkten PKW, der Tod des Robert S*****, der Anna S***** und der Regina K***** und eine schwere körperliche Beschädigung der Maria Z***** erfolgt. Der gegen dieses Urteil vom Angeklagten erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde gab der Oberste Gerichtshof mit Entscheidung vom 29. Juni 1960 (ON 44) Folge, hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zwecks Vornahme eines Ortsaugenscheines, Zuziehung eines weiteren Sachverständigen aus dem Verkehrswesen und Vernehmung des Zeugen Johann Sch***** an das Erstgericht zurück.

Mit dem nunmehr angefochtenen Urteil vom 14. März 1961 (ON 57) wurde der Angeklagte im zweiten Rechtsgang wiederum des Vergehens gegen die Sicherheit des Lebens nach dem § 335 StG schuldig erkannt. Nach den wesentlichen Feststellungen des letztgenannten Urteils fuhr der Angeklagte am fraglichen Tag in ausgeruhtem Zustande mit einem Lastwagenzug von insgesamt rund 27.000 kg Gewicht von Wien in Richtung Semmering, während Robert S***** einen mit insgesamt vier Personen besetzten PKW, Marke Opel-Rekord, in entgegengesetzter Richtung lenkte. Die beiden Fahrzeuge trafen um etwa 18 Uhr 30, also noch bei Tageshelle, in der sogenannten Hirsch-Kurve im Ortsbereiche von Schottwien zusammen; diese Hirsch-Kurve ist, in Fahrtrichtung des Angeklagten gesehen, eine scharfe, etwa 90-grädige Linkskurve, in welcher die Sicht durch einen im Scheitel der Kurve befindlichen Felsen und eine Hausecke stark behindert ist. Nach der Felswand mündet trompetenförmig die Straße durch die Adlitzgräben ein, so zwar, dass die Achse dieser Mündung mit der Tangente im Schnittpunkt der Kurve einen Winkel von 60 Grad Richtung Semmering (im Urteil unrichtig: 120 Grad) einschließt. Der Lastzug des Angeklagten bewegte sich mit einer Geschwindigkeit von 20 bis 25 km/h entlang der Mittellinie der Straße dergestalt, dass die rechte Bordwand des Zuges 2,20 bis 2,40 m vom rechten Fahrbahnrand entfernt war. 10 bis 20 m vor der nachmaligen Endstellung erblickte der Angeklagte den von Robert S***** gelenkten PKW, der zufolge seiner hohen Geschwindigkeit (65 bis 80 km/h) aus der Kurve getragen worden und auf seine linke, sohin falsche Fahrbahnseite gelangt war. Die Zurücklenkung seines PKW auf die rechte Fahrbahnseite gelang ihm nur unvollständig, der Angeklagte versuchte seinerseits den Zusammenstoß dadurch zu vermeiden, dass er den Wagen nach links verriss, sodass er nach dem Stillstande der Fahrzeuge mit seiner linken Vorderkante 1,40 m vom linken Gehsteigrande angelangt war. Robert S***** stieß daher mit der linken Vorderkante seines PKW mit solcher Wucht an den LKW-Zug, dass der Vorderteil seines Wagens vollkommen eingedrückt und, mit dem Hinterrade nach links ausbrechend, um fast 90 Grad herumgeschwenkt wurde. Der noch nicht zum Stillstand gelangte LKW-Zug schob den PKW noch etwa 4 m vor sich her, ehe beide Fahrzeuge stehen blieben. Robert S*****, seine Ehefrau und seine Schwiegermutter fanden zufolge der bei dem Unfalle erlittenen Verletzungen den Tod, während eine weitere Insassin schwer verletzt wurde.

