Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 441,05 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Das Rechtsverhältnis der Parteien zueinander richtet sich unbestrittenermaßen nach dem als Bestandvertrag bezeichneten Vertrag vom 14.4.1948 (Beil A), nach dem die Klägerin dem Beklagten das im Hause ***** gelegene Geschäftslokal und andere Räume sowie ein dem Umfang nach nicht bestrittenes Inventar zum Betriebe einer Konditorei in Bestand gegeben hatte. Um einer weiteren stillschweigenden Erneuerung des Vertrages vorzubeugen, beantragte und erwirkte die klagende Partei am 7.11.1958 die Erlassung des das vorliegende Verfahren einleitenden Übergabsauftrages gemäß § 567 ZPO. In Stattgebung der dagegen erhobenen Einwendungen der beklagten Partei hob das Erstgericht diesen Übergabsauftrag - den es offenbar irrtümlich als Aufkündigung bezeichnete - auf, da es das Vorliegen eines nur nach den Bestimmungen des § 19 MG aufkündbaren Mietvertrages und nicht eines Pachtvertrages annahm. Das Berufungsgericht änderte das erstgerichtliche Urteil dahin ab, dass es den Übergabsauftrag als rechtswirksam aufrecht erhielt; es wertete das Vertragsverhältnis der Parteien nicht als eine bloße Miete von Geschäftsräumlichkeiten, sondern als eine Unternehmensverpachtung.
Dagegen richtet sich die auf § 503 Z 4 ZPO gestützte Revision der beklagten Partei. Beantragt wird Abänderung dahingehend, dass das erstgerichtliche Urteil wiederhergestellt werde.
Die klagende Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht begründet.
Prozessentscheidend ist die Frage, ob das Verhältnis zwischen den Streitteilen als eine Miete von Geschäftsräumlichkeiten oder als eine Unternehmensverpachtung anzusehen ist; denn letztere unterliegt nach der herrschenden Rechtsprechung (1 Ob 707/51 = SpR 35 neu = MietSlg 2.654, auch MietSlg 3.480, 4.211 uza) nicht dem Kündigungsschutz des Mietengesetzes.
Nach den wesentlichen Feststellungen der Vorinstanzen hatte der Vater der Klägerin im Jahre 1980 in den Räumen des heutigen Sparkassengebäudes am Hauptplatz in Neunkirchen eine Konditorei gegründet und war unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg aus diesem Lokal in das streitgegenständliche Lokal übersiedelt. Im Jahre 1921 übergab er das Unternehmen der Klägerin und deren erstem Gatten. Nach dessen Tod führte die Klägerin das Geschäft zunächst während zweier Jahre allein als Witwenbetrieb und nach Eingehung ihrer zweiten Ehe mit Otto K***** in der Form weiter, dass dieser wohl den Gewerbeschein beistellte und das Geschäft führte, die Klägerin aber Eigentümerin des Unternehmens war. Da der zweite Gatte der Klägerin in den letzten Jahren seines Lebens krank war, sank der Umsatz des Unternehmens. In den letzten Kriegsjahren war das Geschäft nur an 2 bis 3 Tagen gegen Ende der Woche geöffnet. Am 3.2.1945 starb der zweite Gatte der Klägerin. Diese suchte hierauf noch vor Kriegsende um die Löschung der Gewerbeberechtigung ihres verstorbenen Gatten an und gab gleichzeitig eine Rücklegungserklärung (Verzicht auf den Witwenbetrieb) ab. Im Zuge der Ereignisse am Ende des Krieges wurde das Geschäft geplündert. In der Folge richtete sich dort die lokale Polizei ein und gab erst 1948 das Lokal frei. Nunmehr trug sich die Klägerin, um sich eine Existenzgrundlage zu schaffen, mit der Absicht, einen Handel mit Zuckerwaren zu eröffnen. Sie unternahm deshalb auch die erforderlichen Schritte bei der Handelskammer und bei der Bezirkshauptmannschaft als Gewerbebehörde und erlegte auch die Inkorporationsgebühr. Hiebei wurde sie von einem Angestellten der Handelskammer, dem Zeugen Anton M*****, überredet, nicht selbst einen Handel mit Zuckerwaren zu eröffnen, sondern das Geschäft als solches an einen Zuckerbäckermeister zu verpachten. In der Folge kam es zu vorbereitenden Besprechungen zwischen der Klägerin und