OGH 2Ob53/60

OGH2Ob53/6027.4.1960

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Elsigan als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Köhler, Dr. Hammer, Dr. Pichler und Dr. Höltzel als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hans R*****, Kaufmann, *****, vertreten durch Dr. Paul Maschke, Rechtsanwalt in Radstadt, Salzburg, wider die beklagten Parteien 1.) Johann G*****, Landwirt, *****, 2.) Katharina G*****, Landarbeiterin, *****, beide vertreten durch Dr. Guntram Hörburger, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen S 17.563,67 und Feststellung (Streitwert S 20.000,--) insgesamt daher S 37.563,67 sA infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 23. November 1959, GZ 1 R 301/59-36, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 14. Mai 1959, GZ 1 Cg 796/58-26, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, den beiden beklagten Parteien die mit S 1.019,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger erlitt am 15. 6. 1955 dadurch einen Unfall, dass er mit seinem Motorrad auf der Ennstaler Bundesstraße in Eben im Pongau gegen ein Pferd prallte und zum Sturz kam. Er begehrt Schadenersatz vom Erstbeklagten als dem Eigentümer des Pferdes und von der Zweitbeklagten wegen Vernachlässigung der Verwahrung des Tieres. Weiters begehrt er die Feststellung, dass ihm die Beklagten auch allen weiteren Schaden aus dem Unfall zur ungeteilten Hand zu ersetzen haben.

Die Untergerichte haben folgenden Sachverhalt festgestellt:

Der Erstbeklagte hat am 1. 5. 1957 gemeinsam mit seiner Ehefrau das Strassergut in Eben im Pongau gepachtet. Die am 6. 8. 1932 geborene Zweitbeklagte, die Schwester des Erstbeklagten, ist dort als Magd beschäftigt. Der Erstbeklagte besaß eine vierjährige Stute Pinzgauer Rasse, die er bereits 1 1/2 Jahre vor dem Unfall gekauft und wiederholt als Zugpferd in Verwendung gehabt hatte, wobei sich das Tier nicht als autoscheu erwies.

Die Zweitbeklagte ist in der Landwirtschaft aufgewachsen und war auch immer in der Landwirtschaft tätig. Sie kannte das Pferd, seitdem es der Erstbeklagte erworben hatte. Sie war als einzige Hilfskraft auf seinem Bauerngut beschäftigt. Insbesondere oblagen ihr alle Stallarbeiten. Zu ihren Aufgaben gehörte es auch, die vorhandenen Rinder und das Pferd auf die Weide und dann wieder zurück in den Stall zu bringen.

Das Bauernhaus des Erstbeklagten befindet sich etwa 30 m von der Ennstaler Bundesstraße entfernt. Die zum Hof gehörige Weide befindet sich auf der anderen Straßenseite. Sie ist durch ein Gattertor von der Straße abgegrenzt. Von dort sind es bis zur Bundesstraße rund 10

m. Die Zweitbeklagte hat die Kühe und das Pferd wiederholt auf diese Weide gebracht. Hiebei hat sie immer zuerst die Rinder im Stall von den Halteketten losgemacht, sodann zur Stalltür hinausgetrieben, worauf diese von selbst den Weg über die Bundesstraße auf den Weideplatz nahmen. Das Pferd hingegen hat sie im Stall bereits jeweils an dem am Kopf befindlichen Halfter ergriffen und so auf die Weide geführt. Das Zurückbringen der Tiere von der Weide in den Stall geschah auf die gleiche Weise. Sie hat also auch hier das Pferd am Halfter jeweils von der Weide bis in den Stall geführt. Dem Erstbeklagten war bekannt, dass die Zweitbeklagte den Viehtrieb auf diese Weise durchführte.

