OGH 5Ob264/61 (5Ob265/61)

OGH5Ob264/61 (5Ob265/61)20.9.1961

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Kisser als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Turba, Dr. Lachout, Dr. Graus und Dr. Greissinger als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Berta S*****, vertreten durch Dr. Markus Schläffer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Eva F*****, vertreten durch Dr. Karl Rudeck, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung infolge der Rekurse beider Parteien gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 27. April 1961, GZ 46 R 301/61-30, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Hietzing vom 20. Jänner 1961, GZ 4 C 185/59-25, teilweise aufgehoben wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Den Rekursen wird nicht Folge gegeben.

Die Rekurskosten sind als weitere Prozesskosten erster Instanz zu behandeln.

Text

Begründung

Das Erstgericht nahm folgenden Sachverhalt als erwiesen an:

Die in Australien lebende Klägerin beauftragte ihren Neffen Kurt F***** mit der Verwaltung ihres in Österreich liegenden Vermögens. Sie stellte ihm hiezu die Vollmachten vom 29. 9. 1946, 24. 9. 1951 und 8. 2. 1955 aus. Auf Grund dieser Vollmachten schloß Kurt F***** als Vertreter der Klägerin am 19. 2. 1952 einen Kaufvertrag ab, mit dem er für die Klägerin als Käuferin das Haus in W*****, um einen Kaufpreis von 15.000 S gegen Leistung einer Leibrente von 300 S monatlich von Anna W***** erwarb. Der Kaufpreis wurde von einem Sperrkonto der Klägerin bezahlt, ebenso die Leibrente. Später entrichtete die Beklagte vorschussweise die Leibrente. Bei den von der Klägerin dem Kurt F***** erteilten Vollmachten handelt es sich um Prozessvollmachten, wodurch dieser auch ausdrücklich zur Veräußerung beweglicher und unbeweglicher Sachen und Rechte ermächtigt wurde. Kurt F***** vermietete im Jahre 1951 der Beklagten die Räume des Hauses mit Ausnahme eines Zimmers und einer Küche im Souterrain gegen einen monatlichen Mietzins von 100 S. Am 3. 3. 1952 vermietete er seinem Schwiegervater Wilhelm D***** die genannten Souterrainräume. Als er zu einer brieflichen Erörterung zwischen der Klägerin und Kurt F***** darüber kam, ob das Haus wieder verkauft oder belastet werden sollte, schrieb die Klägerin am 13. 2. 1955 an Kurt F*****: „Ich überlasse es Euch vollkommen, mit dem Haus zu machen, was Ihr am besten findet". Am 27. 6. 1957 starb Kurt F*****. Nicht als erwiesen angenommen wurde, das Kurt F***** der Klägerin von den Verträgen mit der Beklagten und ihrem Vater Mitteilung gemacht habe. Das Erstgericht vermeinte die passive Klagslegitimation der Beklagten, soweit die Wohnräume von der Beklagten nicht gemietet wurden; soweit ein Mietverhältnis mit der Beklagten begründet wurde, erachtete das Erstgericht das Klagebegehren nicht für begründet. Es wies daher das auf Räumung des Hauses W*****, gerichtete, auf die Behauptung gestützte Klagebegehren, dass das Haus von der Beklagten ohne Rechtstitel benützt werde, ab.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil insoweit, als es die im Souterrain des Hauses gelegene, aus Zimmer und Küche bestehende Wohnung betrifft. Im Übrigen hob es das Ersturteil auf und verwies die Rechtssache zu neuerlicher Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es setzte seinem Aufhebungsbeschluss einen Rechtskraftvorbehalt bei. Das Berufungsgericht ging gleich dem Erstgerichte davon aus, dass Kurt F***** von der Klägerin mit der Verwaltung des Hauses W*****, beauftragt worden sei. Im Hinblick auf die geringe Höhe des mit der Beklagten vereinbarten Entgeltes sei noch zu untersuchen, ob nicht ein negotium mixum cum donatinone vorliege, dessen Abschluss durch die dem Neffen der Klägerin erteilten Vollmachten nicht gedeckt wäre. Die Beklagte könnte sich bei Vorliegen einer gemischten Schenkung auch nicht mit Erfolg auf den Brief vom 13. 2. 1955 (Beil. 10) berufen, weil damit keinesfalls die Zustimmung zu Verträgen über die Benützung des Hauses abgegeben werden sollte, in denen ein angemessenes Entgelt nicht vereinbart wurde. Das Erstgericht werde in einem ergänzenden Verfahren zu untersuchen und festzustellen haben, nach welchen Grundsätzen die Zinsbildung bei dem gegenständlichen Haus vorzunehmen sei und ob das mit der Beklagten vereinbarte Entgelt, aus dem auch die Instandhaltungen und Betriebskosten zu decken waren, nicht einmal die Hälfte eines angemessenen Entgeltes erreicht habe. Sollte dies der Fall sein, könnte sich die Beklagte bezüglich der Benützung des Hauses nicht auf einem mit ihrem Gatten abgeschlossenen Mietvertrag stützen und wäre dem Klagebegehren, insoweit die passive Klagslegitimation nicht fehle, stattzugeben.

