OGH 2Ob5/60

OGH2Ob5/608.7.1960

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Elsigan als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Sabedtisch, Dr. Köhler, Dr. Hammer und Dr. Pichler als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Magdalena K*****, vertreten durch Dr. Friedrich Fiegl, Dr. Peter Fiegl, Rechtsanwälte in Krems, N.Ö., wider die beklagten Parteien Rudolf und Pauline K*****, vertreten durch Dr. Fridl Englisch, Rechtsanwalt in Krems, N.Ö., wegen Ausgedingsleistungen (Steitwert S 47.768,70) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Krems als Berufungsgerichtes vom 12. November 1959, GZ R 399/59-33, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Spitz a. d. Donau vom 15. Mai 1959, GZ C 23/58 -25, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben, die Urteile der Untergerichte - die im Übrigen unberührt bleiben - werden in ihren, die Abweisung des Mehrbegehrens auf Zuspruch von Ersatzleistungen ab 1. 11. 1959 betreffenden Teilen und im Kostenausspruch aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Prozessgericht erster Instanz zurückverwiesen. Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind gleich weiteren Verfahrenskosten zu behandeln.

Text

Begründung

Die Beklagten sind der Sohn und die Schwiegertochter der Klägerin. Mit dem Vergleiche vom 14. 10. 1957, Cg 576/56-25 des Kreisgerichtes Krems, übergab die Klägerin die ihr gehörige Landwirtschaft samt Gasthaus gegen einen Übergabspreis und die Verpflichtung zur Leistung eines lebenslänglichen Ausgedinges an die Beklagten. Laut Punkt 3 lit f dieses Vergleiches steht es der Übergeberin frei, anstatt der bedungenen Hausmannskost beziehungsweise Krankenkost die Lieferung von genau bezeichneten Naturalien zu bestimmten Fälligkeitsterminen zu verlangen. Unbeschadet ihres jederzeitigen Rückkehrrechtes steht es der Klägerin frei, vom Hause wegzuziehen; es sind ihr dann die ausbedungenen Naturalien in einem Umkreis bis zu 12 Straßenkilometern nachzuliefern, mit Ausnahme von Milch, Butter und Eiern, welche sich die Übergeberin holen oder holen lassen kann. Außerdem wird der Übergeberin in diesem Vergleiche das Recht eingeräumt, sich ihre ausbedungenen Naturalien ganz oder teilweise um den ortsüblichen erzielbaren Verkaufserlös in Geld ablösen zu lassen. Das Erstgericht hat die Beklagten zur Zahlung von 792 S 62 g und bis zum 31. 10. 1959 zur Zahlung von Ersatzbeträgen an Stelle der in dem oben angeführten Vergleiche vereinbarten Naturalleistungen verurteilt und das Mehrbegehren auf Festsetzung der Ersatzbeträge an Stelle der Naturalleistungen für die Zukunft abgewiesen, und zwar deshalb, weil die Schwankungen der Preise in den Jahren 1957 und 1958 zeigen, dass es unmöglich sei, bestimmte Ersatzbeträge für die Naturalleistungen der künftigen Jahre festzusetzen.

Das Berufungsgericht hat das erstgerichtliche Urteil bestätigt. Dagegen richtet sich die auf § 503 Z 2, 3 und 4 ZPO gestützte Revision der Klägerin. Sie beantragt Abänderung dahingehend, dass ihrem Klagebegehren auch hinsichtlich der ab 1. 11. 1959 fälligen Leistungen für die Zukunft stattgegeben werde, allenfalls Aufhebung und Rückverweisung der Sache an die zweite Instanz. Die Beklagten beantragen in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revision kommt Berechtigung zu.

Im Revisionsverfahren ist nur mehr strittig, ob die Beklagten auch zur Zahlung von Ersatzbeträgen für die Zukunft zu verurteilen sind. Das Berufungsgericht hat dies in Übereinstimmung mit dem Prozessgericht verneint, weil es seiner Meinung nach im vorliegenden Rechtsstreit nicht um die Leistung einer Geldrente, sondern um das Relutum für die vereinbarten Naturalleistungen gehe. Es sei also von den Übernehmern keine Rente zu zahlen, sondern der jeweils zu ermittelnde Wert der Naturalgibigkeiten; nur bei Unterhaltsleistungen wäre eine Verurteilung zu erst künftig fällig werdenden Leistungen möglich. Bei der Leistung des Relutums handle es sich um die Leistung eines Schadenersatzes, das Erstgericht habe daher zutreffend das Klagebegehren pro futuro abgewiesen. Diese Lösung sei auch aus prozessökonomischen Gründen zu billigen, denn im Falle der Erhöhung des Preises für eine der abzulösenden Naturalleistungen müsste die Klägerin auf Erhöhung der pro futuro festgesetzten Beträge klagen, im Fall einer Preissenkung müssten die Beklagten eine Herabsetzungsklage einbringen. Daran hätte auch die Annahme von allfälligen zukünftigen Preisen nichts ändern können, weil es sich hiebei nur um Fiktionen gehandelt hätte.