Am Unfallstag (15. 6. 1955) hat die Zweitbeklagte wie üblich die Kühe, nachdem sie das Gattertor geöffnet hatte, aus der Weide getrieben, worauf sich diese allein über die Bundesstraße in den Stall begaben. Sie fing dann das Pferd am Halfter ein, führte es, indem sie es am Halfter hielt, im normalen Fußgängertempo zum Gattertor und ging dann mit ihm über die vor diesem Tor befindliche Brücke über einen Bach zur Bundesstraße. Die Kühe hatten in diesem Zeitpunkt längst die Straße überquert. Als sich die Zweitbeklagte mit dem Pferd kurz vor der Bundesstraße befand, fuhr ein Motorrad im raschen Tempo vorbei. Hiedurch erschreckt, scheute das Pferd, worauf die Zweitbeklagte es ausließ, um nicht mitgerissen zu werden; das Pferd sprang sodann in die Fahrbahn und zwar in dem Augenblick, als sich der ca 40 m hinter dem ersten Motorradfahrer auf seinem Motorrad fahrende Kläger nur mehr wenige Meter von dem Pferd entfernt befand, sodass ein Anhalten des Motorrades oder ein anderes Abwehrmanöver ausgeschlossen war. Die Zweitbeklagte hat weder das Herankommen des ersten Motorrades, durch dessen Lärm das Pferd scheute, noch das Herankommen des vom Kläger gelenkten zweiten Motorrades gehört. Sie hat auch nicht die Annäherung der beiden Motorräder gesehen und war dazu auch nicht in der Lage, weil die Straßenböschung zum Bach, von dem sie sich der Straße zu näherte, dicht mit Sträuchern bewachsen ist.

Der Kläger befand sich in Gesellschaft seines Kameraden M***** von München kommend mit seinem Motorrad Marke BMW auf dem Weg nach Kärnten. Die beiden Motorradfahrer fuhren werkseigene Motorräder der BMW-Werke und sollten am nächsten Tag in Kärnten an einer Wertungsfahrt teilnehmen. Beide Maschinen waren im ausgezeichneten Zustand, entwickelten während der Fahrt auch nur normale Fahrgeräusche, wobei gerade Motorräder der Marke BMW als geräuscharm bekannt sind. Beide Fahrzeuge hatten an der Unfallstelle eine Geschwindigkeit von etwa 70 km/h und hielten sich auf der rechten Seite ihrer Fahrbahn. Die Straße ist an der Unfallstelle 5,80 m breit und verläuft gerade und ohne Gefälle oder Steigung. Die Straßenoberfläche bestand aus Schotter. Durch eine etwas überhöhte Brücke knapp vor der Einmündung des Zugangs zur Weide war die Sicht in Fahrtrichtung des Klägers auf etwa 50 m beschränkt. Das Motorrad des Klägers prallte mit unverminderter Geschwindigkeit an das Pferd, wodurch dieses zum Sturz kam. Der Kläger selbst kam nach dem Anprall ca 7,80 m weiter im linken Straßengraben zu liegen. Das Motorrad rutschte noch weiter dahin und kam erst nach 19 m im linken Straßengraben zum Stillstand. Die Motorradfahrer konnten die Einmündung des Weges von der Weide her ebenso wie die Weide selbst nicht sehen, da beide durch an der Straßenböschung stehende Sträucher verdeckt waren.

Der Kläger erlitt durch den Unfall eine Gehirnerschütterung, eine Prellung des Brustkorbes und des rechten Mittel- und Ringfingers sowie der rechten Schulter und des rechten Armes. Außerdem erlitt er verschiedene Abschürfungen und eine Platzwunde am Schädel. Das Erstgericht hat aus diesem Sachverhalt den Schluss gezogen, dass beiden Beklagten ein Verschulden anzulasten sei und zwar dem Erstbeklagten, weil er nicht alle Maßnahmen veranlasst habe, die zur Vermeidung eines derartigen Unfalles nötig gewesen wären, der Zweitbeklagten aber, weil sie sich mit dem Pferd auf die Straße gewagt habe, obwohl sie wissen habe müssen, dass sie es im Falle des Scheuens nicht zu bändigen in der Lage sein werde. Ein Mitverschulden des Klägers wurde verneint. Bezüglich der Höhe der klägerischen Ansprüche hat das Erstgericht ein Schmerzengeld von S 7.800,-- für angemessen gehalten und daher dieses nebst den der Höhe nach unbestrittenen Heilungskosten und dem Ersatz für Sachschäden dem Kläger zugesprochen. Das Mehrbegehren auf Zahlung eines weiteren Betrages an Schmerzengeld in der Höhe von S 7.200,-- wurde hingegen abgewiesen. Die von den Beklagten einredeweise geltendgemachte Gegenforderung von S 8.000,-- wurde im Spruch überhaupt nicht erwähnt, in den Gründen aber als nicht zu Recht bestehend erklärt. Dem Feststellungsbegehren hat das Erstgericht deshalb stattgegeben, weil ein solches für den Fall künftiger Schäden notwendig und zulässig sei.