Das Teilurteil des Berufungsgerichtes ist in Rechtskraft erwachsen. Der Aufhebungsbeschluss wird von beiden Parteien mit Rekurs bekämpft. Beide Rechtsmittel sind nicht begründet.

Rechtliche Beurteilung

1.) Zum Rekurs der Beklagten:

Das Ersturteil führt aus, eine sichere Feststellung darüber, ob Kurt F***** der Klägerin von dem Abschluss der Mietverträge Mitteilung gemacht habe, habe sich als nicht möglich erwiesen. Das Berufungsgericht erklärte in seiner Entscheidung, es schließe sich insofern der Beweiswürdigung des Erstgerichtes an, als dieses nicht als erwiesen angenommen habe, dass der Gatte der Beklagten der Klägerin vom Abschluss der Verträge Mitteilung gemacht habe. Diese Ausführung des Berufungsgerichtes soll aktenwidrig sein, weil es die Entscheidungsgründe unrichtig wiedergebe. Dieser Auffassung vermag sich jedoch der Oberste Gerichtshof nicht anzuschließen; denn wenn eine sichere Feststellung über eine bestimmte Tatsache nicht möglich ist, dann ist dieser Tatsache eben nicht erwiesen. Es ist auch unrichtig, dass das Erstgericht die Frage, ob die Klägerin von dem Abschluss der Mietverträge wusste, nicht zum Gegenstand seiner Beweiswürdigung gemacht hat. Steht nicht fest, dass die Klägerin von den Mietvertragsabschlüssen verständigt wurde, dann ist das Gericht berechtigt, davon auszugehen, dass eine solche Verständigung nicht erfolgte. Wenn das Berufungsgericht aus dieser Nichtverständigung einen Schluss dahin zieht, dass der Neffe der Klägerin selbst der Meinung gewesen sei, nicht im Sinne der Klägerin bei Abschluss der Mietverträge gehandelt zu haben, bewegt es sich auf dem Boden der Beweiswürdigung, die nicht unter dem Gesichtspunkte der Aktenwidrigkeit mit einem gegen den Aufhebungsbeschluss gerichteten Rekurs bekämpft werden kann. Nichts anderes als eine Bekämpfung der Beweiswürdigung ist es, wenn die Beklagte meint, es sei eigenartig, dass die Klägerin, der genauer Abrechnungen und Berichte über die Liegenschaft zugekommen seien, daraus nicht ersehen haben solle, aus welcher Quelle die Erträgnisse des Hauses, seien sie gering oder weniger gering, stammen. Es fehlt jedoch eine Feststellung der Untergerichte darüber, dass Kurt F***** der Klägerin Abrechnungen oder Berichte erstattet hat, aus denen die Klägerin den Abschluss eines Mietvertrages mit der Beklagten und die Höhe des vereinbarten Zinses entnehmen musste. Nur bei dieser Kenntnis könnte ein Schluss auf eine nachträgliche stillschweigende Genehmigung des zwischen Kurt F***** als Machthaber der Klägerin und der Beklagten abgeschlossenen Mietvertrages angenommen werden.

Aus der Tatsache, dass Kurt F***** nach dem Inhalt der ihm erteilten Vollmachten berechtigt war, sogar Liegenschaften der Klägerin zu veräußern, kann nicht abgeleitet werden, dass die Vollmachten den Machthabern zum Abschluss von Mietverträgen namens der Klägerin ermächtigten, zu deren Abschluss nicht einmal eine Vollmacht zur Hausverwaltung ausreichen würde.

