OGH 3Ob371/60

OGH3Ob371/603.10.1960

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Ersten Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Heller als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Liedermann, Dr. Machek, Dr. Berger und Dr. Überreiter als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W***** Versicherungsanstalt *****, vertreten durch Dr. Hermann Sackl, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Max K*****, Mechaniker, *****, vertreten durch Dr. Albin Nake, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 52.975,57 S sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 6. Mai 1960, GZ 1 R 148/60-21, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 24. Februar 1960, GZ 2 b Cg 479/59-17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben; die Urteile der Untergerichte werden aufgehoben, die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens sind wie solche erster Instanz zu behandeln.

Text

Begründung

Unbestritten ist folgender Sachverhalt:

Der Beklagte verschuldete am 19. 8. 1956 mit dem von ihm gelenkten Motorrad einen Verkehrsunfall, bei dem sein Mitfahrer Stefan P***** schwer verletzt wurde. Er wurde deshalb wegen Übertretung gegen die Sicherheit des Lebens rechtskräftig bestraft. Zwischen den Streitteilen bestand hinsichtlich des Motorrades ein Versicherungsverhältnis und zwar sowohl eine Haftpflicht- als auch Kaskoversicherung. Die Klägerin bezahlte an Schadenersatzbeträgen dem Verletzten 29.000 S und der Gebietskrankenkasse 18.882 S, auf Grund geschlossener Vergleiche. Bevor es dazu kam, übersandte sie dem Beklagten das Schreiben vom 28. 1. 1957 Blg D1, in welchem sie erklärte, mit Rücksicht auf den Verzug des Beklagten in der Zahlung der Prämie jede Leistung zu seinen Gunsten abzulehnen, dass sie aber verpflichtet sei, den Dritten zu befriedigen, wofür ihr der Beklagte Ersatz leisten müsse. Sie empfahl ihm die Angelegenheit selbst zu regeln, erklärte sich aber bereit, dies in seinem Namen zu tun. Schließlich gab die Klägerin im Sinne des § 12 Abs 3 VVG bekannt, dass er etwaige Ansprüche bei sonstigem Verlust binnen sechs Monaten geltend machen müsse. Sie schloss ihrem Schreiben einen Vordruck nachstehenden Inhaltes zur Fertigung an:

"An die W***** Versicherungsanstalt, *****.

Erklärung:

Ich habe zur Kenntnis genommen, dass Sie in Anbetracht meines Verzuges in der Zahlung der gegenständlichen Prämie für die Haftpflichtversicherung trotz eingeräumter Nachfrist gemäß § 39 VVG von der Verpflichtung zur Leistung im Schadensfalle vom 19. 8. 1956 frei sind.

Dennoch bitte ich Sie, in meinem Namen und auf meine Rechnung die von der geschädigten Partei gestellten Schadenersatzansprüche auszutragen, und verpflichte mich, sobald Sie mir von einer erfolgten Erledigung der Angelegenheit Mitteilung machen, den von Ihnen bekanntgegebenen Betrag für Schadenersatz und allfällige Kosten entsprechend Ihrem Verlangen entweder Ihnen oder der Gegenseite unverzüglich zugehen zu lassen.

Schließlich erkläre ich, evtl. Folgen eines Verzuges in der Zahlung der Schadenersatzansprüche auf mich zu nehmen."

Der Beklagte übersandte die Erklärung der Klägerin mit seiner Unterschrift vom 8. 2. 1957 zurück.

Die Klägerin begehrt Zuspruch von 52.975,57 S sA und bringt vor, der Beklagte sei trotz gehöriger Nachfristmahnung mit Versicherungsprämien im Rückstand geblieben, bevor sich der Versicherungsfall ereignet habe, weshalb sie gemäß § 39 Abs 2 VVG leistungsfrei sei. Gemäß § 158c VVG habe sie jedoch den Geschädigten und den Sozialversicherungsträger befriedigen müssen, weshalb sie gemäß § 158f VVG vom Beklagten Ersatz verlangte. Dieser habe seine Verpflichtung auch in dem genannten Schreiben vom 8. 2. 1957 anerkannt.

