OGH 3Ob180/60 (3Ob181/60)

OGH3Ob180/60 (3Ob181/60)9.5.1960

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Ersten Präsidenten Dr. Heller als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Dinnebier, Dr. Liedermann, Dr. Machek und Dr. Berger als Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Vinzenz A*****, 2.) Maria A*****, beide Besitzer vlg. K*****, beide vertreten durch Dr. Herbert Tax, Rechtsanwalt in Köflach, wider die beklagte Partei Alois D*****, Besitzer vlg. M***** , vertreten durch Dr. August Pendl, Rechtsanwalt in Voitsberg, wegen Bestehens einer Dienstbarkeit und deren grundbücherlichen Einverleibung (Streitwert 3.000 S) infolge Revision beider Parteien gegen das Urteil und den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgerichtes vom 29. Februar 1960, GZ 3 R 72/60-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Voitsberg vom 7. Dezember 1959, GZ 3 C 378/59-12, teils bestätigt, teils aufgehoben wurde in nichtöffentlicher Sitzung

1.) den Beschluss

gefasst:

Die Revision des Beklagten wird zurückgewiesen.

2.) zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision der Kläger wird nicht Folge gegeben. Die Kosten des Revisionsverfahrens werden gegenseitig aufgehoben.

Text

Entscheidungsgründe:

Unbestritten ist nachstehender Sachverhalt:

Die Kläger sind Eigentümer der Liegenschaft EZ 15 KG E*****, der Beklagte der Liegenschaft EZ 2 KG S***** mit den Grundstücken 230, 231 und 232, 240. Über den Grund des Beklagten führt ein Steig, auf dem zugunsten der Liegenschaft der Kläger ein Wegerecht besteht. Die Kläger begehren Feststellung, dass sie befugt seien, diesen Weg mit Fahrrädern, Mopeds und Krafträdern zu befahren, ferner den Beklagten zu verurteilen, in die Einverleibung dieser Dienstbarkeit einzuwilligen und jede Behinderung dieses Rechtes durch Schließen der vorhandenen Lege oder der im Verlauf des Steiges angebrachten beiden Toren zu unterlassen. Sie führen aus, sie hätten die Dienstbarkeit auch hinsichtlich der Benützung durch Fahrräder und andere ähnliche Verkehrsmittel ersessen. Der Beklagte behindere sie unzulässigerweise in der Ausübung ihres Rechtes dadurch, dass er an einem Zaun zwei Tore angebracht hatte, so dass sie gezwungen seien, die Fahrt vor Überqueren des dienenden Gutes zu unterbrechen. Außerdem störe er sie durch Anbringung einer sogenannten Lege, die aus Hopfenstangen bestehe und die beim Durchfahren erst entfernt werden müsste. Der Beklagte wendet ein, die Kläger hätten nur das Recht, den Weg zu Fuß zu benützen, nicht aber dort zu fahren. Durch die neuangebrachten Tore und durch die Lege werde die Ausübung dieses Rechtes keineswegs behindert. Das Erstgericht erkannte auf Feststellung, dass den Klägern als Eigentümer der Liegenschaft EZ 15 KG E***** die Dienstbarkeit des Gehens und des Fahrens mit Fahrrädern über die angeführten Grundstücke zustehe und verurteile den Beklagten zur Einwilligung in die bücherliche Einverleibung dieser Last. Im Übrigen wies es das Klagebegehren ab. Es nahm als erwiesen an, dass die Kläger den Weg durch mehr als 30 Jahre mit Rädern befahren hätten. Der Beklagte sei infolge Landarbeitermangels nicht mehr in der Lage, die Wiese, über welche der Weg führt, zu bebauen oder zu mähen, weshalb er sie als Koppelweide verwende. Zu diesem Zweck sei es erforderlich, den Grund einzuzäunen und an den Zugängen Tore anzubringen, ferner zeitweise Lege anzubringen, wodurch das Vieh am Entweichen gehindert werde. Durch das Öffnen und Schliessen der Tore, werde derjenige, der den Weg benützt, etwa eine halbe Minute aufgehalten. Den Klägern sei es zumutbar, mit Rücksicht auf das Interesse des Beklagten an der Absperrung der Grundfläche diese geringfügige Erschwernis hinzunehmen. Das Fahrrecht für Mopeds und Krafträder sei nicht ersessen.

Dieses Urteil erwuchs, soweit es dem Klagebegehren stattgab, in Rechtskraft. Das Berufungsgericht gab dem Rechtsmittel der Kläger, soweit das Begehren auf Behinderung der Ausübung der Dienstbarkeit durch Tore und Lege abgewiesen wurde, nicht Folge, hob das Ersturteil jedoch hinsichtlich der Abweisung des Begehrens auf Zuerkennung des Fahrrechtes für Mopeds und Krafträder auf und verwies die Sache an das Erstgericht zurück. Hiebei machte es vom Vorbehalt der Rechtskraft keinen Gebrauch.