Aus dem Schreiben vom 13. 2. 1955 ist für die Beklagte nichts zu gewinnen. Denn dieses Schreiben darf aus dem Zusammenhang mit der zwischen Kurt F***** und der Klägerin abgeführten Korrespondenz nicht gerissen werden. Nach dieser Korrespondenz hatte aber - das hebt der Rekurs der Beklagten ja selbst hervor - Kurt F***** angefragt, ob das Haus wieder verkauft oder belastet werden solle. Es liegt also in der Wendung, die Klägerin überlasse es ihrem Neffen vollkommen, mit dem Haus zu machen, was er am besten finde, keine Ermächtigung zu Abschluss von Mietverträgen, die von den Geschäften eines Hausverwalters abweichen, zu denen er im Sinne des § 1029 zweiter Satz ABGB bevollmächtigt war. Aus dem Schreiben kann aber auch nicht auf eine nachträgliche Genehmigung der bereits vor Jahren abgeschlossenen Mietvertäge mit Verwandten des Hausverwalters geschlossen werden. Dass die dem Kurt F***** erteilten Vollmachten nicht nur die Vermögensverwaltung und im Rahmen derselben die Hausverwaltung betreffen, sondern auch zu anderen Rechtsgeschäften und rechtserheblichen Handlungen ermächtigten, lässt die Beurteilung, inwieweit Kurt F***** als Hausverwalter zum Abschluss des Mietvertrages mit der Klägerin berechtigt war, nicht als überflüssig erscheinen. Aus der Tatsache, dass die Klägerin ihren Hausverwalter auch zur Veräußerung der Liegenschaften ermächtigte, folgt noch nicht, dass sie auch mit dem Abschluss von Mietverträgen ungewöhnlichen Inhaltes, etwa von Mietverträgen mit einem Mietzins einverstanden war, der unter dem gesetzlichen oder ortsüblichen Mietzins liegt. War dem Mieter bekannt oder musste er aus den Umständen entnehmen, dass der Mietzins unter dem ortsüblichen oder gesetzlichen Mietzins liegt, dann kann er sich, soferne es sich nicht um geringfügige Abweichungen handelt, nicht darauf berufen, er habe eine Bevollmächtigung des Hausverwalters zum Abschluss dieses Mietvertrages auf Grund der Bestimmung des § 1029 ABGB annehmen können. Bei dieser Rechtslage wird sich eine Untersuchung darüber erübrigen, ob etwa eine gemischte Schenkung vorliegt und unter welchen Voraussetzungen in diesem Fall der Hausverwalter den Hauseigentümer gegenüber dem Mieter zu verpflichten vermag.

2.) Zum Rekurs der Klägerin:

Die Klägerin geht selbst von der Annahme der Untergerichte aus, dass Kurt F***** zum Abschluss von Mietverträgen auf Grund der ihm von der Klägerin überlassenen Hausverwaltung berechtigt war. Richtig ist, dass ungeachtet dieser auf dem äußeren Tatbestand der Erteilung einer Hausverwaltungsvollmacht fußenden Berechtigung, sich der Dritte, der mit dem Hausverwalter einen Vertrag schließt, dann nicht auf § 1029 ABGB mit Erfolg berufen kann, wenn der Abschluss von Mietverträgen ausdrücklich aus der dem Machthaber der Hauseigentümerin erteilten Vollmacht ausgeschlossen war und diese Beschränkung dem Dritten bekannt war. Das wurde aber weder in erster Instanz behauptet noch finden sich Feststellungen hierüber. Es muss daher davon ausgegangen werden, dass die Beklagte anzunehmen berechtigt war, der Neffe der Klägerin sei zum Abschluss von Mietverträgen als Hausverwalter berechtigt. Nur dann ist der abgeschlossene Mietvertrag durch die Verwaltungsvollmacht nicht gedeckt, wenn - was erst zu prüfen sein wird - feststünde, dass ein Mietvertrag vorliegt, der den Umfang dieser Vollmacht überschreitet (siehe die Ausführungen zum Rekurs der Beklagten). Welche Schlüsse aus der Nichtverständigung der Klägerin von dem Mietvertragsabschluss zu ziehen sind, muss im Zusammenhalt mit den anderen Beweisergebnissen den Untergerichten im Rahmen der ihnen allein zustehenden Beweiswürdigung überlassen bleiben. Ebenso fällt in das Gebiet der Beweiswürdigung die Beurteilung des Schreibens der Beklagten an die Klägerin vom 1. 7. 1957, in dem sie an die Klägerin die Frage richtet, ob sie in dem Haus weiterhin wohnen bleiben könne und des Briefes vom 30. 9. 1957, in dem sie sich als Hauptmieterin bezeichnete. Dass der Mietvertrag aber nur zum Schein zwischen dem Machthaber der Klägerin und der Beklagten abgeschlossen worden sei, steht nicht fest.

Aus diesen Erwägungen musste beiden Rekursen ein Erfolg versagt bleiben.

Der Ausspruch über den Vorbehalt der Rekurskosten stützt sich auf § 52 ZPO.

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