Der Beklagte bestreite die Nachfristmahnung und wendet ein, er habe jedenfalls so viel bezahlt, wie die Haftpflichtprämien ausmachen, sodass sich die Leistungsfreiheit der Klägerin höchstens auf die Kaskoversicherung erstrecken könne. Er bestreitet auch die Richtigkeit und Angemessenheit der von der Klägerin bezahlten Schadenersatzbeträge.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte fest, dass der Beklagte jedenfalls soviel an Versicherungsprämie bezahlt habe, dass dadurch seine Schuld für die Haftpflichtversicherung gedeckt sei; da ihm diese beschwerlicher falle, sei der bezügliche Anspruch der Klägerin gemäß § 1416 ABGB getilgt. Überdies entspreche die Mahnung nicht der gesetzlichen Vorschrift. Bei dem behaupteten Anerkenntnis handle es sich um ein bloßes Rechtsgeständnis.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es erachtete zwar die Nachfristmahnung als den gesetzlichen Vorschriften entsprechend, schloss sich aber im Übrigen der Rechtsansicht des Erstgerichtes an. Gegen das Urteil der zweiten Instanz richtet sich die Revision der Klägerin mit dem Antrag, es dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren stattgegeben werde, oder es aufzuheben und die Sache an eines der Untergerichte zurückzuverweisen. Die Revisionsbeantwortung des Beklagten wurde als verspätet zurückgewiesen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist begründet.

Mit Unrecht haben die Untergerichte in der Erklärung vom 8. 2. 1957 ein bloßes Schuldgeständnis erblickt. Die verpflichtete Kraft eines konstitutiven Schuldanerkenntnisses wird für das österr. Recht von der überwiegenden Lehre sowie von der Rechtsprechung anerkannt. Es kann nur im einzelnen Fall zweifelhaft sein, ob es sich um ein sogenanntes deklaratives Anerkenntnis, also um ein bloßes Rechtsgeständnis, eine Wissenserklärung handelt oder die als Schuldner in Anspruch genommene Person ihren Willen erklärt, die behauptete Forderung zu erfüllen. Im vorliegenden Fall hat der Beklagte in seiner Erklärung vom 8. 2. 1957 nicht nur im ersten Absatz zugegeben, dass die Klägerin leistungsfrei sei, sondern sich im zweiten Absatz ausdrücklich verpflichtet, den von der Klägerin bekanntgegebenen Betrag für Schadenersatz und allfällige Kosten entweder an sie oder an die Gegenseite zu bezahlen. Klarer kann ein Schuldversprechen also eine Willenserklärung nicht zum Ausdruck gebracht werden. Die Ansicht des Berufungsgerichtes, es handle sich um ein typisches Rechtsgeständnis, ist daher irrig. Ein deklaratives Anerkenntnis enthält keine Zahlungsversprechen, sondern bloß die Feststellung einer Rechtslage. Dem Zahlungsversprechen wird seine verbindliche Kraft auch dadurch nicht genommen, dass der zu entrichtende Betrag noch nicht ziffernmäßig feststeht. Der Beklagte kann daher wegen seines Anerkenntnisses keine Einwendungen aus dem Versicherungsverhältnis erheben. Hingegen haben die Untergerichte nicht geklärt, ob und inwieweit die Ansprüche der Dritten gerechtfertigt waren. Wenn sich auch der Beklagte verpflichtet hat, den von der Klägerin bekanntgegebenen Betrag für Schadenersatz und allfällige Kosten zu bezahlen, so ist daraus nicht zu ersehen, dass sie nach Willkür und ohne auf seine Interessen Bedacht zu nehmen, die Ansprüche der Dritten zu seinen Lasten befriedigen dürfe.

Nach dem Gesagten sind Verfahren und Feststellungen der Untergerichte mangelhaft, weshalb die angefochtenen Urteile aufzuheben und die Sache an das Erstgericht zurückzuverweisen war.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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