Das Erstgericht sprach aus, dass eine Verschiebung des LKW-Vorderteils durch den Zusammenstoß, wie ihn der Angeklagte und sein Beifahrer behaupteten, ausgeschlossen sei. Aus der Endstellung ergebe sich, dass der Angeklagte trotz der unübersichtlichen Kurve seine rechte Straßenseite nicht eingehalten habe, möglicherweise sei er schon vor Ansichtigwerden des Gegenfahrzeuges mit seiner linken Bordwand über die Mittellinie der Straße hinausgeraten. Zu dieser Unfallskomponente komme das vom Angeklagten zugegebene Linkslenken seines Wagens, das, wie der Ortsaugenschein ergeben habe, angesichts der Einmündung der Adlitzgrabenstraße, die ohne weiteres eine Ausweichmöglichkeit nach rechts bot, unrichtig gewesen sei. Das Erstgericht stützte sich bezüglich der Feststellung des Kollisionspunktes auf das Gutachten des Sachverständigen Dipl. Ing. B*****, da dieser zur Feststellung desselben auch den Weg des vom PKW infolge des Zusammenstoßes verlorenen Kühlwassers unter Berücksichtigung des Gefälles der Straße herangezogen hatte, während der Sachverständige Dipl. Ing. St***** darauf kein Bedacht genommen hatte, und verwies darauf, dass die Divergenz in den beiden Sachverständigengutachten über die Zusammenstoßstelle deshalb nicht entscheidend sei, weil beide Sachverständige zum Ergebnis gelangt seien, die Zusammenstoßstelle liege vor der Endstelle des Lastkraftwagenzuges, was bedeute, dass dieser den PKW bis zu seinem Stillstande vor sich hergeschoben habe. Der letztgenannte Umstand werde durch die Beobachtung des nicht am Unfall beteiligten Zeugen Sch***** bestätigt, der, nachdem er den Unfall zunächst nur akustisch wahrgenommen hatte, sah, „wie sich der Lastzug noch gegen den linken Gehsteig verschob."

Gegen dieses Urteil wendet sich die neuerliche auf die Nichtigkeitsgründe des § 281 Z 4, 5 und 9a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Unter Anrufung des erstgenannten Nichtigkeitsgrundes erachtet die Beschwerde eine Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte des Angeklagten deshalb für gegeben, weil das Erstgericht die Beweisanträge der Verteidigung auf Beiziehung eines weiteren (somit dritten) Sachverständigen aus dem Kraftfahrwesen und die neuerliche Einvernahme der Zeugen F***** und Sch***** zum Nachweis, dass die vom Sachverständigen Dipl. Ing. B***** gegebene Version des Unfalls unrichtig sei, zumal sie zur Darstellung der Zeugen und zum Gutachten des Sachverständigen Dipl. Ing. St***** in einem unlösbaren Widerspruch stehe, mit der Begründung ablehnte, dass zwischen den erwähnten Darstellungen in wesentlichen Punkten Übereinstimmung herrsche. Dem hält die Verfahrensrüge entgegen, dass gerade in den wesentlichen Punkten zwischen den Gutachten der Sachverständigen St***** und B***** ein unlösbarer Widerspruch bestehe, denn jener habe eine Schrägstellung des PKW im Zeitpunkte des Zusammenstoßes, dieser aber nicht nur eine Normalstellung desselben angenommen, sondern sogar den Kollisionspunkt ca 4 m weiter in Richtung Gloggnitz errechnet, wobei unverständlich bleibe, wieso der PKW des S***** 4 m verschoben worden sein könne, ohne dass sich auf der Fahrbahn Spuren der verschobenen Pneus gezeigt hätten; es komme dazu, dass die neue Theorie des Sachverständigen Dipl. Ing. B***** in unerklärlichem Widerspruch zu den Darstellungen der Unfallszeugen F***** und Sch***** stünde.

Der Nichtigkeitsgrund liegt nicht vor.

Rechtliche Beurteilung

Nur wenn die beiden Sachverständigengutachten einander erheblich widersprochen hätten, könnte in der Abweisung des Antrages auf Zuziehung eines weiteren Sachverständigen der angerufene Nichtigkeitsgrund gelegen sein. Das Erstgericht hat jedoch mit Recht ausgesprochen, dass die Sachverständigen gerade in den wesentlichsten Punkten übereinstimmen. Es ist ihm beizupflichten, wenn es von der Ansicht ausging, die Divergenz der Sachverständigengutachten über die kürzere oder weitere Entfernung der Zusammenstoßstelle von der Endlage sei unwesentlich, und wenn es in weiterer Folge sich auf das Gutachten des Sachverständigen Dipl. Ing. B***** stützte, dass diese Entfernung mit etwa 4 m bezifferte; dieser Sachverständige baute nämlich sein Gutachten auf einer zusätzlichen Prämisse, und zwar das Ausfließen und den Weg des Kühlwassers des PKW, auf und war daher in der Lage, den Zusammenstoßpunkt genauer zu fixieren, als dies dem Sachverständigen Dipl. Ing. St***** bei Außerachtlassung dieser Prämisse möglich war. Mit dieser Überlegung zeigt sich, dass in Wahrheit zwischen beiden Sachverständigengutachten keinerlei Widerspruch besteht, weil das Gutachten des Sachverständigen Dipl. Ing. B***** zufolge Heranziehung weiterer objektiver Gegebenheiten des Unfallsgeschehens das des Sachverständigen Dipl. Ing. St***** weiter zu entwickeln und zu präzisieren vermochte und damit den Ablauf des Unfallsgeschehens in bestimmter Weise rekonstruieren konnte. Es kommt dazu, dass auch ein Sachverständigenbeweis für das erkennende Gericht nur ein Beweismittel ist, das es in freier Beweiswürdigung für seine Feststellungen heranzuziehen oder abzulehnen berechtigt ist. Die Gründe, warum das Erstgericht dem Gutachten des Sachverständigen Dipl. Ing. B***** folgte, hat es zureichens dargetan.