dem Beklagten, in deren Verlauf schließlich am 14.4.1948 ein schriftlicher Vertrag (Beil A) verfasst wurde. Dieser Vertrag wurde als Bestandvertrag bezeichnet. Nach seinem Punkt II gibt die Klägerin dem Beklagten das im Hause ***** gelegene Geschäftslokal zum Betrieb einer Konditorei samt der Werkstätte und dem zur Werkstätte gehörigen kleinen Vorraum nebst Inventar in Bestand. Als Dauer des Bestandvertrages wurde ein Zeitraum von 6 Jahren festgesetzt. Das Inkrafttreten des Vertrages wurde davon abhängig gemacht, dass es dem Beklagten gelinge, den Gewerbeschein für den Betrieb einer Konditorei mit dem Standort im gegenständlichen Hause zu erwerben. Als Zins wurde ein fixer monatlicher Betrag von 400 S mit Wertsicherung vereinbart. Zusätzlich hatte der Beklagte die auf seine Räume entfallenden Beträge für Licht und Wassergebühren zu tragen. Außerdem verpflichtete er sich, den Sohn der Klägerin - den Helmut K***** - frühestens nach Ablauf eines Jahres, unter gewissen Voraussetzungen schon früher, bei sich als Konditorlehrling aufzunehmen und auslernen zu lassen. Der Beklagte übernahm auch die Verpflichtung, nach Ablauf des Bestandverhältnisses den Gewerbeschein zu Gunsten des Sohnes der Klägerin zurückzulegen. Falls dieser bei Ablauf des Bestandverhältnisses mit der Absolvierung der Lehr- und Gehilfenzeit noch nicht fertig sein sollte, übernahm der Beklagte die Verpflichtung, das Bestandverhältnis solange zu verlängern, bis der Sohn der Klägerin die Meisterprüfung abgelegt habe.
Nach der Ansicht des Erstgerichtes spricht zwar die vom Beklagten übernommene Verpflichtung, den Sohn der Klägerin bei sich aufzunehmen und auszubilden und nach Beendigung des Bestandverhältnisses den Gewerbeschein zu Gunsten des Sohnes der Klägerin zurückzulegen, für das Vorliegen eines Pachtvertrages, zumal sich aus der angeführten Verpflichtung des Beklagten eine Betriebspflicht ableiten lasse. Doch könne nach der Ansicht des Erstgerichtes das bloße Vorliegen einer Betriebspflicht des Beklagten den Bestandvertrag noch nicht als Unternehmensverpachtung qualifizieren. Ein Bestandvertrag sei nur dann als Pachtvertrag und nicht bloß als Miete zu beurteilen, wenn der Bestandnehmer nicht bloß Räume und allenfalls Inventar, sondern ein ganzes lebendes Unternehmen als eine rechtliche Einheit, als Gesamtsache, in Bestand nehme; für das Bestehen eines Unternehmens sei das Vorhandensein der Gesamtsache - der organisierten Erwerbsgelegenheit - maßge- bend; dazu gehören auch die nicht fassbaren Elemente wie Kundenstock, Absatzgelegenheiten und Ruf des Unternehmens. Diese nicht fassbaren Elemente seien aber durch den mehr als 3jährigen Geschäftsstillstand verloren gegangen. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass der Bestandnehmer in den Bestandräumen ein gleichartiges Unternehmen wie das vorher vom Gatten der Klägerin geführte betreibe, weil dieses vom Beklagten aufgebaute Unternehmen nicht als Fortsetzung des durch den Stillstand untergegangenen Unternehmens des Gatten der Klägerin, sondern als ein neu aufgebauter Betrieb angesehen werden müsse. Der Wert des Standortes, der mit dem vom Beklagten in Bestand genommenen Lokal zweifelsohne verbunden sei, sei unabhängig von einem allenfalls vorher bestandenen Betrieb, bzw von dem an diesem Betrieb haftenden Kundenstock. Selbstverständlich werden die Kunden, soweit sie in der nächsten Umgebung des neu eröffneten Geschäftes wohnen, dieses Geschäft wieder aufsuchen. Diese Tatsache, die sich jedoch aus dem Standort des Geschäftes ergebe, dürfe nicht mit dem Kundenstock verwechselt werden, der unmittelbar an einen bestimmten Betrieb gebunden und der allenfalls vor dem Tode des zweiten Gatten der Klägerin vorhanden gewesen sei. Diesfalls seien dem Beklagten von der Klägerin somit lediglich Räume und Inventar, aber kein Unternehmen übergeben worden.
