OGH 4Ob60/61

OGH4Ob60/6116.5.1961

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schuster als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gitschthaler und Dr. Nedjela sowie die Beisitzer Dr. Hauser und Dr. Straßer als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Susanne G*****, vertreten durch Dr. Karl Tamm, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Hans K*****, nunmehr Pächter des M*****, vertreten durch Dr. Kurt Sexlinger, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 2.347,94 S samt Nebengebühren (im Revisionsverfahren streitverfangen 2.065,64 S sA) infolge der Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht in arbeitsgerichtlichen Streitigkeiten vom 13. März 1961, GZ 3 Cg 43/60-10, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Versäumungsurteil des Arbeitsgerichts Salzburg vom 26. Oktober 1960, GZ Cr 248/60-3, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben.

Dagegen wird der Revision der klagenden Partei Folge gegeben und das angefochtene Urteil dahin abgeändert, dass es zu lauten hat:

„Die Forderung der klagenden Partei besteht mit dem Betrage von 2.347,94 S zu Recht;

die Gegenforderung der beklagten Partei besteht mit 282,30 S zu Recht.

Die beklagte Partei ist daher schuldig, der klagenden Partei den Betrag von 2.065,64 S samt 4 % Zinsen seit 4. 6. 1960 binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.“

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 606,57 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin begehrt vom Beklagten an restlichen Ansprüchen aus ihrem am 3. 6. 1960 beendeten Arbeitsverhältnis als Küchengehilfin und schließlich Serviererin die Bezahlung von 2.347,94 S samt Nebengebühren. Da der Beklagte trotz ordnungsgemäßer Ladung zur ersten Tagsatzung nicht erschien, erging gegen ihn Versäumungsurteil. Der Beklagte erhob gegen das Versäumungsurteil Berufung. Er anerkannte (ON 4), dass der Klägerin der Anspruch auf den eingeklagten Betrag von 2.347,94 S zustehe. Doch sei vereinbart worden, dass die Klägerin „die gesamten Umsatzperzente kassieren und die für den Dienstnehmeranteil der Sozialversicherung und die Lohnsteuer zu bezahlenden Beträge monatlich an den Beklagten abführen sollte. Dieser Verpflichtung sei die Klägerin von Anfang an nicht nachgekommen. Auf seine wiederholten Aufforderungen, endlich die Sozialversicherungsbeiträge zu bezahlen, habe sie immer wieder erklärt, sie habe kein Geld, und gebeten, ihr diese noch weiter zu stunden. Insgesamt schulde sie daraus einen Betrag von rund 4.000 S, den Beklagter als Gegenforderung bis zur Höhe des Klagsbetrages einwende.“

Das Berufungsgericht verhandelte gemäß § 25 Abs 1 Z 3 ArbGerG die Sache von neuem. Es stellte fest, die Klägerin sei am 3. 9. 1958 in den Betrieb des Beklagten als Küchengehilfin eingetreten. Sie habe als Entlohnung monatlich netto 700 S und freie Verpflegung erhalten. Außerdem habe der Beklagte den auf die Klägerin entfallenden Anteil zur Sozialversicherung sowie die Lohnsteuer getragen. Seit August 1959 sei die Klägerin als Serviererin beschäftigt worden. Der Beklagte habe dabei der Klägerin die Berechtigung zugestanden, 10 % der für die verabreichten Speisen und Getränke von ihr kassierten Beträge als Lohn zu verrechnen. Darüber, ob nunmehr außerdem weiter freie Verpflegung seitens des Dienstgebers zu leisten und von diesem auch weiterhin der Dienstnehmeranteil an der Sozialversicherung und die Lohnsteuer für die Klägerin zu tragen seien, sei nichts abgemacht worden. Der Beklagte habe der Klägerin auch nie einen bestimmten Betrag genannt, den sie ihm hiefür hätte erstatten sollen. Erst nach Beendigung des Dienstverhältnisses durch die Klägerin sei von der nunmehr geltend gemachten Gegenforderung die Rede gewesen. Die Klägerin habe, da Abmachungen fehlten, der berechtigten Überzeugung sein können, dass sich an der bisherigen Lage hinsichtlich der Gewährung freier Verpflegung nichts geändert habe. Der Überwälzung der Lohnsteuer auf den Beklagten stehe das ausdrückliche Verbot des § 5 der Einkommensteuergesetznovelle 1946 entgegen. Die Übernahme des Dienstnehmeranteils an der Sozialversicherung schließlich hätte einer ausdrücklichen und unzweifelhaften Abmachung bedurft, die nicht vorliege. Die Klägerin sei daher mit dem Dienstnehmeranteil an der Sozialversicherung und der Lohnsteuer zu belasten, was unbestritten 282,30 S (Lohnsteuer) und 1.500,26 S (Sozialversicherung), zusammen 1.782,56 S ausmache. Der Berufung der beklagten Partei wurde daher teilweise Folge gegeben und das Ersturteil dahin abgeändert, dass die Forderung der klagenden Partei mit 2.347,94 S und die Gegenforderung der beklagten Partei mit 1.782,56 S zu Recht bestehend erkannt, die beklagte Partei daher zur Zahlung von 565,38 S samt 4 % Zinsen seit 4. 6. 1960 verurteilt wurde.