Mit Recht durfte das Erstgericht auch den Antrag auf neuerliche Vorladung und Vernehmung der Zeugen F***** und Sch*****, deren Aussagen vom 6. Dezember 1960, ON 54, in der Hauptverhandlung verlesen wurden (S 253 des Hauptverhandlungsprotokolls), ablehnen, weil auch von diesen Zeugen keine Aufklärung über erhebliche Tatsachen zu erwarten war. Eine Prüfung ihrer Angaben zeigt, dass der Zeuge F*****, der nach seiner eigenen Darstellung das Unfallsgeschehen erst im letzten Augenblick wahrnahm und den das Erstgericht im Übrigen als befangen bezeichnet hat, einerseits Angaben machte, die mit den objektiven Unfallsspuren in eindeutigem Gegensatz stehen - er bezeichnete den Abstand des LKW-Zuges vom rechten Fahrbahnrand nur mit etwas über 1 m (S 240) -, dass aber andererseits gerade Teile seiner Bekundungen das Gutachten des Sachverständigen Dipl. Ing. B***** zu stützen geeignet sind, wenn er nämlich nur von einer geringen Schrägstellung des PKW des S***** bei dessen Anprall und sodann von dessen „Herüberdrehen" spricht (S 240 bis 241). Der Zeuge Sch***** sah den Unfall selbst nicht, sondern beobachtete lediglich nach dem Zusammenstoß das Linksschleudern des PKW und die „Linksverschiebung" des LKW (S 243) und bezeichnete das Geräusch des Zusammenpralls als langdauernd (S 244), alles Wahrnehmungen, die, wie das Urteil zutreffend hervorhob, die Gutachten der Sachverständigen stützen; die Bestätigung des Gutachtens des Sachverständigen Dipl. Ing. B***** durch diese Zeugenaussage ist geradezu augenscheinlich.

Der aus dem Nichtigkeitsgrunde des § 281 Z 5 StPO aufgestellten Behauptung einer Aktenwidrigkeit steht entgegen, dass dem Gutachten des Sachverständigen Dipl. Ing. B***** unmissverständlich (insbesondere S 275) die Nichtannahme einer Verschiebung des LKW-Zuges als Folge des Zusammenstoßes zu entnehmen ist. Unzutreffend ist auch der Vorwurf eines angeblichen inneren Widerspruches, der zwischen den Annahmen des Erstgerichtes, der PKW sei nach dem Zusammenstoße noch 4 m seitlich verschoben worden, sei aber andererseits mit dem Hinterteil ausbrechend fast um 90 Grad herumgedreht worden, gelegen sein soll. Denn das Beschwerdevorbringen, der PKW hätte sich um 180 Grad drehen und rechts neben dem LKW zum Stillstand gelangen müssen, das Ausschwenken des rückwärtigen Teils des PKW nach links sei nur so zu erklären, dass der LKW im Zeitpunkt des Zusammenstoßes schon gestanden oder doch nur mehr eine ganz kurze Strecke gefahren sei, stellt lediglich den Versuch dar, entgegen den Gutachten der Sachverständigen und den darauf gestützten Urteilsfeststellungen den Unfallsverlauf konform der Verantwortung des Angeklagten zu konstruieren und damit die Beweiswürdigung des Erstgerichtes in einer im Nichtigkeitsverfahren unzulässigen Art zu bekämpfen.

