OGH 4Ob334/60

OGH4Ob334/605.7.1960

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Hohenecker als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schuster, Dr. Gitschthaler, Dr. Bachofner und Dr. Nedjela als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef F*****, Waagen- und Gewichtefabrik AG, Nachf. August V*****, Hauptwerk *****, Niederlassung in *****, vertreten durch Dr. Walter Krepler, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Egon T*****, Handelsvertreter, *****, vertreten durch Dr. Ingeborg Müller, Rechtsanwalt in Wien, wegen 20.000 S, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 21. April 1960, GZ 1 R 65/60-23, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 29. Jänner 1960, GZ 10 Cg 1/60-18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der Beklagten Partei die mit 735 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger begehrt vom beklagten die Bezahlung einer Geldbuße als Vergütung für erlittene Kränkungen oder andere persönliche Nachteile gemäß § 16 Abs 2 UWG in der Höhe von 20.000 S.

Das Erstgericht hat dieses Begehren abgewiesen. Es hat festgestellt, dass der Beklagte von 1947 bis Juli 1958 als Handelsagent bei der Klägerin beschäftigt war. Er hatte F*****-Waagen zu verkaufen und war berechtigt, um die Verkäufe durchführen zu können, von den Kunden alte Waagen, gleichgültig welcher Herkunft, zu kaufen. Der Kläger überließ seinen Agenten die alten Waagen unter Anrechnung auf ihre Provisionsansprüche; diese waren berechtigt, die Waagen nach erfolgter Reparatur weiterzuverkaufen. Im Juni 1957 hörte der Kläger, dass der Beklagte bei einem Kaufmann H***** in K***** eine Bestellung auf eine neue F*****-Waage auf einem Bestellschein seiner Firma entgegengenommen, dafür aber eine alte F*****-Waage selbst geliefert und verkauft habe. Auch hörte er, dass der Beklagte F*****-Waagen ohne Rechnungen verkaufe. Der Beklagte wurde schriftlich abgemahnt. Bei einer darauffolgenden Aussprache bestritt der Beklagte Schwarzverkäufe, gab aber zu, dass er Bestellungen für alte F*****-Waagen immer auf den Bestellscheinen des Klägers sich geben lasse. Der Kläger verbot ihm dies hinsichtlich der alten Waagen. Im Frühjahr 1958 sprach ein Mann namens N***** jun. beim Kläger vor und beschwerte sich über das Nichtfunktionieren einer F*****-Waage. Am 27. 6. 1958 erfuhr der Kläger von N***** sen., dass der Beklagte im Herbst 1956 auf einem Bestellschein des Klägers die Bestellung auf eine F*****-Waage entgegengenommen, aber am 5. 10. 1956 eine F*****-Waage im eigenen Namen verkauft habe. Am 29. 5. 1958 schrieb eine Lebensmittelhändlerin Josefa F***** an den Kläger, dass ihre F*****-Waage nicht funktioniere. Mitte Juni 1958 erfuhr der Kläger, dass der Beklagte der Josefa F***** am 5. 11. 1956 eine gebrauchte F*****-Waage verkauft habe, dass er sich aber die Bestellung auf einem Bestellschein des Klägers hatte geben lassen. Am 27. 9. 1958 erhielt schließlich der Kläger ein Schreiben des Karl S***** mit einer Beschwerde über seine F*****-Waage. Über Anruf erfuhr der Kläger, dass S***** dem Beklagten am 31. 8. 1956 eine Bestellung auf eine alte F*****-Waage auf einem Bestellschein des Klägers erteilte und dass der Beklagte auf dem Bestellschein vermerkt habe, dass die Waage binnen zwei Jahren kostenlos nachgestellt werde. Die Rechnung an S***** hat der Beklagte am 5. 11. 1956 in eigenem Namen ausgestellt.

In rechtlicher Hinsicht hat das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin gewürdigt, dass der Kläger einen Anspruch auf Bezahlung einer Geldbuße nach § 16 Abs 2 UWG nicht auf die Fälle N***** und F***** stützen könne, weil der Kläger von diesen beiden Fällen vor mehr als sechs Monaten ab Einbringung der Klage (19. 1. 1959) erfahren habe. Nur der Fall S***** sei bei Einbringung der Klage noch nicht verjährt gewesen. Dieser Fall habe aber weder objektiv noch subjektiv eine besondere Kränkung des Klägers hervorgerufen. Dieser Fall unterscheide sich in nichts von den vorangegangenen Fällen, dessen ersten der Kläger schon im Juni 1956 (richtig 1957) erfuhr. Trotzdem habe er den Beklagten von da an noch zwei (richtig ein) Jahre lang als Handelsagenten beschäftigt. Der Kläger habe als Partei auch angegeben, dass er sich auch noch nach dem Bekanntwerden des Falles S***** circa dreieinhalb Monate mit der Einbringung der Klage Zeit ließ, weil für ihn die Sache wenn auch wichtig, so doch nebensächlich sei. Daraus gehe hervor, dass der Kläger selbst die Vorfälle nicht anders bewerte als sie zu bewerten seien.