Das Berufungsgericht hat unter Übernahme der erstgerichtlichen Feststellungen das Klagebegehren aus rechtlichen Gründen zur Gänze abgewiesen und den Kläger mit seiner Berufung gegen die Abweisung des Mehrbegehrens an Schmerzengeld auf diese Entscheidung verwiesen. Dagegen richtet sich die auf § 503 Z 4 ZPO gestützte Revision des Klägers. Er beantragt Abänderung dahingehend, dass das erstgerichtliche Urteil in seinem stattgebenden Teil wiederhergestellt und auch seiner Berufung gegen den abweisenden Teil des erstgerichtlichen Urteils Folge gegeben werde. Allenfalls wird Aufhebung, soweit die Sache die klägerische Berufung gegen den abweisenden Teil des erstgerichtlichen Urteils betrifft, und Rückverweisung an das zweite Gericht zwecks neuerlicher Verhandlung und Entscheidung im Umfange der Aufhebung beantragt. Die beklagten Parteien beantragen in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht begründet.

Zutreffend hat das Berufungsgericht den Erstbeklagten als Tierhalter im Sinne des zweiten Satzes des § 1320 ABGB angesehen, weil er als Wirtschaftsbesitzer und Eigentümer des Pferdes darüber zu verfügen und daher auch darüber zu entscheiden hatte, wie das Tier zu beaufsichtigen und zu verwahren sei.

Wie der Oberste Gerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, ist die Haftung gemäß dem zweiten Satze des § 1320 ABGB eine Verschuldenshaftung mit umgekehrter Beweislast. Sie ist nur dann zu bejahen, wenn die nach den Umständen gebotenen Vorkehrungen unterlassen worden sind. Sie tritt somit nur dann ein, wenn der Tierhalter die nach den ihm bekannten oder doch erkennbaren Eigenschaften des Tieres erforderliche und nach der Verkehrsauffassung von ihm vernünftigerweise zu erwartende Verwahrungspflicht vernachlässigt hat und infolgedessen durch das Tier ein Schaden angerichtet wurde. Für die Beurteilung sind stets die Umstände des Einzelfalles maßgebend, wobei die Anforderungen an die Verwahrungs- und Beaufsichtigungspflicht nicht in einem solchen Maße überspannt werden dürfen, dass dadurch das Halten von an und für sich ungefährlichen Haustieren unmöglich gemacht wird. Wenn das Gesetz von "erforderlicher" Verwahrung oder Beaufsichtigung spricht, so ist das Wort "erforderlich" nicht absolut zu nehmen; der Tierhalter haftet nicht schon deshalb für einen Schaden, weil die Verwahrung oder Beaufsichtigung nicht so sorgsam war, dass jeder Schaden in allen Fällen ausgeschlossen werden konnte (vgl 2 Ob 338/56 und die darin zitierten weiteren Entscheidungen, insbes SZ XXV 278, auch Wolff in Klang2 VI S 113/114).

Im Sinne dieser rechtlichen Erwägungen hat das Berufungsgericht eine Haftung des Erstbeklagten nach dem zweiten Satze des § 1320 ABGB ohne Rechtsirrtum verneint. Der Beklagte konnte seiner am 6. 8. 1932, also im Zeitpunkte des Unfalles im 23. Lebensjahr stehenden, in der Landwirtschaft aufgewachsenen Schwester (Zweitbeklagte) ohne Bedenken und ohne Verstoß gegen die Bestimmungen des § 60 StPolG und § 80 StPolO die Beaufsichtigung des Pferdes überlassen, zumal er es bereits 1 1/2 Jahre vor dem Unfall gekauft und wiederholt als Zugpferd verwendet und es sich hiebei nicht als autoscheu erwiesen hatte.