Die Mängelrüge wendet ferner ein, das Urteil lasse für seine Feststellung, der Unfall wäre überhaupt nicht zustande gekommen oder in seinen Folgen leichter ausgefallen, wenn der Angeklagte entweder näher an den rechten Fahrbahnrand herangefahren oder bei Erkennen der Gefahr nach rechts statt nach links eingelenkt wäre, eine zureichende Begründung vermissen; sie stellt unter Herausgreifung einiger Stellen des Gutachtens des Sachverständigen Dipl. Ing. St***** die Behauptung auf, für den Angeklagten wäre der Zusammenstoß auch dann unvermeidbar gewesen, wenn er an den äußersten rechten Straßenrand herangefahren und den LKW-Zug vor der Kollisionsstelle - die Beschwerde errechnet 62 cm - zum Stillstand gebracht hätte, und verweist alle Mutmaßungen über das Unfallsgeschehen bei anderem Aufprallwinkel in das Reich der Theorie. Gerade diesen Vorwurf muss aber der Beschwerdeführer gegen sich selbst gelten lassen. Die Ergebnisse des Beweisverfahrens berechtigten das Erstgericht zur Feststellung, der Angeklagte sei unachtsam gefahren, habe seine rechte Straßenseite nicht eingehalten und so weit nach links eingeschlagen, dass der LKW schließlich nur 1,40 m vom linken Gehsteigrand entfernt war. Der aus diesen Feststellungen gezogene Rückschluss des Urteils, bei richtigem Verhalten des Angeklagten wäre der Unfall entweder überhaupt ausgeblieben oder es wären die Unfallsfolgen um vieles leichter ausgefallen, entspricht den Denkgesetzen. Im Übrigen wird in diesen Belangen auf das zum Nichtigkeitsgrunde der Z 9a des § 281 StPO Gesagte verwiesen. Das Vorbringen in der Beschwerde stellt sich daher wiederum nur als Versuch dar, die Beweiswürdigung des Erstgerichtes nach Art einer im Nichtigkeitsverfahren unzulässigen Schuldberufung zu bekämpfen.

Aber auch die auf den § 281 Z 9a StPO gestützte Rechtsrüge ist verfehlt.

Unter Berufung auf die Entscheidungen ZVR 1957 Nr. 30 und 1960 Nr. 5 wird ins Treffen geführt, man könne dem Angeklagten nicht zum Vorwurfe machen, dass er bei einer Fahrbahnbreite von 8,5 m (richtig: 8,8 m) in einem Abstande von 1,5 bis 2 m vom rechten Fahrbahnrande gefahren sei. Damit führt der Beschwerdeführer den materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund nicht gesetzmäßig aus, weil er der ausdrücklichen Urteilsfeststellung, er sei 2,20 bis 2,40 m vom rechten Fahrbahnrand entfernt gefahren (S 289), die urteilsfremde Behauptung entgegensetzt, dieser Abstand habe nur 1,5 bis 2 m betragen. Dieses Vorbringen muss daher unbeachtlich bleiben. Insoweit die Beschwerde aber davon ausgeht, die Fahrweise des Angeklagten in einer größeren Entfernung vom rechten Straßenrande als etwa 1 m sei ohne Einfluss auf das Unfallsgeschehen gewesen, verkennt sie, dass die zur Unfallszeit geltende Vorschrift des § 15 Abs 2 StPolO, die den Zweck hat, eine Behinderung des Gegenverkehrs zu vermeiden, und die somit der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs dient, es unzulässig erscheinen lässt, weiter zur Straßenmitte zu fahren, als es der erforderliche Sicherheitsabstand notwendig macht. Vom äußersten rechten Straßenrande ist ein für dessen gefahrlose Benützung durch Fußgänger und Radfahrer ausreichender Streifen, der keineswegs 1 m übersteigen muss, freizuhalten, im Übrigen hat jeder Kraftfahrzeuglenker von der Mittelachse der Fahrbahn einen möglichst großen Abstand zu halten, dies nicht nur im Interesse der rationellen Ausnützung der Fahrbahnbreite, sondern vor allem im Interesse des Gegenverkehrs und allfälliger Überholmanöver. Gerade unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Angeklagte eine scharfe und unübersichtliche Linkskurve befuhr, hätte er sich möglichst nahe am rechten Straßenrand halten müssen. Sein gegenteiliges Verhalten verstieß in krasser Weise gegen das Gebot, rechts zu fahren (ZVR 1960 Nr. 220, 245, 325, 1961 Nr. 4); besondere Umstände, nicht die rechte Fahrbahnseite einhalten zu müssen, lagen im gegebenen Falle nicht vor. Bei einer Breite von 2,45 m des LKW-Zugwagens (S 127) beanspruchte der Angeklagte bei einem Seitenabstand von nur 2,20 m nicht nur seine gesamte rechte Fahrbahnhälfte von 4,40 m, sondern überschritt bereits die Mittelachse der Straße (um mindestens 25 cm). Gerade diese verkehrswidrige Fahrweise war aber die auslösende Ursache des verfehlten Ausweichmanövers des Angeklagten nach links, denn bei Einhaltung der rechten Straßenseite wäre nach der Verkehrslage - der PKW hatte zur Zeit der Kollision mit seinem linken Vorderrade bereits die rechte Fahrbahnhälfte erreicht, zur Rechten öffnete sich die trichterförmige Einmündung der Adlitzgrabenstraße - eine derartige Ausweichbewegung, weil abwegig, selbst außerhalb des Bereichs einer unbewussten Schreckreaktion gelegen. Das Erstgericht hat daher dem Angeklagten zu Recht die Einhaltung eines zu großen Abstandes vom rechten Fahrbahnrand und im Zusammenhange damit eine ungerechtfertigte Benützung der linken Fahrbahnhälfte als schuldhaft angelastet. Somit versagt der Einwand in der Rüge, auch bei anderer Fahrweise des Angeklagten wäre der Unfall nicht ausgeblieben. Hiezu kommt, dass nach den auf die Sachverständigengutachten gestützten Urteilsfeststellungen es bei richtiger Fahrweise des Angeklagten niemals zu einem frontalen Zusammenstoß beider Fahrzeuge gekommen wäre.

