OGH 5Ob427/60

OGH5Ob427/6015.12.1960

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Rat des Obersten Gerichtshofes Dr. Turba als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachout, Dr. Hammer, Dr. Graus und Dr. Greissinger als Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Stefanie I*****, vertreten durch Dr. Artur Ehrenhaft, Rechtsanwalt in Wien, wegen Todeserklärung des Moricz F*****, infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 25. Juli 1960, GZ 4 R 232/60, womit der Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 11. Mai 1960, GZ 48 T 1170/59-10, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Antragstellerin beantragte, ihren geschiedenen Gatten Moricz F***** für tot zu erklären. Sie brachte zur Begründung vor, ihr Gatte habe infolge der rassischen Verfolgung der Juden im Jahre 1939 Wien verlassen und sich nach Italien und dann nach Frankreich begeben. Die Nachforschungen haben ergeben, dass er am 28. 8. 1942 von Braney nach Auschwitz deponiert wurde. Er sei nicht mehr zurückgekommen. Das nach Ablauf der Ediktfrist eingebrachte erneute Ansuchen (§ 19 Abs 1 TodErklG.) lautet ebenfalls auf Todeserklärung. Das Erstgericht sprach aus, dass Moricz F***** für tot erklärt und der 28. 8. 1942 als Zeitpunkt des Todes festgestellt wird. Es nahm die Angaben der Antragstellerin auf Grund der beigebrachten Unterlagen als erwiesen an und führte aus, die verschollene Person habe sich auf Grund der festgestellten Tatsachen in Lebensgefahr befunden. Da Anhaltspunkte für einen wahrscheinlichen Zeitpunkt des Todes nicht vorliegen, sei im Sinne des § 9 Abs 3 lit d TodErklG. 1950 er Beginn der Lebensgefahr als Zeitpunkt des Todes festzustellen gewesen.

Rechtliche Beurteilung

Dem Rekurs der Antragstellerin, in dem beantragt wurde, den 8. 5. 1945 als Zeitpunkt des Todes festzustellen, wurde nicht Folge gegeben.

Im Revisionsrekurs wird der Rekursantrag wiederholt. Die Antragstellerin führt aus, es sei nicht die bloße Vermutung, sondern die Gewissheit anzunehmen gewesen, dass der Verschollene nicht mehr am Leben ist. Der Todesbeweis könne nicht nur durch Zeugen, die beim Tod anwesend waren, erbracht, sondern auch aus anderen Umständen erschlossen werden. Sei der Tod mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit gewiss, müsse gemäß § 21 Abs 7 TodErklG. jener Tag als Todestag festgesetzt werden, von dem bewiesen ist, dass ihn der Verschollene nicht überlebte. Nur bei offener Möglichkeit, dass der Verschollene noch lebt, dürfen die §§ 7 und 9 TodErklG. angewandt werden.

Da die Entscheidungen der Untergerichte übereinstimmen, ist eine Anfechtung nur unter den Voraussetzungen des § 16 AußStrG, also nur wegen einer offenbaren Gesetz- oder Aktenwidrigkeit oder wegen einer begangenen Nichtigkeit zulässig (SZ XXI/14, 7 Ob 252/57). Eine Anfechtung wegen bloßer Verfahrensmängel ist in diesen Fällen ausgeschlossen (SZ XIX/77, XXIII/10 uva). Der Oberste Gerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, dass der Begriff der offenbaren Gesetzeswidrigkeit jenem der unrichtigen rechtlichen Beurteilung nicht gleichzuhalten ist (siehe die zahlreichen bei Fetter-Edlbacher, § 16 AußStrG, Nr. 10, abgedruckten Entscheidungen). Zum Begriff der offenbaren Gesetzeswidrigkeit gehört, dass die zur Beurteilung gestellte Frage im Gesetz selbst so klar gelöst ist, dass kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann, und trotzdem eine damit im Wiederspruch stehende Entscheidung gefällt wurde.