Das Urteil des Berufungsgerichts wird von beiden Parteien aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung (§ 503 Z 4 ZPO) bekämpft. Von der klagenden Partei insoweit, als die Gegenforderung des Beklagten nicht bloß mit 282,30 S (Lohnsteuer) zu Recht bestehend erkannt und der Klägerin daher nur 565,38 S samt Nebengebühren und nicht 2.065,64 S samt Nebengebühren zugesprochen wurden; von der beklagten Partei soweit die Gegenforderung nicht als bis zur Höhe des Klagsbetrags zu Recht bestehend erkannt und das Klagebegehren daher nicht zur Gänze abgewiesen wurde. Der Revisionsantrag der klagenden Partei zielt auf Abänderung im Sinne des Zuspruchs von 2.065,64 S samt Nebengebühren, der Revisionsantrag der beklagten Partei auf gänzliche Abweisung des Klagebegehrens ab. Revisionsbeantwortungen mit dem Antrag, der gegnerischen Revision nicht Folge zu geben, wurden rechtzeitig erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der beklagten Partei ist unbegründet, die Revision der klagenden Partei dagegen begründet.

1.) Zur Revision der beklagten Partei:

Die beklagte Partei erachtet sich dadurch für beschwert, dass ihre Gegenforderung nicht auch noch mit einem weiteren Betrag von 565,38 S, nämlich als bei einem Verpflegssatz von 255 S monatlich gebührender Ersatz für der Klägerin gewährte Verpflegung zu Recht bestehend erkannt wurde. Was in diesem Zusammenhang vorgebracht wird, setzt sich über das Neuerungsverbot hinweg und lässt vor allem außer Acht, dass in den Tatsacheninstanzen Prozessbehauptungen darüber, dass dem Beklagten gegenüber der Klägerin aus diesem Titel ein Ersatz gebühre, nicht aufgestellt wurden und dieser Teil auch gar nicht zur Begründung der eingewendeten Gegenforderung herangezogen worden ist. Es muss stets hinreichend konkretisiert werden, wofür die aufrechnungsweise geltend gemachte Gegenforderung beansprucht wird. In den bereits wörtlich wiedergegebenen Ausführungen in der Berufungsschrift des Beklagten gegen das Ersturteil wurde die eingewendete Gegenforderung ausschließlich auf den Ersatz der für die Klägerin bezahlten Lohnsteuer und Dienstnehmeranteile an der Sozialversicherung gegründet. Auch dem weiteren Vorbringen vor dem Berufungsgericht können Prozessbehauptungen darüber nicht entnommen werden, dass die beklagte Partei angebliche Ansprüche auf Ersatz gewährter Verpflegung zum Gegenstand ihrer Kompensationseinrede gemacht hätte. Mag auch die beklagte Partei in der Berufungsverhandlung die von ihr verfasste und von der klagenden Partei hinsichtlich ihrer Richtigkeit bestrittene Abrechnung Beil ./2 vorgelegt haben, in welcher auch eine Gegenforderung für Verpflegung im Betrage von 1.989 S vorkommt, so können durch die bloße Vorlage dieser Abrechnung und durch Angaben in der Parteienvernehmung des Beklagten Prozessbehauptungen über eine die Klägerin treffende Ersatzpflicht für gewährte Verpflegung ebensowenig ersetzt werden wie eine auf diesen Titel gestützte Einwendung einer Gegenforderung. Es bedurfte daher seitens des Berufungsgerichts auch nicht des Eingehens auf diese Frage. Abgesehen davon aber steht überdies nach den Beweisergebnissen fest, dass die Klägerin als Küchengehilfin seinerzeit ausdrücklich freie Verpflegung zugesichert erhielt und dass anlässlich der Änderung ihrer Beschäftigungsart sowie in der Folge keine weitere Vereinbarung in dieser Richtung getroffen wurde. Die Klägerin konnte, da Treu und Glauben und die Übungen des redlichen Verkehrs eine ausdrückliche Äußerung über die Aberkennung der bisher gewährten freien Verpflegung erforderten, jedenfalls der Auffassung sein, dass sich in diesem Zusammenhang nichts änderte.