Damit erweist sich auch der Einwand der Beschwerde, der Angeklagte habe sich in einer äußerst gefährlichen Situation befunden, habe blitzschnell handeln müssen und habe keine Zweckmäßigkeitsüberlegungen anstellen können, man könne ihm nicht zumuten, in einer ausschließlich durch die leichtsinnige Fahrweise des PKW-Lenkers geschaffenen Gefahrenlage, rückwirkend betrachtet, das Richtige zu treffen, es handle sich bei der Ausweichbewegung nach links um eine vom Angeklagten nicht zu vertretende Reaktionshandlung, als rechtlich verfehlt.

Der Angeklagte hat vielmehr seine behauptete Zwangslage durch Überschreiten der Mittelachse der Fahrbahn und durch unachtsames Fahren selbst herbeigeführt - zufolge den beim Ortsaugenschein festgestellten Sichtverhältnissen erblickte er den vorschriftswidrig fahrenden PKW viel später, als ihm dies bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte möglich sein müssen - und haftet daher unter dem Gesichtspunkte der Zumutbarkeit rechtgemäßen Verhaltens wegen Fahrlässigkeit. Dieser Schuldvorwurf besteht eben darin, dass der Täter es aus Nachlässigkeit unterlässt, seine - unrichtige - Vorstellung von der Ungefährlichkeit seines Verhaltens - in concreto die Nichteinhaltung der rechten Fahrbahnseite und die Nichtbeachtung des Gegenverkehrs - auf seine Richtigkeit zu prüfen (ZVR 1961 Nr. 58). Von einer nicht zurechenbaren Reaktionshandlung kann somit nicht gesprochen werden, weil der Angeklagte die Gefahrenlage durch sein gegen die Vorschriften der §§ 7, 15 Abs 2, 17 Abs 1 StPolO verstoßendes und damit spezifisch rechtswidriges Verhalten mitverursacht hat. Ein Ausweichversuch nach links, vor allem unter Benützung der linken Fahrbahnhälfte, darf nur im äußersten Notfall und, wegen der jedem Kraftfahrer bekannten Gefährlichkeit, nur dann unternommen werden, wenn eine andere Möglichkeit, eine Kollision zu vermeiden, nicht gegeben ist, und wenn aus triftigen Gründen mit dem Gelingen eines solchen Versuches gerechnet werden kann (ZVR 1961 Nr. 68). Diese Voraussetzungen lagen jedoch im gegenständlichen Falle nicht vor; der PKW-Lenker S***** war im Begriffe, seine rechte Fahrbahnhälfte wieder zu gewinnen, eine weitere Einengung derselben konnte daher die Gefahrenlage niemals entschärfen, sondern sie nur geradezu ausweglos gestalten; zur rechten Seite stand dem Angeklagten die breite Einmündung der Adlitzgrabenstraße zur Verfügung, in die er gefahrlos unter Freimachung auch eines Teils seiner eigenen Fahrbahnhälfte einlenken konnte.