Demgegenüber vertrat das Berufungsgericht den Standpunkt, dasss es nicht darauf ankomme, ob alle Grundlagen eines Unternehmens in Bestand gegeben worden seien, sondern nur darauf, ob wesentliche Unterlagen Gegenstand des Vertrages geworden seien und ob aus den vertraglichen Abmachungen geschlossen werden könne, dass ein Unternehmen als solches und nicht nur die dazugehörigen Räume übergeben worden seien. Im vorliegenden Falle folge schon aus der auch vom Erstrichter angenommenen Betriebspflicht des Beklagten im Zusammenhange mit seiner Verpflichtung, das Unternehmen nach Beendigung des Bestandverhältnisses dem Sohne der Klägerin zu übertragen, dass der gegenständliche Bestandvertrag nicht als ein Mietvertrag gewertet werden könne.
Dem Berufungsgericht ist nun darin beizustimmen, dass das Bestehen einer Betriebspflicht eines der ausschlaggebendsten Kriterien für die Beurteilung eines Bestandvertrages als Pacht ist (vgl 3 Ob 190/53, 1 Ob 44/54 = MietSlg 3.683, 1 Ob 530/54 = MietSlg 3.681, 2 Ob 975/54, 1 Ob 471/55 uza). Die Betriebspflicht muss nicht ausdrücklich vereinbart werden, sondern kann sich auch aus den Umständen ergeben (siehe 1 Ob 471/55), was das Berufungsgericht diesfalls mit Rücksicht auf die vom Beklagten übernommene Verpflichtung, den Sohn der Klägerin in seinem Betriebe auszubilden und ihm das Unternehmen nach der Beendigung des Bestandverhältnisses zu übergeben, ohne Rechtsirrtum angenommen hat.
Dem Berufungsgericht ist auch darin beizustimmen, dass eine Unternehmensverpachtung deshalb noch nicht ausgeschlossen werden muss, weil der in Bestand gegebene Betrieb in der Zeit von 1945 bis 1948 stillgelegt war. Dies muss insbesondere dann gelten, wenn ein durch lange Zeit - seit 1890 - ausgeübtes Gewerbe nur durch die Ungunst der Zeiten, die Kriegs- und Nachkriegsverhältnisse, aber auch durch Alter und Krankheit des Inhabers verhältnismäßig lange Zeit stillgelegt war, soferne nach den Umständen doch noch nicht von einer dauernden Stilllegung gesprochen werden kann (siehe 1 Ob 976/53 = MietSlg 4.035). Von einer dauernden Stilllegung des Betriebes kann aber diesfalls insbesondere mit Rücksicht darauf, dass in der in Betracht kommenden Zeit von 1945 bis 1948 auf die in Neunkirchen infolge der Besetzung herrschenden außergewöhnlichen Verhältnisse Bedacht genommen werden muss, im Sinne der Ausführungen des Berufungsgerichtes noch nicht gesprochen werden.
Es kann aber auch nicht gesagt werden, dass dem Beklagten durch den Bestandvertrag vom 14.4.1948 außer den Räumen und dem - damals noch vorhandenen - Inventar nichts mit dem Unternehmen der Klägerin Zusammenhängendes zur Verfügung gestellt worden sei. Zutreffend weist das Berufungsgericht darauf hin, dass nicht angenommen werden könne, dem Beklagten sei bei Abschluss des Bestandvertrages die Existenz des Konditoreigewerbes der Klägerin, das seit langen Jahren bestanden habe, gleichgültig gewesen. Denn wenn auch dieses Gewerbe in der unmittelbaren Nachkriegszeit - 1945 bis 1948 - mit Rücksicht auf die in Neunkirchen herrschenden Verhältnisse nicht in Betrieb war, so hatte sich doch in der langen vorherliegenden Betriebszeit sicherlich ein gewisser Kundenstock gesammelt und es konnte mit Grund erwartet werden, dass zumindestens ein Teil dieser Kunden mit Rücksicht auf den Standort und den seinerzeitigen Ruf des Geschäftes nach dessen Wiedereröffnung zurückfinden werde. Die Ansicht des Berufungsgerichtes, dass im vorliegenden Fall keineswegs nur die Räume die wirtschaftliche Grundlage des Bestandvertrages bildeten, widerspricht durchaus nicht der allgemeinen Lebenserfahrung. Aus den angeführten Erwägungen ist die Ansicht des Berufungsgerichtes, dass diesfalls nicht bloß eine Miete von Räumen, sondern doch eine Unternehmensverpachtung angenommen werden müsse, frei von Rechtsirrtum.
Somit war der Revision der Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
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