Der Revision der beklagten Partei war demnach ein Erfolg zu versagen.

2.) Zur Revision der klagenden Partei:

Der Klägerin ist darin zuzustimmen, dass das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung die Bestimmungen des § 60 Abs 1 ASVG außer Acht gelassen hat. Nach dieser Gesetzesstelle ist der Dienstgeber berechtigt, - nicht aber verpflichtet -, den auf den Versicherten entfallenden Beitragsteil vom Entgelt in barem abzuziehen. Dieses Recht muss bei sonstigem Verlust bei der auf die Fälligkeit des Beitrags nächstfolgenden Entgeltzahlung ausgeübt werden, es sei denn, dass die nachträgliche Entrichtung der vollen Beiträge oder eines Teils dieser vom Dienstgeber nicht verschuldet ist, was hier außer Betracht zu bleiben hat. Nach den Beweisergebnissen unterließ es der Beklagte während des aufrechten Bestands des Dienstverhältnisses dieses Recht auszuüben. Der Klägerin wurde anlässlich der im Verrechnungswege vorgenommenen Entgeltszahlungen niemals ein bestimmter Betrag genannt, den sie aus dem von ihr vorgenommenen Inkasso als Dienstnehmeranteil an der Sozialversicherung dem Dienstgeber etwa zurückerstatten sollte. Abgesehen davon, dass der Beklagte sein sohin gemäß § 60 Abs 1 ASVG verwirktes Recht auf Abzug des auf den Versicherten entfallenden Beitragsteils nicht nunmehr im Wege der Einwendung einer Gegenforderung nachholen kann, lässt das während des aufrechten Bestands des Dienstverhältnisses mit der Klägerin vom Beklagten an den Tag gelegte Verhalten die berechtigte Annahme zu, dass er es bei dem seinerzeitigen hinsichtlich des Dienstverhältnisses der Klägerin als Küchengehilfin bestandenen Zustand bewenden lassen wollte. Auch in diesem Zusammenhang konnte die Klägerin daher unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben und den Übungen des redlichen Verkehrs der Auffassung sein, es bleibe nach Wechsel ihrer Beschäftigungsart insoferne alles beim Alten, als die Beiträge zur Sozialversicherung auch weiterhin vom Beklagten zur Gänze getragen würden (ein Widerspruch zur Entscheidung des OGH 4 Ob 23/60 = Soz I A c, S 389, besteht nicht).

Es war daher der Revision der klagenden Partei Folge zu geben und im Übrigen wie im Spruche zu entscheiden.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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