Soweit in der Rechtsrüge ein Kausalzusammenhang bestritten wird, ist darauf zu verweisen, dass für einen eingetretenen strafgesetzwidrigen Erfolg jedes Tun kausal ist, das eine seiner Bedingungen hervorgerufen hat (SSt XIX/123, XXVII/49, ÖRZ 1955 S 142, ZVR 1960 Nr. 315, 341). Somit ist keineswegs erforderlich, dass die Verhaltensweise des Angeklagten die ausschließliche Ursache des Unfalls ist; das Verhalten des Angeklagten kann aber nicht weggedacht werden, ohne dass auch der Erfolg in seiner konkreten Gestalt hinweggedacht werden müsste.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher zu verwerfen. Das Erstgericht hat über den Angeklagten Otmar H***** nach dem (höheren Strafsatz des) § 335 StG unter Anwendung der §§ 266 und 260 lit b StG eine strenge, durch einen Fasttag während der Strafzeit verschärfte Arreststrafe in der Dauer von fünf Monaten verhängt, die Vollziehung dieser Freiheitsstrafe aber vorläufig aufgeschoben und dem Angeklagten eine dreijährige Probezeit bestimmt. Bei der Strafbemessung hat das Erstgericht als mildernd das Geständnis wesentlicher Umstände, den bisherigen untadelhaften Wandel des Angeklagten und das Mitverschulden des getöteten Lenkers des PKW gewertet. Als erschwerend hat es berücksichtigt, dass der Unfall nebst einer schweren Verletzung eines Menschen den Tod dreier anderer herbeigeführt hat.

Gegen den Ausspruch über die Strafe hat die Staatsanwaltschaft Berufung ergriffen und in Ausführung dieses Rechtsmittels sowohl die Verhängung einer längeren Freiheitsstrafe als auch die Ausschaltung des Ausspruches über die Anwendung des Gesetzes über die bedingte Verurteilung 1949 aus dem Urteil beantragt. Der Berufung kommt nur teilweise Berechtigung zu.

Mit Rücksicht auf den ungewöhnlich schweren Erfolg der Tat des Angeklagten, aber auch auf die Größe seines Verschuldens und die erhöhte Gefährlichkeit der Verkehrslage, aus der heraus es zu dem Unfall kam, die der Verurteilte mitverschuldet hat, erachtet der Oberste Gerichtshof eine längere als die im zweiten Rechtsgang vom Erstgericht verhängte Freiheitsstrafe für schuldangemessen. Insoweit war daher in Stattgebung der Berufung der Staatsanwaltschaft die Freiheitsstrafe wie im Spruche ausgeführt zu bemessen. Dagegen ist die Berufung der Staatsanwaltschaft wegen der Anwendung des Gesetzes über die bedingte Verurteilung 1949 nicht berechtigt. Das Vorleben des Angeklagten nämlich, sein Geständnis des Tatsächlichen, aber auch der sehr erhebliche Grad des Mitverschuldens des Lenkers des verunglückten PKW lassen nicht nur erwarten, dass schon die bloße Androhung der über den Angeklagten verhängten sehr empfindlichen Freiheitsstrafe ausreichen werde, diesen in Hinkunft zu einwandfreiem Verhalten im Straßenverkehr zu bestimmen, sondern sie lassen auch Erwägungen der Generalprävention im vorliegenden Falle nicht so in den Vordergrund treten, dass ihretwegen allein die Anwendung des Gesetzes über die bedingte Verurteilung ausgeschlossen wäre. Es bleibt demnach der Ausspruch des Erstgerichtes im Sinne des Gesetzes über die bedingte Verurteilung 1949 aufrecht. Es war daher der Berufung der Staatsanwaltschaft, jedoch nur teilweise Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogenen Gesetzesstelle.

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