Über Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht die Feststellungen des Erstgerichtes übernommen und das Ersturteil bestätigt. Zur Rechtsfrage hat das Berufungsgericht ausgeführt, dass die Geldbuße nach § 16 Abs 2 UWG lediglich eine Vergütung für erlittene Kränkungen oder andere persönliche Nachteile darstelle, welche nur dann zugesprochen werden könne, wenn dies in den besonderen Umständen des Falles begründet erscheine. Solche besonderen Umstände, die eine Beeinträchtigung des seelischen und körperlichen Befindens des Klägers über das Ausmaß der mit jeder unlauteren Wettbewerbshandlung verbundenen Unlustgefühle hinaus mit sich gebracht hätten, lägen im gegebenen Falle nicht vor. Im Falle S***** könne dem Beklagten eine Rufschädigung auch dann nicht angelastet werden, wenn man berücksichtige, dass er sich zu Unrecht des Bestellscheines des Klägers bedient habe, da er den Verkauf der alten F*****-Waage gemäß der Vereinbarung mit dem Kläger durchgeführt habe. Der Kläger habe auch keinen Beweis dafür erbracht, dass es sich bei diesen von ihm behaupteten Beeinträchtigungen um wirklich ernste und schwere gehandelt habe, die über die mit jeder unlauteren Wettbewerbshandlung verbundenen Unlustgefühle hinausgehen.

Gegen das Urteil der zweiten Instanz richtet sich die Revision des Klägers aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil auf Stattgebung der Klage abzuändern. Der Beklagte hat beantragt, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht begründet.

Die ersten vier Absätze der Revision beschäftigen sich mit der Frage, ob der Kläger durch das Vorgehen des Beklagten im Falle S***** eine Rufschädigung erlitten habe. Hierauf näher einzugehen erübrigt sich, weil der Kläger nicht Schadenersatz für erlittene Rufschädigung verlangt, sondern ausdrücklich seinen Anspruch auf § 16 Abs 2 UWG stützt, somit einen angemessenen Geldbetrag als Vergütung für erlittene Kränkungen oder andere persönliche Nachteile fordert. Ein solcher Anspruch nach § 16 Abs 2 UWG kann einerseits auch dann gegeben sein, wenn keine Rufschädigung vorliegt, andererseits folgt nicht aus jeder Rufschädigung allein schon das Vorliegen eines Anspruches nach § 16 Abs 2 UWG. Ein solcher Anspruch besteht vielmehr nach der klaren Bestimmung des Gesetzes nicht allgemein bei jedem Verstoß gegen die Bestimmungen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, sondern nur, wenn dies in besonderen Umständen des Falles begründet ist. In dieser Richtung führt die Revision aus, dass die Rufschädigung den Beweis der damit verbundenen überdurchschnittlichen Unlustgefühle des betroffenen Unternehmers in sich schließe. Der Kläger habe daher seine außerordentliche Kränkung nicht eigens unter Beweis stellen müssen. Die Stärke der Unlustgefühle des Betroffenen könnte auch nicht von ihm selbst bewiesen, sondern nur durch die Gefahr erschlossen werden, in welche ihn die unlautere Wettbewerbshandlung konkret oder latent gebracht habe. Diesen Ausführungen ist zu entgegnen, dass der Kläger beweispflichtig für alle Umstände ist, die nach dem Gesetz zusammentreffen müssen, um einen Anspruch nach § 16 Abs 2 UWG zu begründen. Der Kläger hat in der Klage mit keinem Wort behauptet, dass er Kränkungen oder andere persönliche Nachteile erlitten habe. Er hat in der Klage nur angeführt, dass er als Alleininhaber der Fa. J. F***** die Rufschädigung selbst zu spüren bekam bzw in ihm weitere Auswirkungen spüren werde und außerdem Vorgänge entkräften müsste, welche der Beklagte ihm in inkorrekter Weise eingewirtschaftet hatte. Der Kläger hat in seiner Parteienvernehmung angegeben, dass er die früheren Fälle nicht verfolgt und im Falle S***** dreieinhalb Monate mit der Einbringung der Klage zugewartet habe, weil die Angelegenheit für ihn, wenn auch wichtig, so doch nebensächlich gewesen sei. Die Untergerichte haben mit Recht daraus geschlossen, dass dem Kläger durch das Vorgehen des Beklagten keine besonderen Kränkungen widerfahren sind. Der Anspruch nach § 16 Abs 2 UWG gehört nicht zu den regelmäßig aus dem UWG abgeleiteten Ansprüchen (SZ XVIII/162, SZ XXVII/316), er besteht nur, wenn dies in besonderen Umständen des Falles begründet ist (SZ XXVI/189). § 16 Abs 2 UWG eröffnet zwar die Möglichkeit, neben den unmittelbar in Geld abzuschätzenden Vermögensschaden auch auf immaterielle Nachteile Rücksicht zu nehmen, hat dabei aber nur solche Beeinträchtigungen des seelischen oder körperlichen Wohlbefindens im Auge, die den mit jeder unlauteren Wettbewerbshandlung verbundenen, natürlichen Ärger übersteigen (Hohenecker-Friedl, Wettbewerbsrecht, S 99, und die dort angeführten Entscheidungen). Dass der Kläger aber Ärger, Kränkungen oder persönlichen Nachteil erlitten hat, der den mit jeder unlauteren Wettbewerbshandlung üblicherweise verbundenen Ärger usw übersteigt, hat der Kläger weder behauptet noch bewiesen. Die Abweisung der Klage durch die Untergerichte ist daher zu Recht erfolgt. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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