Es kann auch nicht deshalb, weil das Pferd auf dem Wege von und zur Weide über die Ennstaler-Bundesstraße geführt werden musste, vom Beklagten verlangt werden, dass er deshalb noch eine zweite Person zur Beaufsichtigung des Tieres heranziehen hätte müssen; es würde geradezu einer Lahmlegung des landwirtschaftlichen Betriebes gleichkommen, wenn jede 4-jährige Pinzgauer Stute stets dann, wenn sie eine Bundesstraße zu überqueren hätte, von zwei Personen bewacht werden müsste. Zum Übrigen weist das Berufungsgericht zutreffend darauf hin, dass auch eine zweite Person nicht verhindern hätte können, dass das ansonsten fromme Pferd plötzlich scheu werden und ausreißen könnte. Der Oberste Gerichtshof hat bereits zu 2 Ob 335/56 ausgeführt, dass die Verwendung von Pferden in landwirtschaftlichen Betrieben wohl kaum möglich wäre, wenn solche Maßnahmen verlangt würden, die ein Scheuen der Tiere unter allen Umständen unmöglich machen. Dem Berufungsgericht ist auch dahin beizustimmen, dass es im Falle eines plötzlichen Scheuens auch einem kräftigen Manne vermutlich schwer gefallen wäre, das Pferd zu halten; es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass das Aufhalten scheuender Pferde unmöglich oder doch sehr schwierig und oft mit Lebensgefahr verbunden ist. Wenn aber auch die Verwendung von Pferden besondere, oft nicht voraussehbare Gefahren mit sich bringt, so reichen diese besonderen Gefahren doch nicht entfernt an die Gefahren der sogenannten gefährlichen Betriebe und des Kraftfahrzeugverkehrs heran. Zu einer ausdehnenden Auslegung des § 1320 ABGB, die ganz oder teilweise auf eine vom Gesetzgeber nicht gewollte Zufallshaftung hinausliefe, besteht kein Anlass.

Dem Erstbeklagten könnte nur dann ein Vorwurf gemacht werden, wenn er gewusst hätte, dass das Pferd autoscheu ist; die Untergerichte haben aber das Gegenteil festgestellt. Ob für die Beaufsichtigung der Kühe entsprechend gesorgt wurde, ist mangels Unfallskausalität bedeutungslos. Die Kühe hatten im Zeitpunkt des Unfalles bereits die Straße überquert, sodass die Aufmerksamkeit der Zweitbeklagten durch sie nicht mehr in Anspruch genommen und sie nicht dadurch von der Beaufsichtigung des Pferdes abgelenkt wurde.

Da somit eine Haftung des Erstbeklagten im Sinne des 2. Satzes des § 1320 ABGB abzulehnen ist und eine allfällige Haftung nach § 1315 ABGB infolge Untüchtigkeit der Zweitbeklagten überhaupt nicht geltend gemacht wurde, und bei der gegebenen Sachlage auch nicht in Betracht kommen würde, hat das Berufungsgericht das Klagebegehren gegenüber dem Erstbeklagten mit Recht abgewiesen.

Aber auch gegenüber der Zweitbeklagten ist das Klagebegehren nicht begründet. Insofern das Berufungsgericht hinsichtlich ihrer Person anführt, es könne dahin gestellt bleiben, ob sie auch als Tierhalter anzusehen sei, weil sie jedenfalls den ihr im Falle einer Bejahung ihrer Haltereigenschaft obliegenden Entlastungsbeweis erbracht habe, ist ihm darin beizustimmen, dass sie bei der gegebenen Sach- und Rechtslage auch nach dem zweiten Satz des § 1320 ABGB nicht haften würde. Doch ist mit Rücksicht darauf, dass sie als Dienstmagd des Erstbeklagten das Pferd nur entsprechend den erteilten Weisungen zu beaufsichtigen und keine selbständige Verfügungsgewalt darüber hatte, ihre Haltereigenschaft zu verneinen; da sie aber als Halterin nicht haften würde, weil ihr der Entlastungsbeweis gelungen wäre, kann noch weniger ihre Haftung nach dem ersten Satz des § 1320 ABGB angenommen werden, in welchem Falle der Kläger nach allgemeinen Grundsätzen (§ 1296 ABGB) den Beweis ihres Verschuldens erbringen müsste. Dass sie durch die Kühe nicht mehr in der Beaufsichtigung des Pferdes beeinträchtigt wurde, wurde bereits oben gesagt.