Dieser Rechtsansicht des Berufungsgerichtes vermag das Revisionsgericht nicht beizustimmen.

Zutreffend verweist die Revision darauf, dass es sich hier entgegen der Meinung des zweiten Gerichtes nicht um die Leistung eines Schadenersatzes handelt; die Bezugnahme auf die Entscheidung GlUNF 4863, auf die sich das Berufungsgericht zur Stützung seiner Rechtsansicht beruft, schlägt nicht durch, weil es sich in dem der zitierten Entscheidung zugrunde liegenden Fall darum gehandelt hat, dass der Beklagte die vereinbarten Leistungen schuldhaft nicht erbracht hat. Die vorliegende Klage stützt sich aber nicht auf irgendein Verschulden der Beklagten, sondern auf das der Klägerin auf Grund des Vergleiches vom 14. 10. 1957 zustehende Recht, sich die bedungenen Naturalleistungen in Geld ablösen zu lassen. Ob wiederkehrende Leistungen, die entsprechend dem Vertrage an Stelle der festgelegten Naturalleistungen in Geld zu erbringen sind, Unterhaltscharakter haben, ist nach dem Zwecke der Vereinbarung zu beurteilen; wenn die Vereinbarung wie diesfalls auf die persönlichen Bedürfnisse der Übergeberin abgestellt war und somit den Zweck hatte, ihren Lebensunterhalt zu sichern, ist der Unterhaltscharakter auch bei Ablösung von Naturalleistungen zu bejahen (vgl SZ XIX 56, SZ XXIV 225, 1 Ob 535/53 u. a.). Die von der Klägerin begehrten Leistungen sind nur ein Mittel zur Beschaffung ihres Lebensunterhaltes. Sie sind daher als Unterhaltsansprüche im Sinne des zweiten Satzes des § 406 ZPO anzusehen, so dass auch eine Verurteilung zu solchen Leistungen erfolgen kann, welche erst nach Erlassung des Urteiles fällig werden. Wenn die Untergerichte meinten, dass eine Verurteilung zu künftigen Leistungen auch in Hinblick auf allfällige Änderungen der Preise nicht in Betracht zu ziehen sei, so ist ihnen entgegenzuhalten, dass dies jede Unterhaltsfestsetzung für die Zukunft unmöglich machen würde. Bloß aus prozessökonomischen Gründen kann die Anwendung des zweiten Satzes des § 406 ZPO nicht abgelehnt werden (SZ XIX 56). Zu den Ausführungen der Revisionsbeantwortung über das der Klägerin nach dem Vergleich zustehende Wahlrecht zwischen Natural- oder Geldleistungen ist zu sagen: Es handelt sich hier um eine Alternativobligation gemäß § 906 ABGB, aber auf Seiten der Klägerin; sie muss ihr Wahlrecht allerdings schon in der Klage ausüben, weil ein unbestimmtes Begehren der Bestimmung des § 226 ZPO widersprechen würde (SZ XV 119). Dies hat die Klägerin aber auch getan, denn sie verlangt in der Klage ausdrücklich die Geldleistungen. Ob sie damit ihr Wahlrecht erschöpft hat und in der Zukunft niemals mehr wieder Naturalleistungen verlangen kann oder ob sie im Sinne ihrer Ausführungen in der Klage auf S 5 in der Zukunft doch wieder einmal statt der Geldleistungen die Leistung von Naturalien begehren kann, wird von der gemäß den §§ 6 und 914 ABGB auszulegenden Vertragsbestimmung abhängen (Entscheidung vom 30. 11. 1915, GlUNF 7691, auch Gschnitzer in Klang2 IV S 374). Im vorliegenden Rechtsstreit ist diese Frage aber nicht von entscheidungswesentlicher Bedeutung, denn die gegenständliche Klage ist ausdrücklich auf Zahlung von Geldbeträgen gerichtet.

Da die Untergerichte eine Verurteilung der Beklagten im Sinne des zweiten Satzes des § 406 ZPO zu Leistungen, die erst nach Erlassung des Urteiles fällig werden, abgelehnt und daher entsprechend ihrer vom Obersten Gerichtshof nicht gebilligten Rechtsansicht zu den Ansprüchen im Einzelnen nicht Stellung genommen haben, waren ihre Urteile, insoweit sie das Mehrbegehren abgewiesen haben, und im Kostenausspruch aufzuheben und die Sache im Umfang dieser Aufhebung an die erste Instanz zurückzuverweisen (§ 510 ZPO). Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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