Es muss zwischen der in den Abschnitten I und III des Todeserklärungsgesetzes 1950 geregelten Todeserklärung und der im IV. Abschnitt dieses Gesetzes behandelten Beweisführung des Todes unterschieden werden. Jene bezweckt nur die Herstellung der Vermutung, dass der Verschollene an dem im Beschluss festgesetzten Zeitpunkt gestorben ist (§ 9 Abs 1), diese hat die Herstellung des die nicht beschaffenbare Todesurkunde ersetzenden Todesbeweises zum Gegenstand (§ 21 Abs 1). Demgemäß sind auch die Voraussetzungen verschieden. Für die Todeserklärung genügt der Nachweis einer der in den §§ 3 bis 7 angeführten Verschollenheitsfälle. Da die Todeserklärung nur eine Bescheinigung über eine bestehende Todesvermutung ist, kann folgerichtig im Beschluss nur der Zeitpunkt angegeben werden, der der wahrscheinlichste Zeitpunkt des Todes ist. Lässt sich ein solcher Zeitpunkt nicht angeben, ist in den Fällen des § 7 der Beginn der Lebensgefahr als Zeitpunkt des Todes festzustellen. Für die Beweisführung des Todes nach dem im IV. Abschnitt geregelten Verfahren sind die Voraussetzungen strenger. Hier muss gemäß § 21 der Beweis des Todes erbracht und bewiesen werden, dass die Person entweder an einem bestimmten Tag gestorben ist oder einen bestimmten Tag nicht überlebt hat, wobei dieser als Todestag festzustellen ist. Es handelt sich demnach um verschiedene Entscheidungen, die von verschiedenen Voraussetzungen abhängen und für die zum Teil auch verschiedenen Verfahrensvorschriften gelten. Das Todeserklärungsverfahren ist nur für Verschollenheitsfälle geeignet. Das wesentliche Begriffsmerkmal der Verschollenheit ist die Ungewissheit darüber, ob ein Mensch, über den keine Nachrichten vorliegen, noch lebt oder gestorben ist. Die Todeserklärung, die nur eine Vermutung des Todes begründet, kann aber ihrem Wesen nach nicht mehr in Frage kommen, wenn Gewissheit über den Tod besteht (§ 1 Abs 2 TodErklG.). Den Bedürfnis nach einen allgemeinen Beweismittel für den Tod, wenn keine Todesurkunde beigebracht werden kann, dient das im IV. Abschnitt vorgesehen besondere Verfahren zur Beweisführung des Todes. Es widerspräche den dargestellten Grundbegriffen und der klaren Absicht des Gesetzgebers, die Bestimmungen für das eine Verfahrens analog für das andere anzuwenden (vergl. 6 Ob 54/60). Es muss davon ausgegangen werden, dass die Antragstellerin nur einen Verschollenheitsfall behauptet und in ihren beiden Anträgen um die Todeserklärung angesucht hat. Es war daher nicht offenbar gesetzwidrig, dass die Untergerichte nach den Vorschriften über die Todeserklärung vorgingen. Ob im einzelnen Fall der Beweis des Todes als erbracht angesehen oder ob nur ein Verschollenheitsfall angenommen wird, ist eine Beweisfrage, die im Rahmen des Rechtsmittels nach § 16 AußStrG keinen Anfechtungsgrund bilden kann. Ob dann, wenn das Gericht zur Überzeugung gelangt, dass an dem Tod kein Zweifel bestehen kann, die Todeserklärung abgelehnt und der Antragsteller auf den Weg eines neuen Verfahrens nach dem IV. Abschnitt verwiesen werden müsste oder ob auf Antrag oder von Amts wegen (so die in Österreich nicht in Kraft gesetzte Bestimmung des § 45 Abs 1 des Verschollenheitsgesetzes vom 4. 7. 1939, DRGBl. I, S. 1186, siehe dazu auch die amtliche Begründung, DJ. 1939, S. 1311 ff, und Sabaditsch, Die Gesetzgebung über Verschollenheit, Todeserklärung und Beweisführung des Todes, S. 7, 63 und 94) das Verfahren zur Todeserklärung in das Verfahren zur Beweisführung des Todes übergeleitet werden müsste, kann im Rahmen dieses Rechtsmittels nicht erörtert werden, weil es sich diesbezüglich nur um Verfahrensfragen handelt, für deren Lösung in einer bestimmten Richtung überdies eine ausdrückliche gesetzliche Vorschrift nicht besteht. Der Revisionsrekurs musste mangels der gesetzlichen Voraussetzungen zurückgewiesen werden.

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