Ob das Pferd von der Weide aus sofort auf die Bundesstraße gelangte oder ob es nachdem Passieren des Gatters und der Holzbrücke über den Bach noch ca 2 m bis zur Straße gehen musste, ist nicht entscheidungswesentlich; insofern die Revision in diesem Zusammenhange rügt, dass das Berufungsgericht entgegen den tatsächlichen Verhältnissen in seiner Urteilsbegründung ausgeführt habe, dass das Pferd "nur die Bundesstraße" zu überqueren gehabt habe, wäre eine solche - übrigens nicht ausdrücklich unter Anrufung des Revisionsgrundes der Z 3 des § 503 ZPO geltend gemachte - Aktenwidrigkeit daher bedeutungslos. Entscheidend ist, dass die Zweitbeklagte das Pferd nach den Feststellungen der Untergerichte, indem sie es am Halfter hielt, über die Brücke bis zur Bundesstraße führte. Damit hat sie die nach den Umständen des Falles von ihr zu verlangende Sorgfalt beachtet. Damit, dass das Pferd, das sie als nicht bösartig und nicht autoscheu kannte, sich plötzlich doch infolge des Geräusches vorbeifahrender Kraftfahrzeuge losreißen werde, musste sie unter Berücksichtigung des normalen Laufes der Dinge nicht rechnen, sie hat dies daher auch nicht zu verantworten. Wenn der Revisionswerber aber meint, dass von einem Kraftfahrer auch "im Bereiche ländlicher Gegenden" nicht verlangt werden könne, dass er mit dem plötzlichen Auftauchen von Tieren auf der Straße rechnen müsse, so geht dieses Vorbringen ins Leere, weil ja die Untergerichte ohnehin ein Mitverschulden des Klägers nicht angenommen haben. Entscheidend ist in diesem Falle nur, ob ein Verschulden der Beklagten vorliegt, was jedoch von den Untergerichten aus den bereits angeführten Gründen mit Recht verneint wurde. Es ist aber auch entgegen der in der Revision vorgetragenen Ansicht zumindestens in dieser allgemeinen Form nicht richtig, dass ein Kraftfahrer in ländlichen Gegenden mit dem plötzlichen Auftauchen von Tieren - ebenso wie mit dem plötzlichen Auftreten anderer Hindernisse - überhaupt nicht rechnen muss. Vor allem trifft dies dann nicht zu, wenn wie im vorliegenden Falle die Sicht in der Fahrtrichtung des Klägers nach den Feststellungen der Untergerichte auf etwa 50 m beschränkt war. Der Kraftfahrer, der durch ländliche Gegenden fährt, muss eben gemäß § 18 Abs 1 StPolG = § 20 Abs 1 StPolO seine Fahrgeschwindigkeit stets so wählen, dass er jederzeit in der Lage bleibt, seinen Verpflichtungen bei der Führung und Bedienung des Fahrzeuges Genüge zu leisten und daher sein Fahrzeug auch beim Auftauchen von Tieren so rasch als möglich zum Stehen zu bringen (§ 18 Abs 6 StPolG = § 20 Abs 6 StPolO). Dies muss bei allem Verständnis für die Bedürfnisse der immer zunehmenden Motorisierung des Verkehrs auch vom modernen Automobilisten verlangt werden. Wenn der Kläger die angeführten Vorschriften entsprechend beachtet hätte, wäre der Unfall wohl auch kaum vermieden, aber voraussichtlich doch zumindest in seinen Wirkungen wesentlich vermindert worden. Für die Frage des Verschuldens der Beklagten ist dies aber, wie bereits gesagt wurde, nicht entscheidungswesentlich.

Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsirrtum hinsichtlich beider Beklagter ein Verschulden verneint. Eine Ausgleichspflicht nach § 17 Abs 2 KraftfVerkG - auf die im Verfahren einmal (S 17) Bezug genommen wurde - scheidet aus, weil sie eine Folge der Schadenersatzpflicht des Tierhalters ist und ohne eine solche nicht bestehen kann (s die in Bartsch-Veit5 auf S 114 unter Nr 5 zitierten Entscheidungen). Somit war der Revision der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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