Zu 1.) Die gegen den aufhebenden Teil der Berufungsentscheidung ergriffene Revision ist unzulässig.

Das Berufungsgericht hat allerdings den Spruch seines Urteils von dem des Beschlusses nicht gesondert, wie dies gem § 545 Abs 1 Geo erforderlich wäre, doch ändert dies nichts daran, dass die Aufhebung durch einen in die Urteilsausfertigung aufgenommenen Beschluss erfolgte. Gegen einen solchen ist das Rechtsmittel der Revision überhaupt unzulässig. Es kann aber auch nicht als Rekurs sachlich behandelt werden, weil mit Rücksicht auf das Fehlen eines Rechtskraftvorbehaltes auch dieses Rechtsmittel gemäß § 519 Z 3 ZPO unzulässig wäre.

Die unzulässige Revision war daher zurückzuweisen.

Zu 2.) Gegen den bestätigenden Teil des angefochtenen Urteiles richtet sich die Revision der Kläger mit dem Antrag, es dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren auch in diesem Umfang stattgegeben werde, oder es in diesem Punkt aufzuheben und die Sache an eines der Untergerichte zurückzuverweisen. Die Kläger führen aus, dass die Untergerichte nicht darauf Rücksicht genommen hätten, dass die festgestellte Behinderung des Weges eine wesentliche Erschwernis bedeute. Es komme noch hinzu, dass ja nach menschlichem Ermessen auf dem Hof der Kläger auch Kinder leben und wohnen würden, denen das Öffnen der großen Tore zu schwer falle. Ein Radfahrer müsste dreimal absteigen, um die vorhandenen Hindernisse zu beseitigen.

Rechtliche Beurteilung

Der Beklagte beantragt, der Revision der Kläger nicht Folge zu geben. Die Revision ist nicht begründet.

Gemäß § 484 ABGB ist jede Dienstbarkeit im Zweifel einschränkend auszulegen. Die Art der Benützung eines Weges ist nicht in allen Zeiten gleich, sie ändert sich vielfach im beschränkten Maße mit der Wirtschaftslage und den örtlichen Gepflogenheiten. So vertreten die Kläger den Rechtsstandpunkt, dass ihnen, obwohl sie selbst nicht behaupten können, den Weg seit 30 Jahren mit Krafträdern zu befahren, doch dieses Recht zustehe. Ob dies im vorliegenden Fall zutrifft, wird noch von den Untergerichten zu klären sein. In gleicher Weise kann eine Änderung der allgemeinen Wirtschaftslage nicht nur eine gewisse Erweiterung der Dienstbarkeit, sondern auch ein Erschwernis mit sich bringen. Nach den Feststellungen des Untergerichtes hat der Beklagte ein erhebliches Interesse daran, seinen als Koppelweide benützten Grund entsprechend abzuschließen. Hiezu ist er gezwungen, weil ihn die derzeitige Wirtschaftslage mit ihrem Landarbeitermangel eine andere Benützung der Grundfläche nicht mehr vorteilhaft erscheinen lässt. Er ist daher gezwungen, sein Eigentum in einer Weise zu benützen, die eine geringfügige Erschwerung der Dienstbarkeit mit sich bringt, ebenso, wie er es unter Umständen in Kauf nehmen muss, durch den Lärm und die Auspuffgase der Kraftfahrzeuge belästigt zu werden, obgleich er bei Begründung der Dienstbarkeit noch keine solche Last auf sich nehmen musste. Es kommt darauf an, ob durch das Schließen der Tore wesentliche Interessen des Dienstbarkeitsberechtigten verletzt wurden. Dies haben die Untergerichte mit Recht verneint. Das mehrmalige Absteigen vom Fahrrad kann im Tag höchstens einen Aufenthalt von wenigen Minuten mit sich bringen, wogegen das Offenlassen der Tore und die Unterlassung der Anbringung von Legen die Koppelweide und damit die zweckmäßige Bewirtschaftung erheblich stören würde (in diesem Sinn Entsch. JBl 1958 S 505).

Der unbegründeten Revision war daher ein Erfolg zu versagen. Die Kläger hätten dem Beklagten gemäß §§ 41, 50 ZPO die Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen. Da sie sich aber in der Beantwortung der Revision des Beklagten zutreffend gegen deren Zulässigkeit ausgesprochen haben, steht ihnen ebenfalls ein Kostenersatzanspruch zu. Die zweckmäßig aufgewendeten Kosten dieses Schriftsatzes sind ebenso hoch wie die der Revisionsbeantwortung des Beklagten. Die Kläger haben zwar an Gerichtsgebühren für den zweiten Bogen ihrer Eingabe um 30 S mehr verzeichnet, doch betrifft dieser Ausführungen zur Sache selbst, die im Hinblick auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels des Beklagten überflüssig waren.

Die beiderseitigen Kostenersatzansprüche waren daher gegenseitig aufzuheben.

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